Keller, Ferdinand 

Geburtsdatum/-ort: 05.08.1842;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 08.07.1922;  Baden-Baden
Beruf/Funktion:
  • Historienmaler
Kurzbiografie: 1870 Lehrer an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe
1873 ebda. Professor
1913 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1. 1870 Wilhelmine, geb. Fecht (gest. 1913)
2. 1918 Martha, geb. von Albert
Eltern: Vater: Joseph Keller, Großherzoglicher Bauingenieur
Mutter: Marie, geb. Delorme
Geschwister: 5
Kinder: Beide Ehen blieben kinderlos.
GND-ID: GND/118561065

Biografie: Michael Koch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 189-190

Die ersten künstlerischen Anleitungen erhielt Keller von seinem in der Ölmalerei dilettierenden Vater, der das frühreife Talent seines jüngsten Sohnes tatkräftig förderte (vgl. Skizzenbuch, 1852-53, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). 1858 übersiedelte die Familie für viereinhalb Jahre nach Brasilien, wo Joseph Keller im Auftrag der dortigen Regierung Flußregulierungen, Straßen- und Brückenbauten ausführte. Hunderte von Zeichnungen und Aquarellen dokumentieren das spontan erwachte Interesse Kellers für die Fauna und Flora der subtropischen Urwälder, zugleich legen sie Zeugnis ab von einer ursprünglich realistischen Verarbeitung der Umwelterfahrungen, wie dies besonders in Porträts, Arbeitsdarstellungen und Genreszenen zum Ausdruck gelangt (vgl. Skizzenbücher und Sammelmappen, 1858-62, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Die Rückkehr nach Karlsruhe sowie der Eintritt in die Großherzogliche Kunstschule im Herbst 1862 markieren in der durch unmittelbare Naturbeobachtung geprägten künstlerischen Frühentwicklung Kellers den Beginn einer entscheidenden Hinwendung zum akademischen Traditionalismus. Weder der erste bedeutende Lehrer Kellers, Johann Wilhelm Schirmer, noch dessen Nachfolger Des Coudres und Gude vermochten nachhaltige Wirkungen im Werk ihres Schülers zu hinterlassen, vielmehr war es das an Tizian, Rubens und Van Dyck orientierte Stilprinzip Hans Canons, das Keller den weiteren Weg wies. Wie vor ihm Thoma und Trübner profitierte Keller von der Kenntnis der virtuos beherrschten maltechnischen Mittel des damals in Karlsruhe lebenden Wieners, was sich in einer zunehmenden Sicherheit namentlich im Porträt niederschlug (vgl. Der Alchimist, 1868). Motivwahl und Formgebung Kellers waren von nun an jenem neobarocken Kolorismus verpflichtet, der zum stilistischen Signum der offiziellen Gründerzeitmalerei werden sollte und der in Hans Markart seinen herausragenden Vertreter besaß.
Auf der Pariser Weltausstellung 1867 feierte Keller seinen ersten großen internationalen Erfolg mit dem Historienbild „Tod Philipps II. von Spanien“, das die Aufmerksamkeit des einflußreichen Münchener Kunstkritikers Friedrich Pecht erregte. Im November desselben Jahres reiste Keller nach Rom, wo ihm eine Referenz Scheffels den Zugang zu Anselm Feuerbach eröffnete. Dessen berühmtes Modell Nanna Risi hat Keller in mehreren, den Neoklassizismus seines neuen Lehrers wenig variierenden Porträts festgehalten. Einprägsamer noch als die wenigen Ölgemälde der römischen Periode (1867 bis 1869) erweisen die Illustrationen zu dem Prachtwerk „Italien“ (1876) die vielfältigen Anregungen, die Keller Feuerbach verdankte.
Im Januar 1870 wurde Keller als Lehrer an die Großherzogliche Kunstschule berufen, der er – seit 1873 als Professor für Historienmalerei – mehr als vierzig Jahre angehören sollte. Oftmals bekleidete er das Amt des Direktors. Damit war der Grundstein für eine steile Künstlerkarriere gelegt, deren gesellschaftliches Substrat primär das Karlsruher Großbürgertum bildete. Aber auch der badische Hof, der Adel, die katholische Kirche sowie staatliche Institutionen wurden verstärkt Kellers Auftraggeber für Wandgemälde, Villendekorationen, Herrscherbildnisse, Altarblätter usf. (vgl. Marienaltar, 1871, Jesuitenkirche Heidelberg; Bildnisse Großherzog Friedrichs I. von Baden, 1876, 1898, 1904; Wandgemälde im ehemaligen Palais Douglas, 1880-82, Karlsruhe). Den Beinamen eines „badischen Makart“ erhielt Keller 1876 wegen seines prämiierten Entwurfs für den Vorhang des neuen Dresdener Hoftheaters, dessen üppige dekorative Flächenfüllung, koloristische Brillanz und Pinselbravour schon die Zeitgenossen unmittelbar an Werke des Wiener Malerfürsten erinnerten.
Das 1879 in großherzoglichem Auftrag geschaffene Kolossalgemälde „Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden in der Schlacht bei Salankamen“ (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) bedeutet einen Höhepunkt in der süddeutschen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts. Diese zu theatralischer Wirkung gesteigerte, dem Exotismus der Epoche huldigende Interpretation eines schicksalhaften Ereignisses der europäischen Geschichte steht offenkundig in der Tradition barocker Schlachtengemälde. Mag hierin Kellers künstlerische Individualität trotz sichtbarer eklektischer Tendenzen einigermaßen überzeugend zum Ausdruck gelangt sein, so erweisen sich die späteren Apotheosen der Hohenzollernkaiser als sterile, pathetische Herrscherglorifikationen im Zeichen des Patriotismus der Ära Wilhelms II. (vgl. Kaiser Wilhelm der Siegreiche, 1888, Nationalgalerie Ost-Berlin). Kellers Absicht der Verbindung barocker Triumphzugikonographie mit naturalistischer, historische Wahrheit suggerierender Detailtreue, führte zu Lösungen, die auch wohlmeinende Zeitgenossen befremdeten (vgl. Pallas, 1906, ehemalige Städtische Sammlungen Pforzheim; Mannheimia, 1907). Hinzu trat ein deutlicher Wandel in der Farbgebung von leuchtend-warmen zu grau-silbernen, kühlen Tönen, als dessen erstes monumentales Zeugnis die 1886 gemalte Lünette in der alten Aula der Heidelberger Universität gelten kann.
Eigenständige und vielbeachtete, heute wegen der Kriegsverluste sowie unterlassener Restaurierung kaum mehr nachvollziehbare Beiträge leistete Keller auf dem Gebiete der monumentalen Raumdekoration. Angefangen mit den Fresken „Altertum“ (1875) und „Neuzeit“ (1885) im Treppenhaus des ehemaligen Großherzoglichen Sammlungsgebäudes in Karlsruhe bis hin zu den großflächigen Wandbildern der König-Karl-Halle im früheren Stuttgarter Landesgewerbemuseum (1894–96) folgte er hier dem seit Raffaels „Schule von Athen“ geläufigen Typus der gemalten Genieversammlung: Große Geister der Geschichte personifizieren die als bedeutend angesehenen Kulturepochen seit der Antike (vgl. Entwürfe für die Hamburger Rathaussaalgemälde, 1899, Staatsarchiv Hamburg). Ebenso wie in seinen Historien versuchte Keller in zahlreichen Porträts von Herrschern, Adeligen, Großbürgern die Tradition der Barockmalerei wiederzubeleben, ohne allerdings den Vorbildern Rubens, Velazquez oder Rigaud wirklich nahezukommen. Dem Selbstverständnis seiner Auftraggeber entsprechend war für ihn der Mensch nur als Repräsentant einer höheren sozialen Klasse, nicht aber als Individuum mit unverwechselbaren Eigenschaften darstellungswürdig (vgl. Bildnis Wilhelmine Keller, 1883; Mädchen mit Katze, 1887, Altonaer Museum Hamburg; Kaiser Wilhelm II., 1893, Neues Schloß Baden-Baden).
Die Landschaft als autonomes Bildmotiv hatte in Kellers Œuvre vor 1890 nur eine periphere Rolle gespielt, trat jedoch im Spätstil des Künstlers gleichberechtigt neben die anderen Gattungen. Keller ließ sich dabei stark von Böcklins naturmythologischer Ikonographie leiten, indem er seinen mediterranen, in diffusem Licht verschwimmenden Ideallandschaften antikisierende Staffagefiguren zuordnete (vgl. Arkadien, 1899; Böcklins Grab, 1901, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Diese verklärende Natursicht belegt exemplarisch Kellers antirealistische Weltanschauung, die im Zeitalter forcierter technischindustrieller Entwicklung Zuflucht bei einer Ästhetik des vermeintlich Ewig-Schönen zu finden hoffte. Dieser künstliche Abstand zur wirklichen historischen und gesellschaftlichen Situation führte dazu, daß Keller alsbald dem Vergessen anheim fiel, obwohl ihn die Stadt Karlsruhe noch 1912 mit öffentlichen Ehrungen überhäufte. Erst angesichts einer seit den sechziger Jahren in Gang gekommenen kunstgeschichtlichen Erforschung des Historismus ist es wieder möglich, Keller als einem der bedeutendsten Künstler Badens gerecht zu werden.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos STAF, Bildnissammlung.

Literatur: Friedrich W. Gaertner, Ferdinand Keller, Karlsruhe 1912; Arthur von Schneider, Badische Malerei des 19. Jahrhunderts, Karlsruhe 1935 (1. Aufl.), 1968 (2. Aufl.); Ernst Petrasch, Ferdinand Kellers Türkenlouis-Gemälde in der Karlsruher Kunsthalle. Marginalien zum geschichtlichen Wirklichkeitssinn in der Historienmalerei des späten 19. Jahrhunderts, in: ZGO 102, 1955; Michael Koch, Ferdinand Keller (1842-1922). Leben und Werk, Karlsruhe 1978.
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