Kohler, Franz Josef 

Geburtsdatum/-ort: 09.03.1849;  Offenburg
Sterbedatum/-ort: 03.08.1919; Berlin
Beruf/Funktion:
  • Jurist
Kurzbiografie: 1871 Nach sieben Semestern Rechtsstudium in Freiburg und Heidelberg erstes juristisches Staatsexamen
1873 Zweites Staatsexamen, danach Aufnahme der Berufsarbeit in Mannheim, zuerst bei einem Rechtsanwalt, dann als Richter am Kreisgericht
1878 Übernahme einer ordentlichen Professur für gemeines bürgerliches Recht in Würzburg
1888 Eintritt in die berühmte Berliner Juristenfakultät
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1873 Ida, geb. Pflüger
Eltern: Vater: Joseph Kohler, Volksschullehrer (1809-1874)
Mutter: Amalie, geb. Schmider
Geschwister: 4 Schwestern
1 Bruder
Kinder: Arthur
Rudolf
GND-ID: GND/118564633

Biografie: Adolf Laufs (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 192-193

Obwohl der Schwerpunkt seiner Lebensarbeit in der Reichshauptstadt lag und Kohlers kulturelle wie juristische Interessen die Welt umspannten, verleugnete der große Rechtsgelehrte seine badische Herkunft und sein süddeutsches Naturell zu keiner Zeit. Sein fachschriftstellerischer Ruhm verbreitete sich früh. Fülle und Gedankenreichtum verliehen seinem Werk genialische Züge, die auch sein Gesicht prägten. Die Bibliographie des Sohnes verzeichnet nicht weniger als 2482 Titel. Von Kohlers Werken sind 104 im Buchhandel selbständig erschienen, darunter 83 juristische. Im Blick auf die thematische Spannweite dieses fast unübersehbaren Œuvres läßt sich sein Urheber mit Grund als Universaljurist bezeichnen. Freilich entsprach der Breite dieser ungeheuren Produktion nicht überall die erwünschte Tiefe. Wohl am verständnisvollsten und ausgewogensten hat Ernst Rabels Nachruf in der von Kohler mitherausgegebenen Rheinischen Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 1919 die Vorzüge und Schwächen des Gesamtwerks gewürdigt, das zu Unrecht weithin in Vergessenheit geriet.
Am Anfang seiner wissenschaftlichen Karriere stand das noch in Mannheim, der Stadt des Handels und Gewerbes, geschriebene gewichtige Deutsche Patentrecht, das seinem Verfasser den Ruf nach Würzburg eintrug. Hier wie vielfach sonst stand Kohler im Bann des französischen Rechts, das er mit Hilfe der deutschen Jurisprudenz zu durchdringen suchte. In den rheinischen Traditionen fand er die Brücke zwischen den Nationen. Neue Fragen, wie sie das technische Zeitalter aufwarf, zogen ihn mit Macht an. Er begrüßte den Niederschlag des „Kulturfortschritts” im Recht und trieb ihn selbst voran. Die Geschichte des deutschen Patent- und Urheberrechts, des Rechts der Muster und Warenzeichen sowie des unlauteren Wettbewerbs bleibt mit Kohlers Name unübersehbar verbunden. Die Grundlage des Immaterialgüterrechts erkannte er wie Gierke zukunftweisend im Persönlichkeitsrecht, um dessen Entwicklung und Schutz er sich Verdienste erwarb. Kohlers Monographien, Lehrbücher, Aufsätze und Rezensionen auf den Gebieten etwa des bürgerlichen Rechts, des Straf- und des Völkerrechts, des Zivilprozesses, des Konkurses, der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung füllen lange Regale. Sein Programm einer Universalrechtsgeschichte und Gesamtrechtsvergleichung umfaßte die ganze Jurisprudenz. Es galt ihm, die konkreten Rechtssätze aller Zeiten und Menschen zu sammeln, ihre Ursachen in der Gesamtkultur aufzudecken wie den Einfluß der Rechtssätze auf das gesamte Volksleben zu untersuchen und endlich die Gesetze zu finden, nach denen das Recht entsteht und wirkt. Kohler selbst hat weit ausgegriffen, um diese großartige, doch kaum erfüllbare Konzeption ins Werk zu setzen. Er hat rastlos Quellen und Rechtsdenkmäler aus allen Zeitaltern und Erdteilen gesammelt und bearbeitet. Wenn ihm als einzelnem dabei nicht alles gelingen konnte, weil nur arbeitsteilige Verfahren unterschiedlich gerichteter Forscher zum Ziel führen, so haben seine oft originellen Arbeiten die geschichtliche Rechtsvergleichung doch angeregt und ihre Erforderlichkeit begründet.
Als Rechtsdenker bekannte sich Kohler zum Neuhegelianismus: „Wir entnehmen Hegel die Metaphysik und die Lehre der Entwicklung und diese in ihrer Gestalt als Entwicklung kraft der in der Welt liegenden göttlichen Potenz, so daß dem Naturalismus des Geschehens eine geistige Kraft zu Grunde liegt” (Lehrbuch der Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1917, S. 48). Sein universaler und künstlerischer Geist schuf juristische Werke von wahrhaft literarischem Rang, so etwa das geschichtlich-philosophische Buch „Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz” (2. Aufl. 1919), mit dem er einen Beitrag zur Universalgeschichte des Rechts liefern und das Verständnis ästhetischer Probleme fördern wollte. Kohler ist selbst als Dichter und Komponist hervorgetreten.
Im Weltkrieg verfocht Kohler entschieden die Sache des Kaiserreichs. Der Zusammenbruch traf ihn tief; er hat ihn nicht lange überlebt. Als Autor, wirkungsvoller akademischer Lehrer und als juristischer Gutachter hat Kohler sich um die kulturelle und wirtschaftliche Blüte seines Vaterlandes verdient gemacht.
Nachweis: Bildnachweise: vgl. Lit.

Literatur: Arthur Kohler, Josef Kohler-Bibliographie. Verzeichnis aller Veröffentlichungen und hauptsächlichen Würdigungen. Mit einem Bild Josef Kohlers, 1931 (160 S.).
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