Ganter, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 11.07.1874;  Freiburg im Breisgau
Sterbedatum/-ort: 26.06.1945;  Buchenbach bei Kirchzarten
Beruf/Funktion:
  • Brauereidirektor
Kurzbiografie: 1880–1890 Schulzeit in Freiburg bis Abschluss d. Realschule
1890–1891 Student an d. Université de Lausanne
1891–1893 Fortbildung u. Praktika in Brauereien, im
SS 1893 Chemiestudium im an d. Univ. Freiburg
1893–1894 Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Karlsruhe, Artilleriereg. 14; Reserveoffiziers-Aspirant, ab 1896 Secondeleutnant d. Res.
1896–1897 Kgl. Bayer. Akademie für Landwirtschaft u. Brauerei, Weihenstephan
1898–1899 Besuch großer Brauereien in den USA, dann 2. Direktor d. Ganter-AG, Leitung des Unternehmens an d. Seite des Vaters
1904 1. Direktor; Bau- u. Rationalisierungsmaßnahmen sowie Ausweitung des Vertriebsgebiets; Brauerei Neumeyer, Freiburg, übernommen
1906 alleinige Leitung, Vater Aufsichtsrat
1908 Mitbegründer des Verbands d. Oberbad. Brauereien (VOB)
1911 Vorstandsmitglied des VOB
1914 –1918 Kriegsteilnahme, zuletzt in Weißrussland, 1917 EK I
ab 1920 Rückkauf von Ganter-Aktien
1934 –1935 weitere Aktien-Rückkäufe u. Bündelung d. im Umlauf befindlichen Aktien
1936 Sohn Hans Ganter in den Betrieb eingeführt
1943 Umwandlung d. AG in eine GmbH
Weitere Angaben zur Person: Religion: alt-kath.
Auszeichnungen: Ehrungen: Eisernes Kreuz I. Klasse (1917)
Verheiratet: 1914 (Freiburg) Margarete, geb. Knappertsbusch (1891–1983)
Eltern: Vater: Ludwig (1842–1915), Brauereibesitzer
Mutter: Marie, geb. Stib (1842–1912)
Geschwister: 10, darunter früh Verstorbene; Luise, verh. Fieser (1870–1951), Elisabeth, verh. Hofmann in Mannheim (1872–1957), Clara (1873– 1953), Helene Johanna, verh. Markwalder (* 1882)
Kinder: 2; Marianne (1915–2000), verh. Walther, Hans (1916–1988), verh. mit Irma, geb. Hoyermann.
GND-ID: GND/1018828893

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 132-134

Mit seiner Heirat wurde Ganter Schwiegersohn eines bekannten Spirituosenfabrikanten aus dem Bergischen Land und Schwager eines berühmten Dirigenten, der in Bayreuth an der Seite von Siegfried Wagner gewirkt hat.
Ganter hatte damals schon lange im väterlichen Betrieb Verantwortung getragen, nach dem Rückzug des Vaters 1906 in den Aufsichtsrat an vorderster Stelle. Der Vater und Firmengründer, der seine Brauerei 1865 in der Freiburger Innenstadt eröffnet hatte, galt als dominante Persönlichkeit. Um 1880 war er mit dem Betrieb auf das große Areal zwischen Dreisam und Schwarzwaldstraße umgezogen und hatte das Unternehmen 1886 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ganter stand dieser Unternehmensform kritisch gegenüber, fürchtete die Gefahr, bei Entscheidungen einer Zufallsmehrheit folgen zu müssen. „Die Aktien der damaligen Ganterschen Brauereigesellschaft befanden sich in den Händen einer Vielzahl von Banken und Aktionären“, berichtete Sohn Hans 1976 in einer knappen Übersicht über die Firmengeschichte. Bekannte Freiburger Namen waren darunter, auch Krebs (vgl. S. 227). Später hat Ganter sich bemüht, die Aktien auf allen Börsen wieder zusammenzukaufen, und in den 1920er und 1930er Jahren bot sich reichlich Gelegenheit dazu, so dass letztlich wieder rund 76% der Anteile zusammengefasst werden konnten. 1943 wandelte Ganter die Brauerei in eine GmbH um. Bis in die Gegenwart hat die Privatbrauerei ihre Selbständigkeit bewahrt.
Ganter, der das Unternehmen durch eine Epoche voller politischer und wirtschaftlicher Verwerfungen führte, genoss während der Wachstumsjahre im jungen Kaiserreich eine standesgemäße Ausbildung. Nach 10 Schuljahren machte er „das Einjährige“. Drei Jahre später trat er den Militärdienst an. Belegt für die Zwischenzeit sind ein Semester an der Universität in Lausanne und ein Semester Chemie in Freiburg. Die übrige Zeit füllte er mit Praktika, wie mündlich überliefert auch bei der Cardinal-Brauerei in Fribourg. Seine eigentliche Fachausbildung erhielt Ganter in der renommierten Kgl. Bayerischen Akademie in Weihenstephan und weitere Erfahrungen brachte er von einer dreimonatigen USA-Reise mit, die ihn von Dezember 1898 bis März 1899 quer über den nordamerikanischen Kontinent führte, von New York bis San Francisco und zurück. Er besuchte die großen Häuser der Bierstadt Milwaukee: Pabst, Schlitz und Blatz, war auch Anheuser-Busch in St. Louis. Adolphus Busch (1839–1913), den er als „Reklamemensch“ in Erinnerung behielt, traf er persönlich. Seine täglich vefassten Briefe sind als Blaupause erhalten, und der Sohn Hans berichtet, der Vater habe moderne Ideen aus Amerika mitgebracht. Möglicherweise trug diese Reise auch Früchte für die Forstwirtschaft der Stadt Freiburg. Deren Leiter jedenfalls, Ganters Schwager Emil Fieser, führte erfolgreich nordamerikanische Nadelhölzer ein.
Es fällt auf, welch genaue Vorstellungen Ganter von effektiven technischen Anlagen hatte. Er erkannte Möglichkeiten zur Rationalisierung und setzte sie um, auch wenn er insgesamt die Linie des Vaters weiter verfolgte, das Netz von Vertragshäusern, eigenen Gaststätten und Bierdepots zwischen Hochrhein und Kinzig rechts und links des Oberrheins pflegte und verdichtete. Ganter war 1907/8 auch Gründungsmitglied des „Verbands Oberbad. Brauereien zur Förderung der gemeinschaftlichen Berufsinteressen“, zu dessen ersten Maßnahmen die verbindliche Einführung eines gemeinschaftlichen Flaschenpfandes gehörte. Den Vorsitz führten die Kollegen und Konkurrenten Julius Feierling (1851–1931), Freiburg, und Adolf Meyer (1846–1923), Riegel. 1910 hatte der Verband 58 Mitglieder, neben den großen wie Ganter und der Freiburger Löwenbrauerei, Reitter und Lasser in Lörrach auch kleine Hausbrauereien. Die Freiburger Löwenbrauerei, 1888 im neuen Stadtteil Stühlinger gegründet, ließ von den 1930er Jahren an nach ihrer Rezeptur bei Ganter brauen und kooperierte auch personell, was 1976 in die Übernahme mündete.
Auch bei Ganter waren die Jahre unmittelbar vor dem I. Weltkrieg problemgeladen. Die Biersteuer wurde erhöht, die Rohstoffpreise stiegen; daraus resultierende Preiserhöhungen führten zum Konsumrückgang, mancherorts sogar zu gewalttätigen Übergriffen, dem „Bierkrieg“. Auch heftige Arbeitskämpfe mit langanhaltenden Streiks um Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung der Löhne wurden in der Branche geführt. Dennoch, die meisten derartigen Konflikte blieben Ganter dank seines verantwortungsvollen Umgangs mit den Betriebsangehörigen erspart. Sein Führungsstil sei streng, aber ruhig und gerecht gewesen.
In den ersten Kriegsjahren wurde Ganter als 40-jähriger Reservist einberufen, aber zunächst nicht an die Front geschickt. Anfangs war er in Emmendingen bei einem Ersatzbataillon stationiert, erst gegen Ende des Krieges, 1917 und 1918, in Weißrussland eingesetzt, zuletzt in Minsk.
Mangelverwaltung hatten die Unternehmen schon während des Krieges gelernt. Danach verschärften sich die Bedingungen, und auch hier wirkte sich der Wegfall des linksrheinischen Absatzgebietes negativ aus. Vor allem aber litt das Unternehmen unter Rohstoffmangel. Ohne Gerste reichte es nur zu Dünnbier. Auch aus Molke wurden Getränke hergestellt. Erst 1922 gab es wieder „Friedensbier“. Jetzt aber ließ die Arbeitslosigkeit den Konsum schrumpfen. Mit Argwohn betrachtete die Branche auch die Antialkoholbewegung. Nur durch äußerste Sparsamkeit habe die Firma die Krisen der Nachkriegszeit überlebt. Eine beachtliche Rolle kam dabei Braumeister und Direktor August Faller (1866–1946) zu, der der Firma seit 1894 angehörte, lange Betriebsleiter war, ab 1914 Prokurist und seit 1923 Vorstandsmitglied. Er begleitete Ganter durch sein ganzes Berufsleben. Nach seiner Ablösung in der Firmenleitung 1939 durch Georg Kammermeier blieb Faller technischer Berater und Direktor der mit Ganter kooperierenden Löwenbrauerei. Der aus Bayern gebürtige Brauereiingenieur Georg Kammermeier war 1929 als technischer Leiter bei Ganter eingetreten.
Wirtschaftlich bewegte sich die Brauerei nach der Mitte der 1920er Jahre in ruhigerem Fahrwasser. Ganter war darauf bedacht, die Produktionsanlagen und den Fuhrpark auf der Höhe der technischen Entwicklung und die firmeneigenen Bauten modern zu halten. In seinem Auftrag betreute der Architekt Carl Anton Meckel (1875–1938) in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre eine Reihe von Umbauten: das Lokal Wiehre-Bahnhof, das Bräu-Stammhaus in der Schiffstraße, die Bierablage Endingen, die Gambrinushalle in Lahr sowie Kesselhaus und Toreinfahrt der Brauerei. 1929 plante er den Neubau des Fuchsen in Emmendingen beim westlichen Stadttor, das damals zwei Durchfahrten erhielt.
Bei der politischen Zäsur von 1933 hatte Ganter einen schweren Stand, da er die NSDAP ablehnte. Um Nachteile vom Unternehmen und seinen 150 Mitarbeitern abzuwenden, habe er Faller und Kammermeier veranlasst, in die Partei einzutreten. Das geht aus beider Fragebogen von 1946 hervor. Faller wurde 1933 Parteimitglied, Kammermeier 1937. Im Anhang zum Fragebogen bei der Entnazifizierung schreibt Kammermeier: „Die Brauerei erhielt durch das Verhalten der Geschäftsführer keine Auszeichnung der Partei oder Arbeitsfront, trotzdem auf sozialem Gebiet mehr geleistet wurde als in vielen Betrieben in ähnlichen Verhältnissen.“ Kammermeier gibt an, dass nur 5% der Belegschaft Parteimitglieder waren. Die Hauschronik enthält ein Dokument von 1937, das von gutem Einvernehmen mit der Deutschen Arbeitsfront berichtet, der Betriebsleitung soziale Gesinnung attestiert und den Zustand der Aufenthalts- und Waschräume als vorbildlich anerkennt.
1941, nach zwei Jahren Kriegsteilnahme, konnte Kammermeier die Wehrmacht als am Arbeitsplatz unabkömmlich verlassen, gerade rechtzeitig, denn bei Ganter stellten sich Probleme durch ein Herzleiden ein. Als am 2. Dezember 1944 große Teile des Betriebs durch einen Luftangriff zerstört wurden, hielt Ganter sich im Haus Wiesneck, einer Außenstation der Universitätsklinik auf.
Ganter war ein Pflichtmensch, der alle Erwartungen erfüllte, die an ihn als den einzigen überlebenden Sohn des Brauereigründers gestellt wurden. Die Nachfahren erinnern sich seiner als sehr häuslich. Eines der wenigen Vergnügen sei sein Freiburger Stammtisch gewesen, dem Honoratioren angehörten, darunter auch sein Freund Heinrich Brenzinger (BWB I 44).
Quellen: StAF A 96/1/6157 Bierdepot Sängerhalle Rheinfelden, A 25/1, Nr. 397, Architekt C. A. Meckel; StadtA Freiburg Dwe/274, Sammelmappe Brauerei Ganter; FirmenA Ganter, Ordner Chronik I u. II, Materialsammlung Daniel Schuch; Familiendokumente im Besitz d. Enkel Ernst Ludwig u. Albrecht Ganter; Familiengrab auf dem Freiburger Hauptfriedhof, Inschriften; Mitteilungen von Irma Ganter, geb. Hoyermann, ihrer Söhne Ernst u. Albrecht u. d. Enkelin Barbara Freifrau von Cramm vom April 2011.
Nachweis: Bildnachweise: 125 Jahre, 1990, 9; Gemälde im Sitzungssaal der Brauerei, Freiburg, Schwarzwaldstraße (vgl. Literatur).

Literatur: Helmut Brandl, Der Stadtwald von Freiburg, 1970, 175; ders., Emil Fieser, in: Biographie bedeutender Forstleute aus BW, 1980, 156–159; 125 Jahre Privatbrauerei Ganter Mit Vogel Greif frisch-modern-lebendig auf Erfolgskurs, 1990; BZ vom 9.8.1990; Peter Kalchthaler u. Walter Preker, Freiburger Biographien, 2002, 174 f; Daniel Schuch, Die Entwicklung d. Freiburger Brauerei Ganter 1865–1918, 2007.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)