Unna, Isak 

Geburtsdatum/-ort: 29.02.1872; Würzburg
Sterbedatum/-ort: 19.05.1948; Jerusalem, beigesetzt 1952 Friedhof Sanhedria, Jerusalem
Beruf/Funktion:
  • Rabbiner
Kurzbiografie: 1889 Studienbeginn in Altphilologie Universität Würzburg
1890-1895 Philologiestudium Universität Berlin, Studium am orthodoxen Rabbinerseminar Berlin
1895 Promotion, Dissertation „Über den Gebrauch der Absichtssätze bei Philo von Alexandrien“
1896 Rabbinerdiplom
1896-1897 Rabbinatsverweser an der Israelischen Religionsschule in Frankfurt am Main
1898-1935 Rabbiner der orthodoxen Klaussynagoge in Mannheim
1920 Ernennung zum Stadtrabbiner, damit rechtliche Gleichstellung des orthodoxen Rabbiners mit den liberalen Stadtrabbinern
1921 Ernennung zum Mitglied der badischen Landessynode
1923 Mitbegründer und späterer Leiter der Organisation „Achduth“ (Einheit), einer Vereinigung gesetzestreuer Juden in Deutschland
1925 Ernennung zum Konferenzrabbiner im Oberrat der Israeliten Badens
1930 Erweiterter Umbau der Klaussynagoge in Mannheim
1932 Wahl zum Vorsitzenden der „Vereinigung traditionell-gesetzestreuer Rabbiner Deutschlands“
1935 Emigration nach Palästina
1936 Gründung der Gemeinde Binjan-Zion (Ein Bau für Zion) mit Synagoge in seinem Wohnhaus in Jerusalem
1941 Wahl zum Präsidenten der von ihm für Jerusalem gegründeten Rabbinervereinigung Asriel
1948 Staatsgründung Israels, die Unna nur um wenige Tage überlebte. Eine Beisetzung war durch die Belagerungskämpfe zunächst nur im Garten möglich
1952 am Jahrzeittag Überführung auf den Friedhof Sanhedria, Jerusalem
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1898 Gertrud, geb. Goitein (1876-1954)
Eltern: Vater: Moses Unna (1824-1888), Prediger und Religionslehrer in Würzburg
Mutter: Zerla, geb. Bamberger (1834-1896), Tochter des Seligmann Bär Bamberger, bekannt als „Würzburger Raw“
Geschwister: 8:
Sofie, verheiratete Löwenthal
Judith, verheiratete Wolfing
Eljakim Abraham;
Simon Simcha, Vorbeter und Religionslehrer in Frankfurt/M.
Jettchen Gitta, verheiratete Berlinger
Amalie, Lehrerin in Würzburg
Ascher Eduard
Joseph, Dr., Professor und Autor
Kinder: 3 Söhne:
Gabor (1901-1938)
Moses (Mosche, 1902-1989), langjähriger Abgeordneter der nationalreligiösen Partei im israelischen Parlament
Viktor (Avigdor, 1904-1982)
5 Töchter:
Zerline (Cilly, verheiratete Kohn, 1900-1987)
Ruth (verheiratete Rülf, geb. 1905)
Kläre (1907-1983)
Rahel (verheiratete Giladi, geb. 1912)
Suse (Shulamit, geb. 1914)
GND-ID: GND/117310212

Biografie: Volker Keller (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 299-300

Leben und Werk von Unna waren bestimmt von tiefer Religiosität und Verwurzeltsein im traditionellen deutschen Judentum. Als Enkel des bekannten orthodoxen „Würzburger Raw“, als Sohn eines jüdischen Religionslehrers genoß Unna eine Erziehung, die streng an den Grundsätzen des orthodoxen Judentums festhielt. Seine Lehrer Esriel Hildesheimer und David Hoffmann in Berlin, Markus Horovitz in Frankfurt vermittelten ihm tiefgehende halachische Kenntnisse. Sein umfassendes Wissen setzte Unna zeitlebens dafür ein, die Orthodoxie im Judentum aufzuwerten und jüdisches Leben wieder an den Grundsätzen der Tora auszurichten. Im Lauf des 19. Jahrhunderts hatten zahlreiche religiöse Reformen und liberale Neuerungen im Judentum zur Bildung einer orthodoxen Opposition und in manchen Städten zur Spaltung in eine liberale Muttergemeinde und eine orthodoxe Austrittsgemeinde geführt. Eine bessere Möglichkeit sah Unna im Verbleib in der Einheitsgemeinde, um dort für die Belange des gesetzestreuen Judentums zu kämpfen. Er hielt es für seine Pflicht, Spaltungen innerhalb des Judentums zu bekämpfen und setzte damit das Werk des Würzburger Raw fort. Die von Unna jahrelang geleitete Achduth-Organisation war ein Versuch, zu einer Einigung im gesetzestreuen Judentum zu gelangen. Die Gegenbewegung Agudas Jisroel trat für eine Trennung der Toratreuen von einer assimilierten, verweltlichten Gemeinde ein.
In seiner Gemeinde Mannheim führte Unnas Arbeit zu einer spürbaren Aufwertung der Orthodoxie, deren augenfälliges Zeichen der erweiternde Umbau der Klausynagoge in F1, 11 mit über 500 Plätzen war. Unter dem Einfluß Unnas im Oberrat der Israeliten Badens wuchs das Ansehen der Orthodoxen entscheidend, ihre Anzahl erreichte wieder eine beachtliche Größe.
Unna hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk. Neben zahlreichen Buchveröffentlichungen nahm er in Zeitungen und Zeitschriften immer wieder zu aktuellen und geschichtlichen, allgemeinen oder religiösen Themen aus jüdisch-orthodoxer Sicht Stellung. Auf die 1901 erfolgte Eröffnung des Mannheimer Krematoriums reagierte er mit einer Serie von Traktaten über die Leichenverbrennung vom Standpunkt des Judentums. Während des Ersten Weltkriegs plädierte er als einer der wenigen Deutschen für Pazifismus und gegen eine Militarisierung der Jugend. Eingehend befaßte er sich mit dem Schächten und dem Tierschutz. Seine geschichtlichen und religiösen Themen nehmen ein breites Spektrum ein, die rabbinische Responsenliteratur bereicherte er um zahlreiche bedeutende Abhandlungen, auf die auch in neuerer Literatur häufig zurückgegriffen wird. Sein literarisches Schaffen setzte er ab 1935 in Palästina fort, dort überwiegend in hebräischer Sprache. In Jerusalem gründete er eine Synagoge, in der er Gottesdienst in dem aus Deutschland gewohnten orthodoxen, aschkenasischen Ritus abhielt. In den 40er Jahren schuf er als Mitbegründer der allgemeinen Beerdigungsbruderschaft Jerusalems einheitliche Regelungen zur Bestattung der Juden auf dem Ölberg. Die von ihm innig herbeigesehnte Staatsgründung von Israel überlebte er nur um wenige Tage.
Werke: Die Lemle Moses Klausstiftung in Mannheim, Mannheim 1908/1909 (2. Bände); Rabbi Elia, der Gaon von Wilna u. seine Zeit, Frankfurt/Main 1911; R. Simon Ben Lakisch als Lehrer der Halacha und Agada, 1921 (?); Tierschutz im Judentum, Frankfurt/Main 1928; Rabbi Mosche ben Nachman (Nachmanides), sein Leben u. Wirken, Jerusalem 1942 (hebräisch); aus dem Nachlaß: Schoalin we-Dorschin, Sammlung von Responsen und halachischen Vorträgen, Jerusalem 1964 (hebräisch); Lema' an Haachdut we-Hajichut – Ein Leben für Einheit und Einzigartigkeit d. jüdischen Volkes, Jerusalem 1975 (hebräisch).
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim; K. O. Watzinger 1984, Abb. 44; V. Keller, Bilder vom jüdischen Leben in Mannheim, Mannheim 1988, Abb. 41, 136, 306.

Literatur: Karl Otto Watzinger, Gesch. d. Juden in Mannheim 1650-1945, 2. verb. Aufl., Mannheim 1987, 139 f.; Volker Keller, Zum Leben u. Werk von Dr. I. Unna, Rabbiner an der Klaussynagoge in Mannheim 1898-1935, in: Mannheimer Hefte 1987/2, 96-115 (darin: Biographie und Bibliographie, 253 Titel); V. Keller. Jüdisches Leben in Mannheim, Mannheim 1995.
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