Haux, Ernst Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 11.03.1863;  Reutlingen
Sterbedatum/-ort: 05.02.1938;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Finanzbeamter und Mitglied des Vorstandes der Firma Krupp
Kurzbiografie: 1881-1884 Studium des Rechts und der Kameralwissenschaft in Tübingen
1885-1896 im württembergischen Staatsdienst, zuletzt Finanzrat im Finanzministerium
1896-1921 Mitglied des Direktoriums (Vorstandes) der Firma Friedrich Krupp (seit 1903 Friedrich Krupp AG) in Essen
1900-1921 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Essen
1902 Testamentsvollstrecker von Friedrich Alfred Krupp
1921-1938 Mitglied des Aufsichtsrates der Friedrich Krupp AG
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Preußischer Roter-Adler-Orden 4. Klasse (1900); Ritterkreuz 1. Klasse des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen (1906); Ritterkreuz 1. Klasse des Königlich-Sächsischen Albrechts-Ordens (1910); Eisernes Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande (1916); Dr. rer. pol. h. c. der Universität Freiburg (1921)
Verheiratet: 22. 5. 1888 (Schorndorf) Elisabeth, geb. Knapp (1865-1938), Tochter eines Gutsbesitzers und Rentiers
Eltern: Vater: Gustav Adolf Haux (1834-1911), Unternehmer und Mitgründer der Firma Haux&Krais in Reutlingen
Mutter: Friederike, geb. Kreh (1840-1913)
Geschwister: 1 Bruder
4 Schwestern
Kinder: Walter (geb. 1890)
Oskar (geb. 1892)
Rudolf (geb. 1893)
Gustav Adolf (geb. 1901)
GND-ID: GND/116550023

Biografie: Ralf Stremmel (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 98-100

Haux besuchte das Gymnasium in Stuttgart und ab 1872 das Oberlyzeum in Reutlingen. Während seines anschließenden Studiums in Tübingen hörte er neben den juristischen und kameralwissenschaftlichen Vorlesungen auch Nationalökonomie. Im November 1884 legte er die erste Staatsprüfung für den höheren Finanzdienst ab und erreichte dabei ein Ergebnis, das in der Geschichte dieser Prüfungen fast einzig dastand. Ähnlich gut absolvierte er die zweite Staatsprüfung. Nach dem Studium trat Haux in den württembergischen Staatsdienst ein und arbeitete zunächst in Heidenheim im dortigen Kameralamt. Bereits im Winter 1885/86 wechselte er an das Kameralamt nach Schorndorf, wo er als Buchhalter tätig war. In derselben Funktion ging er 1889 zum Hauptsteueramt nach Stuttgart. Nach etwa einjähriger Tätigkeit als Kollegial-Hülfsarbeiter im württembergischen Steuerkollegium wurde er 1891 als Finanzassessor in das württembergische Finanzministerium berufen und arbeitete an der damaligen Steuerreform mit. Im Alter von nur 30 Jahren ernannte man ihn zum Finanzrat, was auf ungewöhnliche Leistungsfähigkeit und Begabung hinweist.
Trotz der Aussicht auf eine weitere Karriere im Staatsdienst nahm er eine neue Herausforderung an und wechselte in die Privatwirtschaft. Seit den 1870er Jahren hatte die Firma Krupp mehrere Württemberger nach Essen geholt, um Spitzenpositionen zu besetzen. In den entstandenen Netzwerken sprachen sich auch die Fähigkeiten von Haux herum. Als das in Sindelfingen geborene Direktoriumsmitglied Wilhelm Gussmann einen geeigneten Mitarbeiter und potenziellen Nachfolger suchte, machte er Friedrich Alfred Krupp auf Haux aufmerksam. Krupp besuchte Haux persönlich und bot ihm an, in sein Unternehmen einzutreten. Haux schätzte im Vergleich zur Beamtenlaufbahn die „freiere Arbeit und Betätigung“, wohl auch den größeren Verantwortungskreis, den er mit seiner Bestellung als Direktoriumsmitglied der Firma Krupp zum 1. Juni 1896 übernahm. Haux blieb bis zum 31. Mai 1921 in dieser Funktion; von Dezember 1921 bis zu seinem Tod saß er dann im Aufsichtsrat der Friedrich Krupp AG. Auch in Essen blieb Haux äußerst heimatverbunden und organisierte z. B. seit Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig einen „Schwabenabend“. Gesellschaftlich engagierte sich Haux unter anderem in der Kirche: Viele Jahre war er Mitglied des Presbyteriums der evangelischen Gemeinde Essen-Altstadt.
Zum Dezernat des Krupp-Vorstandsmitgliedes Haux gehörten das gesamte Finanz-, Rechnungs- und Revisionswesen, die Personalangelegenheiten der Führungskräfte und alle betrieblichen Sozialeinrichtungen. Außerdem ging im November 1909 auch die Geschichtliche Abteilung in seinen Zuständigkeitsbereich über. Neben dieser Funktion in der Firma erwarb sich Haux sehr rasch ein enges Vertrauensverhältnis zu Friedrich Alfred Krupp und dessen Frau Margarethe. Bald verwaltete er das Privatvermögen des Firmeninhabers, und 1902 war Haux einer der Testamentsvollstrecker Friedrich Alfred Krupps. Im Auftrag Krupps prüfte Haux auch regelmäßig die Finanzverwaltung der Berndorfer Metallwarenfabrik, an der Krupp beteiligt war, und beriet Arthur Krupp als Leiter dieses Unternehmens. Für die enge Beziehung zur Familie Krupp spricht auch die Tatsache, dass Haux 1903 bei der Gründung der Friedrich Krupp AG eine der vier Aktien erhielt, die sich nicht in Familienbesitz befanden. Als Vertrauter von Margarethe Krupp verwaltete Haux nicht nur ihr Vermögen, sondern regte auch soziale Initiativen an. So gingen die Einrichtung der Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge bzw. der Bau der Margarethenhöhe, einer gartenstädtischen Mustersiedlung für minderbemittelte Essener und Werksangehörige, auf seine Anregung zurück.
Haux identifizierte sich voll mit dem Haus Krupp, fügte sich in die Firmentradition ein und bezeichnete sich früh als „alter Kruppianer“ (1918). Forschend und schreibend widmete er sich der Aufgabe, die Geschichte der Firma zu ergründen und für die Nachwelt festzuhalten. Ihm oblag die Redaktion der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens, und er steuerte als Autor selbst einige Kapitel bei. Auch an der umfangreichen, aber unveröffentlichten Denkschrift über die Entwicklung der Firma Krupp im Ersten Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit beteiligte sich Haux als Mit-Autor und Chef-Redakteur. Die Geschichte der Firma Krupp war für Haux in mehrfacher Hinsicht beispielgebend, insbesondere dem System der Wohlfahrtseinrichtungen maß er Vorbildcharakter bei. Die betriebliche Fürsorge deutete er als sozial weitblickende Tat mit gesamtgesellschaftlicher Wirkung. Er sah in ihr ein geeignetes Instrument, die soziale Frage zu lösen und langfristig auch die politische Ordnung aufrecht zu erhalten. Insofern interpretierte er seine eigene Arbeit und die der Firma immer auch als „Dienst am Staat, Dienst für die Allgemeinheit“ (1921).
In die Essener Stadtverordnetenversammlung wurde der nationalliberal eingestellte Haux am 10. Dezember 1900 gewählt. Er vertrat dort insbesondere die Interessen der Firma Krupp und widmete sich unter anderem Eingemeindungs- und Bebauungsfragen. Haux schied im Juni 1921 aus; zuletzt war er 1919 auf der Liste des „Nationalen Vereins“ gewählt worden. Als politischer Mensch blieb Haux zeitlebens Bismarck-Verehrer. Stil und Politik Wilhelms II. stand er skeptisch gegenüber und der damaligen politischen Führung misstraute er.
Die Phase des Umbruchs, in der sich Deutschland seit Beginn des Jahres 1918 befand, trieb Haux zu einem verstärkten öffentlichen Auftreten. In Reden und Aufsätzen beleuchtete er die politische und ökonomische Situation. Die Ursache des Ersten Weltkriegs sah er primär in den Machtinteressen Englands. Um nicht in die „Knechtschaft der Engländer“ zu geraten, müsse Deutschland den Krieg bis zu einem Siegfrieden fortsetzen und sein Herrschaftsgebiet ausdehnen. „Flötentöne von Demokratie und Parlamentarismus“ waren aus Haux' Sicht gefährlich. Die Weimarer Republik verstand Haux als „rote Republik“, deren Gründung nur durch einen Dolchstoß in den Rücken des Heeres erfolgt sei. In Haux' unveröffentlichter Autobiographie wird die Genugtuung des Antimarxisten und Nationalisten über das Ende der Weimarer Republik deutlich. Sichtbar sind auch gewisse antisemitische Tendenzen im Geist der Zeit.
Nach der Revolution von 1918/19 verteidigte Haux das marktwirtschaftliche System und wandte sich entschieden gegen Sozialisierungspläne. Als Ausweg aus der umfassenden Krise empfahl er Zurückhaltung bei Lohnforderungen und insbesondere Leistungsbereitschaft und Mehrarbeit. Dem „Geist der neuen Zeit“, dem „Geist der Gleichmacherei“ stellte Haux den „alten guten Geist“ mit Tugenden wie Disziplin, Fleiß und Pflichtgefühl entgegen. Eine „feste Staatsgewalt“ und eine produktive kapitalistische Volkswirtschaft waren für ihn Grundlage auch für Soziales, Bildung und Kultur.
Gesundheitlich litt Haux bereits als 40-Jähriger unter einem Augenleiden. 1908 hatte er die Sehkraft auf einem Auge völlig verloren, 1928 war er vollständig erblindet. Die gesundheitlichen Schwierigkeiten hatten 1921 maßgeblich zu seinem Ausscheiden als Direktoriumsmitglied beigetragen. Noch im selben Jahr zog Haux nach Tübingen, wo er Mitte der 1930er Jahre seine Lebenserinnerungen „Bei Krupp 1890–1935“ diktierte und 1938 starb. Die Figur des Finanzrates Hiebenstein in Erik Regers Roman „Union der festen Hand“ (1931) trägt Charakterzüge von Haux.
Quellen: Historisches Archiv Krupp, Essen; Auskünfte verschiedener Archive.
Werke: Die Wohnungs-Fürsorge der Firma Krupp. Auf der 9. Generalversammlung des Rheinischen Vereins zur Förderung des Arbeiter-Wohnungswesens am 5. Oktober 1907 zu Essen a. d. Ruhr vorgetragen, o. J.; Krupp 1812-1912. Zum 100jährigen Bestehen der Firma Krupp [...], 1912 (Mitverfasser); Zum Gedächtnis von Rudolf Haux [...], ca. 1915 (Privatdruck); Aufsätze und gedruckte Reden in „Kruppsche Mitteilungen“ (Auswahl): An die in der Heimat!, in: Beilage: Nach der Schicht vom 5.1.1918; Die Bilanz der Firma Krupp für 1917/18, in: ebda. vom 28.12.1918; Wohlfahrtspflege und Gewinnbeteiligung, in: ebda. vom 8.3.1919; Was uns not tut!, in: ebda. Vom 11.10.1919; Beilage: Kultur und Volkswirtschaft vom 4.6.1921 („E. Haux“); Bei Krupp 1890-1935 (unveröff. Manuskript).
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Historischen Archiv Krupp, Essen; Gemälde (Gruppenbild der Führung der Fried. Krupp AG) von Hubert Herkomer, 1912.

Literatur: NDB 8, 135-136 (Ernst Schröder); Erwin Dickhoff, Essener Köpfe, Wer war was? 1985, 85-86; Kruppsche Mitteilungen vom 4.6.1921 und 15.2.1938; Nekrologe aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Jg. 1937 und 1938, bearb. von Walter Bachmeister, 1940, (Jg. 1938), 14.
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