Meistermann, Karl Georg Artur 

Geburtsdatum/-ort: 16.06.1911; Solingen
Sterbedatum/-ort: 12.06.1990; Köln
Beruf/Funktion:
  • (Glas-) Maler, Zeichner, Grafiker
Kurzbiografie:

1917–1930 Volksschule in Solingen, dann Realgymnasium

1930–1933 3 Semester Studium an der Kunstakademie Düsseldorf

1933–1939 freischaffender Künstler

1940 Zeichenlehrer am Solinger Gymnasium

1942–1943 erneut Zeichenlehrer am Solinger Gymnasium

1945 Kulturamtsleiter in Solingen

1949 Übersiedlung nach Köln

1950 Gründungsmitglied des „Dt. Künstlerbundes“; Teilnahme an der 25. Biennale Venedig

1953 Gastdozentur an der Landeskunstschule in Hamburg

1953–1955 Leiter der Klasse für freie Graphik an der Städelschule Frankfurt am Main

1955–1959 Professor für freie und monumentale Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie

1955 Teilnahme an der „documenta“ I

1960–1976 Professur an der Kunstakademie Karlsruhe

1964–1967 Lehrauftrag an der Akad. der Bildenden Künste in München

1967–1972 Präsident des Deutschen Künstlerbundes

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Karl-Osthaus-Preis, Hagen (1949); Blevin-Davis-Preis (1950); Eduard von der Heydt-Preis, Wuppertal (1951); Stefan-Lochner-Medaille, Köln (1952); Großer Kunstpreis des Landes NRW (1955); Das beste Glasbild der Glashütte Mittinger, Darmstadt (1956); Preis für Glasmalerei, Biennale Salzburg (1958); Großes Bundesverdienstkreuz (1959); Solinger Kunstpreis (1974); Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz (1976); Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik mit Stern (1981); Slevogt-Medaille Rheinland-Pfalz (1982); Romano-Guardini-Preis der Katholischen Akademie München (1984); Verdienstorden des Landes NRW (1986); Staatspreis des Landes NRW (1989); Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1990).
Verheiratet:

I. 1941 Emma, geb. Steinkamp, gesch. 1957, Bibliothekarin;

II. 1959 Edeltrud Seeger, geb. Lindner (1906–1999), Psychoanalytikerin


Eltern:

Vater: Georg Artur (1884–1975), Schuhmacher

Mutter: Sofie Emma Wilhelmine, geb. Kaltenhäuser (1884–1952), Hausfrau


Geschwister:

3; Margret, Elisabeth und Anneliese


Kinder:

4 (der 2. Frau); Reiner Claus Bingemer, Karl Buja Bingemer, Künstler, Donate Bingemer, verh. Calleen, und Monika Bingemer, Künstlerin

GND-ID: GND/118580450

Biografie: Liane Wilhelmus (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 389-393

Meistermann wurde als Schuhmacherssohn in Solingen geboren. Sein Vater gehörte ab 1924 der Zentrumsfraktion im Solinger Stadtrat an und saß von 1928 bis 1933 im preußischen Landtag. Das verschaffte der Familie im Heimatort nicht nur Ansehen, es führte den Sohn auch früh an die Politik heran. Nach dem Besuch der Solinger Volksschule wechselte er auf das dortige Realgymnasium. Schon mit zwölf Jahren stand für ihn fest, dass er Maler werden wollte. 1927 entstand sein frühestes noch erhaltenes Gemälde, ein Selbstporträt mit Hut. In seiner Heimatstadt Solingen wurden entscheidende Weichen für Meistermanns künstlerisches Weiterkommen gestellt. Der Direktor der Stadtbücherei vermittelte ihm Kenntnisse über Musik, Oper, Theater und Literatur. Meistermann selbst hielt bereits Vorträge über moderne Kunst an der Solinger Volksschule. Aus einem katholischen Elternhaus stammend studierte er in dieser Zeit eingehend die Bibel, die ihm zum Leitprinzip wurde und durch die NS-Zeit half.

Meistermanns Lehrer Eichenberg und Hufschmidt erkannten früh sein Talent und zeigten seine Arbeiten Heinrich Nauen (1921–1937), Professor für Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie. Im WS 1930 begann Meistermann dort sein nur dreisemestriges Studium, zunächst bei Werner Heuser (1880–1964), dann bei Heinrich Nauen und Ewald Mataré (1887–1965). Bei Mataré, mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verband, lernte Meistermann präzise zu beobachten. Die Zeit an der Akademie wurde entscheidend für sein künstlerisches Wirken, er traf auf ein avantgardistisch geprägtes Umfeld: neben den bereits genannten lehrten dort Paul Klee (1879–1940) und Heinrich Campendonk (1889–1957). In der liturgischen Reformbewegung engagierte Persönlichkeiten wie Robert Grosche (1888–1967) und August Hoff (1892–1971) beeinflussten Meistermanns Entwicklung in der Glasmalerei wesentlich. Verständlich, dass seine frühen malerischen Werke deutlich unter dem Einfluss der damaligen, an Expressionismus und Neuer Sachlichkeit orientierten Düsseldorfer Schule standen. Meistermann besuchte bis zu seinem Ausschluss vom Studium 1933 nur in den Wintersemestern die Akademie, die Sommersemester über verdiente er sich den Lebensunterhalt mit Werbegrafik.

Von 1933 bis 1945 zog sich Meistermann in die „innere Emigration“ zurück; seine Arbeiten wurden früh durch das NS-Regime abgelehnt. Meistermann hatte Studien- und weitgehend auch Malverbot, beteiligte sich bis 1941 nur an wenigen Gruppenausstellungen in Wuppertal, Solingen und in Remscheid, ab 1933 war er als freischaffender Künstler in Solingen tätig, wobei sein dortiger Künstlerfreundeskreis ihm Rückhalt gab. Wegen eines Armleidens wurde er erst 1941 zum Kriegsdienst eingezogen, nach drei Monaten jedoch wieder entlassen. 1940 und erneut von 1942 bis 1943 übernahm er vertretungsweise den Zeichenunterricht am Solinger Gymnasium. Während des Krieges konnte Meistermann durch seine Lehrertätigkeit und den Kriegsdienst nur gelegentlich künstlerisch arbeiten. 1944 wurde sein Frühwerk bei einem Bombenangriff auf Solingen weitestgehend vernichtet. Seine ersten Entwürfe für Glasfenster von St. Engelbert in Solingen-Mangenberg (1939–1943; zerstört) waren wegen ihrer Formensprache abgewiesen worden. Die Erlebnisse im „Dritten Reich“ prägten den Künstler nachhaltig. Deswegen gab er auch seinen Lehrauftrag an der Münchener Akademie der Künste, den er seit 1964 innehatte, drei Jahre später wieder ab, weil der Maler Hermann Kaspar (1904–1986) berufen worden war, der die Neue Berliner Reichskanzlei von Albert Speer künstlerisch ausgestattet hatte.

1937, 1938 und 1939 unternahm Meistermann Reisen nach Frankreich, Holland und England. Während der Pariser Weltausstellung und in Ausstellungen und Museen in Amsterdam und London studierte er vor allem die moderne französische Malerei: Picasso, Braque und Léger, und in Chartres die gotische Architektur und Glasmalerei. Daraus und dank der Auseinandersetzung mit dem Werk des Glasmalers Johan Thorn Prikker (1868–1932) ergaben sich wesentliche Impulse für Meistermanns eigenes glasmalerisches Wirken bis in die Spätzeit hinein. 1939 erhielt er seinen ersten Auftrag in der Kirche St. Engelbert in Solingen- Mangenberg, die dann im Krieg zerstört wurde. Zeitgleich arbeitete er an autonomen Glasbildern. Meistermanns Glasmalereien lassen eine geometrische und symbolische Bildsprache in Anlehnung an Johan Thorn Prikker erkennen. In der traditionsreichen Glaswerkstatt Wilhelm Derix in Kevelaer, die seine Arbeiten bis 1941 ausführte, war Meistermann auf ein der modernen Malerei und Glasmalerei gegenüber aufgeschlossenes Klima getroffen, was seine Entwicklung zur eigenen Formensprache forcierte.

1943 erhielt Meistermann den Auftrag für einen Zyklus in St. Ulrich in Frechen-Buschbell, der ihn ab 1946 vor allem aufgrund von Teilnahmen an Ausstellungen zur christlichen Kunst einem größeren Publikum bekannt machte. Unter dem Eindruck seiner glasmalerischen Arbeiten verfestigten sich auch seine malerischen Bilder: Die Linie und gitterartige Strukturen wurden zu bildkonstituierenden Elementen. Ab 1946 präsentierte er seine Arbeiten, auch glasmalerische, regelmäßig in Einzel- und in Gruppenausstellungen.

1945 wurde Meistermann kurze Zeit Kulturamtsleiter in Solingen, gab diese Tätigkeit aber nach einem halben Jahr wieder auf. Angebote, 1945 in die USA auszuwandern, dort eine Schule zu gründen und 1947 nach Paris zu gehen, lehnte er ab. 1949 zog Meistermann dann auf Zureden des Kölner Kunstsammlers Josef Haubrich (1889–1961) nach Köln um, wo er zeitlebens, anfangs in der Kölner Synagoge auf der Roonstraße, ab 1950 in der Christian-Gau-Straße mit seiner zweiten Ehefrau lebte, die vier Kinder mit in die Ehe gebracht hatte.

Nach 1945 schloss sich Meistermann verschiedenen Künstlervereinigungen an: 1947 war er Gründungsmitglied der Donnerstagsgesellschaft in Alfter bei Bonn, ab 1948 beteiligte er sich an Ausstellungen des Jungen Westens, 1950 war er Gründungsmitglied im wiedergegründeten Deutschen Künstlerbund, dessen Präsident er von 1967 bis 1972 war. Er stand im engen Kontakt und Austausch mit Künstlerkollegen wie Fritz Winter (1905– 1976), E. W. Nay (1902–1968), Hann Trier (1915– 1999), Otto Ritschl (1885–1976), Heinrich Siepmann (1904–2002), Joseph Faßbender (1903– 1974) und Hubert Berke (1908–1979).

Unter dem Eindruck der modernen französischen Malerei und in Kenntnis der nationalen und internationalen Kunst entwickelte Meistermann vor 1950 seine eigene abstrakte Bildsprache, die ihn zu einem der Hauptvertreter abstrakter Malerei in Deutschland werden ließ. Er behielt das verfestigte, prismenartig zerlegte und lineare Formenvokabular bei und beschäftigte sich mit Themen wie Wachstum und Fruchtbarkeit. Um 1950 löste sich dies dann auf, die Bilder lebten nun von biomorphen, organoiden und frei schwebenden, zunehmend von schwingenden Lineaturen umkreisten Farbfeldern. Der Themenkreis erweiterte sich um Motive des Werdens und Vergehens, der Metamorphose, der Visualisierung hinter den Dingen wirkender Kräfte, Befreiung und Fliegen als Urzustände der Natur und des menschlichen Geistes. Religiöse und mythologische Themen hielten Einzug. Mitte der 1950er Jahre wurde die Formensprache erneut fester, geometrische Farbflächen strukturierten den Bildgrund, die Raumtiefe wurde in den Bildern und Glasmalereien ausgelotet. Bilder mit Titeln wie „Grundriss“ scheinen von seinen architekturgebundenen Arbeiten beeinflusst. Von der freien Malerei ausgehend entwickelte Meistermann eine dem Medium und der Zeit adäquate eigenständige glasmalerische Bildsprache.

Anfang der 1950er Jahre entstanden monumentale Glasmalereien, die weltweit für Aufsehen sorgten, so 1952 im WDR-Gebäude in Köln

und in St. Kilian in Schweinfurt 1953. Meistermann rückte als einer der Pioniere einer modernen Glasmalerei ins Licht der Öffentlichkeit. Die 1950er und 1960er Jahre waren Meistermanns schaffensreichste, im profanen wie sakralen Bereich. Jetzt fand er zu einer ganz eigenen, für ihn dann typischen, materialadäquaten Bildsprache. Seine Entwicklung in den glasmalerischen Arbeiten profitierte damals von seiner Malerei. Es gelang Meistermann bereits Anfang der 1950er Jahre, eine abstrakte Bildsprache der Glasmalerei in den sakralen Raum einzuführen. 1956/57 entwarf er für die Heiligkreuzkirche in Bottrop eine monumentale, ungegenständliche Glasmalerei im Sakralraum. Außerdem entstanden monumentale Wandarbeiten, wie 1954 in St. Alfons in Würzburg.

Meistermann arbeitete mit renommierten Architekten zusammen, u. a. mit Rudolf Schwarz (1897–1961), Hans Schädel (1910–1996) und Johannes Krahn (1908–1974). Viele Preise und Auszeichnungen bestätigten den Künstler: im malerischen Bereich der „Blevin Davis-Preis“ 1950 mit dem Ölbild „Der neue Adam“, im glasmalerischen „Das beste Glasbild der Mittinger Hütte“ 1958 und der Preis für Glasmalerei auf der Biennale Salzburg 1959.

1953 begann seine Lehrtätigkeit mit einer Gastdozentur an der Hamburger Landeskunstschule, 1953 bis 1955 ging er als Leiter der Klasse für freie Graphik an die Städelschule in Frankfurt am Main. Von dort folgte er dem Ruf auf die Professur für freie und monumentale Malerei an die Düsseldorfer Kunstakademie (1955–59). 1960 wechselte er nach zweijährigen Verhandlungen an die Kunstakademie Karlsruhe, wo er bis zu seiner Pensionierung 1976 blieb und zeitweise stellvertretender Rektor war. Meistermann wurde als ein in dieser Zeit vorwiegend abstrakt arbeitender Künstler durch den damaligen Ministerialdirigenten im Kultusministerium Wolf Donndorf (1909–1995) und nach Beratung mit dem Präsidenten des Freiburger Kunstvereins, Siegfried Bröse (1895–1984), an die Karlsruher Kunstakademie für die Klasse freie und monumentale Malerei berufen. Die Berufung stand in Zusammenhang mit einer Kulturpolitik Baden-Württembergs, die allgemein an überregionale und internationale Tendenzen heranführen wollte. Die gleiche Richtung hatten bereits Mitte der 1950er Jahre die Berufungen von HAP Grieshaber und Kurt Martin verfolgt, der sich vor allem auch für die Fächer Mosaik, Wand- und Glasmalerei stark machte. Die Bestrebungen des Kultusministers und des Ministerialdirigenten zur Modernisierung waren umstritten. Querelen wurden durch eine Rede Meistermanns zur Ausstellungseröffnung des Künstlerbundes Baden-Württemberg am 16. Oktober 1965 noch befeuert, in der er das Vergabesystem für Kunst am Bau-Aufträge durch das Finanzministerium anprangerte und für eine Entstaatlichung der Kunst sowie die künstlerische Eigenständigkeit, vor allem aber für freie Künstler eintrat. Er äußerte sich damit gegen eine ministerielle Verfügung, dass die Entscheidung über Kunst am Bau an staatlichen Gebäuden dem Finanzminister des Landes und nicht den dafür zuständigen Expertenkommissionen obliegen solle. Für eine autonome Kunst und die Freiheit der Künstler, unabhängig von der Politik, trat Meistermann 1967 bis 1972 auch als Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes ein.

Im Rahmen der Aufbauarbeiten nach dem II. Weltkrieg erhielt Meistermann aus Baden-Württemberg bereits vor seiner Tätigkeit an der Karlsruher Akademie Aufträge für Kunst am Bau. Zahlenmäßig nahmen sie jedoch nach Übernahme der Karlsruher Professur deutlich zu. Einige davon entstanden in Zusammenarbeit mit dem Architekten und Stadtplaner Horst Linde (1912–2016), der ab 1947 Leiter des Baubüros der Universität Freiburg, ab 1951 der Staatlichen Bauverwaltung des Landes Baden im Breisgau und von 1957 bis 1971 Leiter der Hochbauabteilung im Finanzministerium Baden-Württemberg war. Zu nennen sind 1956 die Fenster im Markgrafenbad, heute: Cassiopeia Therme, in Badenweiler, 1957 eine Wandgestaltung mit Betonglasfenster am Institut für Radiologie in Freiburg sowie 1958 Glasfenster in der damaligen Kinder-, heute Chirurgische Klinik in Freiburg und in der evangelischen Stadtkirche in Karlsruhe.

Nach Beginn seiner Lehrtätigkeit kamen mehrere Aufträge in Karlsruhe auf Meistermann zu: 1965 Glasmalereien für die Kunstakademie, für das ehemalige Staatstechnikum, heute: Fachhochschule, und 1975 eine Wandgestaltung im Foyer des Badischen Staatstheaters. Zudem beschäftigte er sich in Karlsruhe mit Gestaltungen in Ton, wie 1960/61 im Relief für die Außenwände des Hörsaals am Institut für Technische Thermodynamik und Kältetechnik am KIT, das in Zusammenarbeit mit der Karlsruher Majolika-Manufaktur entstand.

Auch in anderen Orten des Landes entstanden in dieser Zeit Werke Meistermanns, wie im Rathaus in Rastatt 1963, in St. Fidelis in Stuttgart 1965, in St. Jakobus in Todtnauberg 1968, im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen 1970 und vermehrt noch in den 1980er Jahren, wie in der Christuskirche in Bad Krozingen 1981, in Rottenburg 1983, in der Friedenskirche und im Landratsamt in Biberach 1987/88 und in den Krankenhauskapellen in Riedlingen 1988 und Laupheim 1990.

Aus der Karlsruher Zeit sind u. a. auch Vorträge Meistermanns „Über Kunst“ (1961), „Künstler über Kunst“ und „Die Kunstakademie als Institution“ (beide 1962) sowie „Vom Studium der Kunst“ (1963) herausgegeben worden.

1964 bis 1967 übernahm Meistermann zusätzlich Lehraufträge an der Akademie der Bildenden Künste in München. Während der Lehrtätigkeit und der Zusammenarbeit mit den Architekten weitete sich seit 1953 das Auftragsgebiet seines glas- und wandmalerischen Wirkens deutschlandweit aus.

1973 bezog Meistermann als Ferien- und Wochenenddomizil eine Dorfschule mit Atelier in Schüller in der Eifel. Dort entstanden neben ölmalerischen Arbeiten im sieben Meter hohen Gartenatelier seine späten Glasmalereientwürfe, wie in den 1970er/ 1980er Jahren die umfangreichen Fensterzyklen in Herne (1978–1988), in St. Gereon, Köln (1979– 1986), in Mainz (1984) und in Stolberg-Schevenhütte (1984–1989). Seine Formensprache in den späten Glasmalereien vereint das Spannungsverhältnis von Gegenständlichkeit und Abstraktion, kleinteiliger Polychromie und großzügigen weißgrauen Flächen.

Eine zentrale künstlerische und kunstphilosophische Erkenntnis Meistermanns lautete: „Das Leben des Menschen ist eingehüllt in Farbe.“ (Meistermann, 1967, S. 117) Die Farbe wird zu einem wichtigen Bildmittel in allen Gattungen. Seine malerischen Arbeiten waren geprägt von konturlosen Formen und vibrierenden Farbfeldern, von einer reinen Peinture. Farbe wurde räumlich, psychologisch und optisch ausgelotet, wie in der Reihe der „Fastentücher“ (u. a. Kunsthalle Mannheim). Die Darstellung des Schwebens wurde zu einem zentralen Bildthema, wie auch damit zusammenhängend die Motive der Fittiche und Schwingen sowie des Kreuzmotivs. Seine malerischen Porträts dieser Zeit, auch Politikerbilder, zeigen ein ähnliches Interesse: Meistermann lotete die Bereiche der Gegenständlichkeit und Abstraktion darin aus. Lineare Elemente enthält die Werkreihe der „Spuren“ in den 1980er Jahren. Im Spätwerk seit den 1970er Jahren lässt sich zudem gattungsübergreifend das Interesse an Materialität und haptischen wie optischen Effekten ablesen.

Der aus einem politisch geprägten Elternhaus stammende Künstler zeigte auch früh großes Interesse an der Kulturpolitik und setzte sich für die Belange seiner Kollegen und der Kunst in vielen Vorträgen und Schriften ein. Bereits 1945 trat er für den kritischen Umgang mit dem Kirchenaufbau ein, für den Kunst- und Akademiebetrieb. 1956 engagierte er sich im Deutschen Künstlerbund für eine Hilfsaktion zugunsten ungarischer Intellektueller. Meistermann, auch Initiator der Bundeskunstsammlung unter Willy Brandt (1913–1992), forderte ab 1972 den „Museumsgroschen“ zur Unterstützung der Künstler und die Einführung einer Künstlersozialversicherung. Besonders aber die Anerkennung der Kunst am Bau war Meistermanns Anliegen. Seine kunsttheoretischen und kulturpolitischen Standpunkte trug er in zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen vor, wie „Über die Grundlagen der Malerei“ 1945, „Vom Wahrheitsgehalt der Farbe“ 1966; „Religiöse Magersucht“ 1975 und „Die Stunde Null – Kunst und Kulturpolitik nach 1945“ im Jahr 1989.

Meistermann starb kurz vor seinem 79. Geburtstag an einer Herzerkrankung. Er hinterließ ein umfassendes Oeuvre, das nicht nur aus Malerei, Zeichnung, Grafik, Glas- und Wandmalerei, sondern auch aus Plastik, Keramik, Gobelins sowie zahlreichen Schriften besteht. Seine künstlerische Produktion reichte von auftragsgebundener Glas- und Wandmalerei bis zu freien Arbeiten in Malerei und Grafik, die miteinander und gattungsübergreifend in Wechselwirkung stehen. Sein künstlerisches Arbeiten war geprägt von der Antinomie einer gegenständlichen und abstrakten Bildsprache. Meistermann gilt als einer der Begründer der abstrakten Malerei nach 1945 und war einer der Pioniere der internationalen Glasmalerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der wesentlich zu einer Erneuerung dieser Gattung beigetragen hat.

Quellen:

Deutsches KünstlerA am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Nachlass Meistermann.

Werke: Werkverzeichnisse: K. Ruhrberg/W.Schäfke, Georg Meistermann, Monographie mit Werkverzeichnis, 1990; I. Herold, Georg Meistermann Werkverzeichnis, 1990; L: Wilhelmus, Georg Meistermann Glasmalerei, 2014. – Malerei (Auswahl): Fritz-Winter-Haus Ahlen; Neue Nationalgalerie Berlin; LVR-Landesmuseum Bonn; Museum Kunstpalast Düsseldorf; Folkwang Museum Essen; Sparkasse Essen; Kunsthalle Hamburg; Sprengelmuseum Hannover; Kunsthalle Karlsruhe; Museum Ludwig Köln; Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Sammlung Domnick, Nürtingen; Kunsthalle Recklinghausen; Saarland-Museum, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Saarbrücken; Kunstmuseum Solingen; Museum Wiesbaden; Städtische Galerie im Alten Rathaus, Wittlich. – Monumentalarbeiten (Auswahl): St. Ulrich, Frechen-Buschbell (1943/45); St. Markus, Wittlich (1949); WDR, Köln (1952); Feldkirchen, Neuwied (1952–1979); St. Kilian, Schweinfurt (1953); St. Alfons, Würzburg (1954); Heiliggeistkirche, Bottrop (1956/57); St. Karl Borromäus, Köln (1959); Elisabethkirche, Marburg (1963); Matthiaskirche, Bad Sobernheim (1964/65); Gedächtniskirche Maria Regina Martyrum, Berlin (1964); ZDF Sendezentrum, Mainz (1974).
Nachweis: Bildnachweise: Meistermann, Selbstportrait mit Hut (1927), S. 383. – K. Ruhrberg/W. Schäfke, Georg Meistermann, Monographie mit Werkverzeichnis, 1990, bes. 16 ff.

Literatur:

(Auswahl) C. Linfert, Georg Meistermann, 1958; Georg Meistermann, 1977; C. Pese, Georg Meistermann, Werke und Dokumente, 1981; F. Hofmann/K. Ruhrberg, Die Kirchenfenster, 1986; K. Ruhrberg/W. Schäfke, Georg Meistermann, Monographie mit Werkverzeichnis, 1990 (darin:); J. M. Calleen, Georg Meistermann in St. Gereon zu Köln 1993; R. Melcher, Georg Meistermann die 50er Jahre, 2007; J.M. Calleen/R. Jessewitsch, Das Leben des Menschen ist eingehüllt in Farbe, 2011; L. Wilhelmus, Georg Meistermann. Das glasmalerische Werk, 2014.

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