Fürbringer, Max Karl 

Geburtsdatum/-ort: 30.01.1846; Wittenberg
Sterbedatum/-ort: 06.01.1920;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Anatom, Ornithologe
Kurzbiografie: Gymnasium in Gera
1865–1870 Studium d. Naturwissenschaften an d. Univ. Jena bis 1867, dann an d. Univ. Berlin
1869 Promotion an d. Univ. Berlin zum Dr. phil.: „Die Knochen u. Muskeln d. Extremitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern“
1870–1873 Anatomischer Assistent an d. Univ. Jena u. Medizinstudium; Teilnahme am dt.-französ. Krieg
1874 Medizinisches Staatsexamen, Promotion an d. Univ. Erlangen zum Dr. med.: „Beitrag zur Kenntnis d. Kehlkopfmuskulatur“
1874 –1879 Prosektor an d. Univ. Heidelberg
1976 Habilitation an d. Univ. Heidelberg: „Zur Entwicklung d. Amphibienniere“, 1878 ao. Professor
1879–1888 o. Professor u. Direktor des Anatomischen Instituts d. Univ. Amsterdam
1888–1901 o. Professor für Anatomie an d. Univ. Jena
1901–1912 o. Professor für Anatomie an d. Univ. Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritter I. Klasse des Großherzogl.-Sächsischen Hausordens vom Weißen Falken (1896); Ritterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen
Mitgliedschaften: Mitglied d. Akademie d. Wissenschaften Berlin (1900); Mitglied d. Akademie d. Wissenschaften München (1903); korrespond. Mitglied d. Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft Frankfurt am M. (1903); Mitglied d. Akademie d. Wissenschaften Heidelberg (1906).
Verheiratet: 1878 (Mannheim) Fanny, geb. Bassermann (1856–1891)
Eltern: Vater: Karl (1814 –1879), Kreisgerichtsrat
Mutter: Rachel, geb Gumprecht (1821–1899)
Geschwister: Paul Walther (1849–1930)
Kinder: 2; Elisabeth Caroline Hermine Cäcilie (1879– nach 1925), verh. Braus, u. Karl (1882– nach 1901).
GND-ID: GND/11684583X

Biografie: Tobias Seidl (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 126-128

Der Richterberuf des Vaters brachte vielfache Ortswechsel mit sich, weshalb Fürbringer bei Verwandten in Gera aufwuchs. Dort besuchte er das Gymnasium und begeisterte sich schon als Schüler für die Naturforschung. Seine Sammelleidenschaft für naturwissenschaftliche Objekte wie Farne und Schmetterlinge nahm hier ihren Anfang und begleitete ihn ein Leben lang. Unter dem Einfluss seines Lehrers Karl Theodor Liebe (1828–1894), mit dem er eine erste wissenschaftliche Arbeit über die Kryptogamen aus der Gegend von Gera veröffentlichte, entschied er sich zum Studium der Naturwissenschaften an den Universitäten Jena und Berlin und wollte Oberlehrer werden.
In Jena studierte er bei dem Zoologen Ernst Haeckel (1834 –1919) und dem Anatom Karl Gegenbaur (BB VI 22). Besonders Fürbringers Beziehung zu Gegenbaur prägte seine Karriere nachhaltig. Angesteckt durch dessen Begeisterung für vergleichende Morphologie promovierte Fürbringer 1869 in Berlin über die Knochen und Muskeln der Extremitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern. Anschließend wurde er dessen Assistent in Jena und begann nun auch Medizin zu studieren. Am dt.-französischen Krieg nahm Fürbringer als einfacher Infanterist teil. Schon im Dezember erkrankte er jedoch an Ruhr und Typhus und kehrte nach Jena zurück. Als Gegenbaur 1873 nach Heidelberg berufen wurde, stand Fürbringer kurz vor dem ärztlichen Staatsexamen, das er noch in Jena absolvierte, bevor er seinem Lehrer als dessen Prosektor nachfolgte. Seine medizinische Dissertation reichte er aufgrund der niedrigeren Promotionsgebühren an der Univ. Erlangen ein. Durch die Kombination seiner beiden Studienfächer war Fürbringer prädestiniert für die wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der vergleichenden Anatomie. In Heidelberg entstanden seine bedeutenden Arbeiten über die Entwicklungsgeschichte der Nierenorgane, die er mit seiner Habilitation über die Entwicklung der Amphibienniere krönte. 1878 würdigte die Universität seine wissenschaftlichen Leistungen durch die Ernennung zum Extraordinarius.
Im Frühjahr 1879 wurde Fürbringer als o. Professor auf den Lehrstuhl der Anatomie der Universität Amsterdam berufen. Zunächst war eigentlich beabsichtigt gewesen, Gegenbaur zu gewinnen, der jedoch ablehnte und Fürbringer vorschlug. Die wissenschaftliche Arbeit der Amsterdamer Jahre galt vor allem der Untersuchung zur Morphologie und Systematik der Vögel, die 1888 in zwei Bänden erschien. Darin konstruierte Fürbringer unter Rückgriff auf Anatomie, Paläontologie und geographischen Verbreitung einen Stammbaum aller Vögel und zog auch Querverbindungen zu den Reptilien und den Säugetieren. Darin deutete sich bereits der Schwerpunkt seiner späteren Arbeiten an. Sein Schüler Hans Bluntschli (1877–1962) lobte die Untersuchung als „wohl eines der umfangreichsten Werke, das je ein Anatom geschrieben hat.“ (Anatomischer Anzeiger 55, 248) In der Folgezeit ergänzte Fürbringer durch weitere Abhandlungen den Forschungsstand zur Vogelanatomie wesentlich. Sein Verdienst war es, eine völlige Umgestaltung der Klassifizierung von Vögeln vorzunehmen, die alleine auf anatomischen Untersuchungen beruhte, womit er vehement abstammungstheoretischen Spekulationen entgegentrat, die sich zu dieser Zeit großer Beliebtheit erfreuten.
Mit dem Ruf auf den Lehrstuhl für Anatomie der Universität Jena als Nachfolger Oskar Hertwigs (1849–1922) kehrte Fürbringer an seine alte Wirkungsstätte zurück. Diese zweite Zeit in Jena beschrieb er später als die glücklichste seines Lebens. Seine Forschung konzentrierte sich dort auf das Studium der Gehirn- und Rückenmarksnerven und auf weitere Untersuchungen zur Anatomie der Vögel. Seine Forschungsergebnisse hielt Fürbringer nicht nur in Veröffentlichungen, sondern auch in präzisen Zeichnungen und Skizzen fest, die sich in seinem Nachlass finden. Sein Jenaer Schüler und späterer Schwiegersohn Hermann Braus (1868– 1924) bewertete die in dieser Zeit entstandenen Untersuchungen zum Nervensystem als Grundlage der modernen Segmentalanatomie.
1901 folgte Fürbringer Gegenbaur auf dessen Heidelberger Lehrstuhl nach und pflegte in den folgenden Jahren dessen Erbe, indem er die Werke seines Mentors neu bearbeitete. Mit dem Erscheinen der von ihm mitherausgegebenen 14-bändigen Reiseberichte des Zoologen und Fürbringer Schülers Richard Semon (1859–1918) schloss er 1912 seine letzte große Arbeit ab. Im selben Jahr wurde Fürbringer emeritiert. Sein Schüler Braus wurde ihm zum Nachfolger.
Trotz seiner angegriffenen Gesundheit blieb Fürbringer der Forschung verbunden. Seine letzte gedruckte Arbeit behandelte das Zungenbein der Reptilien. Fürbringer starb kurz vor Vollendung seines 74. Lebensjahres an Diabetes. Fürbringer eröffnete zwar keine neue Forschungsrichtung wie sein Lehrer Gegenbaur, er trug jedoch wesentlich zur Weiterentwicklung der vergleichenden Anatomie bei. Von besonderer Bedeutung sind seine Arbeiten zur Entwicklung des Nierensystems, der spinookzipitalen Nerven sowie seine Studien zur Morphologie und Systematik der Vögel.
Quellen: GLA 466/7559; UA Heidelberg PA 1585; UB Heidelberg Nachlass Fürbringer.
Werke: Schriftenverzeichnis in: Anatomischer Anzeiger 55, 1922, 253. – Auswahl: Die Knochen u. Muskeln d. Extremitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern, Diss. phil. Berlin, 1870; Beitrag zur Kenntnis d. Kehlkopfmuskulatur, 1875; Zur Entwicklung d. Amphibienniere, 1877; Untersuchungen zur Morphologie u. Systematik d. Vögel, 1888; Beitrag zur Systematik u. Genealogie d. Reptilien, 1900; (Hg.) K. Gegenbaur, Lehrbuch d. Anatomie, 81909; (Hg. mit H. Bluntschli), Gegenbaurs Gesammelte Abhandlungen, 1912.
Nachweis: Bildnachweise: Bildersammlung d. UA Heidelberg; Kurpfälzisches Museum Heidelberg; graphische Sammlung d. UB Heidelberg; Braus, in: Dt. Mediz. Wochenschr. 17, 1920, 460.

Literatur: Max Fürbringer, in: Franz Neubert (Hg.), Dt. Zeitgenossenlexikon, 1905, 428; Max Fürbringer, in: Herrmann Degener, Wer ist’s?, 1909, 339; Max Fürbringer, in: Hermann Christern (Hg.), Dt. Biographisches Jahrb. 1920, 335; Hans Bluntschli, Max Fürbringer (1846–1920), in: Anatomischer Anzeiger 55, 1922, 244 –253; Hermann Braus, Max Fürbringer, in: Dt. Medizinische Wochensch. 17, 1920, 460; Max Fürbringer, in: Isidor Fischer, Biogr. Lexikon d. hervorragenden Ärzte d. letzten fünfzig Jahre, 2 Bde., 1932–1933, 518; Ernst Giese/Benno von Hagen, Geschichte d. medizin. Fakultät d. Friedrich-Schiller-Univ. Jena, 1958, 468 ff.; Max Fürbringer, in: Dagmar Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon, 1986–1991, Bd. 2, 76 f.; Max Fürbringer, in: Werner Hartkopf, Die Berliner Akademie d. Wissenschaften, 1992, 108; Max Fürbringer, in: Doris Freudig (Hg.), Lexikon d. Naturwissenschaftler, 1996, 149; Manfred Stürzbecher, Max Fürbringer, in: Dt. biogr. Enzyklopädie online, 2006, Dok-ID 3-1779.
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