Held, Kurt Walter 

Geburtsdatum/-ort: 12.09.1908;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 01.02.2000; Neuss
Beruf/Funktion:
  • Richter und Ministerialbeamter
Kurzbiografie: 1919-1927 Humanistisches Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart, Abitur
1927-1931 Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Berlin
1931 I. Höhere Justizdienstprüfung
1932 Dr. jur. der Universität Tübingen: „Der Widerstand gegen die Staatsgewalt. Geltendes und künftiges Recht“
1935 19. Feb. Große Staatsprüfung
1932-1939 Gerichtsreferendar, Hilfsrichter (Gerichtsassessor), Staatsanwalt und Grundbuchbeamter in Stuttgart, Ulm, Heilbronn und Rottweil
1939-1945 Landgericht Stuttgart, jedoch während des ganzen Krieges zur Wehrmacht eingezogen
1945/46 Amerikanische Kriegsgefangenschaft
1947 Landgerichtsrat in Stuttgart
1949/50 Erster Staatsanwalt beim Oberlandesgericht Stuttgart, Abordnung an das Justizministerium, Oberamtrichter, titulierter Oberregierungsrat
1950/53 Oberlandesgerichtsrat, Abordnung bleibt, 1951 dorthin versetzt
1954 Regierungsdirektor
1958 Ministerialrat und Versetzung an das Staatsministerium
1959 Ministerialdirigent
1973 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland (1968); Offizierskreuz des französischen Ordens Palmes Académiques (um 1968); Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1973)
Verheiratet: 1. 1937 (Wuppertal) Grete, geb. Hamacher (1910-1939)
2. (Meißen) Marianne, geb. Krüger (1917-1982)
Eltern: Vater: Robert (1875-1938), Dr. jur., Präsident des württembergischen Verwaltungsgerichtshofes
Mutter: Adelheid, geb. Buck (1880-1961)
Geschwister: Robert, Dr. jur., Rechtsanwalt (1905-1999)
Kinder: 2:
aus 1. Ehe Irmgard (1939-2000)
aus 2. Ehe Renate (geb. 1952)
GND-ID: GND/1012786986

Biografie: Paul Feuchte (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 138-140

Glänzend bestandene juristische Examina und die Promotion auf der Basis der mit großer systematischer Genauigkeit erarbeiteten Tübinger Dissertation boten Held beste Voraussetzungen für eine Karriere in der Justiz. Dahin führte ihn zunächst auch der Weg, aber dann trat er mit attraktiven Sonderaufträgen in die Ministerien über und zählte zu den herausragenden Persönlichkeiten der baden-württembergischen Beamtenschaft.
Bei der Dissertation über den Widerstand gegen die Staatsgewalt ging es weniger um das später in den Vordergrund tretende politische „Widerstandsrecht“ als um die Tatbestände des unter der Reformdebatte stehenden Strafgesetzes, wobei er befand, dass das Gesetz zur Besserung der Widerstandskriminalität wenig werde beitragen können, das Wesentliche vielmehr durch die staatsbürgerliche Erziehung geleistet werden müsse, weil in einem freigeordneten Staat die Einordnung des Einzelnen in den Staat zu den vornehmsten Pflichten gehört.
Dass der Bericht über den Verfassungskonvent in Herrenchiemsee (1948) den 40-jährigen noch als Landgerichtsrat ausweist, zeigt, dass dieser kein Günstling des „Dritten Reiches“ gewesen war, wohl aber, dass er durch den langen Wehr- und Kriegsdienst beruflich gehemmt wurde. Da blieb ihm nichts erspart; im Winter 1942/43 wurde er schwer verwundet. Kriegserlebnisse hat er aus der Erinnerung später festgehalten. Unter dem unscheinbaren Titel „Alltag unter dem Nationalsozialismus“, einem Vortrag vor der Stuttgarter Privatstudiengesellschaft, steht geschrieben, wie der Krieg in Rußland wirklich war, wie der Artillerist aus tödlicher Nähe ihn erlebte, aber auch seine Gefühle und Gedanken. Verwoben in das furchtbare Geschehen, die Sturmangriffe, Panzerschlachten, die brennenden Dörfer, Vormarsch und Rückzug, Schlammperioden und eisige Winter, Sieg und Katastrophe erscheinen Betrachtungen zur Sinnlosigkeit des Krieges, zur Gewissensnot und die geringe Aussicht ihn zu überstehen, ohne Ausweg, die Ohnmacht des Soldaten, der von den großen Zusammenhängen so gut wie nichts erfuhr: „für wen, wie lange noch, zu welchem Ende? Die Pflicht, die Disziplin, der Eid, die Gewöhnung, vor allem aber die Kameraden, die lebenden und die toten Kameraden: so leicht schmeißt man die Knarre nicht hin.“ Ein unverstellter Bericht von den Taten und Leiden der Soldaten beider Völker aus der Perspektive eng begrenzter Frontabschnitte, wie es in dieser kantigen Realität wenige gibt, mal in der kernigen Sprache des Landsers, mal reflektierend. Und nicht ohne tiefere Einsicht, dass bei nachfolgenden Generationen Verständnis schwer zu finden ist, stellt er an den Schluss das Goethewort: „Der Greis muss auf ein Menschenrecht verzichten, auf das, von Zeitgenossen beurteilt zu werden.“
Auf den „Verfassungskonvent“, der auf Beschluss der Ministerpräsidenten vom 10. bis zum 23. August 1948 auf der Herreninsel im Chiemsee zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs für den Parlamentarischen Rat zusammentrat, begleitete Held neben Otto Küster beratend seinen Justizminister Josef Beyerle. Diesem wurde der Vorsitz des Unterausschusses für Grundsatzfragen übertragen. Insbesondere in Fragen des Föderalismus, der Beteiligung der Länder an der Bundesgesetzgebung und der Organisation der Länderkammer hatte Beyerles Stimme Gewicht. Held und Küster gehörten dem Ausschuss an, der die umfangreichen Berichte der Unterausschüsse zu koordinieren hatte. Nachdem diese Arbeit in zwei Tagen durchgeführt war, konnte der Verfassungskonvent seine Ergebnisse in Form einer Denkschrift den Ministerpräsidenten vorlegen, der auch Entwürfe für die Hauptabschnitte eines Grundgesetzes beigefügt waren. Die Denkschrift war freilich für den Parlamentarischen Rat unverbindlich und fand wegen der vorgeschlagenen föderalistischen Struktur des künftigen Staatswesens ein zwiespältiges Echo. Aber mehr als alle anderen Vorentwürfe und Konzepte hatte der Herrenchiemsee-Entwurf Einfluss auf die Entscheidungen zum Grundgesetz, und dies gerade wegen seines zumindest partiellen Charakters als einer sachverständigen Äußerung.
Ein feuriger Kämpfer für den Südweststaat war Held nicht. Er dürfte zu dem umstrittenen Verfahren, das zur Überstimmung der „Altbadener“ führte, ähnlich schonend und vermittelnd gedacht haben wie sein nobler Ressortchef Josef Beyerle. Aber als der Staat geschaffen war, wurde er literarisch sein Defensor. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 war nämlich das Problem nicht endgültig gelöst, wie man zuvor annehmen konnte. Es erhoben sich Stimmen, die eine neue Abstimmung im Verfahren nach Artikel 29 des Grundgesetzes forderten, obwohl es wenig sinnvoll erschien, die Existenz eines Landes, das erst im Wege der Neugliederung entstanden war, alsbald wieder in Frage zu stellen. Hier vertrat Held die Meinung, dass nach Wortlaut, Sinn und Entstehung der Vorschriften diese Frage durch die Anwendung des Artikel 118 als Sondervorschrift abschließend geregelt sei (Dezember 1954). Das Bundesverfassungsgericht entschied 1956 – für die meisten Juristen überraschend – anders.
Der Streit um den „Deutschland-Vertrag“ und den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gab 1952/53 Anlass zu heftigen Kontroversen über die Kompetenzen des Bundesrates und die „Zustimmungsbedürftigkeit“ der Verträge. Held griff unter Darlegung der historischen Entwicklung seit 1870 die Fragestellung generell auf, zumal in der Praxis weit mehr Gesetze sich als zustimmungsbedürftig erwiesen hatten, als man nach der Systematik des Grundgesetzes zunächst erwarten konnte. Unter Hinweis auf das „Hausrecht“ der Länder bei der (normalen) Ausführung der Bundesgesetze nach dem damals gängigen Satz, dass auf dem Gebiet der Gesetzgebung der Bund, auf dem Gebiet der Verwaltung die Länder den Vorrang haben, gab er ausgewogene Antworten auf die komplexen Fragen und wies auch Wege auf, wie der Bund ohne Schaden durch Beschränkung auf die materielle Rechtsetzung die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze beschränken könne. Der im Archiv des Öffentlichen Rechts 1955/56 erschienene Artikel, für den Held auch Anregungen von Otto Küster, damals Leiter der Abteilung Öffentliches Recht im Stuttgarter Justizministerium, aufgriff, gehört zur Standard-Literatur zu Artikel 84 des Grundgesetzes.
Im Verfassungsausschuss der Verfassunggebenden Landesversammlung vertrat Held das Justizministerium und äußerte sich zu einzelnen Sachfragen. Einen Streit zwischen Vertretern der Regierungspartei SPD und der CDU-Opposition lösten am 12. Dezember 1952 seine Ausführungen über den Charakter der Untersuchungsausschüsse und die von ihm empfohlene Mitwirkung von Richtern in den Ausschüssen aus; sie widersprachen dem Konzept der Regierungsparteien, die nun auf die Rechte des Parlaments pochten und die Mitsprache von Regierungsvertretern stark eingeschränkt wissen wollten. Die spaßhafte Bemerkung des Vorsitzenden Gog, der mit dem Vorschlag sympathisierte, „Herr Dr. Held, Sie haben nach Punkten gewonnen“, heizte die Debatte noch mehr an.
In der subtilen Gesetzgebungsarbeit, die den Leiter der Abteilung für Bundesangelegenheiten im Staatsministerium auch später beschäftigte, kehrten diese Fragestellungen immer wieder. Hier ging es um die Mitwirkung des Landes an der Gesetzgebung des Bundes und um die Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander. Held hatte die Auffassungen der Ressorts zu koordinieren, er hatte den Ministerpräsidenten und das Regierungskollegium zu beraten, wobei seine reichen Erfahrungen und sein abgewogenes Urteil geschätzt waren, nicht zuletzt auch in der Zeit, als der Regierungschef des Landes den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz führte und Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen Beziehungen war, zudem auch Verhandlungen mit den Nachbarländern Schweiz und Österreich zu führen waren.
Arbeit war geprägt durch Gründlichkeit, Beharrlichkeit und Entscheidungsfreude, aber auch Konzilianz. Die „chevaleresken Formen“, die ihm nachgerühmt werden (Reiff), waren natürlich, gewachsen aus der Bereitschaft, andere Meinungen, Argumente und neue Situationen gelten zu lassen, eigenes Interesse zurückzustellen, dies alles Kennzeichen einer ausgeglichenen, vornehmen Persönlichkeit. Wie klein aber nehmen viele Entscheidungen selbst hoher Gerichte und Behörden sich aus gegenüber den schicksalsschweren Entschlüssen, die ein Batteriechef oder auch niedere „Dienstgrade“ zu jeder Stunde des Krieges zu fassen hatten. Pflichttreue und Charakterstärke hat er zeitlebens gehalten, wie er sie in der Verstrickung in die Tragik des weltweiten Krieges bewiesen hatte.
Quellen: Staatsministerium B-W; Auskunft von Frau Dr. med. Renate Held-Hildebrandt, Neuss.
Werke: Der Widerstand gegen die Staatsgewalt – Geltendes u. künftiges Recht. Diss. jur. Tübingen 1932, Strafrechtliche Abhandlungen, hg. von Dr. August Schoetensack Held 313, 1933; Rechtswirksamkeit von Grundstücksveräußerungsverträgen, in: Die Verwaltungspraxis, 1950; Wesen u. Bedeutung des Dt. Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, in: Die Verwaltungspraxis Held 5, 1950, 467 ff.; Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nach dem württemberg-badischen Presserecht, in: Neue Jurist. Wochenschrift 1950, 733 f.; (zus. mit Otto Küster), Sind die automatischen Sanktionen der §§ 14 u. 17 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes verfassungswidrig?, in: Juristenztg. 1953, 542 f.; Kann d. Südweststaat auf Grund des Art. 29 des Grundgesetzes wieder beseitigt werden?, in: Die Öffentl. Verwaltung 1954, 737-739; Der autonome Verwaltungsstil d. Länder u. das Bundesratsveto nach Art. 84 Abs. l des Grundgesetzes, in: Archiv des öff. Rechts 80, 1955/56, 50-80; Alltag unter dem Nationalsozialismus, Vortrag vor d. Stuttgarter Privatstudiengesellschaft (1980?), Aufzeichnungen (ungedr.) im Familienbesitz.
Nachweis: Bildnachweise: nicht ermittelt.

Literatur: Verfassungsausschuss d. Ministerpräsidenten-Konferenz d. westlichen Besatzungszonen: Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, 1948; Hermann Reiff, Erlebtes B-W, 1983, 83; Wolfgang Benz, Von d. Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik. Stationen einer Staatsgründung 1946-1949. 1984; Quellen zur Entstehung d. Verfassung von B-W, bearb. Paul Feuchte, 1988-1994; Frank Raberg, Josef Beyerle. Zentrumspolitiker, Justiz- u. Wirtschaftsminister, Mitbegründer d. (nord-)württ. CDU. 1881-1963, in: Lebensbilder aus B-W 19, hg. von Gerhard Taddey u. Joachim Fischer, 1998, 437-464, 457; Rolf Laiblin, Nachruf auf K. Held, in: Igelschnauze, Zs. d. Tübinger Studentenverbindung Igel, Jahrg. 2000.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)