Förster, Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 15.05.1910; Frankfurt am Main
Sterbedatum/-ort: 20.05.1974;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Physiker, Physikochemiker
Kurzbiografie: 1920–1929 Adlerflychtschule bis Ostern 1926, dann Klinger-Oberrealschule in Frankfurt bis Abitur
1929 IV–1933 XI Studium d. Physik u. Mathematik an d. Univ. Frankfurt
1933 XI 15 Promotion zum Dr. phil. nat.: „Zur Polarisation von Elektronen durch Reflexion“; Rigorosum 31.7.1933
1933 VII–1935 III Besoldeter Hilfsassistent für Physikalische Chemie in Frankfurt, ab 1935 in Leipzig
1935 IV–1942 IV bis Okt. 1938 apl., dann planm. Assistent am Institut für Physikalische Chemie d. Univ. Leipzig
1938 IX–XII Habilitation: „Die gegenseitige Beeinflussung d. Valenzen im Kohlenstoffatom“
1940 IV Ernennung zum Dozenten für Physikalische Chemie; Lehrprobe „Die Gestalt des Benzolmoleküls“ am 11.10.1939
1942 V–1945 I ordentlicher Professor u. Direktor des Instituts für Physikalische Chemie (bis August 1942 stellvertretend) an d. Reichsuniv. Posen (heute: Polen)
1945 II–1947 XI Aufenthalt in Göttingen; private Forschungstätigkeit
1947 XII–1951 IV Stellvertretender Leiter des zu errichtenden Max-Planck-Instituts für Physikalische Chemie in Göttingen bis Mrz. 1949, dann Abteilungsleiter
1951 V–1974 V ordentlicher Professor u. Direktor des Laboratoriums für Physikalische Chemie u. Elektrochemie an d. TH (ab 1967 Univ.) Stuttgart; Antrittsvorlesung „Probleme d. Photochemie“ am 13.7.1954
1954–1974 Mithg. d. 1954 gegr. „Zeitschrift für physikalische Chemie, N. F.“
1960–1962 Dekan d. Fakultät für Natur- u. Geisteswissenschaften
1964 I Ruf an die TU München, im Nov. abgelehnt
1964 VI–1974 V Honorarprofessor an d. Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Wissenschaftl. Mitglied d. Max-Planck-Gesellschaft (1950); auswärtiges wissenschaftl. Mitglied des Max-Planck-Instituts für Physikalische Chemie, Göttingen (1952); Mitglied d. Society of the Sigma XI devoted to the promotion of research in science d. Universität Florida, USA (1963); Mitglied d. Kommission für Molekülstruktur u. Spektroskopie d. IUPAC, Internationale Union für reine u. angewandte Chemie (1963); Mitglied d. Kommission für Physikalische Chemie d. IUPAC (1965); Mitglied des ständigen Ausschusses d. Dt. Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (1966– 1967); Bunsen-Gedenkmünze d. Dt. Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (1971); Finsen-Medaille des Internationalen Kongresses d. Photobiologie (1972); „Theodor-Förster-Gedächtnisvorlesung“ (ab 1976)
Verheiratet: 1943 (Posen) Martha Pauline, geb. Schmölder (1917–2009)
Eltern: Vater: Theodor (1883–1974), Arbeiter (Expedient in Frankfurt)
Mutter: Johanna, geb. Scriba (geboren 1880)
Geschwister: keine
Kinder: 2;
Eberhard Wolfgang (geboren 1945), Dr. phil. nat., Dr. med., Chemiker u. Mediziner,
Carl Dietrich (geboren 1947), Dr. phil. nat., Physiker
GND-ID: GND/1012758389

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 119-124

Förster wurde in eine bescheidene Frankfurter Familie geboren. Sofort nach seinem Abitur 1929 meldete sich Förster an der Universität seiner Heimatstadt an, wobei er als angestrebten Beruf „Technischer Physiker“ nannte. In einem Lebenslauf von 1950 wies Förster darauf hin, er habe in Frankfurt „Physik, Chemie und Mathematik“ studiert. Mag sein, dass er gelegentlich Chemievorlesungen besuchte, tatsächlich waren seine Fächer aber Physik und Mathematik. In dem seiner Dissertation beigelegten Lebenslauf listete er seine „akademischen Lehrer“ auf: fünf Physiker, drei Mathematiker, einen Geographen und einen Zoologen, den sehr beliebten Otto zur Strassen (1869–1961), jedoch keinen Chemiker.
Vom Wintersemester 1930/31 an beschäftigte sich Förster mit seiner Doktorarbeit, deren Thema der Professor für Theoretische Physik Erwin Madelung (1881–1972) ihm gestellt hatte. Es handelte sich dabei um einen allgemeinen Beweis, dass ein unpolarisiert einfallender Elektronenstrahl bei der Reflexion nicht polarisiert wird. Obwohl Problemstellung und allgemeiner Ansatz dem Doktoranden vorgegeben wurden, arbeitete er „ganz selbstständig […], das Wesentliche der Arbeit ist sein geistiges Eigentum“ (UA Frankfurt, Abt. 146, Nr. 768), wie Madelung in seinem Gutachten über die sehr gut bewertete Arbeit schrieb. Das Rigorosum fand am 31. Juli 1933 statt. Die Nebenfächer waren Experimentalphysik und Mathematik, alle wurden sehr gut bewertet. Die Prädikate im Doktordiplom vom 15. November lauteten für die Doktorarbeit „sehr lobenswert“ und für das Examen „vorzüglich bestanden“.
Kaum war die Dissertation beendet, noch vor dem Rigorosum, nahm der Ordinarius für physikalische Chemie Karl Friedrich Bonhoeffer (1899–1957) Förster als besoldeten Hilfsassistenten in sein Institut. Er brauchte einen Theoretiker; vielleicht hatte Madelung seinen begabten jungen Doktoranden empfohlen.
Obwohl „ihn der ganze Partei- und SA-Rummel anwidere“, wie Förster 1933 zu Bonhoeffer sagte (so dessen Zeugnis vom 11.4.1946, UA Stuttgart SN 56, Nr. 6), trat Förster in den letzten Monaten seines Studiums in die SA und NSDAP ein. Er stand unter starkem Druck sehr einflussreicher junger NS-Aktivisten, die das als „vaterländische Pflicht“ forderten. Unter solchen Umständen war offensichtlich, dass keine akademische Laufbahn ohne Eintritt in die NS-Organisationen für den 23-jährigen möglich gewesen wäre. Darum stimmte auch Bonhoeffer zu. Dass Förster unter Druck handelte und nur nominelles Parteimitglied war, bestätigte auch eine ganze Reihe anderer Professoren. 1948 wurde er entlastet und behielt die Erlaubnis zur Lehrtätigkeit.
Als Bonhoeffer Ende 1934 nach Leipzig wechselte, folgte Förster der Einladung und ging mit. Er arbeitete dort dann als „Haustheoretiker“ und „Rechner für alles“ (Weller, 1970, 219). Geschickt löste er verschiedene Probleme, die bei Bonhoeffer und dessen Mitarbeitern bestanden. Entsprechend bunt ist die Thematik von Försters damaligen Publikationen. Dies war aber auch eine sehr gute Schule in der ganzen Vielfalt der physikalischen Chemie. Sicherlich waren Förster auch die Kontakte mit dem Professor für Theoretische Physik Werner Heisenberg (1901–1976) wichtig, einem der Begründer der Quantenmechanik.
Es fällt auf, dass die Interessen Försters sich mehr und mehr auf quantenmechanische Theorien der chemischen Bindung konzentrierten, besonders in organischen Stoffen. Auf diesem Gebiet führte er eine ausführliche theoretische Arbeit über Valenzen des Kohlenstoffatoms durch, die er dann im Juni 1938 der Fakultät als Habilitationsschrift vorlegte. Mit Genehmigung des Ministeriums verlieh ihm die Fakultät im Dezember 1938 den Grad „Dr. phil. habil.“. Nach dem vorgeschriebenen weiteren Verfahren einschließlich Lehrprobe wurde Förster zum Dozenten der physikalischen Chemie ernannt. Mit „großer Hingabe und außerordentlichem Erfolg“ (UA Frankfurt, Abt. 13, Nr. 262) las er dann über „Optische Methoden in der Chemie“.
Im Januar 1942 wurde Förster durch den Reichsminister beauftragt, „mit Wirkung vom 1. Februar 1942 die Vorarbeiten für die Errichtung eines Lehrstuhls für physikalische Chemie […] an der Reichs-Universität Posen zu übernehmen“ (UA Leipzig, PA 466, Bl. 7), die im April 1941 an Hitlers Geburtstag eröffnet wurde. Ab Mai 1942 war Förster in Posen kommissarischer Direktor des neu zu errichtenden physikalisch-chemischen Instituts, im August wurde er o. Professor. Neben der Einrichtung seines Instituts hielt Förster anfangs nur 3 Stunden wöchentlich Vorlesungen über Physikalische Chemie. Zum Sommersemester 1943 konnte er das erste physikalisch-chemische Praktikum und Kolloquium im eigenen Institut durchführen.
Als die Kriegsfront im Januar 1945 vorrückte, begab sich Förster nach Göttingen, wo er Kriegsende und britische Besatzung erlebte. Soweit es die Verhältnisse erlaubten, setzte er seine theoretischen Forschungen fort; bereits 1946 erschienen erste Publikationen. Nachdem im September 1946 die Max-Planck-Gesellschaft, MPG, in der britischen Zone gegründet worden war, erstrebte ihr Präsident Otto Hahn (1879–1968) ab März 1947 die Errichtung eines Instituts für Physikalische Chemie in Göttingen, das die Tradition des Berliner „Kaiser-Wilhelm-Instituts“ fortsetzen sollte. Förster wurde beauftragt, am 1. Dezember 1947 auf dem Gelände der Aerodynamischen Versuchsanstalt eine „Arbeitsstätte für Strukturforschung in der MPG“ kommissarisch zu übernehmen und die Errichtung des Instituts vorzubereiten. Im März 1949 kam Bonhoeffer dann als Direktor des neuen Max-Planck-Instituts für Physikalische Chemie nach Göttingen. Förster wurde Leiter der Strukturabteilung und im Dezember 1950 ernannte ihn der Senat der MPG zum Wissenschaftlichen Mitglied von Institut und Gesellschaft.
Die Göttinger Zeit gilt als die bedeutendste in Försters Forscherleben. Obwohl er bereits in Leipzig Ansätze zu Zusammenhängen zwischen Licht und durch Licht hervorgerufenen Veränderungen in organischen Molekülen gesucht hatte, fielen die entscheidenden Durchbrüche in die Göttinger Jahre, als Förster seine Forschungen ausschließlich der Photochemie widmete. Im Allgemeinen beschrieb Förster Problemstellungen etwa so: Durch Absorption eines Lichtquants wird das Elektronensystem des betreffenden Moleküls in einen angeregten Zustand versetzt, in dem es wesentlich reaktionsfähiger ist als im Normalzustand. Die Photochemie beschäftigt sich traditionell mit chemischen Reaktionen von angeregten Molekülen, bei denen die Energie der Anregung verbraucht wird. Mit erstaunlichem Gespür für Neues eröffnete und entwickelte Förster eine „unkonventionelle Photochemie“ (Förster, 1972), die sich im Gegensatz zu „konventioneller Photochemie“ auf Prozesse konzentriert, die unter Erhaltung der Anregung erfolgen. Försters erste Publikation dazu enthält Überlegungen über „Energiewanderung“ zwischen Molekülen ausgehend vom Standpunkt der klassischen Physik, besonders bei der Photosynthese. Mitte 1947 beendete er seine grundlegende Arbeit, in der er zwischenmolekulare Übertragung von Elektronenanregungsenergie quantenmechanisch behandelte. Dabei entdeckte er eine nichttriviale Energieübertragung von einem angeregten Sensibilisatormolekül zu einem Energieakzeptor, die durch Dipol-Dipol-Kopplung über große Abstände erfolgte. Diese Kopplung illustrierte Förster durch die Analogie mit der Kopplung mechanischer Pendel. Bald wurde dies als „Förster Energy Transfer“ international anerkannt. Heute wird es als „Förster Resonance Energy Transfer“, FRET, bezeichnet und ist samt Geschichte dieser Entdeckung und ihrer Entwicklung in der Fachliteratur, beispielsweise bei Masters (2014), ausführlich dargestellt. Krönung der Göttinger Periode war die Herausgabe der seiner Frau gewidmeten und klassisch gewordenen Monographie „Fluoreszenz organischer Verbindungen“ 1951.
1950 erhielt Förster zwei Rufe auf vakante Lehrstühle für Physikalische Chemie, nach Frankfurt und Stuttgart. In beiden Berufungslisten stand er an erster Stelle als „der beste Physikochemiker der jüngeren Generation“ (UA Frankfurt, Abt. 13, Nr. 262). Obwohl Förster seine Unterlagen nach Frankfurt schickte, und das Kuratorium mit seiner Kandidatur einverstanden war, gibt es keine Informationen über weitere Verhandlungen, der Stuttgarter Ruf dagegen gestaltete sich positiv.
Nach Stuttgart kam Förster bereits als reifer Gelehrter mit klar definierter Arbeitsrichtung. Es erwies sich als hilfreich, dass das Institut vor seinem Antritt geteilt und die früher überwiegende Metallkunde ins entsprechende Max-Planck-Institut in Stuttgart transferiert worden war. Dennoch waren Försters Aufgaben nicht leicht; denn er musste nahezu bei Null anfangen und den Unterricht der Physikalischen Chemie wie die Forschungsarbeit aufbauen. Bei der Einrichtung des Forschungslaboratoriums hat er besonders darauf geachtet, dass es auch dem Unterricht diente und interessierte Physik- und Chemie-Studenten ihre Diplom- und Doktorarbeiten dort durchführen konnten. Bezeichnend für die damalige Situation: Förster musste seine Antrittsvorlesung „Probleme der Photochemie“ über drei Jahre hinauszögern, bis die für Demonstrationen notwendigen Apparaturen beschafft waren.
Sein viersemestriger Hauptkurs der physikalischen Chemie schloss „Chemische Thermodynamik“, „Elektrochemie“, „Aufbau der Materie“ und „Reaktionskinetik“ ein. Außerdem las Förster bis Mitte der 1960er-Jahre eine Stunde wöchentlich spezielle Themen für Fortgeschrittene, z.B. „Probleme der Fluoreszenz organischer Verbindungen“, „Chemische Bindung“, „Absorptionsspektren organischer Verbindungen“, „Die quantenmechanische Theorie der aromatischen Bindung“ und „Elektronenstruktur von Molekülen“. Materialien aus dem Nachlass Försters im Universitätsarchiv Stuttgart (SN 56, Nr. 19 bis 30) zeigen, dass die Abschnitte seines Hauptkurses bis Mitte der 1950er-Jahre formuliert waren, dann hat er seine Manuskripte fortgeschrieben. Diese Entwürfe lassen Försters Sorgfalt erkennen, auch bei der Vorbereitung des Unterrichts; zu jedem Abschnitt seines Hauptkurses erarbeitete er zahlreiche Übungen. Trotz eines großen Unterrichtspensums blieb der Schwerpunkt seiner Tätigkeit die Forschungsarbeit auf dem Gebiet der „unkonventionellen Photochemie“.
Eine wichtige Ausrichtung der Stuttgarter Arbeiten basierte auf einer Entdeckung, die schon in Göttingen gemacht worden war: Aufgrund der Abhängigkeit der Fluoreszenzspektren einiger Verbindungen von der Azidität der Lösung wurden Erscheinungen der Protonenabspaltung oder Protonenanschließung bei den angeregten Molekülen entdeckt, „protolytische Reaktionen im angeregten Zustand“ genannt. Zur Berechnung der Enthalpie solcher Protonenübertragungen ersann Förster einen Kreisprozess, der in der Fachliteratur als „Förster-Zyklus“ bekannt wurde. Eine weitere wichtige Entdeckung fällt in die Stuttgarter Zeit. Anfang 1954 wurde in Försters Laboratorium eine ungewöhnliche Konzentrationsabhängigkeit des Fluoreszenzspektrums bei Lösungen von Pyren entdeckt. Mit zunehmender Konzentration erfolgte anstatt der üblichen Konzentrationslöschung des Spektrums dessen Umschlag: das Erscheinen einer neuen Komponente im Spektrum. Als deren Träger nahm Förster ein langlebiges angeregtes Doppelmolekül an, das aus je einem angeregten und einem unangeregten Pyrenmolekül entsteht. Dieser „Konzentrationsumschlag der Fluoreszenz“ wurde mit mehreren Mitarbeitern auch an anderen Stoffen ausführlich untersucht und die Entstehung von Doppelmolekülen bestätigt. Für solche Assoziate hat sich seit 1960 die Bezeichnung „Excimere“, zunächst in der englischen Fachliteratur, durchgesetzt (excimer = excited dimer). Protonübertragungen und Excimerbildung zeigten sich als die schnellsten, im Nanosekundenbereich ablaufenden Reaktionen, die einer Untersuchung mit Fluoreszenzspektroskopie zugänglich wurden.
Förster pflegte, seine Ideen Schülern und Mitarbeitern großzügig zu überlassen, so dass die relativ geringe Anzahl seiner Arbeiten – insgesamt 85 Publikationen – seine tatsächliche wissenschaftliche Produktivität nicht widerspiegelt. Viele seiner Ideen und Vorschläge haben seine Schüler „mit seiner tatkräftigen gedanklichen Unterstützung“ (Weller, 1970, 220) bearbeitet und selbstständig veröffentlicht. Försters Schule auf dem Gebiet von Reaktionen angeregter Moleküle erwarb internationales Ansehen, und sein Institut galt weltweit als Mekka für Photochemiker. Das mag auch dazu beigetragen haben, dass er dem verlockenden Ruf nach München 1963 nicht folgte, worauf ihm zusätzliche Mitteln und Stellen für sein Laboratorium genehmigt wurden.
Die internationale Anerkennung und Geltung Försters ist auch aus zahlreichen internationalen Einladungen absehbar: in die USA, nach England und in andere Länder. So trug er im September 1957 bei einem Symposium der National Academy of Science in den USA vor, im April 1959 hielt er die „Spiers memorial lecture“ bei der Diskussionstagung der Faraday Society in England, im Juli-August desselben Jahres beteiligte er sich als einziger Deutscher an der Konferenz über molekulare Anregungszustände in den USA und im Wintersemester 1962/63 war er Gastprofessor an der University of Florida. Im August und September 1964 trug er dann an der Internationalen Sommer-Schule für Quantum Chemie in Istanbul vor und im Mai 1965 bei einem Symposium am Enrico-Fermi-Institut in Chicago. Es fällt auf, dass Försters Leistung in Deutschland weit weniger bekannt und anerkannt war als im Ausland, da sie abseits der aktuellsten Entwicklungswege der Naturwissenschaft zu liegen schien. Förster versuchte deswegen, den Inhalt seiner „unkonventionellen Photochemie“ zu verdeutlichen: „Reaktionen, wie z.B. Protonenübertragungen oder Bildung von Excimeren [gehören] zweifellos zu den einfachsten Photoreaktionen und sind deshalb zum Studium grundsätzlicher Fragen besonders geeignet“ (Förster, 1972, „Konventionelle“, 963). Er vermied es aber, seine Arbeiten zu popularisieren, sondern wollte sie weiterentwickeln. Bei der Betrachtung intimer Mechanismen von Photoreaktionen fand er heraus, dass zwischen „adiabatischen“ und „diabatischen“ Prozessen zu unterscheiden ist, d.h., zwischen photochemischen Reaktionen, bei denen das Produkt in einem angeregten Zustand bleibt, und Reaktionen, bei denen das Produkt in einen unangeregten Zustand übergeht.
Im letzten Abschnitt seines Lebens konzentrierte sich Förster auf die Bearbeitung einer erweiterten Ausgabe seines klassisch gewordenen Buchs „Fluoreszenz organischer Verbindungen“, die er gleichzeitig in englischer Übersetzung publizieren wollte. Das war ihm aber nicht vergönnt. Gerade 64-jährig erlag er am Steuer seines Autos auf dem Weg in sein Institut einem Herzinfarkt. „Obwohl mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen, hat ihn Theodor Förster nicht erhalten. Er trug dies mit dem Gleichmut eines Philosophen – wohl wissend um den hohen Rang und die weitreichende Bedeutung seiner Arbeiten“, sagte sein Schüler Horst E. A. Kramer, der kommissarische Leiter von Försters Institut nach dessen Tod, bei der „Theodor-Förster-Gedächtnisvorlesung“ 1996 (UA Stuttgart, SA 2/3282).
Försters Entdeckungen, wie die protolytischen Reaktionen im angeregten Zustand und die Bildung von Excimeren, erlebten inzwischen eine weitere, sehr intensive Entwicklung. Größte Tragweite kommt der nach ihm benannten Erscheinung FRET zu. Ehemals Neuland ist das heute Gegenstand intensiver Weiterarbeit. Besonders bei biologischen Systemen erschien FRET als die wichtigste optische Methode der Erforschung molekularer Prozesse. Neben einer ungeheuren Zahl von Fachaufsätzen verdeutlichen dies die Förster gewidmeten Sonderhefte der internationalen Zeitschriften „Interface Focus“ und „European Journal of Chemical Physics and Physical Chemistry“ mit 25 umfangreichen Artikeln zu Theorie und Anwendungen von FRET in der Biologie, in makromolekularer Chemie, der Elektronenmikroskopie, und der Spektroskopie. Dies ist wohl der beste Beleg dafür, wie fruchtbar Försters Arbeit weiterwirkt.
Quellen: UA Frankfurt Abt. 604, Nr. 782, Studentenakte Förster, Abt. 146, Nr. 768, Promotionsakte Förster; Abt. 13, Nr. 262, Neubesetzung des Lehrstuhls für Physikal. Chemie, 1950; UA Leipzig PA 466, Personalakte Förster; UA Stuttgart: 54/52a, Berufung Försters, 57/50, Personalakte Förster, SN 56, Nr. 1 bis 30, Nachlass Förster, SA 2/3282, Würdigung des Werks von Förster, 1996; Informationen von Prof. Dr. Horst E. A. Kramer vom 28.1.2015 u. von Dr. Eberhardt Förster vom 3. 2.2015; Auskunft aus dem StadtA Frankfurt vom 5.3.2015.
Werke: Zur Polarisation von Elektronen durch Reflexion, Diss. phil. nat. Frankfurt am M. 1933, in: Zs. für Physik 85, 1933, 514-529; Die Gleichgewichtskonstante d. Reaktion HDO + H2 = H2O + HD, in: Zs. für physikalische Chemie B, 27, 1934, 1-5; (mit K. H. Geib) Die theoretische Behandlung chemischer Reaktionen in strömenden Systemen, in: Annalen d. Physik 5. F. 20, 1934, 250-260; Über die experimentale Bestimmung d. linearen Kristallisationsgeschwindigkeit, in: Zs. für physikalische Chemie A, 175, 1936, 177-186; (mit J. C. Jungers) Die Ultraviolettabsorptionsspektren deuteriumsubstituierter Methylamine, in: Zs. für physikalische Chemie B, 36, 1937, 387-397; D. Einfluss einer Doppelbindung auf die Festigkeit in d. Nähe befindlicher Einfachbindungen, in: Zs. für Elektrochemie 43, 1937, 667-669; Die Lichtabsorption aromatischer Kohlenwasserstoffe, in: Zs. für physikalische Chemie B, 41, 1938, 287-306; Die gegenseitige Beeinflussung d. Valenzen im Kohlenstoffatom, Habilschrift Frankfurt am M. 1938, in: Zs. für physikalische Chemie B, 43, 1939, 58-78; Farbe u. Konstitution organischer Verbindungen vom Standpunkt d. modernen physikalischen Theorie, in: Zs. für Elektrochemie 45, 1939, 548-573; Quantenmechanische Rechnungen zur Theorie d. organischen Farbstoffe, I, II, in: Zs. für physikalische Chemie B, 47, 1940, 245-268, 48, 1941, 12-31; Die Lichtabsorption organischer Moleküle u. Ionen nach d. Quantenmechanik, in: Zs. für Elektrochemie 47, 1941, 52-54; Energiewanderung u. Fluoreszenz, in: Naturwissenschaften 33, 1946, 166-175; Ein Beitrag zur Theorie d. Photosynthese, in: Zs. für Naturforschung 2b, 1947, 174-182; Zwischenmolekulare Energiewanderung u. Fluoreszenz, in: Annalen d. Physik 6. Folge, 2, 1948, 55-75; Fluoreszenzspektrum u. Wasserstoffionenkonzentration, in: Naturwissenschaften 36, 1949, 186f.; Quantentheorie u. chemische Bindung, in: Angewandte Chemie 51, 1949, 144-149; Versuche zum zwischenmolekularen Übergang von Elektronenanregungsenergie, in: Zs. für Elektrochemie 53, 1949, 93-99; Experimentelle u. theoretische Untersuchung des zwischenmolekularen Übergangs von Elektronenanregungsenergie, in: Zs. für Naturforschung 4a, 1949, 321-327; Elektrolytische Dissoziation angeregter Moleküle, ebd., 54, 1950, 42-46; Fluoreszenz Organischer Verbindungen, 1951; Photochemische Primärprozesse bei mehratomigen Molekülen, in: Zs. für Elektrochemie 56, 1952, 716-722; Das Laboratorium für physikalische Chemie u. Elektrochemie, in: Die Technische Hochschule Stuttgart 1954: Bericht zum 125-jährigen Bestehen, 1954, 49-51; (mit K. Kasper) Ein Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz, in: Zs. für Physikalische Chemie, N. F. 1, 1954, 275-277; (mit dems.) Ein Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz des Pyrens, in: Zs. für Elektrochemie 59, 1955, 976-980; Fluoreszenz u. Phosphoreszenz, in: Methoden d. organischen Chemie, 41955, Bd. III/2, 477-491; (mit E. König) Absorptionsspektren u. Fluoreszenzeigenschaften konzentrierter Lösungen organischer Farbstoffe, in: Zs. für Elektrochemie 61, 1957, 344-348; Transfer Mechanisms of Electronic Excitation, in: Discussions of The Faraday Society No. 27, 1959, 7-17; Zwischenmolekularer Übergang von Elektronenanregungsenergie, in: Zs. für Elektrochemie 64, 1960, 157-165; (mit E. Döller) Der Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz des Naphtalins, in: Zs. für physikalische Chemie N. F. 31, 1962, 274-277; (mit E. Döller) Der Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz des Pyrens, ebd., 34, 1962, 132-150; Formation and Dissociation of Excited Dimers, in: Pure and Applied Chemistry 7, 1963, 73-78; (mit B. Selinger) Der Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz aromatischer Kohlenwasserstoffe in mizell-kolloidaler Lösung, in: Zs. für Naturforschung 19a, 1964, 38-44; (mit H.-P. Seidel) Untersuchungen zum Konzentrationsumschlag d. Fluoreszenz des Pyrens, in: Zs. für physikalische Chemie N. F. 45, 1965, 58-71; Delocalized Excitation and Excitation Transfer, in: O. Sinanoglu (Hg.) Modern Quantum Chemistry. Istanbul Lectures, 1965, Part III, 73-137; (mit H. Braun) Die Druckabhängigkeit des Konzentrationsumschlages d. Fluoreszenz, in: Berr. d. Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie 70, 1966, 1091-1095; Mechanisms of Energy Transfer, in: M. Florkin, E. H. Stotz (Hgg.) Comprehensive Biochemistry vol. 22: Bioenergetics, 1967, 61-77; Excimere, in: Angewandte Chemie 81, 1969, 364-374; (mit K. Rokos) Isotopieeffekte bei d. Fluoreszenz von Aminophtalimiden, in: Zs. für physikalische Chemie N. F. 63, 1969, 208-211; Die neuere Entwicklung d. Photochemie, in: Berr. d. Bunsen-Gesellschaft 73, 1969, 737-744; Diabatic and adiabatic processes in photochemistry, in: Pure and Applied Chemistry 24, 1970, 443-449; (mit G. Hoffmann) Die Viskositätsabhängigkeit d. Fluoreszenzquantenausbeuten einiger Farbstoffsysteme, in: Zs. für physikalische Chemie N. F. 75, 1971, 63-76; (mit H. Braun) Excimerenbildung in Lösung bei höheren Drucken u. Temperaturen, ebd., 78, 1972, 40-49; Konventionelle u. unkonventionelle Photochemie, in: Berr. d. Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie 76, 1972, 962f.; Primary photophysical processes, in: Pure and Applied Chemistry 34, 1973, 225-234; Excimers and Exciplexes, in: M. Gordon, W. R. Ware (Hgg.) The Exciplex, 1975, 1–21.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1955), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 124, aus dem Familienbesitz. – UA Frankfurt, Foto von 1933 in d. Promotionsakte Förster; UA Stuttgart, SN 56, Nr. 7, Fotos von 1955 bis 1974; Fotos im Besitz Eberhardt Förster; Zs. für physikalische Chemie, N. F. 101, 1976, Titelbild; 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft, 1998, Teil II, 165; Interface Focus 6, 2009, Supplement 1, Umschlag (vgl. Literatur).

Literatur: Poggendorffs Biogr.-literar. Handwörterb. VIIa, Teil 2, 1958, 82f.; VIII, Teil 2, 2002, 1229f.; A. Weller, Theodor Förster, in: Nachrichten aus Chemie u. Technik, 18, 1970, 219f. (mit Bildnachweis); Albert Weller, Theodor Förster†, in: Physikalische Bll. 30, 1974, 558f. (mit Bildnachweis); Ders., Theodor Förster (1910–1974), in: Berr. d. Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie 78, 1974, 969-971 (mit Bildnachweis); Theodor Förster 1910–1974, in: M. Gordon, W. R. Ware (Eds.) The Exciplex, 1975, IX–X (mit Bildnachweis); George Porter, Some Reflections on the Work of Theodor Förster, in Naturwissenschaften 63, 1976, 207-211; A. Weller, Memorial for the late Professor Theodor Förster, in: Journal of Luminescence 12/13, 1976, 8-12 (mit Bildnachweis); Z. R. Grabowski, Theodor Förster (1910–1974), in: Wiadomosci chemiszne 32, 1978, 305-308 (mit Bildnachweis); Albert Weller, In Memoriam Theodor Förster, in EPA [European Photochemistry Association] Newsletter, 1980, April, 7-19 (mit Bildnachweis u. Werken); W. Jaenicke, 100 Jahre Bunsen-Gesellschaft 1894–1994, 1994, 135, 224f., 240; Horst E. A. Kramer, Der Förster-Energie-Transfer – Theodor Förster, in: Die Univ. Stuttgart nach 1945, 2004, 194-196 (mit Bildnachweis); Clemens Kaminski, Introduction to the 1st international Theodor Förster lecture series, in: Interface Focus 6, 2009, Supplement 1, S1-S2; Clemens Kaminski, Erich Sackmann, Klaus Schulten, Theodor Förster: A Giant of Modern Photochemistry, in: European Journal of Chemical Physics and Physical Chemistry 12, 2011, 423f.; Horst E. A. Kramer, Peter Fischer, The Scientific Work of Theodor Förster: A Brief Sketch of his Life and Personality, ebd., 555-558 (mit Bildnachweis); B. R. Masters, Paths to Förster’s resonance energy transfer (FRET) theory, in: European Physical Journal H, 39, 2014, 87-139.
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