Sommer, Lina 

Geburtsdatum/-ort: 08.07.1862; Speyer
Sterbedatum/-ort: 27.07.1932;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Kinderbuchautorin und Heimatdichterin
Kurzbiografie: 1868–1874 Volksschule u. Töchterschule in Speyer
1874–1878 Höhere Töchterschule in Mannheim
1885 Erste Veröffentlichung in „Fliegende Blätter“, München
1891 Konkurs d. Firma des Mannes, Versteigerung des Privatvermögens
seit 1901 deutschlandweit Veröffentlichung von Texten in Zeitungen u. Zeitschriften
1905 1. Buchveröffentlichung
1911–1916 Briefwechsel mit d. rumänischen Königin Elisabeth, genannt Carmen Sylva
1919–1923 wohnhaft in Jockgrim/Pfalz
1923–1932 wohnhaft in Karlsruhe
1932 Tod in Karlsruhe; begraben in Jockgrim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenmitglied des Pfälzerwaldvereins Karlsruhe (1926); Lina-Sommer-Platz in Jockgrim/Pfalz (1927); Sommer-Gedächtnisstein in Haardt, heute Neustadt an d. Weinstraße, Dichterhain mit Sommer-Portrait in St. Martin/ Pfalz, Lina-Sommer Straße in Speyer (1929); weitere Lina-Sommer-Straßen in: Römerberg-Heiligenstein, Lustadt, Ludwigshafen/Rhein u. Gönnheim; Aufnahme in die historische Künstlerecke im Dienste d. BH in d. „Scheffelherberge Zur Krone“ in Singen/Hohentwiel (1930); Ehrenbürgerin von Jockgrim/Pfalz (1932); Lina-Sommer-Anlage an d. Nördlichen Hildapromenade, Karlsruhe (1935); Lina-Sommer-Grundschule, Jockgrim (2003); Lina-Sommer-Weg, Jockgrim (2004), Lina-Sommer-Seniorenhaus d. AWO, Jockgrim (2007)
Verheiratet: 1887 (Heidelberg) Adolph Sommer (1839–1904), Sägewerksbesitzer u. Bauunternehmer
Eltern: Vater: Jacob Wilhelm Müller (1837–1905), Tabak- u. Weinhändler
Mutter: Karolina, geb. Antz (1842–1875)
Geschwister: 4; Friederike (* 1863), Georg (* 1865), Elisabeth (* 1866), Wilhelmine (* 1872) und 8 Halbgeschwister
Kinder: 6; Walter (1888–1958), Alfred (1891–1937) u. Werner (1898–1968), 3 Kinder früh verstorben u. 4 Stiefkinder
GND-ID: GND/117477230

Biografie: Wiltrud Ziegler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 379-382

Der Großraum um Karlsruhe, wohlgemerkt links wie rechts des Rheins, auch Mannheim, und damit das Herz der alten Kurpfalz, das waren Brennpunkte, in denen sich das Leben der Schriftstellerin und Pfälzer Mundartdichterin Sommer zutrug, die zusammengenommen in Baden über längere Zeit lebte als in der Pfalz.
Sommer entstammte einer alteingesessenen, wohlhabenden Pfälzer Bürgerfamilie, die ihr Weltbild protestantisch und deutschnational prägte. Im Elternhaus in Speyer und bei den Großeltern im pfälzischen Edenkoben erlebte sie eine unbeschwerte Kindheit. 1874 zog die Familie nach Mannheim, wo sich die Mutter 1875 das Leben nahm. Nach Auseinandersetzungen mit der 2. Ehefrau des Vaters verließen die Kinder aus erster Ehe die Familie.
Mit 25 Jahren heiratete Sommer den wesentlich älteren Witwer Adolph Sommer, der als wohlhabend galt und in Blankenburg im Harz ein Baugeschäft und eine Sägemühle besaß. Doch die Firma des Ehemannes war hoch verschuldet, nach wenigen Ehemonaten war das Vermögen verloren. Der Ehemann fasste beruflich nie mehr Fuß, die vier Stiefkinder hassten Sommer, wandten sich von der Familie ab. So begann mit den drei kleinen Söhnen eine Odyssee durch Deutschland, immer auf der Suche nach Arbeit für den Ehemann. Sommer nahm Heimarbeit an, das Familieneinkommen aufzubessern.
Um die Jahrhundertwende zog die Familie nach Köln. Da erkrankte der Ehemann an Tuberkulose, er starb 1904. Völlig mittellos versuchte die 42-jährige Witwe mit ihren Kindern, das Leben in den Griff zu bekommen, zog umher, immer dorthin, wo man ihr Arbeit bot: nach Mannheim, Nürnberg, München und Weinheim/Bergstraße. Ein Wendepunkt war 1910 erreicht. Von da an konnte sie von ihrer Arbeit als Schriftstellerin leben und ihren Söhnen sogar eine ausgezeichnete Schulbildung und ein Studium ermöglichen. 1919 zog sie zu ihrem Sohn Walter nach Jockgrim, der dort die Ludowici Falzziegelwerke leitete. Das ehemalige Wohnhaus der Familie, heute Rathaus, heißt im Volksmund noch immer „Villa Sommer“. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Sommer im Diakonissenstift in Karlsruhe.
Sommer, zweifellos die gewichtigste Autorin pfälzischer Mundartdichtung, erfreut sich bis heute ungebrochener Wertschätzung, was Neuauflagen ihrer Texte bezeugen. Ihre Karriere begann mit der Veröffentlichung Pfälzer Mundart in Zeitungen, Zeitschriften und Beilagen. Ein erster Durchbruch gelang, als die große Münchener humoristische Wochenzeitung „Die Fliegenden Blätter“ anfing, ihre Gedichte abzudrucken. Von 1905 bis zu ihrem Tod erschienen zehn Mundartbücher, acht davon erlebten zwei und mehr Auflagen.
Sommers Dialektprosa und -lyrik bietet keinen derben Humor. Verständnisvoll und liebenswürdig demonstriert sie die „schwachen Seiten“ ihrer Mitmenschen; man lacht nicht über sie, sondern mit ihnen. Ihre Mundart-Dichtung ist weder heimattümelnd noch hausbacken. Meist lässt sie augenzwinkernd ihren Blick über ihr Lieblingsland und die Menschen schweifen. Selbst bei Themen wie Pfälzer Wein, Lob der Pfalz und dem „unvergleichlichen“ Charakter der Pfälzer glückt ihr der Spagat: hier hochjauchzende Gefühlseligkeit, dort bodenständige Ironie. In ihrer Mundartprosa beschreibt sie unnachahmliche Charaktere, nicht selten in Situationskomik, die ihresgleichen sucht. Die Dialoge und Handlungen werden von einem Tempo bestimmt, das Leser wie Zuhörer atemlos, staunend, vor allem aber immer wieder lachend zurücklässt. Aber es gibt auch die leisen, besinnlichen Töne in ihren Gedichten. Da ist der Blick der alternden Frau auf die verlorene Idylle der Kindheit, dort auf die Gebrechen und Nöte des Alt-Werdens und Alt-Seins, auf Tod und Sterben. Sommer gehört zu den Wenigen, die ihr eigenes Grab beschreiben: unsentimental und doch unter die Haut gehend schildert sie in „E Draam“ ihre künftige letzte Ruhestätte auf dem Jockgrimer Friedhof.
Manchmal gelingen Sommer regelrechte Klangwunder, wie z. B. im „Renkonterche“. Dieses Gedicht, 1911 in den Fliegenden Blättern erstmals abgedruckt, war Auslöser für ihre Popularität im deutschsprachigen Raum, zeichnet ihr Bild der eigenen Großelterngeneration: Biedermeieridylle mit raschelnden Röcken, Korkzieherlocken, steifem Kragen und Schwalbenschwanz. Königin Elisabeth von Rumänien, um die Jahrhundertwende eine populäre Frau im Deutschen Reich, bekannte sich in Verehrung zu Sommer; zwischen der Dichterin und der „lieben Frau Königin“ entwickelte sich rege Korrespondenz. 1916, nach dem Tod der Königin, veröffentlichte Sommer die „Briefe einer einsamen Königin“, die in kurzer Zeit acht Auflagen erlebten.
Regelmäßig zu dichten begonnen hatte Sommer in Köln. Die bald feste Mitarbeiterin der „Fliegenden Blätter“ wurde schließlich in Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten in ganz Deutschland gedruckt, ja überall, wo deutsch gesprochen wurde, auch in den USA, erschienen ihre Texte: Hunderte von Gedichten und Erzählungen – einzeln in Zeitschriften veröffentlicht, teils in Mundart, teils in Hochdeutsch. Das Œuvre der Autorin umfasst 40 Bücher, sie schrieb auch Theaterstücke und verfasste für die Firma Pfaff in Kaiserslautern und des Karlsruher Warenhaus Knopf Werbetexte.
Ein Grund für Sommers Popularität lag sicher in den politischen Rahmenbedingungen der Zeit von 1900 bis 1930. Nach dem 1870er Krieg war eine patriotische Welle über das geeinte Deutsche Reich geschwappt, hymnisch wurde die deutsche Einheit gefeiert, auch wenn die Verschiedenheit der einzelnen Landschaften nie übersehen wurde. Im Siegestaumel der ersten Weltkriegsjahre erlebte der Patriotismus einen nächsten Höhepunkt. Damals und auch noch nach dem I. Weltkrieg entstanden ihre politischen Texte: neben kuriosen Kindheitserinnerungen an den 1870er Krieg humorvolle Momentaufnahmen von der Heimatfront des I. Weltkriegs. Befremdlich dagegen mögen heute schwüle, martialische Zeilen wirken, die sie meist in Hochdeutsch zu Themen wie Kaiser Wilhelm, Bismarck, Hindenburg, Moltke und über den „Erbfeind Frankreich“ publizierte. Diese Seite der Dichterin wurde in der Nachkriegszeit verständlicherweise gerne ignoriert, auch wenn sie fester, freilich nur aus dem historischen Kontext zu verstehender Bestandteil ihres Werks sind.
Anders als die Mundarttexte wirken Sommers hochdeutsche Lyrik und Prosa heute meist leblos, fast kitschig. Geschrieben im damals populären Gartenlaubenstil, trafen sie seinerzeit aber genau den Geschmack ihrer Leserinnen. Die Bewältigung des eigenen Schicksals gehört schließlich noch zum Werk, wenn sie in fiktive Erzählungen den Tod der Mutter und das Drama ihrer Ehe verwob, Themen, über die sie sonst im Leben schwieg.
Großen Erfolg erntete Sommer auch als Bilder- und Kinderbuchautorin, was z. T. den Illustrationen weiland bekannter Künstlerinnen geschuldet war. „Im Himmelland“ etwa erreichte eine Auflage von 50 000. Kurz nach Vollendung ihres 70. Lebensjahres starb Sommer, noch auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes.
Quellen: Pfälzische Landesbibliothek, Speyer, Bestand Nr. 57 u. Vertonungen in d. Musikaliensammlung; A-Zentrum d. Stadt- u. UB Frankfurt am M. Briefesammlung Karl Ernst Knodt: 28 Briefe, 4 Beilagen, Depositum d. Erwin v. Steinbach Stiftung; Gemeindeverwaltung Jockgrim: Private Dokumente, Briefwechsel mit Carmen Sylva, Fotografien; Tagebuch 1921–1924 bei Wiltrud Ziegler, Landau, außerdem Briefwechsel mit Sohn Walter u. Fotografien.
Werke: Schtillvergniegt. Gedichte u. Erzählungen in Pfälzer Mundart, 1. Aufl. 1905, 2. Aufl. 1913; Kochrezeptchen für junge u. jüngste Damen, 1. Aufl. 1908, 2. Aufl. 1921; E’ Pälzer Blummeschtreißel. Gedichte in Pfälzer Mundart. Mit Bildern, 1. Aufl. 1911, 2. Aufl. 1914, erweitert; Nemm mich mit, Es reut Dich nit. Gedichte u. Prosa in Pfälzer Mundart, 1. Aufl. 1912, 2. Aufl. 1922; Vaterländische Gedichte. Dialekt u. Hochdeutsch, 1914; Pälzer Humor. So G’schichtelcher u. Gedichtelcher, 1. Aufl. 1914, 2. Aufl. 1919 erweitert, 3. Aufl. 1924; Die Kochkiste soll leben. Einakter, ca. 1915; Heimkehr. Vaterländischer Einakter, 1915; Im Himmelland. Bilderbuch. Gedichte [mit Bildern nach Entwürfen von Ernst Riess], 1. Aufl. 1915, 5. Aufl. 1930; Lieb Vaterland magst ruhig sein. Ernst u. Humor, 1915; So geht’s. Ein Bilderbuch von Else Rehm-Vietor zu lustigen Liedern von Sommer, ca. 1915; Carmen Sylva. Briefe einer einsamen Königin, 1. Aufl.1916, 8 nach 1921; Für dich, lieb Kind. Erzählungen für Kinder. Mit Scherenschnitten von Berta Hindenlang, 1916; Lust u. Freud für kleine Leut. Erzählungen für Kinder. Mit Scherenschnitten von Berta Hindenlang, 1916; E klän Präsent. Gedichte in Pfälzer Mundart. Mit Bildern aus den Fliegenden Blättern, 1. Aufl. 1917, 2. Aufl. 1924, 3. o. J.; Gedichtchen für Kinder. Mit Scherenschnitten von Berta Hindenlang, ca. 1917; Giggag. Schnick-Schnack. Kindergedichte von Paula Dehmel u. Sommer Bilder von Else Wenz-Vietor, 1917; So Sache. G’schichtelcher un Gedichtelcher. 1. Aufl. 1919, 2. Aufl. 1922; Vun Allem ebbes. Ausgewählte Gedichte u. Erzählungen aus sämtlichen Büchern d. Verfasserin. 1. Aufl. 1920, 2. Aufl. 1922; Elisabeth, Königin von Rumänien, 1921; Für Bübchen u. Mädchen. Im Dorf u. im Städtchen. Gedichte u. Geschichten für Kinder, 1921, Grüss Gott! Mit Zeichnungen von Arthur Riedel, ca. 1921; Kinderreich, was kommt dir gleich. Ein Bilderbuch von Else Wenz-Vietor zu lustigen Liedern von Sommer u. Carl Ferdinands, 3. Aufl. 1921; Magister Fuchs. Illustriert von Otto Dill. Bilderbuch, ca. 1921, Neuaufl. 2006; Ri-ra-rutsche-butsch. Gedichte u. Geschichten. Mit Scherenschnitten von Berta Hindenlang, 1921; Unser Kind. Ein Büchlein klein fürs Mütterlein, 1921; Wisseblume. Neue Sachen, 1. Aufl. 1921, 2. Aufl. 1923; Der Belzenikl uf Freiersfüß. Lustspiel in 2 Akten, ca. 1. Aufl. 1922, 2. Aufl. 1925; Die alt Fraa. Einakter, ca. 1922; Die zwää böse Buwe. Lustiger Einakter, o. J.; E klä(n) Andenke, ca. 1924; Ein kleiner Gruß, ca. 1924 bis 1926; Bei Großmama. Bilderbuch mit Bildern von Franziska Schenkel, 1925; Dess un sell. Gedichte u. Prosa in Pfälzer Mundart, 1925; Für Dich. Reim u. Prosa. Mit einer Lebensbeschreibung d. Autorin von Elisabeth W. Trippmacher, 1925; Für dich! Gedichte u. Erzählungen. Mit 10 Illustrationen von Carlos Tipps, 1925; Prinzesschen Tausendschön. Bilderbuch. Mit Illustrationen von Gertrud Kopp-Römhild, ca. 1925; Im Vorübergehn. Kleines Sammelwerkchen hochdeutscher Gedichte, 1931; Pälzer Hausapothek. Das letzte Werk d. heimgegangenen Dichterin, 1933, Neuaufl. 2007; Ich frää mich alle Dag uffs nei. Eine Auswahl aus dem Gesamtschaffen d. pfälzischen Dichterin, 1948; Das kleine Lina-Sommer-Buch. Ausgewählte Gedichte d. Pfälzer Heimatschriftstellerin, 1962; Das Lewe is kä Kinnerschbiel. Verse u. Prosa in Mundart, 1982; Unser Pälzer Ländche. Gedichte u. Prosa in Pfälzer Mundart, 1987. – Zeitungs- u. Zeitschriftenpublikationen in Baden u. a. in: Auf Bad. Scholle, Bad. Hausfrau, Bad. Landeszeitung, Bad. Presse, Bad. Beobachter, Bad. Generalanzeiger, Bad. Militärsvereinsblatt, Mannheimer Rundschau, Mannheimer Tageblatt, Neue Bad. Landeszeitung, Residenzanzeiger Karlsruhe, Weinheimer Anzeiger.
Nachweis: Bildnachweise: Sandsteinrelief, 1929, von Wilhelm Kollmar, Karlsruhe, Dichterhain, St. Martin/Pfalz; Portraitbüste, 1935, von Wilhelm Kollmar, Lina-Sommer-Anlage, Nördliche Hildapromenade, Karlsruhe; Pfälz. Landesbibliothek, Speyer, Bestand Nr. 57.

Literatur: Elisabeth W. Trippmacher, Lina Sommer. Aus ihrem Leben u. Schaffen, 1921; Lina Sommer, poetesse palatine, in: Revue d’Information des Troupes Françaises d’occupation en Allemagne“, 1946; Monika Beckerle (Hg.), Dachkammer u. Literarischer Salon. Schriftstellerinnen in d. Pfalz. 1991; Jürgen Beckmann u. Heinz-Jürgen Kliewer (Hgg.), Ich redd mein Muddersprooch. Anthologie Pfälzer Mundartliteratur, 1997; Wiltrud Ziegler, Lina Sommer. Pfälzische Profile. Biographie u. Bibliographie, 1. Aufl. 2004, 2. Aufl. 2006.
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