Schwarz, Karl Gottfried Robert 

Geburtsdatum/-ort: 17.12.1887; Berlin
Sterbedatum/-ort: 13.06.1963; Aachen
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie:

1893 IV–1905 IV Abitur am humanistischen Gymnasium Spandau; anschließend SS 1905 an der Keramischen Fachschule in Bunzlau

1905 X–1910 III Chemiestudium an den Universitäten Breslau, WS 1905/06 – SS 1907, Berlin, WS 1907/08, und Freiburg, SS 1908 – WS 1909/10, dort bei W. Meigen Promotion am 18. Febr. 1910 zum Dr. phil.: „Chemische Untersuchungen über Bohnerztone und afrikanische Erden“

1910 IV– IX Volontär in der chemisch-technischen Versuchsanstalt der Kgl. Porzellan-Manufaktur Berlin

1910 XI–1914 II Assistent am Chemischen Laboratorium der Universität Freiburg

1914 II Habilitation: „Beiträge zur Kenntnis der Kieselsäure und ihrer Salze“

1914 VIII–1918 XI Heeresdienst, zunächst beim Badischen Dragoner-Regiment Nr. 22, nach Kämpfen in Frankreich Leutnant; wegen schwerer Verwundung im August 1915 Verwendung als Gasoffizier in der Heeresgasschule Berlin, ab April 1918 in den Vogesen

1919 VII–1928 III außerordentlicher Professor, ab April 1922 planmäßiger außerordentlicher Professor für Anorganische Chemie und Abteilungsvorstand an der Universität Freiburg; 1925 Vertreter der Chemie-Professur

1928 IV–1934 III Professor für anorganische und analytische Chemie an der Universität Frankfurt, persönliches Ordinariat

1932 X–1934 III Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät

1934 IV–1945 I ordentlicher Professor und Direktor des Chemischen Instituts der Universität Königsberg, unterbrochen im WS 1936/37: Professor für Chemie an der TH Karlsruhe

1948 XI–1956 III ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Anorganische und Elektrochemie an der RWTH Aachen

1951–1952 Dekan der Fakultät Allgemeine Wissenschaften

1952 VII–1954 VI Rektor

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (1940); Alfred-Stock-Gedächtnispreis der Gesellschaft Deutscher Chemiker (1952); korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1953); Dr. rer. nat. h. c. der Universität München (1955); Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1957); Ehrensenator der RWTH Aachen (1957); Dr. rer. nat. h. c. der Universität Göttingen (1960); Dr. techn. h. c. der TH Graz (1963).
Verheiratet:

1914 (Freiburg) Margarethe Charlotte Marie, geb. Bahre (1892–1977)


Eltern:

Vater: Karl Alfred Bruno, Porzellanfabrikant

Mutter: Karoline Julia Pauline, geb. Hirsemenzel


Geschwister:

ein älterer Bruder, im I. Weltkrieg gefallen


Kinder:

3; Ursula Gabriele (geb. 1917), Eva Beate (geb. 1918) und Margarethe Dorothea (geb. 1920)

GND-ID: GND/117367834

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 501-507

Schwarz ist einer der Forscher, die zum Wiederaufblühen der präparativen Anorganischen Chemie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend beigetragen haben. Er bereicherte die präparative Chemie um neue Methoden und entdeckte Dutzende neuer Verbindungen, teilweise auch bis dahin unbekannte Stoffklassen.

Schwarz wurde in eine großbürgerliche Familie geboren. Sein Vater, ein Kaufmann, unterstützte ab 1869 die vier Jahre zuvor in Berlin gegründete Porzellan-Manufaktur W. Haldenwanger finanziell und wurde 1882 ihr alleiniger Inhaber. Den bereits bekannten Firmennamen ließ er unverändert, verlagerte aber die Fabrik nach Alt-Pichelsdorf bei Spandau, einen passenderen Ort.

Schwarz hatte Ostern 1905 seine Schulzeit am 1853 in Spandau gegründeten humanistischen Gymnasium beendet. An Literatur und Musik interessiert wurde er aber Chemiker, ein Entschluss, den zweifellos die Eindrücke der väterlichen Fabrik geprägt hatten, wo sich die Rohmaterialien in glühenden Öfen in Porzellan verwandelten. Nach dem Wunsch seines Vaters verbrachte der Abiturient sein erstes Semester an der keramischen Fachschule in Bunzlau, Schlesien (heute: Boleslawiec, Polen). Dort erlernte er das Handwerk der Porzellanherstellung. Ab Herbst 1905 begann Schwarz sein Studium zunächst in Breslau, wo seine Lehrer Albert Ladenburg (1842-1911) und Richard Abegg (1869–1910) waren. Im WS 1907/08 in Berlin arbeitete er unter Anleitung von Privatdozent Alfred Stock (1876–1946), einem aufsteigenden Stern der anorganischen Chemie, im Praktikum am Chemischen Institut des Nobelpreisträgers Emil Fischer (1852–1919). Bei Stock erkannte Schwarz zum ersten Mal den Umgang mit Wasserstoffverbindungen von Bor und Silizium. In Freiburg schloss er sein Studium ab. Das Chemische Institut der Universität leitete der bedeutende Chemiker Ludwig Gattermann (1860-1920), bei dem Schwarz besonders Arbeitstechniken mit luftempfindlichen Stoffen lernte, was er später meisterhaft einsetzte. Auch wenn Schwarz die raffinierte Experimentalkunst der Organischen Chemie fleißig studierte, neigte er zur Anorganischen Chemie, besonders zu Themen, die bei der Porzellanherstellung verwandt werden konnten. Ihr gilt auch sein Dissertationsthema auf dem Gebiet der Silikatenchemie, die er bei Wilhelm Meigen (1873–1934) anfertigte, damals Extraordinarius an Gattermanns Institut, der sich besonders mit Verwitterungsprodukten von Silikaten beschäftigte. Nach Meigens Anregung untersuchte Schwarz zwei Arten dieser Produkte, aus dem Schwarzwald und aus Kamerun. Am 18. Februar 1910 bestand Schwarz das Rigorosum mit Chemie als Hauptfach sowie Physik und Geologie als Nebenfächern mit der Note eins.

Jetzt musste der junge Doktor nach dem Wunsch des Vaters ein Semester als Volontär bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur zu Berlin arbeiten. In der chemisch-technischen Versuchsanstalt arbeitete er an Studien über Keramik und Silikatenchemie. Schwarz war aber mit dem empirisch- intuitiven Ansatz der damaligen Porzellan-Fabrikation so unzufrieden, dass er nach dem praktischen Semester in die wissenschaftliche Laufbahn überwechselte und gegen den Wunsch des Vaters nach Freiburg zu Gattermann zurückkehrte. Dennoch fühlte sich Schwarz für das väterliche Unternehmen verantwortlich und nach des Vaters Tod übernahm er die Führung der Fabrik. Viele von Schwarz’ Arbeiten lagen im Interesse der Firma, an der er bis zum Lebensende beteiligt blieb. Es gelang ihm, ein zuverlässiges und leistungsfähiges Direktorium einzusetzen. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Familienunternehmen zu einer führenden Spezialfirma für Laboratoriumskeramik. Das Familienunternehmen W. Haldenwanger existierte bis 1997, als es an den britischen Konzern Morgan Crucible Company PLC verkauft wurde.

In Freiburg arbeitete Schwarz drei Jahre lang als Volontärassistent bei Gattermann, wobei er „seine ganze Kraft wie ein besoldeter Assistent dem Laboratorium“ (GLA 235/9032) widmete, so Gattermann, der danach eine planmäßige Assistentenstelle für Schwarz beim badischen Kultusministerium beantragte. Neben seinen Verpflichtungen in Praktika erforschte Schwarz damals das chemische Verhalten von drei Modifikationen des Siliziumdioxids bei deren hydrothermalen Behandlung: Quarz, Tridymit und Cristobalit. Aufgrund der thermischen Analyse stellte er Zustandsdiagramme von zwei binären Systemen von Silizumsäuresalzen her. Schließlich bestimmte er die Schmelzwärmen von zwei Lithiumsalzen der Siliziumsäure und ermittelte mit einer eleganten Methode das Molekulargewicht des Siliziumdioxids aus den Schmelztemperaturen seiner Lösungen in einem geschmolzenen Lithiumsalz.

Diese Ergebnisse legte Schwarz im Februar 1914 als Habilitationsschrift vor, worüber Gattermann schrieb: „Die […] Arbeit zeigt, dass der Verfasser ein außergewöhnliches experimentales Geschick besitzt; denn die Versuche waren ebenso langwierig wie schwierig. Bietet schon die neue Darstellung des Tridymits und der beiden Doppelsilikate ein besonderes Interesse, so muss die Bestimmung der Molekulargröße von Silikaten und Kieselsäure als fundamental wichtig betrachtet werden“ (UA Freiburg B15/602). Das Habilitationsverfahren wurde im März 1914 abgeschlossen, Schwarz erhielt die Venia legendi. Als Privatdozent kündigte er Vorlesungen an über „Theorie der quantitativen Analyse“ und „Chemie der radioaktiven Elemente“ sowie ein Seminar für anorganische Chemie. Seine kaum begonnene Lehrtätigkeit wurde bald durch den Kriegsausbruch unterbrochen.

Sofort meldete sich Schwarz als Freiwilliger. Schon nach kurzer Zeit wurde er aufgrund seiner besonderen Tapferkeit auf den nordfranzösischen Schlachtfeldern zum Offizier befördert und 1915 Führer einer Kavallerie-Aufklärungseinheit an der Ostfront. Eine schwere Verwundung machte ihn nach vielen Lazarettmonaten für weiteren Frontdienst untauglich, weshalb das Kriegsministerium ihn im Sommer 1916 als Gasoffizier in die Heeresgasschule zu Berlin versetzte. Bemerkenswert aus dieser Zeit ist seine Monographie „Feuerfeste und Hochfeuerfeste Stoffe“, die jahrzehntelang Standardwerk blieb.

Ende 1918 aus dem Militär entlassen konnte Schwarz nach Freiburg zu seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zurückkehren und wurde bald außerplanmäßiger außerordentlicher Professor. Er leitete das Praktikum in der anorganisch-analytischen Abteilung und las über Chemie der Komplexverbindungen, Analytische und Kolloidchemie. Ab SS 1922 war die zweisemestrige „Spezielle anorganische Chemie“ seine wichtigste Vorlesung.

Schwarz wandte sich nun in der Forschung sehr verschiedener Arbeitsrichtungen zu und beschäftigte einen seiner ersten Doktoranden, Helmut Müller-Clemm (1892-1982), mit der Sulfitlauge. Er selbst widmete mehrere Arbeiten den photochemischen Zersetzungen von Silberhalogeniden, wobei u. a. sein Patent über die Sensibilisierung photographischer Halogensilberschichten für Röntgenstrahlen durch Zusatz eines Talliumhalogenids entstand. Einen wichtigen Gegenstand damaliger Forschungen bildeten Oxide von Übergangsmetallen wie Titan, Zirkonium, Vanadium, Thorium und Chrom, was zweifellos in Verbindung stand mit seinem Interesse für feuerfeste Stoffe. Dabei entdeckten Schwarz und Mitarbeiter mehrere neue Oxide.

Nach ersten Jahren des Suchens wurde die Chemie des Siliziums Hauptforschungsgebiet von Schwarz, wobei der erstmalige Beweis der Existenz definierter Kieselsäuren besonders wichtig war, die in kristalliner Form isoliert wurden; denn er widerlegt die damalige Anschauung, dass Kieselsäuren aus Siliziumdioxid mit unbestimmter Quantität absorbierten Wassers bestünden und keine definierten Verbindungen seien.

1928 wurde Schwarz persönlicher Ordinarius auf dem Lehrstuhl der Anorganischen Chemie in Frankfurt. Dort las er den zweisemestrigen Kurs „Spezielle anorganische Chemie“ und beteiligte sich bei der Leitung von Praktika und Kolloquien. Er konzentrierte sich aber unverändert auf Forschungsarbeiten, die er zusammen mit Diplomanden und Doktoranden durchführte und als deren Höhepunkt 1933 die hydrothermale Darstellung von Kaolin aus dem Feldspat gilt, ein Ergebnis langjähriger, bereits in Freiburg begonnener Forschungen. Sehr wichtig war auch die Einführung der glimmenden elektrischen Entladung als Methode der präparativen Chemie, womit mehrere neue Reaktionen entdeckt wurden, die insbesondere zu bisher unbekannten Schwefelverbindungen geführt haben. Hammerstein (1989, S. 378) gibt einen Hinweis, dass Schwarz 1931 ein sehr verlockendes Angebot der Industrie abgelehnt hatte, um seine Forschungen nicht unterbrechen zu müssen. Binnen weniger Jahre hatte Schwarz solch ein Ansehen unter den Kollegen, dass er 1932 zum Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät in Frankfurt gewählt wurde.

Am 1. Mai 1933 trat Schwarz in die NSDAP ein. Die tatsächlichen Motive dieses Schritts sind bis heute unklar. Gewiss war der vom Kaiserreich geprägte Schwarz deutsch-national eingestellt. Treue zum Vaterland und Pflichtenerfüllung standen für ihn an erster Stelle. Es ist auch zu vermuten, dass er auf ein Wiederauferstehen Deutschlands unter dem Nationalsozialismus hoffte. Es lässt sich aber gleichermaßen erkennen, dass er als Dekan auch den damaligen Spielregeln zu folgen suchte.

Ende 1933 erhielt Schwarz einen Ruf nach Königsberg als ordentlicher Professor und Direktor des Chemischen Instituts. Die Stelle wurde vakant, weil ihr bisheriger Inhaber wegen jüdischer Abstammung entlassen wurde. Schwarz folgte dem Ruf aber auch, weil die Umstände in Frankfurt wachsende Zukunftsangst weckten; denn als Dekan hatte Schwarz mehrere fähige Dozenten wegen ihrer nichtarischen Abstammung „beurlauben“ müssen.

In der Sitzung der Philosophischen Fakultät der Königsberger Universität am 22. Juni 1934 wurde er in den Lehrkörper der Fakultät eingeführt. Inzwischen wurde der Lehrstuhl für anorganische Chemie an der TH Karlsruhe vakant: Der Lehrstuhlinhaber, Alfred Stock, ein sehr bedeutender Anorganiker und einer von Schwarz’ Lehrern, war in den Ruhestand gegangen. Die TH bemühte sich, Schwarz für diese Stelle zu gewinnen und diese Berufung in Berlin durchzusetzen. Schwarz nahm den Ruf auch an und begann Pläne für eine Erweiterung des Instituts für Anorganische Chemie zu erarbeiten. Bald aber zeigte sich, dass die Gesundheit seiner Frau durch den Klimawechsel gefährdet war. Im Dezember 1936 ließ Schwarz sie nach Königsberg zurückkehren und begann seine eigene Wiederanstellung in Königsberg vorzubereiten. In Karlsruhe war er nur ein Semester.

Als Ordinarius für Chemie las Schwarz die zweisemestrige Hauptvorlesung über Allgemeine Experimentalchemie, leitete Praktika und Kolloquien im Chemischen Institut und wirkte außerdem als Vorsitzender des Bezirksvereins Ostpreußen des Vereins Deutscher Chemiker. Gleichzeitig war er aktiv in der Königsberger Gelehrten Gesellschaft und von 1941 bis 1943 deren Geschäftsführender Sekretär. Schwerpunkt seiner Tätigkeit aber blieb nach wie vor die Forschungsarbeit. In die Königsberger Zeit fällt die wohl bedeutendste methodische Leistung Schwarz’ auf dem Gebiet der präparativen Chemie, die Einführung des Abschreckrohrs, d. h. eines „heiß-kalten“ Rohrs für die Synthese nicht stabiler oder sehr reaktionsfähiger Stoffe. Mit dieser Methode wurden zwischen 1937 und 1939 mehrere neue Verbindungen des Siliziums mit Chlor synthetisiert. 1940 bis 1941 erweiterte Schwarz die Anwendung dieser Methode in der organischen Chemie. Nach dem Krieg wandte Schwarz dieses Prinzip zur Herstellung reinen Germaniums an, das dann als Ausgangspunkt in die Technologie der Halbleiterfabrikation eingeführt wurde.

Als Bombenangriffe die Arbeit in Königsberg unmöglich machten, setzte Schwarz die Verlegung seines Forschungslaboratoriums nach Naßfeld bei Bad Gastein in Österreich durch; denn all seine Arbeiten wusste er als „kriegswichtig“ darzustellen, wozu er ein „Chemisches Heereslaboratorium“ eingerichtet hatte. Ab Herbst 1944 bis zum Kriegsende befand sich Schwarz dort mit dem größten Teil seiner Mitarbeiter.

Nach dem Zusammenbruch zog er mit seiner Familie nach Lübbecke in Westfalen in die Heimatstadt seiner Frau. Als Privatmann betrieb er nun literarische Arbeiten, besonders für das Projekt Naturforschung und Medizin in Deutschland, ursprünglich „FIAT [Field Information Agency, Technical] – Review of German Science 1939 –1946“. Im September 1946 beteiligte er sich an der Gründung der „Gesellschaft Deutscher Chemiker in der britischen Zone e. V.“ mit Sitz in Göttingen und hielt dort den Vortrag „Neues aus der Chemie langkettiger Silizium-Verbindungen. Er musste aber noch auf sein Entnazifizierungsverfahren warten, da er als ehemaliges NSDAP-Mitglied vorher an keiner Hochschule arbeiten durfte. Bezeichnend klingt ein Wunsch zu seinem 60. Geburtstag: „Wir wünschen Ihnen vor allem, nachdem Sie Ihre bisherige Arbeitsstätte infolge der Zeitumstände verloren haben, recht bald eine neue Wirkungsstätte, damit Sie auch weiter eine segensreiche Tätigkeit zum Nutzen unserer Wissenschaft entfalten können“ (Anonym, 1947).

Schon damals knüpfte Schwarz Kontakte mit einigen Hochschulen, besonders der TH Aachen. Er besorgte sich viele Leumundszeugnisse, unter anderem von Otto Hahn und Hermann Staudinger. Staudinger bescheinigte ihm: „Ich weiß, dass er die Methoden des Nationalsozialismus auf das schärfste verurteilt hat und […] innerlich demselben sehr fernstand“ (LandesA NRW, Duisburg: NW 1079 Nr. 3613). Am 8. August 1947 wurde Schwarz durch die Denazifizierungskommission in Aachen entlastet und erhielt die Stelle als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Anorganische Chemie und Elektrochemie an der TH.

In dieser Funktion, später auch als Dekan, trug er wesentlich zum Wiederaufbau und –ausbau der TH Aachen bei. Ihm ist es u. a. zu verdanken, dass ein veraltetes, noch weitgehend kriegszerstörtes Institut 1951 bis 1953 „in großzügiger Weise auf dem Königshügel aufgebaut wurde“ (Wiberg, 1963, S. 230). Damals erschien es noch vermessen, außerhalb des alten Hochschulgeländes Großbauten zu errichten.

Auch in Aachen war die Forschungsarbeit der Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Eine wichtige Forschungsrichtung bildete die Entwicklung thermisch hochbeständiger Isoliermaterialien für elektrotechnische Zwecke, wofür Schwarz die durch ihn erstmals synthetisierten Kieselsäureester benutzte. Vermutlich hatte er diese Arbeiten schon in Königsberg begonnen; denn das erste Patent auf diesem Gebiet wurde bereits aus Lübbecke angemeldet. Diese Erfindungen verkaufte Schwarz der Siemens-Schuckert AG.

Nach einem Jahr als Dekan wurde Schwarz Rektor der TH Aachen. Seine Rede bei der Rektoratsübernahme widmete er der internationalen Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Chemie unter der These, dass „die Chemie […] eine große Fuge sei, in der die Stimmen der Völker nach und nach zum Vorschein kommen“ (1952, Chemische Forschung, S. 17 f.). Den interessanten Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Chemie schloss er mit der Frage: „Was in der Chemie von jeher gegolten hat und heute noch gilt, sollte das nicht auch für Wirtschaft und Politik ein Vorbild sein und zur Nacheiferung anspornen?“ (ebd., 22).

Schwarz hat als Rektor und anschließend, 1954 bis 1956, als Prorektor „entscheidend dazu beigetragen, die […] Aachener Alma Mater zur größten Technischen Hochschule des Bundesgebiets zu machen“ (Schmeßer, 1963, S. 10). Die Ansprache Schwarzens bei der Rektoratsübergabe lässt seine Grundeinstellungen als Hochschullehrer erkennen, die er zusammenfassend mit Heisenbergs Worten wiedergab: „Wir wollen, dass unsere Jugend allen äußeren Wirren zum Trotz in der geistigen Welt des Abendlandes aufwächst, um an die Kraftquellen zu gelangen, von denen unser Erdteil durch über zwei Jahrtausende gelebt hat“ (Ansprache vom 1. Juli 1954, S. 11 f.).

Schwarz war ungemein beliebt, viele Studenten bezeichneten ihn als Lehrer ohnegleichen. Ein Zitat aus seinem „Praktikum“ mag seine Methode erhellen: „Führe jeden Versuch erst dann aus, wenn Du Dir den Vorgang, der sich dabei abspielt, wirklich klar gemacht hast“ (Chemisches Praktikum, 1941, S. 8). Seinen Doktoranden räumte Schwarz viel Selbständigkeit ein, die Entscheidungen aber behielt er sich vor, ohne Druck allerdings. Sieben seiner Schüler wurden Professoren.

Nach dem Erreichen der Altersgrenze wurde Schwarz am 31. März 1956 emeritiert und verbrachte viel Zeit seines Ruhestands in Freiburg. „Er blieb bis zu seinem Tode 1963 dem Chemischen Institut in Freiburg eng verbunden und bezeichnete die Zeit in Freiburg stets als seine glücklichsten und fruchtbarsten Jahre“ (Thiele, 2007, S. 196).

Das „ungemein breit“ (Wannagat, 1964, S. 869) angelegte wissenschaftliche Werk von Schwarz spiegelt sich in seinen über 200 Publikationen und in etwa 60 Patenten wider. Fünf Höhepunkte seiner Leistungen mögen genannt sein: die Darstellung von kristallisierten Kieselsäuren, die Entdeckung vieler flüchtiger Silizium-Chlor-Verbindungen, die Pionierarbeiten in der Chemie des Germaniums, u. a. die Synthese von Germanium- Wasserstoff-Verbindungen, die Darstellung von technisch wichtigen Kieselsäureestern und die Verbindung der Chemie des Siliziums unter physiologisch-chemischen Aspekten, wie der Entstehung der Silikose. Schwarzens Ansehen in der Fachwelt aber basierte vor allem auf seinen bahnbrechenden Arbeiten in der Chemie des Siliziums, die klassisch geworden sind und sich in allen Lehrbüchern der Chemie finden.

Quellen:

UA Freiburg: B 31/2374, Promotionsakte Schwarz; B 15/602, Habilitation Schwarz; B 24/4353, Personalakte Schwarz, B 1/4319, Assistenten des Chemischen Laboratoriums; GLA Karlsruhe 235/9032, Personalakte Schwarz; AKIT (ehemals UA Karlsruhe) 23001/27, Akte des Instituts für Anorganische Chemie; 28002/444, Rektoratsbescheid über den Tod Schwarz’; 21001/51, die Besetzung des Lehrstuhls für Anorganische Chemie; LandesA NRW, Duisburg, NW 1079 Nr. 3613 und NW 1067 Nr. 2884, Entnazifizierungsakten Schwarz; Auskünfte aus dem: UA Frankfurt vom 30.5.2016, dem A der RWTH Aachen vom 3. und 6.6.2016, dem LandesA NRW, Duisburg, vom 8.8. und 2.9.2016; StadtA Freiburg vom 22.8.2016.

Werke: Chemische Untersuchungen über Bohnerztone und afrikanische Erden, Diss. phil. Freiburg im Br. 1910; Über das chemische Verhalten der verschiedenen Modifikationen der Kieselsäure, in: Zeitschrift für anorganische Chemie 76, 1912, 422–424; (mit H. Sturm) Bestimmung der Schmelzwärme des Li-2SiO3 und Li4SiO4, in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 47, 1914, 1730–1735; (mit H. Sturm) Versuch zur Bestimmung der Molekülgröße des Kieselsäure-Anhydrids, ebd., 1735–1740; Ammoniumsilicat, ebd. 49, 1916, 2358–2364 und 52, 1919, 601–606; Feuerfeste und hochfeuerfeste Stoffe, 1918, 21922; (mit H. Deisler) Zur Existenzfrage des Zirkonmonoxyds, in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 52, 1919, 1896–1903 und 53, 1920, 1; (mit R. Souard) Ammoniumsilicat III, ebd. 1–17; Ludwig Gattermann†, in: Chemiker-Zeitung 44, 1920, 513; (mit H. Müller-Clemm) Zur Kenntnis der Sulfitlauge, in: Zeitschrift für angewandte Chemie 34, 1921, 272–275, 599 f.; (mit A. Haacke) Über die binären Systeme des Lithium-orthosilikates mit Zirkon-orthosilikat und Kalzium-orthosilikat, in: Zeitschrift für anorganische Chemie 115, 1921, 87–99; (mit G. A. Mathis) Über Ammoniakate kieselsaurer Salze, ebd. 126, 1923, 55–84; (mit Fr. Stöwener) Über Alterungserscheinungen an Kieselsäure-Gelen, in: Kolloidchemische Beihefte 19, 1924, 171–202; Filterkonusse aus porösem keramischen Material, in: Zeitschrift für angewandte Chemie 38, 1925, 788; (mit H. Merck) Beitrag zur Konstitution des Porzellans, in: Zeitschrift für anorganische Chemie 156, 1926, 1–16; (mit G. Meyer) Zur Kenntnis der Chlorosäuren, ebd. 166, 1927, 196–212; (mit E. Reidt) Zur Kenntnis hochschmelzender keramischen Massen. Eine Untersuchung über die Systeme Kaolin-Tonerde-Feldspat und Kaolin-Zirkonoxyd-Feldspat, in: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 182, 1929, 1–18; (mit P. W. Schenk) Versuche zur Aktivierung von Schwefel, ebd. 145–158; (mit W. Kunzer) Über den Einfluss der stillen elektrischen Entladung auf Schwefelwasserstoff, ebd. 183, 1929, 287–295; (mit W. Kunzer) Über die Wirkung elektrischer Entladungen auf chemische Reaktionen, ebd. 376–383; (mit E. Huf ) Über das Germaniumdioxyd, ebd. 203, 1931, 188–218; (mit Fr. Heinrich) Trichlormonogerman und Germaniumoxychlorid, ebd. 209, 1932, 273–276; Vom chemischen Denken, 1933; Über die Chemie des Germaniums, in: Angewandte Chemie 48, 1935, 219–223; Chemische Studien über tonige Verwitterung und Kaolinisierung, in: Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft 13 Heft 2, 1936, 13–26; (mit H. Meckbach) Über ein Siliciumchlorid der Formel Si10Cl22, in: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 232, 1937, 241–248; (mit G. Pietsch) Versuche zur Darstellung des Siliciumchlorides, ebd. 249–256; Neuartige Verbindungen des Siliziums, in: Angewandte Chemie, 51, 1938, 328–331; Vom Stein der Weisen, in: Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft 15 Heft 2, 1938/1939, 16–29; (mit U.Gregor) Über ein Siliziumchlorid der Formel SiCl, in: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 241, 1939, 395–415; Chemie des Siliziums, in: Angewandte Chemie 53, 1940, 6–11; (mit der Pflugmacher) Pyrogene Kohlenwasserstoffsynthesen im Abschreckrohr, in: Journal für praktische Chemie 156, 1940, 205–220; (mit P. W. Schenk) Chemisches Praktikum für Mediziner, 1941, 21943, 31945; 17. Jahresbericht der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft, in: Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft 17, 1941, 1–5; Kohlenstoff und Silizium, in: Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft 18, Naturwissenschaftliche Klasse, Heft 5, 1942, 59–77; Die Chemie des Germaniums mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu seinen Nachbarelementen, in: Angewandte Chemie 55, 1942, 43–45; Über die Verwandtschaft von Silizium- und Kohlenstoff- Chemie, ebd. 56, 1943, 258–262; (mit C. Danders) Formel und Konstitution eines Silicosebazinsäurederivates, [1944], in Zeitschrift für anorganische Chemie 253, 1947, 273–280; Neues aus der Chemie langkettiger Silicium-Verbindungen, in: Angewandte Chemie 59, 1947, 20–22; Die physiologische Bedeutung der Spurenelemente, in: Ärztliche Wochenschrift 1/2, 1946/47, 743–745; Halogenverbindungen, in: Naturforschung und Medizin in Deutschland 1939–1946, Bd. 23, Anorganische Chemie, 1949, 167–174; Stickstoffverbindungen, ebd. 197–209; Silizium- und Germanium-Verbindungen, ebd. 256–273; Über die Peroxysalpetersäure, in Zeitschrift für anorganische Chemie 256, 1948, 3–9; Das Polaritätsprinzip in der Chemie, in: Chemiker-Zeitung 74, 1950, 13–15; (mit J. Hippert) Das elektrische Leitvermögen einiger feuerfester keramischer Massen bei Temperaturen bis zu 1400 º C, in: Zeitschrift für Elektrochemie 55, 1951, 387–395; (mit A. Köster) Über ringförmig gebaute Siliciumchloride, in: Zeitschrift für Naturforschung 7b, 1952, 57 f.; Wesen und Bedeutung der Siliciumchemie, in: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NRW 4, Heft 21, 1952, 7–22; (mit J. Johann und A. Zörner) Die Bestimmung von Eisensiliciden, Siliciumcarbid und Siliciumdioxid nebeneinander, in: Zeitschrift für analyt. Chemie 135, 1952, 161–179; Chemische Forschung, Beispiel und Erfolg internationaler Zusammenarbeit, Rektoratsrede vom 30. Juni 1952, in: Jahrbuch der RWTH Aachen 5, 1952/53, 17–22; Ansprache des Rektors bei der Feier der Eröffnung des akademischen Jahres 1953/54, ebd. 6, 1954/55, 9–14; Ansprache bei der Rektoratsübergabe am 1. Juli 1954, ebd. 7, 1955/56, 11–16; Die Chemie des Siliciums, ebd., 60–65; (mit E. Baronetzky) Über die Herstellung metallischen Germaniums im Abschreckrohr, in: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 282, 1955, 280–285; Die Chemie des Siliciums, in: Angewandte Chemie 67, 1955, 117–123; (mit E. Baronetzky) Ein chemischer Beitrag zum Silicose-Problem, ebd. 68, 1956, 573–577; (mit H. W. Hennicke) Über die kristalline Dikieselsäure und ihre Eignung als Modellsubstanz, in: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 283, 1956, 346–350; (mit K. Schoeller) Zur Kenntnis der Silicophosphorsäure-Derivate, in: Chemische Berichte 91, 1958, 2103–2108.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (um 1955), S. 493, Zeitschrift für Elektrochemie 66, 1962, 777. (vgl. auch Literatur).

Literatur:

NDB 24, 2010, 9; Poggendorffs Biographisch-literarisches Handwörterbuch V, 1926, 1142 f., VI, Teil 4, 1940, 2394 f., VIIa, Teil 4, 1961, 346–348, VIII, Teil 3, 2001, 2195; Lexikon bedeutender Chemiker, 1988, 390; Anonym, Robert Schwarz zum 60. Geburtstage am 17.12.1947, in: Zeitschrift für anorganische Chemie 255, 1947, 1; W. Klemm, Verleihung des Alfred-Stock-Gedächtnispreises dem Prof. Dr. Robert Schwarz, in: Angewandte Chemie 64, 1952, 351 f.; Robert E. Oesper, Robert Schwarz, in: Journal of Chemical Education 30, 1953, 510; Anonym, Robert Schwarz, in: Nachrichten aus Chemie und Technik 4, 1956, 319 (mit Bildnachweis); B. Helferich, Robert Schwarz 70 Jahre, ebd. 5, 1957, 362 f.; M. Schmeisser, Prof. Dr. Dr. h.c. Robert Schwarz zum 75. Geburtstag am 17. Dez. 1962, in: Zeitschrift für Elektrochemie 66, 1962, 777 f. (mit Bildnachweis); M. Schmeißer, Robert Schwarz †, in: Alma mater aquensis 1, 1963, 76–78 (mit Bildnachweis); E. Wiberg, Robert Schwarz †, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften für 1963, 229–234 (mit Bildnachweis zwischen 224 und 225); U. Wannagat, Zur Entwicklung der Silizium-Chemie. Robert Schwarz zum Gedächtnis, in: Angewandte Chemie 76, 1964, 869–873 (mit Bildnachweis); Notker Hammerstein, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. I: 1914–1950, 1989, 238, 321, 378–384; U. Wannagat, Die Gelehrten des Faches Chemie an der Universität Königsberg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 29, 1994, 641–662; Gerhardt Thiele, Der Weg vom Porzellan zur Halbleitertechnik. Robert Schwarz (1887–1963) und die Chemie von Silizium und Germanium, in: 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Bd. 4, 2007, 195 f.; Christian Tulitzki, Protokollbuch der Phil. Fakultät der Albertus-Universität zu Königsberg in Pr. 1916–1944, 2014, 628; Altpreußische Biographie Bd. V, Teil 2, 2015, 1695 f.

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