Fischer, Franz Joseph Emil 

Geburtsdatum/-ort: 19.03.1877;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 01.12.1947; München
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie: 1896 Jul. Abschluss am Berthold-Gymnasium in Freiburg
1896-1897 Militärdienst, 5. badisches Infanterie-Regiment 113 in Freiburg
1897-1901 Studien an der Universität und Technischen Hochschule München, Universitäten Freiburg, Gießen, École Pharmaceutique Paris, Universitäten Leipzig und Berlin
1899 Dez. Promotion zum Dr. phil. an der Universität Gießen: „Zur Elektrolyse der Schwefelsäure mit Bleianoden“
1901-1902 Versuchschemiker in der Fabrik Bühne&Cie, Freiburg
1902-1904 Assistent am physikalisch-chemischen Institut der Universität Freiburg, dort auch Habilitation: „Beiträge zur Kenntnis des anodischen Verhaltens von Kupfer und Aluminium“
1904 1. Okt. Assistent am Chemischen Institut der Universität Berlin
1905 20. Jul. Privatdozent, zweite Habilitation: „Die chemische Übertragbarkeit der Metallpotentiale und der chemische Lösungsdruck der Metalle“
1908 17. Dez. außerordentlicher Professor
1909 23. Aug. Abteilungsvorsteher
1911 10. Apr. Prof. für Elektrochemie an der Technischen Hochschule Berlin
1913 1. Apr. Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohleforschung, Mülheim an der Ruhr
1925 Mär.-Jun. erste Reise in die USA
1929 Jan. Reise nach Moskau
1938 Jan.-Feb. Reise nach Südafrika
1943 Apr. Pensionierung, Umzug nach München
1944 und 1945 zweimal ausgebombt
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 24.1.1915 (Mülheim an der Ruhr) Erna, geb. Weuste (1893-1944)
Eltern: Vater: Emil Johann (1848-1922?), Kaufmann
Mutter: Emma, geb. Stenz (1856-1912)
Geschwister: 2:
Emil (1879-1932)
Elisabeth Johanna, verheiratete Werner (1883-1951)
Kinder: 3:
Hans Ulrich (1915-1936)
Gisela Herta Emma Olga, verheiratete Rohde (1917-1994)
Hellmut (1920–1954)
GND-ID: GND/116551984

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 75-77

Fischer entstammte einer kaufmännischen Familie, zeigte aber keine Neigung zum väterlichen Beruf, dagegen ein frühes Interesse für die Naturwissenschaften. Schon als Schüler besaß er ein kleines Hauslaboratorium. In seinem Gymnasialabschluss hatte Fischer die besten Noten in Physik und Chemie, „die anderen Noten“, so Fischer, „waren nicht erhebend“. Bereits in der Schule hatte er sein künftiges Gebiet ausgewählt, die Elektrochemie. Seine Studienjahre waren von intensiver zielstrebiger Arbeit erfüllt. Auch bemühte er sich, in seiner einjährigen Militärzeit, Vorlesungen über Physik an der Universität zu besuchen. Später wechselte er mehrfach die Hochschulen, um den besten Weg zu finden. Vom Winter 1896/97 bis zum Sommer 1897 war er in Freiburg immatrikuliert, die nächsten beiden Semester an der Universität München, wobei er, um keine Zeit zu verlieren, seine praktischen Arbeiten im Laboratorium der Technischen Hochschule durchführte. Zu Weihnachten 1898 bestand er das Verbandsexamen; im Januar 1899 ging er nach Gießen, um seine Promotionsarbeit in der Elektrochemie bei Prof. K. Elbs vorzubereiten. Fischer arbeitete „mit Feuereifer“ und erledigte seine Dissertation in wenigen Monaten. Als Anerkennung für diese „Expresspromotion“ gestatteten die Eltern noch ein Semester in Paris bei H. Moissan; im August 1900 besuchte Fischer einen Ferienkurs „Methoden des physikalisch-chemischen Praktikums“ in Leipzig und während im Winter 1900/01 arbeitete er als unbezahlter Assistent über die Elektrochemie der Schmelzen im chemischen Institut von Emil Fischer in Berlin. Seine berufliche Tätigkeit begann Fischer in einer Freiburger Fabrik, begriff aber bald, dass eine wissenschaftliche Karriere für ihn besser sei und wechselte an die Universität seiner Heimatstadt. Obwohl er sich erfolgreich habilitierte, empfand er die Forschungsmöglichkeiten als nicht befriedigend und kehrte im Herbst 1904 als Assistent bei Emil Fischer in der anorganischen Abteilung nach Berlin zurück. Bald habilitierte sich Fischer um, wobei der Gutachter, W. Nernst, „den allerbesten Eindruck“ von Fischers Arbeiten und dessen mündlichen Ausführungen bekam. 1908 wurde Fischer zum außerordentlichen Professor und 1909 zum Vorsteher der Abteilung ernannt. Seine damaligen Arbeiten beziehen sich auf anorganische thermische Reaktionen, insbesondere unter Druck. Im Frühjahr 1911 wurde er als ordentlicher Professor für Elektrochemie an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg berufen, wo er Vorlesungen über reine und technische Elektrochemie hielt und das Lehrbuch „Praktikum der Elektrochemie“ herausgab.
Fischers Lebenswerk aber ist weniger mit einer Hochschule als mit einem Forschungsinstitut verbunden: Emil Fischer initiierte die Regierungsentscheidung, das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohleforschung im Ruhrgebiet zu errichten; den Direktorposten bot er Fischer an. Das Institut wurde nach Fischers Plan gebaut und eingerichtet. Seine Grundidee war, die Elektrizitätserzeugung direkt aus Kohle oder Wärme, also mit Brennstoff- oder Thermoelementen zu erreichen. Die Geschichte Deutschlands entwickelte sich aber so, dass sich Fischer nie dieser „Lieblingsabsicht“ zuwenden konnte. Die Einweihung des Instituts fiel auf den 27. Juli 1914. Wenige Tage später musste Fischer als Landwehr-Offizier bei seinem Regiment einrücken, zuerst nach Königsberg, dann nach Polen. Im Oktober 1914 wurde er vom Kriegsministerium beauftragt, das Institut weiterzuführen und vor allem die Schmieröl-, Treiböl- und Benzingewinnung aus Kohle zu fördern, „auf einfachstem Wege und unverzüglich“.
Nach dem Krieg wollte Fischer das Institut verlassen: „Ich möchte nicht“, schrieb er an seinen Mentor Emil Fischer, „noch einmal fünf Jahre im Kampf gegen den Mülheimer Stumpfsinn meine Kräfte verbrauchen“. Schließlich blieb er jedoch, und seine Mitarbeiter konnten nun Versuche über Treibstoffsynthesen beginnen. Als wichtigster Weg ergab sich die katalytische Hydrierung des Kohlenmonoxids. 1922 bis 1924 entwickelte Fischer zusammen mit H. Tropsch und H. Pichler den „Synthol-Prozess“, der in einem Treibstoff aus einer Mischung von sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen resultierte. 1925 erschien die erste Modifikation der berühmten „Fischer-Tropsch-Synthese“ – die Gewinnung aliphatischer Kohlwasserstoffe aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff an einem Kobaltkatalysator. Als Höhepunkt einer langen Reihe von Forschungen kam Juli 1937 die „Mitteldrucksynthese an Eisenkatalysatoren“ – eine Klasse von Verfahren, die unter den Kohlenstoffmonoxid-Wasserstoff-Synthesen bis heute am wichtigsten bleibt. Weltweit gelangte die Fischer-Tropsch-Synthese zu enormer Bedeutung, besonders nach dem II. Weltkrieg. Die „Fischer-Ära“ des Instituts in Mülheim ist in 13 Bänden der „Gesammelten Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle“ zusammenfasst, die die Behauptung erlauben, dass Fischer eine wissenschaftliche Schule der Brennstoffchemie schuf. Dazu begründete und gab er seit 1920 die Zeitschrift „Brennstoffchemie“ heraus.
Die Liste der Werke Fischers zählt 437 Publikationen und 71 patentierte Erfindungen, unter denen die Experimentalarbeiten über die elektrochemischen Reaktionen in Gasen von Bedeutung für die Entwicklung der Gaselektrochemie waren. In der Geschichte der Wissenschaft überlebte auch seine Lignintheorie der Kohleentstehung. Ein „erfinderischer Kopf“ und „sehr gewandter Experimentator“ (Emil Fischer), war Fischer eine schöpferische Natur und unermüdlicher Arbeiter. Charakteristisch für ihn war sein Hobby: das Auto, an dessen technischen Einrichtungen Fischer besonders gerne mit synthetischen Benzinen und Schmierölen experimentierte. Politisch war Fischer national gesinnt; 1932 wurde er beeindruckt durch Hitlers Vortrag über Wirtschaftsfragen. Im Mai 1933 trat er der NDSAP bei, zeigte sich später aber von der Wirklichkeit des Dritten Reichs „zutiefst enttäuscht“ und wollte keineswegs alle Anweisungen widerspruchslos ausführen. So widerstand er jeder Bevormundung in politischer Hinsicht energisch: für ihn waren nur die fachlichen Leistungen und die menschlichen Qualitäten ausschlaggebend. Seine Kinder schrieben: „Sein Leben war der Wissenschaft gewidmet und nur seine geistige Arbeit ließ ihn die Schwere seines Schicksals tragen“.
Nach 30 Dienstjahren am Kaiser-Wilhelm-Institut ging Fischer 1943 in Pension und zog nach München um, wo seine Frau seit 1941 wohnte. Dort erlebte er die weltweite Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen und verfasste seine Lebenserinnerungen. Allein Kriegsumstände verhinderten, dass er Vorlesungen an der Technischen Hochschule München aufnahm.
Quellen: UA Freiburg, B24 Nr. 793, B38 Nr. 373, B15 Nr. 1587; UA Berlin, Phil. Fak., Nr. 1227, BI. 93-100, Nr. 1438, BI. 87, 136, 187a, Nr. 1439, BI. 15-16; UA Giessen (Phil. Diss. Nr. 115); Auskünfte des StadtA Mannheim, StadtA Freiburg, HochschulA d. TU Berlin, StadtA Mülheim/Ruhr, A zur Geschichte d. Max-Planck-Ges., Standesamt Mülheim/Ruhr, Gde. Bad Wiessee, StadtA u. Einwohnermeldeamt München.
Werke: (Auswahl) Praktikum d. Elektrochemie, 1912; Über die Mineralölgewinnung bei d. Destillation u. Vergasung d. Steinkohle, 1918; Über den Stand d. Kohlenforschung unter bes. Berücksichtigung der Destillation bei niedriger Temperatur, 1919; Die Umwandlung d. Kohle in Öle, 1924; Gesamte Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle (Hg.), 12 Bände, 1915-1934; Leben u. Forschung, ebd. 13, 1957, 1001-1090.
Nachweis: Bildnachweise: Reichshandb. 1931; Rasch, 1989 u.1998 (vgl. Lit.).

Literatur: Poggendorff, Biogr.-literar. Handwörterb. V, 1922, 369, VI, 1936, 747 f., VII a, T. 2, 1958, 47 f.; Reichshandb. d. dt. Gesellschaft 1931, 1, 442 f. (mit Bild); K. Peters, Die Benzinsynthese von Fischer u. Tropsch, Umschau 39, 1935, 86-90 (mit Bild); Jb. d. Dt. Akad. d. Luftfahrtforschung 1937/1938, 1, 62, 200-210 (mit Bibliographie); Gesamte Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle 13, 1957, 977-992 (mit Bild); H. Pichler, Fischer 1877-1947, Chem. Berichte 1967, 100, Nr. 6, CXXVII-CLIV (mit Bild u. Bibliographie); Manfred Rasch, Gesch. des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung 1913-1943, 1989 (mit Bild); ders., F. Fischer (1879-1947): Leben u. Wirken, in: Zs. des Geschichtsvereins Müllheim a. d. Ruhr H. 70, 1998, 86-128 (mit Bild).
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