Tuckermann, Walther Karl 

Geburtsdatum/-ort: 27.08.1880; Köln
Sterbedatum/-ort: 14.09.1950;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Geograph
Kurzbiografie: 1905 Promotion in Tübingen bei Georg von Below (1858-1927) „magna cum laude comprobatam“: „Die Gewerbe d. Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jh.s“
1914–1918 Kriegsteilnahme als Rittmeister d. Reserve Einheit unbek., EK II u. I
1918 Wissenschaftl. Hilfsarbeiter am StadtA Köln, Mitarb. d. Ges. für rhein. Geschichtskunde
1918 Habilitation im Fach Geographie an d. Univ. Köln, Lehraufträge für Wirtschaftsgeographie u. Landeskunde
1923 o. Professor für Geographie an d. Handelshochschule Mannheim
1927–1929 Rektor u. Prorektor
1933 Emeritierung
1941–1949 Honorarprofessor u. Fachvertretung an d. Univ. Heidelberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Elene Gisela Karola, geb. Wehrhahn (* 1887 in Valparaiso, Chile)
Eltern: Vater: Eduard, Kaufmann
Mutter: Fanny, geb. Pryen
Geschwister: 8
Kinder: Eduard Reiner (* 1915), Bankkaufmann, 1939 ausgewandert nach Valparaiso, Chile
GND-ID: GND/117434353

Biografie: Christoph Jentsch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 412-414

Tuckermann hat zu Beginn des 20. Jh.s sein Studium der historischen Wissenschaften in Tübingen breit angelegt: Seine Studienfächer waren gleichermaßen politische, Territorial-, Wirtschafts-, Kunst- und Kulturgeschichte wie auch Theologie, Geologie und Geographie. Die Dissertation im Jahre 1905 bei Georg von Below in Tübingen behandelte die Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Auch seine Veröffentlichungen in den Folgejahren hatten kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Inhalte. Unter dem Einfluss der Geographen Karl Sapper (1866–1945) und Otto Schlüter (1872–1959) vollzog Tuckermann seinen Wandel zum Kulturlandschaftsforscher. Am Beispiel der für die Eifel vorliegenden Tranchotschen Landesaufnahme aus dem frühen 19. Jh. beschäftigte sich Tuckermann mit dem Kulturlandschaftswandel seiner rheinischen Heimat, wobei besonders die Verkehrswege seine Beachtung fanden. Das aufblühende Eisenbahnwesen bildete dabei ein dankbares Forschungsfeld, das an Hand von Originalquellen wie Kursbüchern vergleichend dargestellt werden konnte. Die Gebiete Osteuropas (Russisch-Polen) und Nordasiens (Sibirien) lieferten dazu den regionalen Hintergrund. Leider sind die akribisch erarbeiteten Studien weitgehend unbeachtet geblieben.
Der I. Weltkrieg, an dem Tuckermann von Anfang bis Ende teilnahm, unterbrach seine wissenschaftliche Arbeit. 1919 konnte dann er sich mit seiner Eisenbahngeographie an der Univ. Köln habilitieren und dort Lehraufträge für Wirtschafts- und Verkehrsgeographie sowie für rheinische Landeskunde übernehmen. Trotz umfassender Ausbildung hat sich Tuckermann nie in einer seiner etwa 100 Veröffentlichungen mit physisch-geographischen Themen befasst, was ihn sicher vor deterministischen Betrachtungsweisen bewahrt hat. Darüber hinaus vertrat er die Auffassung, dass Geographie an einer Universität und Wirtschaftsgeographie an einer Handelshochschule selbstständig nebeneinander bestehende Systeme sind, die nicht miteinander verquickt werden sollten. Dieser Gedanke mag auch die städtische Handelshochschule 1923 bewogen haben, Tuckermann zum ersten Ordinarius für das Fach Geographie nach Mannheim zu berufen, um eine zu starke Abhängigkeit von der Univ. Heidelberg zu vermeiden. Immerhin kannte die Universität Köln seit 1912 mit anderen Anstalten in preußischen Landen eine einheitliche Studienordnung für die Ausbildung der Handelslehrer in den Wirtschaftswissenschaften.
Von 1923 bis 1933 war Tuckermann in führenden Positionen, 1927 bis 1929 als Rektor und Prorektor, für die mittlerweile staatlich anerkannte Städtische Handelshochschule Mannheim tätig. In diese Zeit fallen seine länderkundlichen Veröffentlichungen zu den Benelux-Staaten und Nordamerika, natürlich auf der Basis von Reisen in diese Gebiete. Obwohl Tuckermann diese Länderkunden weder methodologisch, noch fachkritisch diskutiert, sind sie doch in das System dynamischer Länderkunden einzuordnen und damit fortschrittlich für die damalige Zeit. 1928 habilitierte sich als erster und einziger Geograph an der Handelshochschule sein Assistent Martin Rudolph (1898–1974), später Professor in Göttingen.
Als die Handelshochschule Mannheim 1933 vor allem wegen jüdischer Hochschullehrer und auf Betreiben des Oberbürgermeisters Renninger (vgl. S. 322) geschlossen und als Staatswissenschaftliche Fakultät an der Univ. Heidelberg neu etabliert wurde, emeritierte man auch Tuckermann wegen seiner regimekritischen Einstellung. Allerdings wurde er im Laufe des II. Weltkriegs in Heidelberg reaktiviert und als Honorarprofessor beauftragt, das Fach umfassend zu vertreten.
Bei Luftangriffen auf Mannheim 1943 waren Tuckermanns Privatbibliothek und große Teile seines Forschungsmaterials vernichtet worden, so dass er, auch wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustands, bis zu seinem Lebensende geplante Veröffentlichungen nicht mehr vollenden konnte. Bis zum heutigen Tage hat aber seine landeskundliche Darstellung des altpfälzischen Oberrheingebietes, schon 1935 erstmals erschienen, später wieder aufgelegt, gewisse Bedeutung behalten, weil darin auch Diskussionsgrundlagen zur Verwaltungsneugliederung im deutschen Südwesten enthalten sind.
Quellen: UA Tübingen 40/232 Nr. 61, Studentenakte, 131/55 b Nr. 28, Promotionsakte, u. 132/61–1906–12, Doktordiplom; UA Köln Zug. 27 Nr. 72, Personalakte, Zug. 9 Nr. 2, Ernennung zum ao. Prof. u. Erteilung des besonderen Lehrauftrags 1922, Zug. 9 Nr. 54, Mitgl. des Wiss. Prüfungsamtes, Zug. 9 Nr. 73, Anerkennung d. Habilitation an d. Handelshochschule durch die Universität (1920), Personalbogen, Lebenslauf u. Antrag d. Phil.-Fak. zum ao. Prof., Lehrauftrag an d. Handelshochschule Mannheim (1921–1923), Zug. 9 Nr. 125, Denkschriften über die Not d. Privatdozenten vom Vorsitzenden d. Kölner PDen-Vereinigg., Walther Tuckermann (1921–1922), Zug. 9 Nr. 214, Vorlesungen über Verkehrswesen, Zug. 9 Nr. 285, Unterstützung einer Eingabe von Prof. Bücken durch die Kölner PDen Vereinigung, Vorsitzender Walther Tuckermann (1922), Zug. 9 Nr. 235, Habilitation mit allen Unterlagen 1916; GLA Karlsruhe 235/30891, Handelshochschule Mannheim; UA Mannheim, Abt. I, Personalbogen Walther Tuckermann 1933; UA Heidelberg PA 288, 1939–1944, PA 688, 1941–1950, u. PA 6129, 1940–1950.
Werke: Die Gewerbe d. Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jh.s, Diss. phil. Tübingen, 1906; Urkunden u. Akten d. (Kölner) Zunftabteilung, Mitt. aus dem StadtA Köln 33, 1910, 173–238; Wandlungen im Landschaftsbild d. Eifel seit d. unter dem Obersten Tranchot ausgeführten französ. Landesaufnahme (1801–1814), in: Eifel – FS des Eifelvereins 1913, 76–94; Verkehrsgeographie d. Eisenbahnen des europ. Russland, 1916; Die Änderungen in d. Weltwirtschaft seit 1913, in: Geogr. Zs. 31, 1925; Die Philippinen, ein kulturgeographischer Rück- u. Ausblick, Geogr. Schrr. 2, 1926; Länderkunde d. Niederlande u. Belgiens, Enzyklopädie d. Erdkunde, 1931; Das altpfälzische Oberrheingebiet, 1935; Die Außenwirtschaft Kanadas u. ihre geogr. Grundlagen, Lebensraumfragen III/1, 1943; Fragen zur Verwaltungsgliederung Südwestdeutschlands, in: Berr. zur dt. Landeskunde 5, 1948, 83–91.
Nachweis: Bildnachweise: Berr. zur dt. Länderunde 10, 1951, H.1, Vorblatt; Ruperto Carola 1951, H. 3, 19 (vgl. Literatur).

Literatur: E. Plewe, Walther Tuckermann (27. 8. 1880–14. 9. 1950), in: Petermanns Geogr. Mitt. 95, 1951, 34–38; Th. Kraus, Walther Tuckermann u. die dt. Landeskunde, in: Berr. zur dt. Landesk. 10, 1951, 70–75; Th. Kraus, Geographie als individuelle Länderkunde, zum Tode von Walther Tuckermann, in: Erdkunde 5, 1951, 193–196; F. Metz, Walther Tuckermann, in: Zs. d. Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1951/52, 58–59; F. Monheim, In memoriam Walther Tuckermann, in: Ruperto Carola 1951, H. 3, 19; R. Bollmus, Handelshochschule u. Nationalsozialismus. Das Ende d. Handelshochschule Mannheim u. die Vorgesch. d. Errichtung einer staats- u. wirtschaftswiss. Fakultät an d. Univ. Heidelberg, 1973.
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