Saier, Oskar 

Geburtsdatum/-ort: 12.08.1932;  (Buchenbach-)Wagensteig
Sterbedatum/-ort: 03.01.2008;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Erzbischof von Freiburg
Kurzbiografie:

1957 VI 2 Priesterweihe

1957 VIII 1–1962 Vikar in Mosbach-St. Cäcilia

1962–1963 Vikar in Freiburg-St. Johann

1963–1970 Studium des katholischen Kirchenrechts in München

1970 Dr. iur. can. bei Klaus Mörsdorf: „ ‚Communio‘ in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils“

1970–1977 Regens des Priesterseminars St. Peter im Schwarzwald

1972 IV 18 Weihbischof in der Erzdiözese Freiburg

1978 Erzbischof von Freiburg

1979–1998 Leiter der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz

1984–1999 Mitglied der Päpstlichen Kongregation für den Klerus

1987–1999 Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

2002 VII 1 Emeritierung

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet:

unverheiratet


Eltern:

Vater: Adolf (1905–1964), Landwirt aus (Buchenbach-)Unteribental

Mutter: Berta, geb. Saier (1902–1990), aus Wagensteig


Geschwister:

2; Erika Luise (geb. 1934) und Hildegard (geb. 1935)


Kinder:

keine

GND-ID: GND/107946181

Biografie: Christoph Schmider (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 448-453

Saier war der erste Freiburger Erzbischof, der emeritiert wurde und noch mehrere Jahre lang einen von Amtspflichten und ständiger Präsenz in der Öffentlichkeit freien Ruhestand genießen konnte. Sein Pontifikat war dennoch das zweitlängste in bis dahin 180 Jahren Freiburger Bistumsgeschichte; nur Hermann von Vicari (1773–1868, Erzbischof ab 1843) amtierte länger. Beides ist freilich nicht Saiers persönliches Verdienst, und beides begründet nicht seine weiterwirkende Bedeutung für die Kirche von Freiburg. Wenn er schon jetzt zu den historisch wichtigeren Freiburger Erzbischöfen gerechnet wird, dann wegen der Art und Weise, wie er die mit seiner Amtszeit weitgehend deckungsgleiche, schwierige Phase gravierender gesellschaftlicher wie auch innerkirchlicher Klärungsprozesse und Veränderungen bewältigte.

Materiell ging es der Kirche des Erzbistums so gut wie nie zuvor, spirituell und ideell hingegen lagen weite Bereiche brach in dieser religiös zunehmend indifferenten Zeit, auch innerhalb der Kirche. In diesem Umstand gründeten Saiers immer wieder erneuerte Aufrufe zur „Evangelisierung“, die sich auch im Motto für das Jubiläumsjahr 2002 widerspiegelten, als das Erzbistum sein 175–jähriges Bestehen feiern konnte: „Es ist Zeit zur Aussaat.“ Saier war nicht nur seinem Namen nach ein „Sämann“, sondern hat das Seine dazu beigetragen, dass die Freiburger Kirche auch künftig die Früchte ihrer Arbeit wird ernten können.

Fünfeinhalb Jahre des Ruhestandes waren ihm vergönnt, nachdem Papst Johannes Paul II. seinen gesundheitsbedingten Amtsverzicht zum 1. Juli 2002 angenommen hatte. Saier wirkte erleichtert und gelöst, nachdem die Bürde des Amtes von ihm genommen war, doch wirklich zur Ruhe setzte er sich nicht. So lange seine Gesundheit dies zuließ, übernahm er weiterhin priesterliche und bischöfliche Aufgaben in Pastoral und Sakramentenspendung. Er nahm weiter teil am Leben der Kirche von Freiburg, doch er tat dies auf vornehme Weise, indem er half, wo sein Mittun oder sein Rat gefragt waren, und nie, indem er sich ungefragt einmischte. Damit zeigte sich auch in seinen letzten Jahren ein Wesenszug, der sein ganzes Leben geprägt hat: Zurückhaltend erfüllte Saier seine Verpflichtungen, immer überaus gewissenhaft, mit großer Standfestigkeit und Einfühlungsvermögen. Typisch dafür und für seine stets korrekte Einhaltung geschriebener wie ungeschriebener Gesetze ist eine Episode die sich im Frühjahr 2007 bei der Mitgliederversammlung des Kirchengeschichtlichen Vereins zutrug: Als ihm die noch leere Anwesenheitsliste in die Hand gedrückt wurde, unterschrieb er nicht etwa als Erster, sondern brachte die Liste zum gleichfalls anwesenden Erzbischof Robert Zollitsch, damit dieser auch hier den ihm gebührenden ersten Platz einnähme.

Saier wurde auf dem „Vogtshof“ im heutigen Buchenbacher Ortsteil Wagensteig geboren. Nach dem durch Lateinstunden beim damaligen Kaplan bereicherten Besuch der Grundschule in Wagensteig kam er 1945 nach Sasbach auf die Heimschule Lender, aus der zahlreiche Priester hervorgegangen sind. Die Verbindung zu dieser Schule ließ er nie abreißen und nahm, wann immer möglich, zumindest stundenweise an Klassentreffen teil. Dem Theologiestudium in Freiburg und Tübingen folgte die praktische Pastoralausbildung im Priesterseminar St. Peter, die mit der Priesterweihe durch Erzbischof Eugen Seiterich am 2. Juni 1957 ihren Abschluss fand. Die Zeugnisse der Schule, des Collegium Borromaeum wie des Priesterseminars attestierten ihm eine gewisse Schüchternheit, hoben aber auch Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein und einen durch und durch lauteren Charakter hervor.

Saiers Priesterlaufbahn begann mit einer Ferienvertretung in Löffingen-Reiselfingen, ehe er am 1. August 1957 für die nächsten gut fünf Jahre in der Pfarrei St. Cäcilia zu Mosbach seine erste reguläre Vikarsstelle antrat. Hier legte er ein festes pastorales Fundament, auf das er später immer wieder aufbauen konnte. Im Oktober 1962 wurde er nach Freiburg in die Pfarrei St. Johann versetzt, um dort weitere Erfahrungen auf dem Weg zum Pfarrer zu sammeln und Einblick in die Besonderheiten der Großstadtseelsorge zu erhalten. Zunächst ohne rechte Begeisterung, aber doch in priesterlichem Gehorsam und somit ohne Widerspruch, verließ er Freiburg schon im April 1963 wieder, um dem Wunsch seines Erzbischofs gemäß am Kanonistischen Institut der Universität München Kirchenrecht zu studieren.

Neben seinem Studium, das er am 4. Juli 1970 mit der Promotion „summa cum laude“ zum Doktor des kanonischen Rechts abschloss, war Oskar Saier geraume Zeit als wissenschaftlicher Assistent an der Universität beschäftigt und zugleich engagiert als Hausgeistlicher bei den Münchener „Armen Schulschwestern“ tätig. In die Jahre seiner Studienzeit in München fiel das II. Vatikanische Konzil und der dadurch angestoßene Aufbruch der Kirche in die Moderne. Ganz auf der Höhe der Zeit war Saier mit dem Thema seiner Doktorarbeit, die sich unter dem Titel „‚Communio’ in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils“ mit kirchenrechtlichen Aspekten der Gemeinschaft in der Kirche, von den Laien über die Priester bis zu den Bischöfen, befasste und mittlerweile als Standardwerk gilt. Eine außerordentliche Bischofssynode im Jahr 1985 bestätigte Saiers Sichtweise, bekräftigte die „Communio“ als Leitidee des II. Vatikanums und profilierte sie weiter. Ihm selbst wurde und blieb der „Communio“- Gedanke die Grundlage für das Verständnis wie für die Praxis des bischöflichen Dienstes.

Gleich nach der Promotion berief Erzbischof Hermann Schäufele den vielversprechenden Kirchenrechtler im Sommer 1970 zum Regens des Priesterseminars St. Peter. Willkommener Nebeneffekt dieser schwierigen und verantwortungsvollen Tätigkeit war für Saier, dass er wieder im geliebten Schwarzwald wandern konnte. Nach den langen Jahren der Beschäftigung mit der Wissenschaft genoss er nun den intensiven Kontakt zu den angehenden Priestern, denen er bei der Umsetzung der durch das Studium vermittelten Theologie in die seelsorgerliche Praxis Hilfe und Anleitung bieten konnte.

Nach weniger als zwei Jahren kam die nächste Aufgabe hinzu. Am 18. April 1972 ernannte Papst Paul VI. Saier zum Titularbischof von Rubicon und zum Weihbischof in der Erzdiözese Freiburg. Die Bischofsweihe spendete ihm am 29. Juni 1972, am Fest der Apostel Peter und Paul, im Freiburger Münster Erzbischof Hermann Schäufele; Mitkonsekratoren waren der Rottenburger Bischof Georg Moser und Weihbischof Karl Gnädinger.

Wenn auch ein Weihbischof zunächst einmal Helfer des Diözesanbischofs ist, so kann er doch dadurch, wie er diese Aufgabe erfüllt, das Erscheinungsbild der Kirche in der Öffentlichkeit und ihr Ansehen bei den Gläubigen wesentlich mitgestalten. Weihbischof Saier suchte und fand den Kontakt zu den Menschen, sei es im Zusammenhang mit Firmbesuchen und bei sonstigen kirchlichen Veranstaltungen, in Gesprächen mit Pfarrgemeinderäten und anderen ehrenamtlich Engagierten, sei es bei Besuchen in Firmen oder landwirtschaftlichen Betrieben. Als Weihbischof leitete er über mehrere Jahre hinweg eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz, die im Hinblick auf die Revision und Neuausgabe des „Codex Iuris Canonici“ substantielle Beiträge leistete.

Verwaltungsaufgaben in der Bistumsleitung hatte er hingegen kaum wahrzunehmen, sieht man einmal von seiner Aufgabe als Wirklicher Geistlicher Rat und Mitglied der Ordinariatssitzung ab. Als Regens des Priesterseminars freilich war er bereits in die Verantwortung für die künftige Entwicklung der Kirche im Erzbistum eingebunden.

Erheblich größeren Umfang und eine ganz andere Qualität nahm die Verantwortung an, als Saier nach dem Tod von Erzbischof Schäufele und einer längeren Sedisvakanz vom Freiburger Metropolitankapitel am 7. März 1978 zum Erzbischof gewählt wurde. Papst Paul VI. bestätigte diese Wahl am 15. März 1978. Mit der feierlichen Einführung durch den Apostolischen Nuntius Erzbischof Guido del Mestri am 3. Mai 1978 trat Saier sein Amt als Oberhirte der Erzdiözese an – im für einen Diözesanbischof geradezu jugendlichen Alter von nicht ganz 46 Jahren.

Bereits in seiner Antrittspredigt umriss Saier sowohl die künftigen Aufgaben als auch seine Vorstellungen davon, wie sie bewältigt werden könnten. Sein Ausgangspunkt war der Communio- Gedanke: „Die Kirche ist die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe“ (Konradsblatt, 62. Jahrgang, Nr. 20, 14. Mai 1978, S. 6), sagte er und bekräftigte seine Überzeugung, dass es aus diesem Bewusstsein der Gemeinschaft heraus der Kirche und ihren Gliedern gelingen kann, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Schon hier klang seine mehr als ein Jahrzehnt später ergriffene pastorale Initiative „Miteinander Kirche sein für die Welt von heute“ an, und das Wort des Hl. Augustinus „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof“ (Predigt 17,2) verstand Saier als geradezu programmatisch für sein Amtsverständnis.

Getreu seinem Wahlspruch „In vinculo communionis“, „Im Band der Gemeinschaft und des Friedens“, wie die von ihm bevorzugte interpretierende Übersetzung hieß, betrachtete Erzbischof Saier es selbst als zentrales Anliegen seines Amtes, den Menschen immer wieder persönlich zu begegnen, um den Priestern seine brüderliche Verbundenheit zu zeigen und die beruflich wie ehrenamtlich tätigen Laien in ihrem Engagement zu unterstützen. Dass der hochgelehrte Theologe und Kirchenrechtler sein bischöfliches Wirken vor allem als pastoralen Dienst verstand, hat er nicht nur betont, sondern durch Taten bekräftigt, und dass ihm Kirche über alle hierarchischen Abstufungen und Unterschiede hinweg immer eine Gemeinschaft von Glaubenden war, aus der niemand vorschnell ausgeschlossen werden sollte, bewies sein Handeln. Im Abschiedshirtenbrief resümierte er rückblickend noch einmal sein Amtsverständnis: „Ich wollte meinen bischöflichen Dienst im Sinne des II. Vatikanischen Konzils ausüben im Wissen, dass ich von Christus nicht bestellt bin, allein die ganze Heilsmission der Kirche – konkret in unserem Bistum – auf mich zu nehmen. Gott sei Dank wurde diese meine Absicht von den Gläubigen […] aufgenommen und in vielfältiger Weise unterstützt und verwirklicht“ (Amtsblatt 2002, S. 298).

Eine erste Bewährungsprobe, vor der Saier unmittelbar nach seinem Amtsantritt stand, war die Durchführung des Katholikentags 1978 in Freiburg. Schlagartig stand er für die Dauer dieses großen Ereignisses im Rampenlicht der interessierten Öffentlichkeit – und bewies, dass er seinem anspruchsvollen und gewichtigen Amt in jeder Hinsicht gewachsen war. Auch im weiteren Verlauf seiner Amtszeit nahm Saier die Herausforderungen, vor denen er sich sah, unerschrocken an und stellte sich seiner Verantwortung, wobei er gern Initiativen ergriff und Themen besetzte.

Ein prägendes Element seiner langen Amtszeit war der tiefgreifende und rasante Wandel der gesellschaftlichen Stellung der Kirche in Deutschland. In weitem Umfang bestimmt wurde sein Handeln als Oberhirte vom immer gravierender werdenden Priestermangel. Rechnung getragen hat er dieser Entwicklung beispielsweise durch den inhaltlichen Ausbau des Seelsorgeamtes und des Instituts für pastorale Bildung, wodurch sämtliche pastoralen Berufsgruppen unterstützt und gestärkt wurden. Und wenn in Saiers Amtszeit die Verwaltung des Erzbistums erweitert wurde, dann nur um immer mehr der eigentlich den Pfarreien zukommenden Aufgaben übernehmen zu können. Dass diese Verlagerung nötig war, wird wohl nirgendwo so deutlich sichtbar wie auf dem Gebiet der Seelsorge: Wenn heute bistumsweit jeweils mehrere Pfarreien zu Seelsorgeeinheiten zusammengefasst sind, wenn Laien in immer weiteren Bereichen der Pastoral den Klerus ergänzen oder gar ersetzen, dann nicht aufgrund radikaler Veränderungen des Kirchenverständnisses oder anderer theologischer Entwicklungen, sondern wegen des allmählich dramatischen Priestermangels.

Ähnlich groß waren die Herausforderungen im Bereich von Bildung und Erziehung. Welche Bedeutung Saier diesem Aufgabengebiet beimaß, und wie sehr er sich darin engagierte, wird deutlich in dem unter seiner Ägide vorgenommenen Ausbau des kath. Schulwesens. Die freien katholischen Schulen im Erzbistum wurden nach Kräften gestärkt, vor allem durch Bündelung der Kräfte und Schärfung des Profils, und durch die Errichtung der Schulstiftung der Erzdiözese wurde diese Entwicklung deutlich vorangetrieben.

Kennzeichen von Saiers bischöflichem Wirken war, dass er angesichts dieser Schwierigkeiten nicht in Untätigkeit erstarrte, dass er nicht einsame Entscheidungen traf, sondern zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Gläubigen seines Erzbistums nach neuen Wegen suchte. Der ihm so vertraute Gemeinschafts-Gedanke findet sich wieder in seiner 1989 angestoßenen pastoralen Initiative „Miteinander Kirche sein für die Welt von heute“. In deren Rahmen fand 1991 und 1992 das „Freiburger Diözesanforum“ statt, ergänzt 1997 durch den „Freiburger Diözesantag“, auf dem in offener und bisweilen kontroverser Weise über die Situation der Kirche gesprochen und nach Lösungsmöglichkeiten für die anstehenden Probleme gesucht wurde. Zu einigen aktuellen Fragen des kirchlichen und öffentlichen Lebens hat Erzbischof Saier in vielbeachteten Fastenhirtenbriefen Stellung genommen, so etwa zur Weitergabe des christlichen Glaubens (1980), zur christlichen Ehe und zur Bedeutung der Familie für den Glauben (1981, 1993), zum Bußsakrament (1982) oder zur Bedeutung des Sonntags (1986). Stärker als ihm vielleicht recht geriet er 1993 ins Blickfeld der Öffentlichkeit, als er zusammen mit den damaligen Bischöfen und späteren Kardinälen Karl Lehmann (Mainz) und Walter Kasper (Rottenburg-Stuttgart) einen Hirtenbrief zur „Pastoral mit Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen“ veröffentlichte, der wegen seines Inhalts und des von ihm ausgelösten Dissenses mit der vatikanischen Glaubenskongregation weltweite Resonanz auslöste.

Weitere komplexe und schwierige Themen, die Saiers Amtszeit über größere Zeiträume wesentlich prägten, waren die langwierigen Auseinandersetzungen um den Schutz des ungeborenen Lebens. Er positionierte und exponierte sich in Fragen der Abtreibungsgesetzgebung wie auch später bei der sogenannten Schwangerschafts-Konfliktberatung in Kooperation mit staatlichen Stellen, an der er mit der Mehrheit der deutschen Bischöfe so lange festhielt, bis das Veto aus Rom ergangen war. Dass er sich der durch den päpstlichen Primat gestützten vatikanischen Sentenz beugen würde, stand für den jederzeit treuen Sohn der Kirche von vornherein fest. Fragen der Bioethik beschäftigten Saier ständig, und immer wieder äußerte er sich in Ansprachen und Hirtenbriefen mit eindringlichen Worten dazu. So etwa in seinem Hirtenbrief „Unsere Stimme für das Leben“ vom 9. Mai 1991: „Die ganze Schöpfung ist vom Untergang bedroht, wenn wir – die Menschen, die Hauptursache dieser Bedrohung – nicht gegensteuern. Das war in der Menschheitsgeschichte noch nie so notwendig wie heute“ (Amtsblatt 1991, S. 151–152).

Auch überdiözesan ließ sich Erzbischof Saier in die Pflicht nehmen, wenngleich er in den letzten Jahren seiner Amtszeit aus gesundheitlichen Gründen beginnen musste, kürzer zu treten. Von 1979 bis 1998 war er Leiter der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Den Vorsitz in dieser wichtigen Kommission, die damals noch mit den heute selbständigen Kommissionen für Jugend sowie für Ehe und Familie eine Einheit bildete, nahm Saier in großer Verbindlichkeit wahr. Im Kreis der Mitglieder wie der Beraterinnen und Berater achtete er auf differenzierte, die verschiedensten Aspekte und Erfahrungen aufgreifende Diskussionen und dementsprechend gut begründete Beschlüsse. Mit gutem Grund darf vermutet werden, dass Saier gerade diese Aufgabe gerne wahrgenommen hat und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine spürbare Kollegialität vermitteln konnte – eben „in vinculo communionis“.

Gleichfalls seit 1979 war Saier Mitglied des evangelisch-katholischen Kontaktgesprächskreises. Von 1984 bis 1999 gehörte er der Päpstlichen Kongregation für den Klerus an, nachdem er schon 1980 als Delegierter den deutschen Episkopat bei der römischen Bischofssynode zum Thema Familie vertreten hatte. Seit dem Jahr 1986 war er Mitglied, von 2001 bis zu seinem Verzicht auf das Erzbischofsamt stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission der DBK, und von 1987 bis 1999 hatte er den stellvertretenden Vorsitz der DBK inne. Sein Einsatz für die weltweite katholische Kirche wird schließlich besonders deutlich in der engen Partnerschaft mit Peru, die 1986 in zwei feierlichen Gottesdiensten in Lima und Freiburg begonnen und seither kontinuierlich ausgebaut und durch zwei Reisen von Saier nach Peru gefestigt wurde. Auf diese Partnerschaft, die, wie er selbst es ausgedrückt hat, „heute als großes Geschenk lebendiger Verbundenheit vor unseren Augen steht“ (Fastenhirtenbrief vom 3.2.1996, Amtsblatt 1996, S. 355) war der Erzbischof zu Recht stolz – soweit sich dies für einen Bischof geziemt.

Sehr verbunden fühlte sich Saier dem Kirchengeschichtlichen Verein. Er war persönliches Mitglied und nahm regelmäßig an den Jahresversammlungen teil, beließ es aber nie bei der physischen Anwesenheit, sondern bereicherte die Diskussion mit profunden Beiträgen. Ein besonders wichtiges Anliegen war ihm die Erarbeitung einer den heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden aktuellen Bistumsgeschichte. Das Erscheinen des ersten Bandes im Frühjahr 2008 konnte er leider nicht mehr erleben. Regen Kontakt pflegte er überdies zur Universität Freiburg, deren Ehrensenator er seit 2003 war, sowie zur Katholischen Akademie.

Die letzten Jahre seiner Amtszeit waren geprägt von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten zunehmend erschwerten und ihn fürchten ließen, er könne seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen sein. Schließlich ließ ihm sein Pflichtbewusstsein keine andere Wahl, als den Heiligen Vater um Entpflichtung von seinem Hirtenamt zu bitten. Am 30. Juni 2002, 30 Jahre nach seiner Bischofsweihe, nahm er in einem feierlichen Pontifikalamt Abschied von seiner Diözese.

Fünfeinhalb Jahre später verstarb Saier 75-jährig nach längerer Krankheit in Freiburg. Schon einige Wochen zuvor hatte er die Gewissheit erlangt, dass er seine Krebserkrankung nicht würde besiegen können und dass ihm hier auf Erden keine ärztliche Kunst mehr helfen konnte. Das Hochfest der Geburt unseres Herrn und Erlösers durfte er, wenn auch schon sehr geschwächt, noch ein letztes Mal feiern.

Quellen:

EAF Personalakte Oskar Saier / Nachlass Oskar Saier (gesperrt bis zum Jahr 2068)

Werke: „Communio“ in der Lehre des II. Vatikanischen Konzils. Eine rechtsbegriffliche Untersuchung, 1973; zahlreiche Hirtenbriefe, publiziert im „Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg“, Jahrgänge 1978–2002; mehrere Beiträge in „Freiburger Texte. Schriftenreihe des Erzbistums Freiburg“.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca. 1985) S. 446, EAF, Digitale Fotosammlung, Foto Berthold, Freiburg–3. – Ölgemälde von Jacek Siudziński (geb. 1957), Mińsk Mazowiecki (Polen), von 1994 im Erzb. Ordinariat Freiburg; zahlreiche Fotografien im EAF.

Literatur:

Christoph Schmider, Die Freiburger Bischöfe. 175 Jahre Erzbistum Freiburg, 2002, 183–188; ders./Paul Wehrle, Nachruf in FDA 127/2007, 5–11; Erzb. Ordinariat Freiburg (Hg.), Erzbischof Oskar Saier (1932–2008),. 2008.

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