Gemeinder, Georg, SVD Johann 

Geburtsdatum/-ort: 21.11.1900;  Fischbach, Landkreis Biberach
Sterbedatum/-ort: 05.09.1985; Jibuzaka, Japan
Beruf/Funktion:
  • Gründer der Bewegung „Neue Christen in Japan“
Kurzbiografie: 1907-1914 Volksschule Fischbach
1914-1921 Missionsgymnasium (Societas Verbi Divini) St. Wendel/Saar bis Abitur in Saarlouis
1921-1929 Missionshaus SVD St. Gabriel in Mödling bei Wien: Noviziat 1921/22, 1. zeitliche Gelübde 1922, dann Studium der Philosophie und Theologie, ewige Gelübde 1928, Priesterweihe am 9. 5. 1929
1929-1941 Missionar in Niigata, Japan, 1929/30, Kaplan und Religionslehrer an der Oberschule für Mädchen Akita ab 1930; Gründung des Marien-Schwesternbundes Akita 1931; Verlegung des Zentralbüros nach Tokio 1935
1941-1948 Japanermissionar in Registro/São Paulo, Brasilien
1948-1969 Missionstätigkeit in Nagoya, Japan: Lehrer, dann Vorsitzender des Verwaltungsrates des Nanzan-Schulwerkes sowie Professor an der katholischen Nanzan-Universität (Nagoya); dann Ordensprovinzial 1951 bis 1957. Gründung des „Instituts der Katechistinnen der Muttergottes“ 1950, geistlicher Leiter und zeitweilig Dozent für Dogmatik, Katechetik und Praktische Missiologie
1969-1985 Gründer und geistlicher Leiter der Bewegung „Liebe in Taten“ (= Bewegung „Neue Christen in Japan“)
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Wilhelm (1875-1950), Zimmermann
Mutter: Anna, geb. Winter (1875-1944)
Geschwister: 5 Brüder
3 Schwestern
6 weitere Geschwister früh verstorben
GND-ID: GND/101278696X

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 96-98

Gemeinders Kindheits- und Jugendjahre waren reich an Pflichten und Entbehrungen. Als Ältester unter mehreren Geschwistern musste er sich schon im Schulalter als „Dienstbub“ verdingen und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Nach dem Besuch der Volksschule fand er Aufnahme im Gymnasium der Steyler Gesellschaft „Vom Göttlichen Wort“ (SVD) in St. Wendel/Saar; seine Vorbereitung auf das 1921 abgelegte Abitur erfuhr jedoch mehrfache Unterbrechungen, zunächst durch die Ableistung des Militärdienstes 1918/19 und danach durch eine wiederholt notwendig gewordene Rückkehr ins Elternhaus, um die Familie 1919 und 1921 in ihrer wirtschaftlichen Notlage zu unterstützen.
Auf das Noviziat in Mödling schloss sich der philosophisch-theologische Studiengang an, auch dieser 1924/25 durch eine schwere Erkrankung unterbrochen. Schon während der Ausbildungszeit reifte in ihm der Wunsch, später als Missionar in Ostasien wirken zu dürfen. Dieser Bitte wurde kurz nach seiner Priesterweihe durch die kirchliche Aussendung nach Japan entsprochen.
Noch im Herbst desselben Jahres kam Gemeinder in den fernöstlichen Inselstaat, wo seine Missionsgesellschaft seit ihrer Niederlassung im Jahre 1907 eine fruchtbare und segensreiche Tätigkeit entfaltet hatte. Gemeinders erste Begegnung mit dem Land vollzog sich in der Küstenstadt Niigata; dort lernte er Japanisch, um danach ein volles Jahrzehnt zunächst als Kaplan und dann als Religionslehrer an einer Mädchenoberschule der Steyler Missionsschwestern in Akita zu unterrichten. Von den mehr als 400 Schülerinnen bekannten sich jedoch nur wenige zum Christentum.
Die engeren Grenzen seines Missionsbezirkes überschritt Gemeinder bereits 1931, als er den Marien-Schwesternbund gründete. Er war in erster Linie zur Heranbildung von Katechistinnen gedacht. Da neben der speziellen Ausbildung als Missionshelferin auch praktische Berufs- und Haushaltungskurse angeboten wurden, stieß diese Einrichtung bei der nichtchristlichen Bevölkerung auf große Resonanz, und es kam auch zu vereinzelten Übertritten zur katholischen Kirche. Im Zuge der Einrichtung einer Missionsprokur SVD 1935 in Tokio verlegte Gemeinder das Zentralbüro des Schwesternbundes in die japanische Hauptstadt, und von dort aus fasste die Organisation allmählich im ganzen Land Fuß. Unter großem persönlichem Einsatz warb Gemeinder dafür in nahezu 30 Städten Japans, darunter in Hiroshima und Fukuoka. Für das Wohlwollen, das man ihm und seiner Gründung entgegenbrachte, spricht, dass ihm 1938 auf der Insel Shikoku ein nichtchristlicher Schulleiter ermöglichte, innerhalb einer Woche 7000 Studentinnen und Lehrerinnen seine Ideen vorzutragen. Mit der damals bereits 20000 Mitglieder zählenden Laienvereinigung hoffte er, die äußeren Bedingungen schaffen zu können, um in Japan eine breite Missionstätigkeit zu entfalten.
Diese hoffnungsvollen Ansätze erfuhren wenig später einen herben Rückschlag. Japans Konflikt mit China, das Kriegstreiben nationalistischer Kreise und die im Lande wachsende Animosität gegen fremdländische Einflüsse wirkten sich auf die christliche Mission nachteilig aus. Fortgesetzte polizeiliche Kontrollen und die allgemeine Beschränkung des kirchlichen Lebens zwangen Gemeinder nicht nur zum Rückzug auf seine Missionsstation in Akita, sondern 1941 auch zum Verlassen des Landes. Er ging nach Brasilien. Registro im Staat São Paulo war eines der großen Siedlungsgebiete der Japaner im Seelsorgsbezirk der Steyler Missionare. Auch dort nahm er sich vorrangig der Ausbildung von Katecheten und Katechistinnen an, die angesichts der Weite des Landes und der riesigen Entfernungen unentbehrliche Stützen der Priester waren. In nur kurzer Zeit dehnte Gemeinder seinen Aktionsbereich bis zur Weltstadt São Paulo aus, in der Zehntausende Japaner wohnten. Als er 1948 Brasilien verließ, wurde sein Weggang als ein besonders „wertvolles Opfer“ empfunden, das von der brasilianischen Japanermission „zum Nutzen des japanischen Mutterlandes“ gebracht wurde.
Eine völlig neue kirchliche Situation traf Gemeinder dort nach seiner Rückkehr an. Der Shintô-Staatskult war abgeschafft, und die auslandsfeindliche Haltung der Bevölkerung schien in den ersten Nachkriegsjahren ins Gegenteil umzuschlagen. Damit stiegen auch die Missionsaussichten. Als Lehrer fand Gemeinder in der 1932 in Nagoya gegründeten höheren Schule der Nanzan sein neues Wirkungsfeld. Er wurde Vorsitzender des Verwaltungsrates des Nanzan-Schulwerkes und unterrichtete seit 1949 auch an der Nanzan-Universität. Zwischen 1951 und 1957 bekleidete er außerdem das Amt des SVD Provinzials für Japan. Doch seine Hauptsorge galt auch weiterhin der christlichen Glaubensverbreitung.
Gestützt auf seine brasilianischen Erfahrungen schuf er eine Ausbildungsstätte für Katechistinnen, nachdem der einstige Marien-Schwesternbund in den Wirren des II. Weltkrieges eingegangen war. Mehr als jenes ursprüngliche Projekt diente das 1950 gegründete Institut der Heranbildung missionarischer Hilfskräfte bei der Evangelisation. Es ist das eigentliche Lebenswerk Gemeinders geworden. Bereits 1954 erhielt es die päpstliche Anerkennung als Säkularinstitut. In der Art einer klösterlichen Kommunität konzipiert hatte es unter der geistlichen Leitung Gemeinders feste Regeln für die Lebensform, Ausbildung und religiöse Praxis und bis vor die 1970er Jahre eine überaus positive Entwicklung genommen.
Wie das religiöse Leben in der westlichen Welt erfuhr auch die katholische Mission in Japan seit den 1960er Jahren empfindliche Einbrüche. Gemeinhin wurden die Ursachen in dem gewaltigen materiellen Aufschwung des Landes gesehen, in welchem das Interesse an geistlichen Werten mehr und mehr erlahmte. Da die Zahl der Taufbewerber spürbar zurückging, erkannte Gemeinder bald, dass der Gewinnung neuer Christen die Praxis der Nächstenliebe weit eher förderlich sein könne als das Studium der christlichen Lehre. Zweifelsohne war Gemeinder in seiner Auffassung maßgeblich vom Geist des II. Vatikanischen Konzils geleitet. Mit einigen gleichgesinnten Mitarbeitern gründete er 1969 die Bewegung „Neue Christen in Japan“, nach ihrer Zielsetzung auch „Bewegung Liebe in Taten“ (Ai No Jikko Undo) genannt. In einer gemeinsamen Aktion der helfenden Tat sollten sich Christen und Nichtchristen ohne Rücksicht auf ihre Glaubensüberzeugung zusammenfinden. Mit finanzieller Unterstützung der Erzdiözese Köln konnte in der japanischen Hauptstadt ein Zentralbüro eingerichtet werden. Während die Hauptleitung in den Händen eines einheimischen Redemptoristenpaters lag, war Gemeinder vor allem als geistlicher Betreuer tätig. In ihrer Zustimmungserklärung 1970 brachten die japanischen Bischöfe die Zielvorstellungen des Initiators von „Liebe in Taten“ deutlich zum Ausdruck, nämlich Christen und Bewunderer des Christentums „in einer religiös fundierten Volksbewegung zu aktivieren und so die zum Stillstand gekommene direkte Mission wieder in Fluss zu bringen.“
„Liebe in Taten“ zählte in der Mitte der 1980er Jahre gegen 15 000 Mitglieder. Das Programm dieser Bewegung, aber auch seine vielseitigen missionarischen Erfahrungen legte Gemeinder in mehreren Beiträgen der „Steyler Missionschronik“ nieder; auf diese Weise bekundete er zugleich seine persönliche Anteilnahme am Fortgang der Japanmission.
Bis zuletzt seelsorgerisch und missionarisch aktiv verstarb Gemeinder im Alter von 85 Jahren in Jibuzaka, einem nur schwer auszumachenden Gebirgsdorf der Gemeinde Namiai im Bezirk Shimo-ina in der Präfektur Nagano.
Quellen: Schriftl. Mitteilungen d. Gemeindeverwaltung Ummendorf-Fischbach, d. Missionsprokur SVD St. Augustin bei Siegburg u. St. Gabriel Mödling bei Wien u. des Japanischen Kulturinstituts, Köln.
Werke: Gesamtverzeichnis in: Steyler Missionschronik 1986/87, 158. – Auswahl: Das Rätsel d. Japanmission, ebd. 1959, 137-148; Missionarische Infiltration, ebd. 1962, 97-102; Missionarisches Alltagsleben, ebd. 1967, 97-99; Japan u. die Mission in den siebziger Jahren, ebd. 1971, 124-129; AI NO JIKKO UNDO. Die Bewegung „Liebe in Taten“ in Japan, ebd. 1974, 37-52; David u. Goliath. Christliche Verkündigung in Japan, ebd. 1976, 138-140; Ein Säkularinstitut für die „Jungen Kirchen“ in Missionsländern. Das Institut d. „Katechistinnen Mariens, d. Jungfrau u. Mutter“ in Japan, ebd. 1976/ 1977, 37-41.
Nachweis: Bildnachweise: Kath. Sonntagsblatt 1971 u. Steyler Missionschronik 1986/87, 157 (vgl. Lit.).

Literatur: Chr. Modehn, Neue Christen in Japan. Schwäb. Missionar gründet Katechistenbewegung, in: Kath. Sonntagsblatt. Kirchenzeitung für die Diözese Rottenburg-Stuttgart 1971, Nr. 19, 10; J. Hirschmeier, Die Nanzan-Universität 1971-1972, in: Steyler Missionschronik 1973, 133-137; J. Fleckner, Pater G. Gemeinder † (1900-1985), ebd. 1986/87, 156-159; N.N., Pater G. Gemeinder †, ebd. 189.
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