Keim, Friedrich Karl 

Geburtsdatum/-ort: 19.06.1852; Bad Dürkheim
Sterbedatum/-ort: 07.04.1923;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Ministerialbeamter, Vorsitzender des Badischen Philologenvereins
Kurzbiografie: 1869 Abitur am Gymnasium Speyer
1869-1873 Studium der Altphilologie an den Universitäten Tübingen, Leipzig, München, Heidelberg
1873 Lehramtspraktikant
1876 Prof. am Progymnasium Offenburg
1880 Prof. am Gymnasium Karlsruhe
1888-1903 Schriftleiter der Badischen bzw. Südwestdeutschen Schulblätter
1902-1914 Direktor der Höheren Mädchenschule mit Mädchengymnasium Karlsruhe (seit 1911 Lessingschule)
1904-1912 Vorsitzender des Vereins der akademisch gebildeten Lehrer in Baden bzw. (seit 1907) des Badischen Philologenvereins
1914-1919 Geheimer Oberregierungsrat und Vortragender Rat im Ministerium des Kultus und Unterrichts; Leiter der Abteilung für höhere Lehranstalten
1919 Dr. phil. h. c. der Universität Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1878 (Karlsruhe) Johanna, geb. Lepique (geb. 5.5.1857)
Eltern: Vater: Karl Friedrich Jakob Ludwig (geb. 1825), Pfarrer
Mutter: Elisabeth, geb. Knobloch
Geschwister: 5: 3 Brüder, 2 Schwestern
Kinder: eine Tochter
GND-ID: GND/1012769895

Biografie: Hans-Georg Merz (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 141-143

Zumindest in zweierlei Hinsicht unterschied sich Keims berufliche Laufbahn vom üblichen Karriereweg eines großherzoglichen Gymnasiumsdirektors. Nach Lehrtätigkeiten am Progymnasium in Offenburg und am Karlsruher Gymnasium stand der Altphilologe länger als ein Jahrzehnt an der Spitze der Höheren Mädchenschule in der Landeshauptstadt, deren Gymnasialzug – nach einer privaten Gründung – seit 1898 das erste „in den staatlichen Organismus eingefügte Mädchengymnasium“ Deutschlands bildete; und als Verbandsfunktionär, dem die Vertretung ideeller und materieller „Standesinteressen“ oblag, bewegte er sich über das pädagogische Feld hinaus auch im politischen Raum.
Die Amtsführung des Schulleiters gründete auf pointierten Leitvorstellungen und Bildungsmaximen. Gegenüber der „realistischen“ bevorzugte er auf dem Gebiet der weiblichen Erziehung die „humanistische Richtung“, die er hauptsächlich in dem „an innerem Werte dem Lateinischen so weit überlegenen Griechisch“ verkörpert sah. Der Erwerb „geistiger Zucht“ durch das Studium der antiken Welt sollte, so die Erwartung, vor „allzu stark auftretenden fremden Einflüssen“ besonders in der Freizeit bewahren, da sonst zu leicht „als naturgemäße Folge von Überspannung der Kräfte bis in die Nachtstunden, körperliche Schlaffheit und geistige Lässigkeit“ eintreten würden. Gerade im Hinblick auf die „Erziehung zur Ordnung“ bedurfte es indessen der Mithilfe jedes einzelnen Elternhauses, um Maßnahmen der Kontrolle und Strafen, die der Entwicklung freier Persönlichkeiten zuwiderliefen, so weit wie möglich vermeiden zu können. Vor dem kulturpolitischen Hintergrund der Jahrhundertwende eher überraschend formulierte Keim im Jahre 1906 ein „Recht auf Arbeit“ sowohl für Männer wie für Frauen, wobei ihm die Vermittlung einer umfassenden, vertieften Geistesbildung als beste Garantie gegen das Auftreten von „Salondamen“, „Blaustrümpfen“ und „Emanzipierten“ galt. Allerdings schreckte der Gymnasiumsdirektor, sobald sein eigener Berufsstand berührt wurde, vor weitergehenden Konsequenzen zurück: „Denn alle Hochachtung vor den Frauen, die im Lehrberuf stehen ... die Stärke und Kraft für die aufreibende Tätigkeit eines Schulleiters hat ihnen die Natur versagt.“ Dass die „Höhere Mädchenschule mit Mädchengymnasium Karlsruhe“ unter der Leitung Keims sich eines reichsweit guten Rufes erfreute, zeigten zahlreiche Besuche pädagogischer Experten aus anderen Bundesstaaten sowie aus dem Ausland. Festveranstaltungen der Schule wohnte mehrfach Großherzogin Luise bei, und zu den Höhepunkten im Berufsleben des Direktors gehörte zweifellos die Audienz, die Kaiserin Auguste Viktoria ihm und einer Kollegin am 30. April 1904 im Karlsruher Schloss gewährte, wobei sie ihre Freude darüber äußerte, dass die Schülerinnen offensichtlich „bei aller Hingabe an den dem Weibe scheinbar fernliegenden Stoff sich auch herzliche Fröhlichkeit und volle Weiblichkeit des Wesens“ bewahrt hätten. Seit dem Herbst 1911 an der Spitze der Lessingschule, die nach einer Neuorganisation des höheren Schulwesens die Tradition des Gymnasiums für weibliche Schüler fortsetzte, konnte Keim im Jahre 1913, nach 14 Reifeprüfungen seit 1899, eine positive Bilanz ziehen: Von den 187 Abiturientinnen stammten nur 92 (49%) aus Karlsruhe, dagegen 95 (51%) aus anderen, auch entfernteren Gebieten des Deutschen Reiches. Diese Zahlen belegen die pädagogische Attraktivität von Keims „Anstalt“ in ihrer humanistischen Form.
Den standespolitischen Zielen der „akademisch gebildeten Lehrer Badens“ widmete sich Keim, parallel zur Ausübung des Berufs, seit 1888 in führenden Positionen. Von 1888 bis 1890 zunächst in der Redaktion der „Badischen Schulblätter“, wirkte er anschließend, bis 1903, als Hauptschriftleiter der „Südwestdeutschen Schulblätter“, die das publizistische Sprachrohr mehrerer Philologenvereine, nicht nur des badischen, sondern auch des hessischen (seit 1890), des württembergischen (seit 1895) und des elsass-lothringischen Philologenvereins (bis 1900) waren. Die zahlreichen von Keim selbst verfassten Artikel und Aufsätze behandelten Fragen der Bildungspolitik und Besoldung, artikulierten ein „Gefühl der Zurücksetzung“ gegenüber „Staatsdienern“ mit anderen Aufgabenbereichen oder verlangten, das Universitätsstudium der Lehrer stärker auf die Bedürfnisse der Praxis auszurichten – denn „was wollte man sagen, wenn etwa die Medizin auf der Hochschule erklärte, dass die künftigen praktischen Ärzte sie nichts angingen?“ Im Unterschied zu den schulpolitischen Vorstellungen der Nationalliberalen Partei fanden vor allem diejenigen des Zentrums bei Keim keinen Gefallen. Im Jahrzehnt vor dem I. Weltkrieg, während Keims Amtszeit als Vorsitzender des Vereins der akademisch gebildeten Lehrer in Baden bzw. (seit 1907) des Badischen Philologenvereins, erfüllten Landtag und Regierung einige der langjährigen Forderungen der Standesorganisation. Die Neufassung des Beamtengesetzes und die Gehaltsordnung von 1908 stießen als „ungefähre Gleichstellung aller akademisch gebildeten Beamten“ ebenso auf Zustimmung wie 1911 die Errichtung eines eigenständigen Ministeriums des Kultus und Unterrichts. Einer eher ungewöhnlichen Methode der Interessenvertretung befleißigte sich Keim bei den Auseinandersetzungen über die Gehaltsforderungen der Lehrer an höheren Schulen, als er mit Rücksicht auf die geringeren Verdienste der Volksschullehrer und Reallehrer sogar öffentlich für die Zurückstellung eigener Wünsche warb. Dem guten Einvernehmen zwischen „akademisch gebildeten“ und „seminaristisch gebildeten Lehrern“ sollte auch die 1907 von der Mitgliederversammlung gebilligte „Umtaufe“ des Namens in „Badischer Philologenverein“ dienen. Sein besonderes Augenmerk lenkte der Vorsitzende auf die Stärkung der Binnenstruktur der Organisation, die er vor allem durch die Gründung mehrerer „Gauverbände“ erreicht sah. Auch die statistischen Daten sprachen für einen deutlichen Aufschwung während seiner Amtszeit: Hatte der Verein im Jahre 1907 etwas mehr als 700 Mitglieder, so gehörten ihm 1911 über tausend Pädagogen an. Es waren Erfolge dieser Art, die Keim 1912 die Ernennung zum „ersten und einzigen Ehrenmitglied“ des Badischen Philologenvereins eintrugen.
Während des I. Weltkriegs leitete Keim im Ministerium des Kultus und Unterrichts die Abteilung für Höhere Schulen. Diese Funktion führte ihn zur Abnahme von Reifeprüfungen öfters ins Ausland, vor allem in die Schweiz, aber insgesamt erlaubten die Zeitumstände keine bemerkenswerten schulpolitischen Initiativen und Innovationen. Dem „Neuhumanisten bester Weimarer Art“, der „im deutschen Geistesleben nicht weniger gut als im griechischen und römischen zu Hause“ sei, verlieh die Universität Heidelberg im Sommer 1919, kurz vor der Pensionierung, den philosophischen Ehrendoktortitel – nach einem fakultätsinternen Disput bezüglich der für solche Promotionen vorausgesetzten „wissenschaftlichen Verdienste“.
Keim, einer der bedeutendsten badischen Pädagogen vor dem I. Weltkrieg, war in der „politischen Kultur“ der Monarchie voll beheimatet. „Die treue Liebe und Pflichterfüllung gegen Kaiser und Reich“ war ihm selbstverständlich. Andererseits verfügte er auf den Feldern der Mädchenbildung und der Standespolitik über Einsichten, die ihn in mancher Hinsicht „moderner“ als viele seiner Zeitgenossen und Berufskollegen erscheinen lassen.
Quellen: GLA Karlsruhe 325/3016 f. u. 466/10098; UA Heidelberg H-IV-102/45, fol. 626-630; H-IV-102/757/15, fol.92 – Lessing-Gymnasium Karlsruhe, SchulA, Jahresber. d. Höheren Mädchenschule mit Mädchengymnasium Karlsruhe (seit 1911: Lessingschule), 1903/04-1913/14.
Werke: (Auswahl) Zur Homerlektüre. Beilage zu dem Programm des Großherzogl. Gymnasiums zu Karlsruhe für das Schuljahr 1890/91, 1891; Zur Entwicklung des bad. Mittelschulwesens in den letzten 50 Jahren, in: FS des großherzogl. Gymnasiums Karlsruhe für das Schuljahr 1901/02, 1902, 13-20; Einführung in Latein, bzw. in die Antike, an Anstalten für höhere Mädchenbildung, in: Frauenbildung, Bd. 6, 1907, 391-405. – Zahlreiche Aufsätze in: Bad. Schulbll./Südwestdt. Schulbll., 1888 ff.
Nachweis: Bildnachweise: Stadt Karlsruhe (Hg.), 100 Jahre Mädchen-Gymnasium Karlsruhe, 1993, 22.

Literatur: Sigmund Reichenberger, Das Karlsruher Mädchengymnasium in seinen ersten 25 Jahren 1893-1918, 1918; Emil Kast, Geheimer Oberregierungsrat Dr. h. c. F. Keim, in: Karlsruher Tageblatt vom 10.4.1923; H. Cramer, F. Keim, in: Südwestdt. Schulbll. Jg. 40, 1923, 125-127; Keim Dürr, Südwestdt. Schulbll. 1884-1933, ebd. Jg. 50, 1933, 305-307; Eva Hirtler, Karlsruhe 1893: Das erste dt. Mädchengymnasium, in: Blick in die Geschichte, Jg. 1989, Nr. 2, 9-12.
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