Fried, Kurt Max 

Geburtsdatum/-ort: 30.03.1906; Aschersleben, Kreis Magdeburg
Sterbedatum/-ort: 22.03.1981;  Ulm
Beruf/Funktion:
  • Journalist, Kunstsammler und -mäzen
Kurzbiografie: 1912 Familienumzug von Aschersleben nach Ulm. Der Vater betreibt dort ein Schuhgeschäft
1913-1923 Schulbesuch in Ulm, Abschluß mit Primareife, anschließend kaufmännische und gerbereitechnische Lehre bei der Lederwarenfabrik Hans Römer in Neu-Ulm
1926-1930 Volontariat, anschließend Schriftleitung bei der „Ulmer Abendpost“, Tageszeitung der DDP, deren Erscheinen 1930 eingestellt wird
1930-1933 Gasthörer an der Universität München in Germanistik, Archäologie und Theaterwissenschaft; Halbtagsstelle als Herausgeber bzw. Lektor von Unterhaltungsbeilagen beim Verlag Hans Reyhing, Weißenhorn, für die Zeitschriften „Die deutsche Glocke“ und „Die Brücke“; Dozent an der Volkshochschule Ulm, Kurse „Zeitgeist und Jugend“ und „Einführung in die moderne Kunst“; Theater- und Kunstkritiker für zwei Ulmer Tageszeitungen, „Donauwacht“ und „Ulmer Schnellpost“
1933 Ablehnung durch die Reichsschrifttumskammer und arbeitslos, da der Vater Jude ist, die „arische“ Mutter übernimmt das Schuhgeschäft „Schuhhaus Pallas“ in Ulm, 1933-1943 Mitarbeit im mütterlichen Geschäft
1937 Herausgabe von drei Auswahlbänden unter dem Namen seiner Ehefrau Else Gotsmann: Adolf Glasbrenner, Berliner Leben – Deutsche Briefe der Liebe und Freundschaft – Philipp Otto Runge, Briefe und Gedichte; Denunziation der Herausgabe bei der Gestapo, Verbot jeder schriftstellerischen Tätigkeit
1939-1940 freiwilliger Wehrdienst, um Haftbefreiung seines jüdischen Vaters zu erreichen; Entlassung aus dem Heeresdienst als „jüdischer Mischling“
1940-1943 Geschäftsführer im Schuhhaus Pallas bis zur (1943) zwangsweisen Schließung des mütterlichen/elterlichen Schuhgeschäfts
1943-1944 „Rüstungseinsatz“ als Werkzeugschleifer in der Firma Kapferer, Buch bei Illertissen
1944-1945 Zwangsarbeitslager Leimbach/Harz bis zur Befreiung durch die amerikanischen Truppen 1945
1945-1950 Kulturbeauftragter der Stadt Ulm
1945 Lizenz zur Herausgabe der „Schwäbischen Donau-Zeitung“, zusammen mit Johannes Weißer und Paul Thielemann
1949-1957 Mitglied des Gemeinderats der Stadt Ulm
1949 Mitglied des Vorstands der DVP; Mitglied des Kuratoriums der Volkshochschule und des Evangelischen Münsterbaukomitees in Ulm
1952 Besuch von New Ulm/Minnesota, USA, mit einer Delegation Ulmer Kulturrepräsentanten
1953 Austritt aus der DVP. Im Ulmer Gemeinderat danach der Freien Wählergemeinschaft, FWG, verbunden
1953-1959 Vorsitzender des Kunstvereins Ulm
1954-1960 Hauptschriftleiter der „Schwäbischen Donau-Zeitung“
1959-1981 Leiter seiner privaten Kunstgalerie „Studio f“ in Ulm
1960-1981 Leiter der Kulturredaktion der „Schwäbischen Donau-Zeitung“, ab 1968 „Südwest-Presse“ genannt, mit den persönlichen Arbeitsschwerpunkten Kulturpolitik und Kritik in den Bereichen Theater, Film, Literatur und bildende Kunst; Mitarbeit am vh-Monatsspiegel „Kleine Ulmer Chronik“, regelmäßige „Kulturbriefe“ für Südfunk und Stuttgarter Zeitung
1960-1972 Vorstandsmitglied der kulturellen Bürgerinitiative „Gesellschaft 1950 e.V.“ in Ulm
1960-1967 Mitglied im Arbeitskreis „Universität Ulm“ zur Vorbereitung der 1967 gegründeten Universität
1960-1981 Mitglied im Beirat der „Universitätsgesellschaft“
1963 Vorstandsmitglied der Notgemeinschaft für den Neubau des Ulmer Theaters (Eröffnung 1969)
1976 Bürgermedaille der Stadt Ulm
1978 Stiftung seiner privaten Kunstsammlung „Kunst des 20. Jahrhunderts“ an das Ulmer Museum, Ulm
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1945 Else, geb. Gotsmann (1907-1992), gesch. 1951
2. 1953 Ursula Maria, geb. Bäuerle (geb. 1932, gest. unbekannt in München), gesch. 1956
3. 1957 Ingeborg, geb. Ruthardt (geb. 1930)
Eltern: Franz Fried (1878-1965), Kaufmann
Anna Emilie Martha, geb. Hoffmann (1878-1960)
Geschwister: keine
Kinder: aus 1. Ehe Rose Cornelie Fried (geb. 1946)
aus 3. Ehe Amelie Ilse Fried (geb. 1958), verh. mit Peter Probst
Rainer Max Fried (geb. 1963)
Nicolaus Florian Fried (geb. 1966)
GND-ID: GND/118535501

Biografie: Brigitte Reinhardt (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 140-142

Fried hat in den drei Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs das kulturelle und kulturpolitische Leben in Ulm wesentlich geprägt. K. F., so sein Kürzel, war ein Teil von Ulm, bewundert und gehaßt, und bot zeitlebens Zündstoff für leidenschaftliche Auseinandersetzungen.
Schon der junge Journalist wurde durch prägnante Theater- und Kunstkritiken und durch provokative Glossen zum städtischen Tagesgeschehen bekannt. Fried übernahm bereits Anfang der dreißiger Jahre organisatorische Aufgaben bei der Ulmer Volkshochschule und gab Kurse zu aktuellen sozialgeschichtlichen und kunsthistorischen Fragen. Als Halbjude erhielt er im Dritten Reich Berufsverbot. Der Kaufmannssohn konnte jedoch von 1933 bis 1944 im elterlichen Schuhgeschäft arbeiten, das seit der Machtergreifung seine „arische“ Mutter führte. Neben diesem „Brotberuf“ verfolgte er weiter seine eigentlichen Interessen. Unter dem Namen seiner späteren ersten Frau, Else Gotsmann, edierte er 1937 drei Publikationen. Denunziation brachte das endgültige Schreibverbot. Fried fand in dieser Zeit geistige Anregung und Unterstützung in einem Kreis von gleichgesinnten Ulmer Künstlern und deren Freunden. Er baut seine kostbare Bibliothek auf, und er begann zu sammeln: Autographen von Autoren des 20. Jahrhunderts, von denen er viele persönlich kennenlernte, und Druckgraphik. Aus dem 1939 freiwillig angetretenen Wehrdienst wurde Fried im zweiten Jahr, da „jüdischer Mischling“, entlassen. Drei Jahre später folgten die Verpflichtung zum entwürdigenden „Rüstungseinsatz“, 1944 das Zwangsarbeitslager Leimbuch, aus dem ihn ein Jahr später die amerikanischen Truppen befreiten. Seine geistige Welt gab Fried Kraft. So unterhielt er zum Beispiel im Bergwerk einen Ulmer Mithäftling mit Vorträgen über Kunst und Kultur, und dieser übernahm dafür die schwere körperliche Arbeit.
Nach Kriegsende wurde der gebildete, kritische und wortgewandte 39jährige als prädestiniert erkannt für den geistigen und materiellen Wiederaufbau in Deutschland. Seit 1945 wirkte Fried engagiert in der Kommunalverwaltung seiner ausgebombten Heimatstadt, fünf Jahre als Kulturbeauftragter, danach acht Jahre als Mitglied des Gemeinderates. Gleich nach Kriegsende hatte der Journalist mit zwei Kollegen die Lizenz zur Herausgabe einer Tageszeitung in Ulm erhalten, der „Schwäbischen Donau-Zeitung“, später „Südwest Presse“ genannt. Die Zeitung wurde seine Passion und seine Waffe. Vier Bände mit Erzählungen und Essays, erschienen zwischen 1946 und 1948, bezeugen Frieds frühe schriftstellerische Neigung und ihre Schulung an romantisch-realistischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Als Mitherausgeber und langjähriger Kulturredakteur seiner Zeitung entwickelte er dagegen prägnante, manchmal bissige Kürze zu seinem Markenzeichen. Frieds Kommentare zu künstlerischen und kunstpolitischen Ereignissen wurden mit Spannung erwartet. Ihre verbale Brillanz und oft schonungslose Direktheit polarisierten die Leser in Freunde und Feinde, sie trieben an, beunruhigten, ermutigten. Fried war auch in Taten konsequent. Unter dem Eindruck von Krieg und Verfolgung hatte er sich zunächst von abstrakter und surrealistischer Kunst distanziert. 1958 verärgerte ihn die Weigerung, ein gegenstandsloses Relief von Hans Arp anzukaufen, jedoch so sehr, daß er die Leitung des Kunstvereins Ulm niederlegte und im folgenden Jahr eine eigene Galerie gründete, das „Studio f“. Fried wurde damit als völlig unabhängiger Kunstvermittler und Förderer aktiv. Das Programm des damals bereits 52jährigen konzentrierte sich neben der Ausstellung von anerkannten Avantgarde-Künstlern wie Willi Baumeister und Max Bill ganz auf die Präsentation junger, noch unbekannter Begabungen aus Deutschland und Europa. Dabei ging es ihm nie um kommerziellen Gewinn. Acht Jahre lang richtete Fried die Ausstellungen in seiner Villa ein, wo er mit seiner dritten Frau und den drei kleinen Kindern lebte. Erst 1968 bezog er die sogenannte Wieland Galerie im Verlagsgebäude der Südwest Presse. Der Ruhm des „Studio f“ als eine der wenigen progressiven Galerien, die es damals in Süddeutschland gab, drang bald über Ulm hinaus. Vielen Künstlern, die heute berühmt sind, wurde hier eine erste Öffentlichkeit geboten. Hier fanden Happenings und Aktionen statt und wurden Environments eingerichtet, als dies noch neu und schockierend war. Im „Studio f“ erlebte junge Kunst aus Polen, Jugoslawien und der Tschechoslowakei ihre Premiere in der Bundesrepublik. Fried kaufte Arbeiten aus seinen Ausstellungen. Er griff über diesen weitgesteckten Rahmen jedoch noch hinaus und erwarb amerikanische Kunst, die seit Kriegsende wesentliche Impulse nach Europa brachte. Nach und nach baute er einen Überblick über die wichtigen Kunstströmungen der 50er bis 70er Jahre auf. 1978 übereignete Fried seine Sammlung dem Ulmer Museum, wo zuvor schon Teile seiner Kollektion in Sonderausstellungen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Durch die Stiftung der rund vierhundert Gemälde, Graphiken, Skulpturen und Objekte erhielt die zeitgenössische Sammlung des Museums ihre internationale Dimension.
Kurz vor seinem 75. Geburtstag starb Fried nach langer Krankheit in Ulm.
Quellen: Mündliche Auskunft von Inge Fried; Auskünfte von Stadtarchiv Ulm, Archiv der Südwestpresse Ulm
Werke: Geliebte Stadt, Bilder aus dem alten Ulm, 1946; Von bewegenden Dingen, 1947; Über den Tag hinaus, 1947; Der Mauerweg, 1948
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Kunst nach 1945 (vgl. Literatur); Porträts von: Albert Unseld, Öl/Leinwand 1928, Ulmer Museum; Wilhelm Geyer, Lithographie 1929, Privatbesitz; Eduard Waldraff, Gruppenbild mit Kurt Fried, Öl/Leinwand 1929, Ulmer Museum; Wilhelm Münz, Kohlezeichnung 1937, Privatbesitz; Gerhard Richter, Öl/Leinwand 1966, Ulmer Museum

Literatur: KF oder die Geschichte, wie in 19 Jahren Theaterkritik aus zwei Buchstaben ein Zeichen wurde, Verlag der Schwäbischen Donauzeitung, 1966; KF, Verlag und Redaktion der Südwest Presse Ulm, 1976; Trauerfeier für Kurt Fried, hg. von Inge Fried und dem Ulmer Museum, 1981; Kunst nach 1945, Stiftung Sammlung Kurt Fried, Katalog des Ulmer Museums, Kat. VIII, 1986; KF, Kurt Fried zu Ehren, hg. von Brigitte Reinhardt, Ulmer Museum, 1991
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