Leonhardt, Otto Paul 

Geburtsdatum/-ort: 13.05.1877;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 09.11.1939; Düsseldorf
Beruf/Funktion:
  • Direktor der Mannesmannröhren-Werke AG, später Geschäftsführer der Röhren-Verband GmbH, Düsseldorf
Kurzbiografie: 1888-1894 Königliches Realgymnasium in Stuttgart bis zum Einjährigen
1894-1896 dreijährige kaufmännische Lehre in der Stuttgarter Material-und Farbwarenhandlung en gros August Hedinger
1897-1899 Mitarbeiter der C. J. Senfft Verkaufsstelle für Gas-und Siederöhren in Düsseldorf
1899 Mitarbeiter der Schrobsdorffschen Buch-und Kunsthandlung (Inhaber C. Beringer) in Düsseldorf
1900-1925 Mitarbeiter der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG (ab 1907 Mannesmannröhren-Werke AG), Düsseldorf, Disponent im Röhrenverkauf Inland, Handlungsvollmacht; 1908 Prokura; 1920 stellvertretendes Vorstandsmitglied
1925-1939 Geschäftsführer der Röhren-Verband GmbH, Düsseldorf
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1903 Franziska (Fränze), geb. Hantke (gest. 1945)
Eltern: Vater: Jakob Friedrich Leonhardt (geb. 14.6.1833 Sindelfingen, gest. 7.2.1886 Stuttgart), städtischer Beamter in Stuttgart
Mutter: Marie Pauline, geb. Kaufmann (geb. 17.7.1840, gest. 26.12.1890 Stuttgart)
Geschwister: 6, darunter:
Mathilde (1865-1924)
Julie, verheiratete Hoffmann
Kinder: Dr. Hermann
GND-ID: GND/1012781402

Biografie: Horst A. Wessel (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 158-159

Leonhardt war das jüngste von insgesamt sechs Kindern; er besuchte das Königliche Realgymnasium seiner Heimatstadt bis zum Einjährigen. Der Abbruch der Schulausbildung dürfte im Zusammenhang mit dem frühen Tod des Vaters, eines städtischen Beamten, gestanden haben. Während seiner kaufmännischen Lehre bei einer Material- und Farbengroßhandlung in Stuttgart erhielt er nach Aussage eines Bewerbungsschreibens, reichlich Gelegenheit, „sich in den verschiedenen Comptoir- und Magazins-Arbeiten gründlich auszubilden.“ Anschließend genügte er seiner Militärdienstpflicht, gleichfalls in der württembergischen Hauptstadt.
Was ihn dann als 20jährigen ins Rheinland gezogen hat, darüber können wir nur spekulieren. Dass er eine Stellung bei einem Mann antrat, der gleichfalls aus Stuttgart stammte, lässt darauf schließen, dass die Familien Senfft und Leonhardt miteinander bekannt waren. Der fast 20 Jahre ältere Sohn des in Stuttgart sehr angesehenen Mitarbeiters der Zentralstelle für Gewerbe und Handel (des späteren Gewerbemuseums) und Ausstellungsfachmannes, Carl Johann Senfft hatte wie Leonhardt das Stuttgarter Realgymnasium bis zum Einjährigen besucht und gleichfalls eine kaufmännische Lehre absolviert. Seit 1891 leitete er die unter seinem Namen firmierende Verkaufsstelle für Gas- und Siederöhren in Düsseldorf. Dabei handelte es sich um die Syndikatsgeschäftsstelle der Kartelle, zu denen sich die Hersteller geschweißter Stahlrohre im Kampf gegen die Mannesmannröhren-Werke AG, die Stahlrohre nahtlos walzen konnte, zusammengeschlossen hatten. Die Hauptaufgaben von Leonhardt bestanden darin, die eingehenden Aufträge auf die Verbandswerke zu verteilen, Lieferungen zu verrechnen und einen Teil der Korrespondenz zu führen. Dadurch erhielt er nicht nur einen guten Überblick über die Leistungsstärke der deutschen Stahlröhrenindustrie allgemein, sondern auch speziell über die der einzelnen Verbandsmitglieder sowie über die Preisstellung der Erzeugnisse.
Nur knapp zwei Jahre blieb er in der Syndikatsgeschäftsstelle, um dann das Angebot von C. Beringer, dem Inhaber der ebenso angesehenen wie traditionsreichen Schrobsdorffschen Buch- und Kunsthandlung in Düsseldorf anzunehmen. Allerdings musste er rasch einsehen, dass diese Tätigkeit nicht nur wenig mit der zuvor ausgeübten gemeinsam hatte, sondern vor allem nicht seinen Erwartungen, Neigungen und Fähigkeiten entsprach. Nur wenige Monate später stellte sich der nunmehr 23jährige beim Konkurrenzunternehmen des Doppelsyndikats, der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG, vor und bewarb sich um eine Stelle in einer der Verkaufsabteilungen.
Bei Mannesmann erkannte man die Chance, in der entscheidenden Phase der mit aller Härte geführten Auseinandersetzung mehr über die Gegner zu erfahren, und engagierte Leonhardt zum 1. Januar 1900. Es war, insbesondere für den neuen Mitarbeiter, keine leichte Zeit. Die Mannesmannröhren-Werke hatten zwar in dieser Zeit bereits die großen technischen Schwierigkeiten, die die industrielle Umsetzung des revolutionären Mannesmann-Verfahrens aufgeworfen hatte, längst überwunden. Aber man schleppte noch eine riesige Schuldenlast mit, die erst fünf Jahre später restlos abgetragen werden konnte. Bis dahin wurde hart gespart – auch beim Personal, so dass die Mitarbeiter in besonderer Weise gefordert waren.
Bis 1901 wurde die Konkurrenz niedergerungen und gezwungen, Mannesmann mit fast einem Viertel der Gesamtquote zu akzeptieren. Ab 1902 erfolgte dann, unter der Leitung seines ehemaligen Chefs Carl Johann Senfft, der Aufbau einer weltumspannenden Vertriebsorganisation und der Aufstieg zum Unternehmen mit Weltgeltung. Leonhardt hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, zunächst als Disponent, dann als Abteilungsleiter mit Handlungsvollmacht für den Verkauf Inland. 1908 wurde ihm Prokura erteilt und 1920 wurde er zum stellvertretenden Vorstandsmitglied ernannt.
Als sich abzeichnete, dass Leonhardt dauerhaft bei Mannesmann bleiben würde, sah er die Voraussetzungen für eine Familiengründung als erfüllt an. 1903 heiratete er Franziska (genannt „Fränze“) Hantke, mit der er zwei Söhne hatte, wovon der erstgeborene bereits nach der Geburt verstarb. Die rastlose Tätigkeit im Unternehmen und die Sorge um die Familie sind nicht ohne Auswirkungen auf die Gesundheit von Leonhardt geblieben. 1914 musste er sich einer nervenärztlichen Behandlung mit einer mehrmonatigen Kur unterziehen.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er einberufen und gehörte, zuletzt als Vizefeldwebel und Offiziers-Stellvertreter, dem 20. Landsturm-Infanterie-Ersatz-Bataillon im VII. Armee Korps in Stralkowo an. Auf eigenen Wunsch und in Absprache mit Mannesmann wurde er nach 16 Monaten im Felde 1916 vom Waffendienst freigestellt, um sich als einer der „ältesten Prokuristen“ der Förderung der von der Regierung als notwendig erachteten Ausfuhrgeschäfte seiner Gesellschaft zu widmen; hinzu kamen auch Lieferungen an Heer und Marine.
Mit der Gründung der Röhren-Verband GmbH, Düsseldorf, im Jahre 1925 wurde er einer der drei Geschäftsführer des Röhrenkartells, das alle wichtigen deutschen Stahlröhrenproduzenten in einem straff geführten Syndikat zusammenfasste und darüber hinaus mit fast allen europäischen sowie den bedeutenden Röhrenproduzenten in Übersee eng zusammenarbeitete. Es war ein mächtiger Verband, der zwar ab 1936 und insbesondere mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an internationaler Bedeutung verlor, jedoch im nationalen Bereich sowie im Geschäft mit den Werken in den besetzten und in den neutralen Ländern bis Kriegsende bzw. bis zur durch die Siegermächte befohlenen Auflösung beherrschend blieb.
Leonhardt hat das Ende dieses von ihm mitgegründeten und aufgebauten Verbandes nicht mehr erlebt. Er starb nach kurzer Krankheit am 9. November 1939.
Quellen: Mannesmann-Archiv, Mülheim/Ruhr; Bestände M=Mannesmann und R=Röhren-Verband.
Nachweis: Bildnachweise: Foto im Mannesmann-Archiv, Mülheim/Ruhr; Bestand M=Mannesmann.

Literatur: Nekrologe aus dem Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet (1939-1951), 17.
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