Doerrschuck, Hubert Emil Friedrich Wilhelm 

Andere Namensformen:
  • Amadeus Siebenpunkt
Geburtsdatum/-ort: 16.05.1910;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 09.07.1999;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Journalist und Schriftsteller
Kurzbiografie: 1916–1927 Karl-Wilhelm-Grundschule Karlsruhe bis 1920, dann Kant-Oberrealschule Karlsruhe
1927–1928 Handelsschule Karlsruhe
1927–1930 Buchhändlerlehre in d. Linkschen Buchhandlung Karlsruhe
1930–1945 bis 1931, dann wieder ab 1933 Mitglied d. NSDAP
1930–1933 Volontariat u. Redakteur beim „Residenz-Anzeiger“ Karlsruhe, ab 1933 Redakteur bei d. „Bad. Presse“, eingesetzt für Reportagen, Gerichtsberichterstattung u. Filmkritik
1934 Ressortleiter Bad. Land u. Sport. Erste Feuilletons
1936–1941 Ressortleiter Feuilleton u. Sonntagsbeilage, Theater-, Film- u. Buchkritik, Reportage, Reiseberichte
1941–1943 Feuilletonchef d. „Pariser Zeitung“
1943–1945 Kriegsdienst an d. Westfront
1945–1946 französische Kriegsgefangenschaft
1946–1948 Spruchkammerverfahren: „Mitläufer“ mit 1200 Reichsmark Geldsühne; Freier Mitarbeiter bei den BNN, beim „Südwestecho“ Rastatt u. d. „Film-Revue“ Baden-Baden
1948–1977 Ressortchef für Spiegel d. Heimat Unterhaltung, Frauenbeilage, Filmkritik bei den „Badischen Neuesten Nachrichten“, Beginn d. Samstags-Plauderei unter dem Pseudonym Amadeus Siebenpunkt bis 1966, dann Ressortchef Sonntagsbeilage, Film u. Fernsehen bis Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1937 (Karlsruhe) Erna Rosa, geb. Faber (1909–1996)
Eltern: Vater: Wilhelm Anton (1883–1951), Verwaltungsinspektor
Mutter: Paula Lina, geb. Erb (1886–1924)
Geschwister: eine Schwester
Kinder: 2; Ursula (geboren 1940) u. Brita (geboren 1945)
GND-ID: GND/115425209

Biografie: Josef Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 74-76

Doerrschuck bestand die Mittlere Reife an der Kant-Oberrealschule gerade noch – mit der Durchschnittsnote „Vier“ – und wurde später ein hervorragender Journalist und angesehener Schriftsteller. Ohne Abitur und Studium wurde er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der bekanntesten Feuilletonisten Südwestdeutschlands.
Weil es ihm Bücher schon immer angetan hatten, entschied sich Doerrschuck nach dem Abgang von der Schule für eine Buchhändlerlehre. Mit dem Lesen kam die Lust auf, selbst zu schreiben. Er wurde freier Mitarbeiter beim Karlsruher „Residenz-Anzeiger“ und dann als Volontär in der Zwei-Mann-Redaktion dieser Zeitung „ins Wasser geworfen und musste schwimmen“, wie er selbst sagte. Vor allem durch seine amüsanten Plaudereien wurde die „Badische Presse“, damals Badens größte Zeitung, auf Doerrschuck aufmerksam. Im Alter von nur 24 Jahren wurde Doerrschuck bei dieser Zeitung Ressortchef der Heimatseite und zwei Jahre später Ressortleiter des Feuilletons. Vielbeachtet waren hier seine Theater- und Filmkritiken, nicht zuletzt wegen Doerrschucks auffällig kultivierter Sprache. Als der Chefredakteur 1936 die „Badische Presse“ verließ, bescheinigte er dem 26-Jährigen in einem Zwischenzeugnis: „der Charakter seiner Arbeiten war immer persönlich, originell, amüsant, stilistisch sehr elegant und ausdrucksvoll“.
Im Jahr 1941, ein Jahr nach der Kapitulation Frankreichs, wurde in Paris eine anspruchsvolle zweisprachige Zeitung ins Leben gerufen. Man erinnerte sich in Berlin des Karlsruher Journalisten mit der spitzen Feder. Doerrschuck wurde zum Feuilletonchef der „Pariser Zeitung“ berufen, deren Aufgabe es wohl sein sollte, unter den geistig interessierten Franzosen Freunde zu gewinnen, ein heikles Kapitel in Doerrschucks Biographie. Wenn nicht alles täuscht, löste er diese Aufgabe verständnisvoll und vornehm. Zu Wort kamen namhafte deutsche und französische Autoren. Doerrschuck schrieb über große Gestalten aus Kunst, Literatur und Politik, wie Hans Baldung Grien, Thomas Mann, Madame de Staël, auch über Simón Bolívar und verhehlte seine rasch aufgekommene Liebe zu Frankreich nicht. Er schrieb über die Schlösser an der Loire, über Versailles und den Park von Trianon. Anmutige Skizzen mit Titeln wie „Alte Gassen und stille Winkel“, „Rue de Rivoli“, „Sommermorgen am Seinequai“ oder „Place des Victoires am Abend“ sind Zeugnisse seiner Liebe vor allem zu Paris.
Den beiden Pariser Jahren Doerrschucks folgten Kriegsdienst und französische Gefangenschaft. An Letztere erinnert Doerrschucks Novelle „Madeleine und der Gefangene“, ein liebevoll geschriebenes Zeugnis behutsamer Annäherung zwischen vordem verfeindeten Menschen. Als ehemaliges Parteimitglied hatte Doerrschuck nach Kriegsende zunächst keine Chance, in eine Redaktion zurückzukehren. Er war 1930 bis 1931 und dann wieder ab 1933 in der NSDAP gewesen. Den Wiedereintritt rechtfertigte er beim Spruchkammerverfahren mit der Befürchtung, sonst wohl seinen Beruf verloren zu haben. Der herrschenden Ideologie verpflichtete Beiträge aber scheint er nie verfasst zu haben. Nachweislich hat er lukrative Angebote ausgeschlagen, für badische NS-Parteizeitungen wie „Der Alemanne“, „Der Führer“ und „Volksgemeinschaft“ zu arbeiten. Unter den Entlastungszeugen bei diesem Verfahren, aus dem Doerrschuck als „Mitläufer“ hervorging, waren mehrere Regimegegner aufgetreten, darunter der spätere MdB-SPD Fritz Corterier, denen Doerrschuck während der NS-Zeit Arbeit bei der „Badischen Presse“ und in der „Pariser Zeitung“ und damit Lebensunterhalt verschafft hatte.
In den ersten Nachkriegsjahren schrieb Doerrschuck als freier Mitarbeiter u.a. für die in der französischen Zone erschienene Tageszeitung „Südwestecho“ und die Zeitschrift „Film-Revue“. Im Jahr 1948 wurde Doerrschuck dann bei den von den Amerikanern lizenzierten „Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe engagiert. Doerrschucks Lieblingsressort, das Feuilleton, jetzt Kultur genannt, war schon besetzt; Dr. Otto Gillen war ihm zuvorgekommen. Mit dem Ressort „Spiegel der Heimat“ und später mit der Sonntagsbeilage samt Reise, Frauenseite und Film hatte Doerrschuck gleichwohl eine geeignete Plattform, seinen Neigungen Raum zu geben.
Doerrschuck war kein Nachrichtenredakteur. Wichtiger als reißerische „Aufmacher“ waren ihm Beiträge, in denen sich die vielfarbige Geschichte der Regionen Badens, seiner Kultur und des gesellschaftlichen Lebens spiegelten. Er selbst wurde nicht müde, in kenntnisreichen, zugleich verständnis- und humorvollen Beiträgen die vielfältigen Landschaften Badens und die unterschiedlichen Charaktere der Badener zu beschreiben, die er eine „verzwickte Familie“ nannte. Doerrschucks Resumée: „Johann Peter Hebel ist Badener, und Ernst Jünger ist es auch. […] Da haben wir die badische Bandbreite, die eine ist typisch, die andere atypisch.“ Unverkennbar war Doerrschucks besondere Liebe zu seiner Heimatstadt. Beispiele: In der „Zeit“ erschien der zeitgeschichtlich interessante Essay „Stadtgarten zwischen Trümmern und Spinat“, und in der Zeitschrift „Baden“ genoss Doerrschuck wie Jahre zuvor in Paris „Die stillen Winkel einer Stadt“. Sein Ressort bei den „Badischen Neuesten Nachrichten“ erlaubte es ihm, Reisen in alle Welt zu unternehmen, die sich in meist ganzseitigen Reportagen wie „Das Ahornblatt auf weißem Grund“, „Belgische Miniaturen“ oder „Florentinisches Capriccio“ niederschlugen.
Zum großen Faible Doerrschucks gehörte der Film. Er war ein Kenner der Szene schon seit den 1930er-Jahren. Seine Filmkritiken waren fundiert und fanden in der Filmwirtschaft höchste Beachtung. Seinen Lesern vermittelte Doerrschuck darüber hinaus Einblicke in das filmische Geschehen und in das Leben der Filmstars. In der Serie „Das Schicksal schrieb das letzte Drehbuch“ beschrieb er auch Glanz und Elend weltberühmter Schauspieler wie La Jana, Heinrich George oder Renate Müller. Den „Bambi“, geschaffen von der Karlsruher Majolika, als deutschen Filmpreis zu vergeben, war Doerrschucks Idee gewesen. Und nach dem großen Erfolg von „Lola Montez“ in den 1950er-Jahren, des ersten deutschen Farb- und Breitleinwandfilms, dankte dessen Regisseur Max Ophüls Doerrschuck schriftlich für seinen Rat bei der Konzeption dieses Films.
Doerrschuck schrieb auch selbst Drehbücher. Drei davon hatten mit seiner Heimatstadt Karlsruhe zu tun. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Wolf Hart entstanden die Filme „Lebenslauf einer Stadt“, „Bilanz der Stadt“ und „Ein Fächer wird aufgeschlagen“. Von dieser Heimatverbundenheit künden auch Doerrschucks Bücher „250 Jahre Karlsruhe“ und „Karlsruhe, wie es war.“ Unvergessen blieben wohl Doerrschucks Plaudereien, die drei Jahrzehnte lang Woche für Woche unter dem Pseudonym „Amadeus Siebenpunkt“ in den „Badischen Neuesten Nachrichten“ erschienen. Es handelte sich dabei um Geschichten aus dem Alltag, so witzig, humorvoll und brillant erzählt, dass sie samstags vielen Lesern die wichtigste Lektüre wurden. In Beiträgen wie „Kleine Liebe zum Stallhasen“, „Lob der Fastnachtsküchle“ oder „Schweinehund der innere“ verstand er nicht nur, „dem Volk aufs Maul zu schauen“, Doerrschuck nahm auch dessen Gedanken und Gefühle auf. Voller Selbstironie sind Geschichten wie „Väter und Töchter“, eine von zahlreichen Aus-Plaudereien, in denen seine Töchter zu den literarischen Gestalten Sabine und Isolde wurden. „Gallensteins Lager“, um unter Hunderten nur noch diesen Beitrag zu erwähnen, ist wohl die originellste Schilderung eines einschlägigen Aufenthalts in einer Chirurgischen Klinik. Vor allem als Amadeus Siebenpunkt, dessen Plaudereien danach in mehrere Büchern zusammengefasst erschienen, wurde Doerrschuck einer der bekanntesten Feuilletonisten seiner Zeit, ein liebenswürdiger Erzähler mit Geist und hoher Sprachkultur. Gleiches Niveau hat Doerrschucks Buch „Deutschland Deine Badener“, das mit dem vielsagenden Satz beginnt: „Die Badener, […], sind vor allem dann Badener, wenn sie nördlich des Mains für Schwaben gehalten werden.“
Doerrschuck kümmerte sich angelegentlich auch um seinen Berufsstand. Er war Mitgründer des Presseclubs Karlsruhe und gehörte dessen Vorstand an, war Mitgründer des Hilfsvereins Karlsruher Journalisten und bis zum 85. Lebensjahr dessen Vorsitzender. Er starb, drei Jahre nach seiner Frau, im Alter von 89 Jahren.
Quellen: StadtA Karlsruhe NL Doerrschuck; GLA Karlsruhe 465 a/51/53/330, Entnazifizierungsakte; A. d. BNN; PrivatA Ursula von Schroeter, geb. Doerrschuck; Privatsammlung des Verf.
Werke: Auswahl: Madeleine u. d. Gefangene, Novelle,1948; Das Haus des Bildhauers, Novelle, 1948; Ein Fächer wird aufgeschlagen, Drehbuch, 1960; Wir sind so, 1961; Heitere Haarspaltereien, 1962; (mit Herbert Meininger) 250 Jahre Karlsruhe, 1965; Karlsruhe heute, 1965; Dem Wasser kann geholfen werden, Drehbuch, 1968; Bilanz einer Stadt, Drehbuch, 1970; Lebenslauf einer Stadt, Drehbuch, 1973; Deutschland Deine Badener, 1973; Krimskrams, 1978; Kochen wie die Badener, 1980; Von Amadeus Siebenpunkt ausgeplaudert, 1986; Loblied auf die Badener, in: BZ vom 29.1.1998.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Karlsruhe NL Doerrschuck 1–5; BNN vom 16.5.1950, 16.5.1970 u. 10.7.1999 (vgl. Literatur).

Literatur: Auswahl: Liselotte Nückel, Schreiben als Passion, in: BBN vom 16.5.1970 (mit Bildnachweis); Badens heilige Kühe, in: Kinzigbote vom 4.10.1975 (Besprechung); Greif, alias Josef Werner, Die Lust zu schreiben, in: BNN vom 8.7.1977; Liselotte Nückel, Münzenschlagen aus Müll, in: BNN vom 16.5.1980; dies., Amadeus Siebenpunkt feiert 75. Geburtstag, in BNN vom 15.5.1985; Amadeus Siebenpunkt: Ausgeplaudert, in: Weserkurier vom 12.8.1986 (Buchbesprechung); Josef Werner, Unvergessener Amadeus Siebenpunkt, in: BNN vom 16.5.1990 (mit Bildnachweis); ders., Profundes Wissen u. feiner Humor, Nachruf, in: BNN vom 10.7.1999.
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