Macke, Peter Ludwig Helmuth 

Geburtsdatum/-ort: 29.06.1891; Krefeld
Sterbedatum/-ort: 08.09.1936;  Gaienhofen
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie:

1897–1906 Volks- und Oberrealschule in Krefeld, ohne Abschluss

1906–1908 Ausbildung an der Krefelder Handwerker- und Kunstgewerbeschule; Bekanntschaft mit Heinrich Campendonk (1889–1957), Walter Giskes, Wilhelm Wieger (1890–1964) und Johan Thorn Prikker (1868–1932)

1908–1910 Ateliergemeinschaft mit Campendonk, Wieger und Giskes in Krefeld; Besuch bei seinem Vetter August Macke in Tegernsee; Bekanntschaft mit Heinrich Nauen (1880–1940)

1910 Abreise aus Tegernsee und Aufenthalte in München, Nürnberg und Berlin; Bekanntschaft mit Franz Marc (1880–1916) und Alexej von Jawlensky (1864–1941)

1911 Aufenthalt bei Franz Marc (1880–1916) in Sindelsdorf; Rückkehr nach Krefeld

1912–1913 Besuch beim Cousin August Macke (1887–1914) in Bonn, Reisen nach Berlin und Kontakt mit den Künstlern der „Brücke“; Besuch bei Nauen auf Schloss Dilborn in Brüggen/Niederrh., Einberufung zum Wehrdienst

1914–1918 Soldat im I. Weltkrieg, eingesetzt an der Westfront; Kriegsmaler; mehrere Verwundungen und Lazarettaufenthalte, letzter Einsatz in Mazedonien

1919–1920 Rückkehr nach Bonn und Bezug eines Wohnateliers

1922–1925 Aufenthalt in Leipzig

1925–1928 Rückkehr nach Krefeld, seit 1926 eigenes Atelier

1929–1930 Rompreis der Villa Massimo und Romaufenthalt; danach in Ascona bei Marianne von Werefkin und Christian Rohlfs; Heirat mit Margarethe in Rom, Wohnung in Anacapri; Ende 1930 wieder Ascona, dort eigenes Atelier

1931 Ausweisung aus der Schweiz als „erwerbsmäßiger Ausländer“ und Rückkehr nach Krefeld

1933 Übersiedlung an den Bodensee nach Hemmenhofen auf der Höri; mit seiner Frau Betrieb der Pension „Alte Mühle“ und zahlr. Kontakte zu Höri-Künstlern

1936 Tod durch Ertrinken im Bodensee nach Bootsunfall

1962 Helmuth-Macke-Straße in Krefeld

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

1930 (Rom) Margarethe, geb. Barth (1890–1973)


Eltern:

Vater: Ludwig (1855–1944), Wirtschaftsprüfer

Mutter: Josephine, geb. Enger (1866–1953)


Geschwister:

2; Mathilde (1895–1989) und Erich (1900–1955)


Kinder:

keine

GND-ID: GND/118575872

Biografie: Andreas Gabelmann (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 364-366

Zeitlebens stand Macke im Schatten seines berühmten Cousins August Macke Gleichwohl gehörte er vor 1914 und in den 1920er Jahren zur Avantgarde des Expressionismus. Anregende Freundschaften mit Franz Marc, Erich Heckel (1883–1970) und Heinrich Campendonk ließen ihn zu einem Protagonisten der frühen Moderne reifen. Sein kurzer Lebensweg verlief zwischen dem Rheinland und Berlin, führte endlich an den Bodensee und lässt viele Höhen und Tiefen, Brüche und Neuanfänge erkennen. Immer auf der Suche nach seinem Weg geriet der Künstler oftmals in tiefe Selbstzweifel. Nach dem tragischen Tod des erst 45-jährigen durch Ertrinken und der Vernichtung von zwei Dritteln seines Werkes im II. Weltkrieg gerieten Person und Schaffen Mackes zunächst in Vergessenheit. Der einstige Akteur aus dem Kreis der Rheinischen Expressionisten um August Macke wurde aber nach seiner Übersiedlung von Krefeld an den Bodensee 1933 inzwischen als ein Meister in der modernen Kunstgeschichte im deutschen Südwesten erkannt.

Macke wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf, sein Vater war Wirtschaftsprüfer, die Mutter, Tochter eines Krefelder Seidenfabrikanten. Er wurde stets in seinem zeichnerischen Talent gefördert. 1906 verließ er auf Anraten seines Zeichenlehrers die Schule, um eine künstlerisch-handwerkliche Ausbildung an der Krefelder Kunstgewerbeschule zu beginnen. Dort empfing er von 1907 bis 1908 als Schüler des reformorientierten Malerprofessors Johan Thorn Prikker entscheidende Impulse für die Erkenntnis der Eigenwertigkeit bildnerischer Ausdrucksmittel. Gefördert wurde Mackes progressive Experimentierfreude mit intensiven Farbkontrasten und einer freien Formensprache vom Austausch mit seinen Studienfreunden Campendonk und Giskes sowie dem zeitgleichen Kontakt mit seinem Vetter August in Bonn. Stilprägende Einflüsse seiner expressiven Bildsprache wurden damals auch durch die vitale Lebendigkeit der Werke der französischen Impressionisten und Nachimpressionisten geformt, denen Macke bei Ausstellungsbesuchen im Rheinland begegnete.

Durch den mehrwöchigen Aufenthalt bei August Macke in Tegernsee kam Macke 1909/10 in Kontakt mit der modernen Münchner Kunstszene um den „Blauen Reiter“. Als sein Vetter nach Bonn zurückging, zog Macke nach Sindelsdorf in Oberbayern und lebte dort zeitweilig in der Wohnung von Franz Marc. Begeistert von den Ideen des „Blauen Reiter“ animierte Macke seinen einstigen Studienfreund Campendonk, ebenfalls dorthin überzusiedeln. Um 1912/14 gehörte Macke zum illustren Künstlerzirkel der Rheinischen Expressionisten um August Macke in Bonn und stand u. a. im Kontakt zu Heinrich Nauen, Max Ernst (1891–1976) und Carlo Mense (1886–1965).

Als Macke nach Berlin aufbrach, um dort seinen Schulabschluss nachzuholen, lernte er die Künstler der „Brücke“ kennen. Seine Wertschätzung für deren kühne Bildschöpfungen spiegelt sich in kristallin gebrochenen, kantigen Bildstrukturen und leuchtenden Farbwerten, die seine kraftvolle Bildsprache um den I. Weltkrieg kennzeichnen. Vor allem mit Heckel verband ihn zeitlebens eine innige Freundschaft. Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) wurde sein Trauzeuge.

In den wirtschaftlich schwierigen 1920er Jahren suchte der stets grüblerisch veranlagte Macke den Neuanfang, kämpfte mit Existenzsorgen. Zusätzlich belasteten ihn der Tod seiner besten Freunde August Macke und Franz Marc im Krieg. Ein Gegengewicht bildete die zunehmende Wertschätzung von Künstlerkollegen, Kunsthistorikern und Sammlern. Macke hatte bereits an wichtigen Ausstellungen teilgenommen: 1912 an der epochalen „Sonderbund-Ausstellung“ in Köln, 1913 an der bedeutenden Schau „Rheinische Expressionisten“ in Bonn. 1921 war er bei der Ausstellung „Krefelder Künstler“ in Krefeld mit 15 Arbeiten vertreten. Er war Mitglied in expressionistischen Künstlerverbänden wie dem „Jungen Rheinland“ und erhielt Aufträge für Porträts und Wandbilder. Sein Motivrepertoire umfasste nun expressiv bewegte Landschaften, ausdrucksvolle Bildnisse sowie Stillleben und Interieurs.

Gegen Ende der 1920er Jahre wandelte sich sein Stil zu einer lyrisch-sachlichen Beruhigung des Dargestellten. Die Verleihung des „Rompreises“ 1929 verbunden mit einem einjährigen Aufenthalt in der dortigen Villa Massimo bedeutete einen Höhepunkt dieser Schaffenszeit. Ende 1930 wurde Ascona vorübergehender Lebensmittelpunkt für den Maler, wo er ein Atelier hatte und Marianne von Werefkin (1860–1938) und Christian Rohlfs (1849–1938) begegnete. Im Frühsommer 1931 wurde Macke aus der Schweiz ausgewiesen, da er keine Arbeitserlaubnis hatte und keine Bilderverkäufe tätigen durfte. Mehrere Versuche, in die Schweiz zurückzukehren, scheiterten.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Macke zusammen mit seiner Frau am Bodensee, wo er im Januar 1933 in dem kleinen Ort Hemmenhofen am Untersee auf der Halbinsel Höri ein direkt am See gelegenes, noch heute erhaltenes altes Fachwerkhaus als Wohnung fand. Der Ortswechsel hatte vor allem praktische Gründe: Die Eheleute mussten aus dem Haus von Campendonk in Krefeld ausziehen, wo sie zuletzt gelebt hatten, und seine Frau, eine gebürtige Stuttgarterin, kannte die Bodenseelandschaft von früheren Aufenthalten und wusste, dass sie dort, abseits großer Städte und nahe der Schweiz, ein kostengünstiges Leben in einer lieblichen Landschaft führen und sich auch wachsendem politischem Druck der NS-Machthaber leichter entziehen könnten.

In dem über 300 Jahre alten Haus, einer ehemalige Mühle, zu der ein Badeplatz und eine Bootsanlegestelle gehörten, richteten die Eheleute an Ostern 1933 eine Pension ein. Die „Alte Mühle“ avancierte schon bald zu einem Künstler-Treffpunkt der Region und zog Kunstschaffende aus dem Rheinland an, die hier eine Anlaufstelle auf ihrer Suche nach neuer Unterkunft wussten. Die entscheidende Vermittlerfunktion übernahm dabei Margarethe Macke Zu den häufigen Gästen der Pension zählten Maria Marc (1876–1955), Oskar Moll (1875–1947), der 1934 u. 1935 mit Malschülern eine „Sommerakademie“ abhielt und Mackes Atelier zum Arbeiten nutzte, sowie Heinrich Nauen und der Dichter Ernst Bacmeister (1874–1971). Der bedeutende Kunsthistoriker Walter Kaesbach (1879-1961), der auch Heckel 1944 zur Ansiedlung auf der Höri animieren sollte, ging seit August 1933 bei Macke ein und aus. Mit seiner finanziellen Unterstützung konnte Macke im Sommer 1934 sein Atelier ausbauen und einrichten.

In der Alten Mühle führte das Ehepaar ein bescheidenes Leben und kümmerte sich um Haus, Garten und Gäste. Bald pflegte Macke freundschaftliche Kontakte zu den Höri-Malern Ferdinand Macketanz (1902–1970), Jean Paul Schmitz (1899–1970), Rudolf Stuckert (1912–2002) und Rosemarie Schnorrenberg (geb. 1926), die wie er aus dem Rheinland an den Untersee gekommen waren. Im Fokus von Mackes künstlerischer Produktion stand nun die fast unberührte Landschaftskulisse am Untersee im Wechsel der Jahreszeiten. In der „so außerordentlich reichen Natur [sah er ein] Stück Gottesfrieden im alten Sinne“ (Brief an Josef Schreiber vom 16.12.1933, Nachlass Schreiber, zit. nach: AKat. Helmuth Macke, Konstanz 2016, S. 152, Anm. 15), das er in zahlreichen Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen festhielt. Auch wenn Macke bis in die 2. Hälfte der 1930er Jahre noch nicht als „entarteter Künstler“ galt, fanden seine Bilder in der ländlichen Umgebung aber kaum Käufer. Zu den wenigen Sammlern seiner Arbeiten gehörte der Obstbauer Paul Weber (1893–1985) aus Bodman, und ein Hemmenhofener Nachbar beauftragte ihn mit der Schaffung des rustikalen Wandbildes „Hl. Georg“, das sich noch heute erhalten hat.

Die besonders in politischer Hinsicht schwierigen Verhältnisse, Geldsorgen und Spannungen in der Ehe, vielleicht auch künstlerische Isolation, ließen Macke wieder in Depressionen geraten, welche die Mitte der 1930er Jahre überschatteten. Als im Spätsommer 1936 eine familiäre Einladung nach Dresden eintraf, ließ Macke seine Frau alleine fahren; er wolle noch den Herbst zum Malen nutzen. Vermutlich durch einem plötzlich aufkommenden Sturm verunglückte der damals 45-jährige mit seinem Ruderboot auf dem Untersee und ertrank. Die genauen Umstände des Todes wurden nie geklärt.

Quellen:

Nachlass im Kunstmuseum Krefeld; A des Museums August-Macke-Haus, Bonn; Dt. KunstA, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bestand Wilhelm Wieger; Archiv Burkhart Leismann, Ahlen; A August Macke im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum Münster; Nachlass Josef Schreiber, Privatbesitz.

Werke: Kunstmuseum Krefeld; Kunstmuseum Bonn; Museum August-Macke-Haus, Bonn; LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster; Kunstmuseum Ahlen; Kunstmuseum Singen.
Nachweis: Bildnachweise: Foto S. 355, Selbstbildnis mit Pfeife (1934), Öl auf Pappe, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster

Literatur:

AKat. Helmuth Macke, Gedächtnisausst., Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1950; AKat. Helmuth Macke. Frühe Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen aus dem Besitz des Kaiser Wilhelm Museums, 1970; Dominik Bartmann, Helmuth Macke, 1980; AKat. Helmuth Macke, Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Städt. Kunstmuseum Bonn u. a., 1984; Briefe von Helmuth Macke an Wilhelm Wieger, in: Klaus Lankheit (Hg.), Franz Marc im Urteil seiner Zeit, 1989; Andrea Hoffmann, Künstler auf der Höri, Zuflucht am Bodensee, 1989; AKat Helmuth Macke, Tektonik der Farbe, August-Macke-Haus Bonn, 1999; Margarethe Jochimsen und Hildegard Reinhardt (Hgg.), Elisabeth Erdmann-Macke, Begegnungen, 2009; AKat Helmuth Macke, Im Dialog mit seinen expressionistischen Künstlerfreunden, Städt. Wessenberg-Galerie Konstanz u. a., 2016.

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