Wilckens, Karl Adolf Philipp 

Geburtsdatum/-ort: 23.11.1851;  Tauberbischofsheim
Sterbedatum/-ort: 06.01.1914;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Oberbürgermeister, Nationalliberaler Politiker, Mitglied des Landtags
Kurzbiografie: 1869 Abitur am Lyceum in Karlsruhe
1869-1873 Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg (Sommersemester 1872 in Leipzig)
1872 Goldene Preismedaille der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg für die Schrift „Die juristische Natur der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften und deren Organisation“
1873 Rechtspraktikantenexamen (1. juristische Staatsprüfung); Promotion „summa cum laude“ (21. November)
1873-1874 Einjährig-Freiwilliger im 5. Badischen Infanterie-Regiment Nr. 113 in Freiburg i. Br.
1876 Referendarsexamen (2. Juristische Staatsprüfung); Ernennung zum Reserveoffizier beim 4. Badischen Infanterie-Regiment Prinz Wilhelm Nr. 112
1878-1879 Amtmann beim Bezirksamt Mannheim
1879-1883 Amtmann beim Bezirksamt Heidelberg
1880-1883 Akademischer Disziplinarbeamter der Universität Heidelberg
1883-1885 Amtsvorstand beim Bezirksamt Bonndorf, 1884 Oberamtmann
1884 Wahl zum Oberbürgermeister von Heidelberg (11. 12.), 1885 Amtsantritt (Wiederwahlen 1894, 1903, 1912)
1887-1914 Mitglied des Kreisausschusses des Kreises Heidelberg (ab 1902 als dessen Vorsitzender)
1887-1908 Abgeordneter in der 2. Kammer der badischen Ständeversammlung für den Wahlkreis Stadt Heidelberg (1900-1906 Führer der nationalliberalen Fraktion)
1903 Dr. phil. nat. (Dr. der Naturwissenschaften) h. c. der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Universität Heidelberg
1906 Präsident der 2. Kammer während des 43. ordentlichen Landtages (ab 16. 1.)
1907-1908 1. Vizepräsident während des 43. ordentlichen Landtages
1909-1914 Mitglied der 1. Kammer der badischen Ständeversammlung als Vertreter der der Städteordnung unterstehenden Städte
1913 Rücktritt vom Amt des Oberbürgermeisters krankheitshalber (24. 11.); Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Heidelberg (4. 12.)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 17. 6. 1879 Katharina, geb. Engelhorn (1857-1928), Tochter von Eduard Engelhorn (gest. 1928), Stadtdirektor in Mannheim, später Präsident des Verwaltungshofes in Karlsruhe
Eltern: Vater: Adolph Wilckens (1817-1883 Heidelberg), Oberamtsrichter
Mutter: Maria Adolphina, geb. Wilckens (1813-1872 Lahr)
Geschwister: 1
Kinder: 4:
Katharina (1883-1964)
Karl (1886-1916)
Paul (1888-1889)
Margarete (1896-1988)
GND-ID: GND/117378771

Biografie: Rudolf Benl (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 292-294

Wilckens entstammte einem niederdeutschen Geschlecht, das mit dem 1656 von Bremen nach Heidelberg gekommenen Johann Wilckens einen Stamm auch im oberrheinischen Raume begründete. Die Vorfahren von Wilckens im Mannesstamme waren zum größten Teil evangelische Geistliche. Seine Eltern waren als Vetter und Base nahe Verwandte; die geistigen Anlagen dürften eher von der Seite der Mutter, Tochter eines Fürstlich-Leiningischen Vize-Kammerdirektors, mitgegeben worden sein. Wilckens besuchte anfänglich die Volksschule in Adelsheim, wohin sein Vater im Jahre 1852 versetzt worden war, und genoß sodann den Unterricht des dortigen evangelischen Geistlichen. 1863 wurde der Vater nach Lahr versetzt, und Wilckens trat nunmehr ins Lahrer Gymnasium ein, die beiden letzten Klassen besuchte er im Lyceum zu Karlsruhe. Schon in der Schule fiel Wilckens' große Begabung auf. Seine Heidelberger Hochschullehrer waren unter anderen Bluntschli, Friedberg, Karlowa, Pagenstecher, Renaud, Vangerow, Windscheid und Zöpfl. Noch während seiner Militärdienstzeit praktizierte Wilckens beim Amtsgericht Freiburg, nach der Militärzeit beim Freiburger Kreis- und Hofgericht und beim Bezirksamt Offenburg. Nach der Referendarsprüfung folgten Verwendungen im Sekretariat des Ministeriums des Inneren sowie bei den Amtsgerichten Rastatt, Wiesloch und Buchen, schließlich bei den Bezirksämtern Mannheim, Heidelberg und Bonndorf.
Als 1884 in Heidelberg die Amtszeit von Oberbürgermeister Bilabel abgelaufen war, wurde Wilckens, den man in Heidelberg in bester Erinnerung hatte, vom Bürgerausschuß zum Oberbürgermeister gewählt. Er war nach einer langen Reihe von Oberbürgermeistern (Ersten Bürgermeistern) aus dem Handels- und Gewerbestand der erste Verwaltungsjurist. Die Wiederwahlen erfolgten stets einstimmig oder nahezu einstimmig. Einen Ruf auf den Stuhl des Oberbürgermeisters von Mannheim lehnte Wilckens 1891 ab.
Der Dienstantritt von Wilckens fiel in eine Zeit, in welcher der Übergang der Stadt in größere Verhältnisse eben eingesetzt hatte. Zur Förderung der sich daraus ergebenden Aufgaben führte die Stadt auf sein Betreiben gemeindliche Verbrauchssteuern ein, die 1910 auf dem Wege der Reichsgesetzgebung zum größeren Teil zwar wieder in Wegfall kamen, der Stadt jedoch zwei Jahrzehnte lang eine größere Bewegungsfreiheit ermöglichten.
Die fortschreitende Ausdehnung der Stadt – 1891 wurden Neuenheim, 1903 Handschuhsheim eingemeindet – erforderte Maßnahmen auf dem Gebiet der Ortsbaupläne. Hier hat sich Wilckens' Stellvertreter, 1. Bürgermeister Prof. Dr. Walz, besondere Verdienste erworben. In den 1890er Jahren wurde zwischen der Alten Brücke und der jetzigen Theodor-Heuss-Brücke die Anlage des Neckarstadens durchgeführt. Wilckens' Bestreben war es, die bei seinem Amtsantritt bereits im Gange befindliche Kanalisation in beschleunigtem Zeitmaß durchzuführen und zu beenden, was bis 1895 erreicht war. 1888 ging das Abfuhrwesen an die Stadtgemeinde über, die zugleich die Unentgeltlichkeit der Wegschaffung des Unrats verfügte und 1897 die Reinigung der Fahrbahn der gepflasterten Straßen übernahm. 1893 konnte der neue städtische Schlacht- und Viehhof, für über 500 000 Mark als einer der modernsten Deutschlands errichtet, eröffnet werden: 1900 wurde das neue städtische Elektrizitätswerk in Betrieb genommen und 1903 die Stadthalle der Öffentlichkeit übergeben. 1907 ging das frühere Vethsche Hallenbad ins Eigentum und in den Betrieb der Stadt über. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts gelang es, die Heidelberger Straßen- und Bergbahn durch Erwerbung von drei Vierteln der Aktien unter den entscheidenden Einfluß der Stadt zu bringen, die Pferdebahn in eine elektrische Bahn umzuwandeln und diese bis nach Handschuhsheim auszudehnen; 1905 wurde die elektrische Straßenbahn Heidelberg-Wiesloch erworben. Es folgten die Elektrifizierung des Betriebs der Bergbahn vom Kornmarkt nach der 1906 ins Eigentum der Stadt übergegangenen Molkenkur sowie die Erbauung der elektrischen Bahn von da auf den Königstuhl.
Unter Wilckens' Amtsführung wurden mehrere Volksschulgebäude errichtet. Die Gewerbeschule wurde Ende der 1880er Jahre reorganisiert und in ein eigenes Gebäude verlegt. 1900 übernahm die Stadt die Handelsschule. Einige Jahre danach wurde die Frauenarbeitsschule von der Stadt übernommen. Daß das Gymnasium 1894 eine neue Bleibe am Neckarstaden fand, auf dem Königstuhl eine Sternwarte errichtet wurde, ein neues Gebäude für das Landgericht entstand, die Universitätsbibliothek eine prächtige Heimstatt erhielt und das sogenannte Museumsgebäude am Universitätsplatz als Kollegienhaus in den Besitz der Universität kam, das alles verdankt sich zu erheblichem Teil dem Drängen von Seiten der Stadtverwaltung unter Wilckens. 1908 wurden die Städtischen Kunst- und Altertümersammlungen in dem 1906 von der Stadt erworbenen früher von Cheliusschen Haus (Palais Morass) neu aufgestellt. Die Errichtung von Denkmälern (Kaiser Wilhelm I., Bismarck, Scheffel, Nadler, Bunsen) und die Bewirtschaftung des Stadtwaldes in erster Linie nach landschaftsgestalterischen Gesichtspunkten dienten der Pflege des Stadtbilds.
1891 erfolgte eine umfassende Neuregelung der Gehalts-, Ruhegehalts- und Hinterbliebenenversorgungsverhältnisse der Gemeindebeamten nach staatlichem Vorbild. 1895 wurde eine städtische Arbeitsnachweisanstalt ins Leben gerufen, 1901 wurden die Rechtsverhältnisse der Stadtarbeiter geregelt und ihnen ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen Pensionsberechtigung und Hinterbliebenenversorgung gewährt.
Wilckens war Mitglied der Nationalliberalen Partei. Er gehörte zu deren führenden Politikern in Baden; in seiner Partei nahm er eine vermittelnde Haltung ein. Von 1893 bis 1906 saß er im Zentralvorstand der Partei. Für die 1904 zur Verhinderung einer Zentrumsmehrheit erfolgte Bildung des „Kleinblocks“ der drei liberalen Parteien des Landes setzte Wilckens sich ein. Obwohl er die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Sozialdemokraten bekämpfte, sah er in einer konservativ-„ultramontanen“ Mehrheit die größere Gefahr und schloß Verständigung mit der Sozialdemokratie bei Stichwahlen nicht aus (Großblockpolitik). Wilckens war 1907/08 1. Vorsitzender der wichtigen Budgetkommission der 2. Kammer (davor war er ein Jahrzehnt deren 2. Vorsitzender gewesen), Mitglied in weiteren Kommissionen sowie im Landesgewerbeschulrat, im Wasserwirtschaftsrat, im Eisenbahnrat, im Landesgesundheitsrat. Dem Ständischen Ausschuß geörte er viele Jahre bis zu seinem Tode an. Ein Band des Vertrauens schloß ihn an Großherzog Friedrich I., auch zu Friedrich II. fand er ein enges Verhältnis.
Während der Dienstgeschäfte warf den durch jahrzehntelange angespannte Arbeit Erschöpften am 25. 9. 1913 ein Schlaganfall nieder, der zum Tode führte.
Wilckens war von sehr ernstem Wesen, Kraftquell war ihm die Familie. Entschlüsse machte er sich nicht leicht, doch betrieb er ihre Ausführung mit großer Zähigkeit. Seine Überparteilichkeit als Oberbürgermeister wurde allgemein gewürdigt. Wilckens darf als das erfolgreichste Stadtoberhaupt gelten, das Heidelberg besessen hat.
Quellen: Aktenmaterial im StadtA Heidelberg (bes. UA 51/1 und AA 22/4).
Werke: Die juristische Natur der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften und deren Organisation (1873).
Nachweis: Bildnachweise: in: Chronik der Stadt Heidelberg für das Jahr 1914 (1916); Ölgemälde von G. Schmitt (vgl. S. 237) im Kurpfälzischen Museum Heidelberg; zahlreiche Fotografien im StadtA Heidelberg.

Literatur: Ruperto-Carola. Illustrirte Fest-Chronik der V. Säcular-Feier der Universität Heidelberg (1886), 215; Wilckens Kulemann, Zusammenschluß der Liberalen! (1905), 34 f.; Chronik der Stadt Heidelberg für die Jahre 1907-1909 (1913), 176-178, für das Jahr 1910 (1913), 102-122, für das Jahr 1913 (1915), 24-29, für das Jahr 1914 (1916), 117-124; Th. Wilckens, Beiträge zu einer Geschichte der Familie Wilckens, 3. Aufl., bearb. von W. Donat (1913); Organisationshandbuch der Nationalliberalen Partei des Deutschen Reiches. Sechster Jahrgang 1914/15, hg. vom Zentralvorstand der Nationalliberalen Partei (o. J.); H. Kalkoff (Bearb.), Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917 des Reichstages und der Einzellandtage (1917); A. Rapp, Die badischen Landtags-Abgeordneten 1905/1929 mit Bibliographie und Statistiken zur Geschichte des badischen Landes (1929); J. Thiel, Die Großblockpolitik der Nationalliberalen Partei Badens 1905 bis 1914 (1976); Musik in Heidelberg. 100 Jahre Heidelberger Bachverein 1885-1985 (1985); R. Benl, K. Wilckens und das Heidelberg der Jahrhundertwende, in: Heidelberg um 1900. Stadt und Universität in einer Phase der Expansion. Akat. des Kurpfälzischen Museums (1986).
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