Siebert, Hans Dietrich Timotheus Heribert 

Geburtsdatum/-ort: 17.03.1898;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 14.10.1953;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Historiker, Archivar
Kurzbiografie:

1904 III–1907 VIII Volksschule

1907 IX–1916 VII Realgymnasium Goethe-Schule in Karlsruhe

1916 X–1916 XII Studium der Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

1916 XII–1917 IX Soldat beim Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 14 und beim Fuß-Artillerie-Bataillon Nr. 48; 1917 schwer verwundet, anschließend Lazarettaufenthalte in Gondecourt/Lille, Marburg und Heidelberg; 1918 Entlassung aus dem Heeresdienst

1918–1924 VII 29 Wiederaufnahme des Jurastudiums an der Universität Heidelberg; bald Wechsel an die Universität Freiburg und Studium der Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik und Latein mit Abschluss Promotion bei Heinrich Finke: „Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung der Cistercienserabtei Salem von der Gründung bis zur Resignation Abt Eberhards von Rohrdorf 1134 – 1240“

1924 XI Aushilfsangestellter beim GLA Karlsruhe

1925 XI 27 Staatsexamen für das höhere Lehramt

1926 X 1 außerplanmäßiger Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am GLA

1928 X 1 Archivrat

1930–1937 stellvertretender Direktor des GLA

1939 X 12 Versetzung zum Badischen Armeemuseum

1941 Eintritt in die NSDAP; Mitglieds-Nr. nicht nachweisbar

1945 VIII 24 durch Ministerialerlass Zurückversetzung ans GLA

1948 IV 20 Ernennung zum 1. Archivrat

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet:

1931 (Essen) Anna Hedwig, geb. Holbeck, (geb. 1901)


Eltern:

Vater: Albert (1866–1948),Dr. iur., Oberregierungsrat im badischen Innenministerium

Mutter: Clara, geb. Ritter (1873-1963)


Geschwister:

keine


Kinder:

Gudula Klara, verh. Erhorn (geb. 1932)

GND-ID: GND/1027680542

Biografie: René Gilbert (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 515-517

Siebert wuchs in einem betont katholischen Elternhaus als einziges Kind eines höheren badischen Verwaltungsbeamten und der späteren badischen Landtags- und Reichstagsabgeordneten Clara Siebert auf. Seine Schulzeit schloss er 1916 in Karlsruhe mit der Reifeprüfung ab und studierte anschließend Rechtswissenschaften in Freiburg, musste aber wegen seiner Einberufung zum Militärdienst nach wenigen Wochen unterbrechen.

Als Soldat nahm er an Stellungskämpfen im Sundgau und im nordfranzösischen Artois teil. 1917 wurde Siebert bei einem Gefecht am Deûle-Kanal schwer am Kopf verwundet, wobei er sich einen Schädelbruch zuzog, dessen Langzeitfolgen, temporäre Gleichgewichts- und Sehstörungen und dauerhafte starke Schwerhörigkeit, sein weiteres Leben bestimmten. Nach längerem Lazarettaufenthalt wurde Siebert als 80 Prozent Schwerkriegsbeschädigter im Mai 1918 aus dem Heeresdienst entlassen und nahm anschließend das Studium wieder auf. Starke Einschränkungen bei der Kommunikation, aber auch persönliche Neigung bewogen ihn bald, das Studienfach zu wechseln und die stillere Laufbahn des Archivars anzustreben. Im WS 1918/19 begann Siebert Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik und Lateinin Freiburg zu studieren. Seine akademischen Lehrer waren Heinrich Finke, Georg von Below, Joseph Sauer und Friedrich Wilhelm. Am 29. Juli 1924 wurde Siebert mit der von Finke angeregten Arbeit über die Zisterzienserabtei Salem von 1134 bis 1240 „magna cum laude“ promoviert und bald als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim GLA Karlsruhe angestellt.

Der Anfang von Sieberts Tätigkeit als Archivar begann unter denkbar ungünstigen Umständen. 1924 traten gleich drei höhere Archivbeamte in den Ruhestand und eine Übersicht für viele ältere und alle neueren Archivbestände fehlte. Deswegen musste sich Siebert die archivarischen Fachkenntnisse größtenteils selbst aneignen. 1928 wurde er als planmäßiger Archivrat angestellt. Trotz der schwierigen Verständigung mit seinen Kollegen erwarb er sich durch seine Arbeit rasch allgemeine Anerkennung, die sich 1930 in der Ernennung zum 2. Beamten und stellvertretenden Direktor des GLA sowie 1932 in der Berufung zum außerordentlichen, 1939 zum ordentlichen Mitglied der Badischen Historischen Kommission manifestierte.

Bis 1933 Mitglied der Zentrumspartei und in verschiedenen katholischen Organisationen aktiv bedeutete die NS-Zeit für den bekennenden Katholiken Jahre der Schikane und beruflicher Isolierung, die besonders durch den seit Mai 1933 am GLA tätigen Philosophen Arnold Ruge forciert wurden. Wohl durch Denunzierung von Kollegen wurde Siebert im April 1937 seine Funktion als stellvertretender Archivdirektor entzogen. Er wurde an die dritte Stelle der Oberbeamten gesetzt, nach dem Amtsantritt von Karl Stenzel als Direktor im Juni 1939, mit dem ihn eine tiefe Antipathie verband, sogar an die vierte Stelle. Bereits 1938/39 unter Ruge als Stellvertretendem Direktor war Sieberts Büro auf „belastendes Material“ durchsucht worden.

Am 12. Oktober 1939 ordnete Kultusminister Otto Wacker die Versetzung Sieberts auf eine minderbewertete Stelle als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und Bibliothekar an das Badische Armeemuseum, heute Wehrgeschichtliches Museum Rastatt, an. Um weitere berufliche Nachteile zu vermeiden, trat Siebert – als letzter der höheren Archivbeamten im GLA – 1941 in die NSDAP ein. Nach dem großen Luftangriff auf Karlsruhe am 3. September 1942, bei dem u. a. die Badische Landesbibliothek fast vollständig zerstört worden war, wurde Siebert vom Leiter des Badischen Armeemuseums, Oberst a. D. Erich Blankenhorn, mit der Evakuierung und Sicherung der Bibliothek des Museums in das Zwischendepot im Schloss Favorite bei Rastatt beauftragt. Dort fand er nach der Zerstörung seiner Karlsruher Wohnung am 4. Dezember 1944 selbst eine Unterkunft.

Nach Kriegsende wurde Siebert von der französischen Militärregierung mit der Ordnung und Sicherung des Bibliotheksbestands sowie mit der Organisation der Rückgabe des außerdem im Schloss Favorite gelagerten privaten und staatlichen Bergungsgutes beauftragt. In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde er am 9. Januar 1947 von der Spruchkammer Karlsruhe wegen seiner Parteizugehörigkeit zunächst als Mitläufer eingestuft und zu einer Geldsühne von 800 RM verurteilt. An dieser Entscheidung konnten auch Erklärungen von Conrad Gröber, Leo Wohleb und Friedrich Töpper nichts ändern, zu denen Siebert freundschaftliche Kontakte pflegte und die ihm eine ideologische Ferne zum NS-Regime bescheinigten. Nach einem Einspruch und der Überprüfung seines Falles wurde er am 23. Januar 1947 entlastet. Dagegen legte nun der öffentliche Kläger am 18. März Einspruch ein, der von der Spruchkammer Karlsruhe zurückgewiesen wurde. Damit wurde Sieberts Entlastung am 18. September 1947 rechtswirksam.

Im April 1948 wurde er wieder 1. Archivrat beim GLA. In seiner archivarischen Tätigkeit beschäftigte er sich im folgenden Lebensabschnitt vor allem mit der Ordnung der umfangreichen Bestände des badischen Landtags. Die außerdem begonnene und seit langem fällige Neuordnung der badischen Gemeindesiegel brachte Siebert nicht mehr zum Abschluss.

Seine wissenschaftliche Arbeit kennzeichnet die Beschäftigung mit der Geschichte der Klöster Salem und Allerheiligen sowie der Diözese Konstanz. Akribische Untersuchungen zur Bevölkerungsgeschichte des Bistums Speyer, vor allem der Volkszählungen von 1470 und 1530, blieben ebenfalls unvollendet.

Wegen des körperlichen Defizits war Siebert in seinem Berufsleben bis auf einige kirchlich-religiöse und politische Vorträge in den 1930er Jahren und in der Nachkriegszeit ohne größere Außenwirkung geblieben. Insofern fehlen aussagekräftige Dokumente, die seine tiefergehende Charakterisierung erlaubten.

Als einer der besten Kenner der südwestdeutschen Wappen und Siegel beteiligte er sich 1952 bei der Gründung des Südweststaats an der Namensfindung für das neue Bundesland. Sein Vorschlag „Südwestdeutschland“ kam archivintern nur auf den dritten Platz. Schließlich unterstützte er die Entscheidung des GLA, den Namen „Baden-Württemberg“ vorzuschlagen, der sich am Ende gegen „Württemberg-Baden“ und „Schwaben“, den Wunschnamen des Direktors des HStA Stuttgart, Max Miller, durchsetzte.

Diesen Erfolg erlebte Siebert aber nicht mehr. Er war wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung in der Verfassunggebenden Landesversammlung einem Leberleiden erlegen.

Quellen:

UA Freiburg B 42/2058, Promotionsakte Hans Dietrich Siebert, B 44/55/704, Studien- und Sittenzeugnis, Hans Dietrich Siebert, D 29/31/2072, Promotionsurkunde (Duplikat) Hans Dietrich Siebert; HStA Stuttgart EA 1/150 Bü 42, Personalakte Hans Dietrich Siebert; GLA Karlsruhe N Siebert, Nachlass Clara und Hans Dietrich Siebert,450/799, Personalakte Hans Dietrich Siebert, 465 c 990, Fragebogen zur Abstammung Hans Dietrich Siebert, 465 h 14936, Spruchkammerakte Hans Dietrich Siebert.

Werke: (Auswahl) Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung der Cistercienserabtei Salem von der Gründung bis zur Resignation Abt Eberhards von Rohrdorf 1134–1240. Ein Beitrag zur Cistercienserwirtschaftsgeschichte des 12. und des 13. Jahrhunderts, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1925; Überlingen wallfahrtet nach Einsiedeln, in: Bodensee-Chronik 21, 1932, Nr. 23–24; Das 800-jährige Salem. Gründung und Anfangszeit, 1934; Gründung und Anfänge der Reichsabtei Salem, in: FDA 62, 1934, 23–56; Geschichte zwischen Bodensee und Donau, in: Ekkhart 21, 1934, 87–93; Altäre und Pfründen der Domkirche zu Konstanz um 1500, in: FDA 63, 1935, 210–215; P. Benvenut (Georg) Stengele, in: Badische Biographien Bd. 6, 1935, 622 f.; Kleinstaaterei zwischen Bodensee und Donau vor 150 Jahren, in: Bodensee-Chronik 24, 1935, Nr. 4; Gustav Brugier, in: Bad. Biographien Bd. 6, 1935, 621 f.; Freiherr Rudolf von Buol-Berenberg, ebd.768–770; (als Bearb.) Regesta Episcoporum Constantiensium (REC) - Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz von Bubulcus bis Thomas Berlower 517–1496, hgg. von der Badischen Historischen Kommission, 4. Band, 7. Lieferung, Orts-, Personen- und Sachregister zum 4. Band, Bischof Heinrich von Hewen bis Hermann von Breitenlandenberg 1436–1474, 1940.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (um 1950) S. 512, GLA Karlsruhe J-Ac S 223, Portrait Hans Dietrich Siebert.

Literatur:

BNN vom 15.10. 1953; Badische Volkszeitung vom 15. und 17.10. 1953; Archivrat Dr. Siebert gestorben, in: St. Konradsblatt – Bistumsblatt für die Erzdiözese Freiburg 33, 1953, Nr. 43, 750; Paul Zinsmaier, Hans Dietrich Siebert, in: ZGO 102, 1954, 822 f.; Manfred Krebs, Hans Dietrich Siebert †, in: Der Archivar 8, 1955, 58; Wolfgang Leesch, Die deutschen Archivare 1500–1945, Bd. 2, 1992, 571 f.; Konrad Krimm, Kampfplatz – Nische – Abstellraum? Das Badische GLA im NS-Staat, in: Archiv und Öffentlichkeit, Aspekte einer Beziehung im Wandel, hgg. von Konrad Krimm und Herwig John, 1997, 75–108; Petra Schön (Bearb.), Baden-württembergische Befindlichkeiten, Das Land und seine Symbolik, 2002, 22–52; Alexander Jordan, Das Wehrgeschichtliche Museum Rastatt. Tradition und Perspektiven, in: Gang durch die Geschichte. 75 Jahre Wehrgeschichtliches Museum und 50 Jahre Vereinigung der Freunde des WGM, bearb. von Alexander Jordan, Thomas Madeja und Winfried Mönch, 2009, 9–26.

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