Lüttringhaus, Arthur 

Geburtsdatum/-ort: 06.07.1906; Köln-Mülheim
Sterbedatum/-ort: 27.05.1992;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie: 1912–1924 Volksschule (1912–1916) u. Reform-Realgymnasium in Mülheim-Köln bis Abitur
1924 IV–1930 VII 9 Studium d. Chemie an den Univ. München, SS 1924-WS 1926/27, u. Göttingen, SS 1927-WS1 929/30, bis Promotion „summa cum laude“: „Über einige Dehydrierungen u. Oxydationen in d. Ergosterinreihe“
1930 X–1932 XII Privatassistent bei Adolf Windaus
1933 I–1936 I Privatassistent bei Karl Ziegler bis Mai 1934, dann Stipendiat d. Dt. Forschungsgemeinschaft, ab Juni 1935 planm. Unterrichtsassistent am Chem. Institut d. Univ. Heidelberg
1936 II–1940 VIII Wiss. Assistent, ab Aug. 1938 Abteilungsleiter, am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikal. u. Elektrochemie
1936 XII Habilitation bei Karl Freudenberg, Univ. Heidelberg: „Zur Stereochemie aromatischer Ringsysteme“, verlorenes Typoskript
1938–1939 Ernennung zum Dozenten d. Univ. Berlin nach Lehrprobe am 12. Mai 1938: „Die Entwicklung d. Raumvorstellungen in d. Chemie“; am 18. Okt. 1939 Ernennung zum (beamteten) „Dozenten neuer Ordnung“
1940 IX–1947 III Planm. ao. Professor an d. Univ. Greifswald, Lehrstuhl für Organ. Chemie, bis Juli 1941 vertretungsweise
1947 IV–1950 IX o. Professor u. Direktor des Chemischen Instituts an d. Univ. Halle
1950 IX–1951 III Mitarbeiter d. schweizerischen Wander GmbH in Säckingen
1951 IV–1971 XII o. Professor u. Direktor des Chem. Laboratoriums d. Univ. Freiburg im Br.
1972 I Emeritierung auf eigenen Antrag
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: korr. Mitglied d. Heidelberger Akademie d. Wissenschaften u. d. Dt. Akademie d. Naturforscher Leopoldina in Halle (1951); Emil-Fischer-Medaille d. Gesellschaft Dt. Chemiker (1967); Ehrenmitglied d. Societé Chimique de Belgique (1970); Dr. rer. nat. h. c. d. Univ. Karlsruhe (1975)
Verheiratet: I. 1938 (Berlin) Maria Anna (Marianne), geb. Ditt (geboren 1901); II. Adelheid, geb. Korth
Eltern: Vater: Max, Fabrikant (geboren 1875)
Mutter: Gertrud, geb. Oberbörsch (geboren 1882)
Geschwister: 4; darunter Max u. Walter
Kinder: 3;
Gertrud Roswitha (geboren 1939);
Stieftöchter Ingeborg (geboren 1925) u. Margaret (geboren 1927)
GND-ID: GND/117301035

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 304-309

Lüttringhaus wurde als erstes Kind einer Industriellenfamilie geboren, die im Rheinland, damals in Köln-Mühlheim, chemische und verwandte Produktion betrieben hatte. Sein Vater war Lederwarenfabrikant, dessen Bruder, Dr. Arthur Lüttringhaus sen. (1873–1945), bei der BASF in Ludwigshafen als Chemiker tätig, zuletzt als Leiter der Alizarin-Abteilung. Vermutlich wurde Lüttringhaus’ Interesse für die Chemie unter dem Einfluss der Familie bereits früh geweckt, jedenfalls wandte er sich sofort nach dem Abitur dem Chemiestudium zu.
Zunächst studierte er in München, wo Richard Willstätter lehrte, der damals bedeutendste Vertreter der Organischen Chemie Deutschlands. Nach fast dreißig Jahren schrieb Lüttringhaus über Willstätter: „Niemand vermochte sich dem Zauber seiner Persönlichkeit zu entziehen, jener einzigartigen Koinzidenz von Grazie und Würde. Wir zu seinen Füßen waren tief beeindruckt von der brillant aufgezogenen Experimentalvorlesung. Welch hervorragende Schule hat er hinterlassen!“ (Nachruf 1952, S. 240). Während sechs Semestern in München besuchte Lüttringhaus den physikalisch-chemischen Unterricht von Kasimir Fajans, was später seine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten prägte. Bald war Lüttringhaus durch die Erfolge der Chemie in den Bereichen Biologie und Medizin begeistert.
Als er das 1. Verbandsexamen 1927 abgelegt hatte, wechselte Lüttringhaus nach Göttingen, wo Adolf Windaus (1876–1959) solche Fragestellungen bearbeitete, dem 1928 der Nobelpreis verliehen wurde für die Erforschung des Aufbaus der Sterine und ihres Zusammenhanges mit den Vitaminen. Sterine sind polyzyklische Alkohole, z.B. Cholesterin, die bei verschiedenen Prozessen in lebenden Organismen eine Rolle spielen. Das Zentralproblem im Arbeitskreis Windaus’ war damals die Konstitution des Ergosterins und der daraus durch starke Belichtung gewonnenen antirachitischen D-Vitamine. Nach seinem 2. Verbandsexamen, das Lüttringhaus im Mai 1928 bestand, regte Windaus als Thema für Lüttringhaus’ Doktorarbeit die Untersuchung einiger Reaktionen des Ergosterins an und schrieb dann über diese Arbeit: „Herr Lüttringhaus gehört zu den wenigen wirklich begabten Chemikern, die zur Zeit im Institut arbeiten. […]Besonders charakteristisch ist es, dass er seine Untersuchungen in so klarer Weise zusammengestellt hat, dass ich nichts habe zu ändern brauchen“ (UA Göttingen, Promotionsakte Lüttringhaus). Nach der Promotion blieb Lüttringhaus noch zwei Jahre als Privatassistent bei Windaus. Hier gelang ihm die erstmalige Kristallisation der Vitamine D1 und D2, was als beachtlicher Erfolg galt; denn damit wurden zum ersten Mal D-Vitamine rein hergestellt, die als Mittel gegen Rachitis unter dem Namen „Vigantol“ bekannt wurden.
Dank der Vermittlung von Windaus bekam Lüttringhaus 1933 eine Stelle bei Karl in Heidelberg, wo Lüttringhaus mehr als ein Jahr als Privatassistent arbeitete. Damals konnte er sich besonders durch die Arbeit mit organischen Verbindungen von Alkalimetallen in ein ihm neues Gebiet einarbeiten. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft erlaubte ihm völlig selbstständige Forschungen zu beginnen. Nach dessen Auslaufen konnte Lüttringhaus ein Jahr als Unterrichtsassistent die Arbeit fortsetzen „auf dem mir besonders am Herzen liegenden Gebiet der Raumchemie“ (UA Greifswald, PA 237, Bd.5, Lebenslauf Lüttringhaus), wie er selbst schrieb.
Dank seiner Arbeiten wurde Lüttringhaus am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische und Elektrochemie in Berlin-Dahlem als Assistent in der Organischen Chemie angestellt. Dort fand er eine sehr gute Einrichtung vor, die seinen stereochemischen Forschungen zugute kam. Diese bildeten dann den Inhalt seiner Habilitationsschrift, die Lüttringhaus in Berlin abschloss und im Herbst 1936 Freudenberg vorlegte. Der Inhalt des verlorenen Typoskripts ist nur anhand des Gutachtens von Freudenberg und publizierten Artikeln Lüttringhaus’ rekonstruierbar. Der Schwerpunkt dieses Werks sind Erarbeitung und Anwendung einer Methode zur Angliederung von Ringen an aromatischen Molekülen in beliebigen „ungewöhnlichen“ Stellungen. Die so hergestellten eigenartigen Verbindungen bezeichnete Lüttringhaus 1942 nach lateinisch ansa (= Henkel) als „Ansa-Verbindungen“, handelt es sich doch um Kohlenstoff-Atome, die wie ein Henkel angeordnet und an zwei Stellen eines aromatischen Moleküls angeknüpft sind. Lüttringhaus sprach am 17. Dezember 1936 über diese Arbeit vor der Heidelberger Fakultät. Um Dozent zu werden, musste damals ein zweites Verfahren durchlaufen werden, das im Juli 1938 abgeschlossen war. Lüttringhaus bot privatissime gratissimeque einstündige Vorlesungen über „Stereochemie“, „Ausgewählte neue Methoden der Organischen Chemie“ und „Organisch-chemische Synthese“ im Raum des Kaiser-Wilhelm-Instituts an. Seine Arbeit galt weiter der Erforschung organischer Stoffe und der Zusammenhänge zwischen ihrer räumlichen Konstitution und ihren Reaktionsfähigkeiten. Er setzte die Untersuchungen vielgliedriger Ringsysteme fort, führte eine Reihe von „Valenzwinkelstudien“ mit Mitarbeitern durch und veröffentlichte deren Ergebnisse in sieben Artikeln. Außerdem erforschte Lüttringhaus die „Reaktionsweise metallorganischer Verbindungen“, die er erst in vier, dann in weiteren drei Mitteilungen publizierte. In einer davon, der Umwandlung von Diarylethern in o-Arylphenole, ist eine neue Klasse von Reaktionen beschrieben, die später „Lüttringhaus-Umlagerung“ genannt wurde. Gegen Ende seiner Berliner Zeit gelang es Lüttringhaus bei der Weiterentwicklung von Ideen seiner Habilitationsschrift eine neue Art von Ansa-Verbindungen zu synthetisieren, wobei der Benzolring mit großen Substituenten versehen wird. Der Henkel wird dabei so eng, dass sich der Ring nicht mehr unter der „Brücke“ hindurch drehen kann und zwei optisch aktive Isomere entstehen. Diese neue Klasse optisch aktiver Stoffe wurde zur Behandlung von Problemen der Isomorphie benutzt, der Raumerfüllung und der inneren Rotation.
Im Sommer 1940 erhielt Lüttringhaus einen Ruf nach Greifswald auf ein Extraordinariat für Organische Chemie. Zwei Umstände veranlassten ihn, die Hauptstadt und das für Forschungsarbeit bestausgerüstete Kaiser-Wilhelm-Institut mit einer provinziellen Universität einzutauschen: die akademische Beförderung und die Befreiung vom ständigen Druck, der NSDAP beitreten zu sollen. Als unvermeidliche Konzession hatte er schon den Eintritt in den NS-Dozentenbund empfunden. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie galt als „NS-Musterbetrieb“; Lüttringhaus als Nicht-Mitglied der Partei hatte keine Perspektive. Des Unterrichts in Greifswald wegen wurde Lüttringhaus dann UK gestellt. So konnte er bis zum Kriegsende Vorlesungen und Übungen im Praktikum für Studenten der Naturwissenschaft und Medizin anbieten und einige in Berlin begonnene Arbeiten über die „Lüttringhaus-Umlagerung“ fortsetzen.
Nach dem Kriegsende engagierte sich Lüttringhaus im „Hochschulverband für die demokratische Erneuerung der Universität“, der im Juli 1945 gegründet worden war. Schon einen Monat früher war Lüttringhaus in die CDU-Greifswald eingetreten, deren Mitglied er bis zum Weggang in den Westen blieb. Damals ging es noch ums reine Überleben, und Lüttringhaus zeigte sich sehr erfinderisch. Er organisierte z.B. das Sammeln des an der Ostseeküste verfügbaren Lebertrans, aus dem ein roh-öliger Vitamin-D-Extrakt hergestellt wurde. Auch das damals noch geschätzte DDT wurde im Institut produziert und als Läuse-Pulver angewandt. Schließlich wurde der im benachbarten Peenemünde lagernde V2-Raketentreibstoff nach einem der Besetzungsmacht vorenthaltenen Verfahren zu reinem Alkohol umgewandelt und „in den Naturalienhandel eingeschleust“ (Prinzbach, 1998, S. 736). Später nannte Lüttringhaus all dies seine ehrenamtliche Beteiligung „am Aufbau von Wirtschaft, Industrie, Nähr- und Heilmittelerzeugung“ (UA Halle, Personalakte Lüttringhaus).
1947 erhielt Lüttringhaus Rufe aus Berlin und Halle auf ordentliche Professuren der Chemie. Er ging nach Halle und folgte damit seinem Mentor Ziegler nach. Ziegler und Freudenberg hatten ihn der Berufungskommission als ersten Kandidaten empfohlen. Obwohl die materiellen Verhältnisse ziemlich bescheiden waren, konnte Lüttringhaus fähige Mitarbeiter finden und mit ihnen neben der Arbeit an Ansa-Verbindungen ein neues Forschungsgebiet erschließen und die sogenannten Trithionen entdecken: heterozyklische Verbindungen im Ring mit drei miteinander verbundenen Schwefelatomen. Diese Arbeiten, so ein Gutachten von 1950, „werden zu dem Besten gerechnet, was in der präparativ-organischen Chemie in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erschienen ist“ (UA Frankfurt, Kuratorakte, Abt. 13, Nr. 287).
Nach drei Jahren sah sich Lüttringhaus gezwungen, die Sowjetische Besatzungszone „wegen des steigenden politischen Terrors“ (UA Freiburg, B 15/132), wie er später formulierte, zu verlassen. Auf Vermittlung von Freunden fand er erst bei der schweizerischen Wander GmbH in Säckingen Arbeit. Während seiner ersten Monate in der Bundesrepublik hielt Lüttringhaus vor allem Vorträge über seine Arbeiten und erneuerte seine Kontakte zu Kollegen. Dann erreichte ihn der Ruf auf die Stelle des sich emeritierenden Hermann Staudinger in Freiburg. Die Berufungskommission nominierte Lüttringhaus „mit Abstand“ primo loco als den „bedeutendsten organischen Chemiker der jüngeren Generation in Deutschland“ (UA Freiburg, B 15/132). Der Ruf war dennoch nicht allzu verlockend; denn das Chemische Laboratorium war weitgehend zerstört und als „Wohnung“ wurde ihm lediglich ein Büroraum im Zoologischen Institut geboten; denn Staudinger, der sein Forschungsinstitut für makromolekulare Chemie behielt, wehrte sich entschieden dagegen, seinen Platz mit Lüttringhaus zu teilen. Trotzdem bot dieser Ruf Lüttringhaus die Möglichkeit, zum akademischen Leben zurückzukehren.
Gleichzeitig erreichte ihn ein Ruf nach Frankfurt am Main, der neben Lüttringhaus’ Erfolgen den hervorragenden Dozenten „mit ausgesprochen pädagogischer Veranlagung“ (UA Frankfurt Kuratorakte, Abt. 13, Nr. 287) würdigte.
Den Berufungsbedingungen entsprechend konnte Lüttringhaus 1952 den ersten kleinen Neubau in Freiburg beziehen, „Chemie I“. Bald aber erschienen wegen der rasch ansteigenden Studentenzahl weitere Bauarbeiten nötig. Als zweite Erweiterung folgte 1956 „Chemie II“ für Anorganische und Analytische Chemie und als dritte wurde 1968 ein 10-stöckiges Haus für Organische Chemie und Biochemie bezogen. Lüttringhaus blieb also fast alle seine Freiburger Jahre über Bauherr, eine Rolle, „die für ihn eine endlose Strapaze bedeutete“ (Prinzbach, 1998, S. 737). Dennoch konnte Lüttringhaus ein reges wissenschaftliches Leben in seinem Institut entfalten. Aus Halle kamen einige seiner Doktoranden, die wichtige Vorkenntnisse mitbrachten. Anlässlich der Eröffnung von „Chemie II“ veranstaltete Lüttringhaus ein Kolloquium, bei dem 20 Vorträge von Institutsmitgliedern gehalten wurden und das erkennen ließ, welch mannigfaltige neue Substanzen unter Lüttringhaus synthetisiert und erforscht wurden. Lüttringhaus verstand es, Kontakte mit der Industrie zu pflegen. Mehrere von seinen zahlreichen Verfahren, wie z.B. seine „Umlagerung“, hat Lüttringhaus patentieren lassen. Einige seiner Patente flossen in die praktische Verwendung ein, insbesondere die zur Herstellung und Anwendung von Inhibitoren der Metall-Korrosion. Seine Patente überließ Lüttringhaus meistens chemischen Firmen, zumal der Bayer AG, gelegentlich Merck und Hoechst.
Wissenschaftlicher Höhepunkt der Freiburger Zeit Lüttringhaus’ war 1958 die Erschließung und 1964 und 1967 die Verwirklichung eines neuen chemischen Bauprinzips: die Herstellung von sogenannten Catena-Verbindungen (nach lateinisch catena für Kette). Lüttringhaus stellte sich die Aufgabe, neuartige Ringsysteme zu schaffen, bei denen sich mindestens zwei Ringe wie Glieder einer Kette zueinander verhalten, ohne in irgendeiner chemischen Bindung miteinander zu stehen. Er sah drei verschiedene Wege zu diesem Ziel, wovon zwei in seinem Laboratorium erfolgreich umgesetzt wurden. Der erste, der als schönster erschien, glückte bei den Versuchen 1958 noch nicht; er wurde erst nach Lüttringhaus’ Tod durch eine Gruppe amerikanischer Forscher realisiert, die über die Freiburger Pionierarbeit schrieben: „Dieses Experiment ist trotz seines Scheiterns in die Geschichte der Catena-Chemie eingegangen als erster Versuch, solche Verbindungen zu synthetisieren“ (D. Armpach et al., Angewandte Chemie 105, 1993, S. 944).
1971, als er 65 Jahre alt war, beantragte Lüttringhaus seine Emeritierung. Die endlosen Bauarbeiten, aber auch die Studentenunruhen mögen dafür ausschlaggebend gewesen sein. Publikationen nach 1967 hat er wohl nicht veröffentlicht. Der Grund für seinen frühen Rückzug war wohl kaum sein Gesundheitszustand, es war herbe Enttäuschung. Lüttringhaus hatte unter dem gelitten, was er als Verlust an akademischer Kultur empfand, an „nur politisch-opportunen Argumentationen und Regelungen, an der Trennung von Kompetenz, Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit“ (Prinzbach, 1993, S. 12). Bis Herbst 1988 blieb er in Freiburg. Zu seinem 70. Geburtstag publizierte die Universitätszeitschrift einen Jubiläumartikel. Lüttringhaus selbst, wie er in einem Brief schrieb, hatte sich „versteckt, nachdem meine Schüler meinem Wunsch entgegen zum 60. und 65. hier unangenehm großen Festtrubel veranstaltet hatten.“ (UA Heidelberg, HAW 300) „Ein festliches Kolloquium zum Anlass des 80. Geburtstages, […] von der Fakultät für Chemie und Pharmazie, dem Chemischen Laboratorium und der Gesellschaft Deutscher Chemiker gemeinsam ausgerichtet, im vollbesetzten Großen Hörsaal „seines“ Chemischen Laboratoriums, im Kreis einer großen Zahl alter Freunde und Schüler, war die Gelegenheit, Arthur Lüttringhaus ein letztes Mal offiziell zu ehren, seine großen Verdienste zu würdigen, ihn mit seiner Universität zu versöhnen“ (Prinzbach, 1998, S. 741).
Ein vollständiges Verzeichnis von Werken Lüttringhaus’ existiert nicht. Bisher konnten 132 wissenschaftliche Publikationen und 13 Patente belegt werden. Eine Besonderheit des Lüttringhaus’chen Werks ist die außerordentliche Vielfalt seiner Arbeiten, deren größter Teil hinsichtlich der Problemstellung völlig neu ist. Seine Arbeit resultierte in interessanten Ergebnissen, immer wieder aber verbunden durch das Grundanliegen, herauszufinden, wie feine Strukturfaktoren, die in der Raumchemie eine Rolle spielen, insbesondere Bindungslänge, Bindungswinkel, Spannungsenergien und Möglichkeiten innerer Rotation, das Reaktionsverhalten von Molekülen bestimmen. Dazu konzipierte Lüttringhaus Modelle, Molekülgerüste verschiedener Geometrie und suchte deren kontaktfähige Stellen. So entstanden Lüttringhaus’ „Ansa-Verbindungen“ und später die wohl genialste seiner Ideen, die „Catena-Verbindungen”. Bei stetiger Suche nach neuen Fragestellungen verfolgte er diese aber nicht immer mit letzter Konsequenz: „Das Säen schien ihm oft wichtiger als das Ernten“ (Prinzbach, 2007, S. 219). Was Lüttringhaus dergestalt gesät hat, wird noch in der heutigen Chemie weiterentwickelt; besonders seine Catena-Chemie blüht weiter als eine der Grundlagen der Nanotechnologie.
Quellen: UA Göttingen Math Nat Prom N31, Promotionsakte Lüttringhaus; UA Heidelberg PA 4887, Habilitation Lüttringhaus, Rep. 14/298, Briefwechsel mit K. Freudenberg, HAW 300, Akte Lüttringhaus als Mitglied d. Heidelberger Akad. d. Wiss.; UA Greifswald K 5979, Besetzungsvorschlag für Lehrstuhl d. Org. Chemie, 1940, K 724, zur Prüfung d. politischen Zuverlässigkeit, 1945, PA 237, Personalakte Lüttringhaus; UA Halle Rep 11, PA Nr. 10345, Personalakte Lüttringhaus; UA Frankfurt am M. Kuratorakte, Abt. 13, Nr. 287, Besetzung des Lehrstuhls für Org. Chemie, 1951; UA Freiburg B 15/132. Berufung Lüttringhaus’, B 17/365, Quästurakte Lüttringhaus, C 95, Nachlass Lüttringhaus; Auskünfte des UA Göttingen vom 13.1.2014, des StadtA Köln vom 29.1.2014, StadtA Freiburg vom 4.3.2014, UA Berlin vom 13.3.2014, A d. Max-Planck-Ges. vom 14.3.2014 u. des Amts Bürgerservice Freiburg im Br. vom 2.4.2014.
Werke: (mit A. Windaus u. W. Bergmann) Über einige Umsetzungen des Ergosterinperoxyds, in: Liebigs Annalen d. Chemie 471, 1929, 195-201; (mit A. Windaus) Über die Einwirkung von Benzopersäure auf Ergosterin u. einige seiner Derivate, ebd. 481, 1930, 119-131; (mit A. Windaus) Über das Verhalten des Ergosterins u. einiger seiner Derivate gegenüber Maleinsäure-anhydrid, in: Berr. d. Dt. Chemischen Ges. 64, 1931, 850-854; Vitamin D, in: Angewandte Chemie 47, 1934, 552-555; (mit K. Ziegler) Über vielgliedrige Ringsysteme: III. Meta- u. para-Ringschlüsse in d. Benzolreihe, in: Liebigs Annalen d. Chemie 511, 1934, 1-12; (mit K. Ziegler) Über vielgliedrige Ringsysteme: VIII. Über eine neue Anwendung des Verdünnungsprinzips, ebd. 528, 1937, 155-161; Über vielgliedrige Ringsysteme: X., XI. u. XII, ebd. 181-210, 211-232 u. 223-233; (mit G. von Sääf ) Zur Reaktionsweise metallorganischer Verbindungen IV: Umlagerung von Diaryläthern in o-Arylphenole, in: Liebigs Annalen d. Chemie 542, 1939, 241-258; (mit H. Gralheer) Ein neuartiger Fall von Molekularsymmetrie, in: Die Naturwissenschaften 28, 1940, 255; (mit H. Gralheer) Über eine neue Art atropisomerer Verbindungen, in: Liebigs Annalen d. Chemie 550, 1942, 67-98; Klassische Methoden in d. Feinstrukturanalyse von Kohlenstoffverbindungen, in: Die Naturwissenschaften 30, 1942, 40-45; (mit G. Wagner-Sääf ) Zur Reaktionsweise metallorganischer Verbindungen V: Die Arylphenol-Umlagerung gemischter Diaryläther, in: Liebigs Annalen d. Chemie 557,1947, 25-45; Molekulare Oberfläche u. Schmelzwärme bei Kohlenstoffverbindungen, in: Angewandte Chemie 59, 1947, 228-233; (mit G. Vierk) Molekulare Oberfläche u. Schmelzwärme bei Kohlenstoffverbindungen. II. Mitteilung, in: Berr. d. Dt. Chemischen Ges. 82, 1949, 376-387; Nachruf auf Richard Willstätter, in: Jb. d. Dt. Akademie d. Wissenschaften zu Berlin für 1952-1953, 235-241; (mit W. Cleve) Über Trithione. VI: Dimethyltrithion, in: Liebigs Annalen d. Chemie 575, 1952, 112-122; (mit Mitarbeitern) Über Bindungscharakter d. Thiongruppe I. Dipolmomentmessungen, II. Infrarotspektren, in: Zs. für Naturforschung 10b, 1955, 365-367, 367-370; (mit K. Hagele) Cyclische Disulfide, I: 2,3- Dithia-tetralin u. 1,2-Dithia-hydrinden, in: Angewandte Chemie 67, 1955, 304; (mit K. Schubert) Zum Auftreten des o-Phenylens (Cyclohexadien-ins) bei metallorganischen Umsetzungen, in: Die Naturwissenschaften 42, 1955, 17; (mit I. Sichert-Modrow) Zur Struktur d. Lösungen. I: Einfluss des Lösungsmittels auf die Gestalt beweglicher Paraffinketten, ermittelt aus Ringschlussversuchen, in: Die makromolekulare Chemie 18/19, 1956, 511-526; (mit N. Engelhard) Beobachtungen über den Verlauf d. Dehydratisierung von Arylmethylcarbinolen, in: Die Naturwissenschaften 44, 1957, 585f.; (mit G. Eyring) Optisch aktive Ansa-Verbindungen IV: Über den Wirkungsbereich des an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatoms, in: Liebigs Annalen d. Chemie 604, 1957, 111-120; Kristallisieren, in: Methoden d. Organischen Chemie, hgg. von Eugen Müller, Bd. I/1, 4. Aufl. 1958, 341-389; (mit F. Cramer, H. Prinzbach u. F. M. Henglein) Cycisationen von langkettigen Dithiolen. Versuche zur Darstellung sich umfassender Ringe mit Hilfe von Einschlussverbindungen, in: Liebigs Annalen d. Chemie 613, 1958, 185-198; (mit W. Reif ) Der Chemismus d. Varrentrapp-Reaktion. Die basenkatalisierte Isomerisierung von mono-Olefinen u. mono-Olefincarbonsäuren, in: Liebigs Annalen d. Chemie 618, 1958, 221-240; (mit W. Kullick) Gemischte Carbonylkomplexe des Cr° u. Mo° mit Organo-Stickstoffverbindungen, in: Tetrahedron Letters, 1959, No. 10, 11-13; (mit H. Prinzbach) Cyclische Disulfide, II: Normale, mittlere u. makrocyclische ß.ß‘-Dithia-cyclanone durch Dieckmann-Kondensation, in: Liebigs Annalen d. Chemie 624, 1959, 79-97; (mit G. Schill) p-Phenylen-bis-polyenale, in: Chemische Berichte 93, 1960, 3048-3055; (mit S. Kabuss, H. Prinzbach u. F. Langenbucher) Cyclische Disulfide, V: Schwefel als Acceptor von intramolekularen Wasserstoffbrücken in heterocyclischen Alkoholen, in: Liebigs Annalen d. Chemie 653, 1962, 195-211; (mit G. Schill) Gezielte Synthese von Catena-Verbindungen, in: Angewandte Chemie 76, 1964, 567f.; Ringsysteme höherer Ordnung. Catena-Verbindungen, in: Ernest E. Eliel, Stereochemie d. Kohlenstoffverbindungen, übersetzt u. bearb. von Arthur Lüttringhaus u. R. Cruse, 1966, 250-254; (mit H.-J. Rosenbaum) Konformations-Enantiometrie, 3. Mitt., in: Monatshh. für Chemie 98, 1967, 1322-1331; (mit G. Isele) Synthese eines Catenans nach dem halbstatistischen Prinzip, in. Angewandte Chemie 79, 1967, 945f. u. 1928.
Nachweis: Bildnachweise: UA Freiburg, C 95 (Gruppenfotos 1970); Prinzbach, 1993, 8 u. 1998, 735 (vgl. Literatur).

Literatur: Poggendorffs Biogr.-literar. Handwörterb. VIIa, Teil 3, 1959, 158f., VIII, Teil 3, 2004, 1835; DBE 6, 2. Aufl. 2006, 618; Anonym, Wer ist’s? Arthur Lüttringhaus, in: Nachrichten aus Chemie u. Technik 14, 1966, 287f. (mit Bildnachweis); H. Ley, Arthur Lüttringhaus zum 60. Geburtstag, ebd., 306f.; Emil-Fischer-Medaille an Arthur Lüttringhaus, ebd. 15, 1967, 347f.; Chr. Rüchardt, Professor Arthur Lüttringhaus 70 Jahre, in: Freiburger Universitätsbll. H. 53/54, 1976, 14f.; R. W. Pötsch, Lüttringhaus, in: Lexikon bedeutender Chemiker, 1988, 285f., Horst Prinzbach, Arthur Lüttringhaus zum Gedenken, in: Freiburger Universitätsbll. H. 120, 1993, 8-12 (mit Bildnachweis); ders., Erinnerungen an Arthur Lüttringhaus (1906–1992), in: European Journal of Organic Chemistry, 1998, 735-743 (mit Bildnachweis); ders., Catenane – ein neues chemisches Bauprinzip. Arthur Lüttringhaus (1906–1992), in: 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Bd. 4, 2007, 214-219.
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