Speidel, Hans 

Geburtsdatum/-ort: 28.10.1897;  Metzingen
Sterbedatum/-ort: 28.11.1984; Bad Honnef
Beruf/Funktion:
  • General
Kurzbiografie:

1914 XI 30 Nach Notabitur Eintritt in den Militärdienst

1925 II 14 Nebenberufliche Promotion an der Universität Tübingen

1930 X 1 Nach Generalstabsausbildung Referent für Westeuropa, Abt. Fremde Heere im Truppenamt

1933 X 1–1935 IX 30 Gehilfe des Militärattachés an der Deutschen Botschaft in Paris

1940 VIII 1–1942 III 25 Chef der Kommandostabs der Militärbefehlshabers Frankreich

1944 IV 15–1944 IX 5 Chef der Generalstabs der Heeresgruppe B und Erwin Rommel und Günther von Kluge

1944 IX 7–1945 IV 29 Inhaftiert

1947 XI 25–1978 III 1 Beirat des (entstehenden) Instituts für Zeitgeschichte in München

1951 I 9–1955 VII 31 Sicherheitspolitischer Berater und Vertreter der Bundesregierung für die Wiederbewaffnung

1955 XI 22 Ernennung zum Abteilungsleiter Gesamtstreitkräfte im Bundesverteidigungsministerium

1957 IV 1–1963 IX 30 Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa

1964 XI 3–1978 XII 31 Präsident des Stiftungsrates der Stiftung Wissenschaft und Politik

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: (Auswahl): EK I (1917); Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens (1917); Ritterkreuz des EK (1944); Kommandeurskreuz der Ehrenlegion (1961); Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1963); Prof. h. c. (1971); Ehrenbürger von Metzingen (1972); Bayerischer Verdienstorden (1974).
Verheiratet:

1925 (Karlsruhe) Ruth, geb. Stahl (1903–1990)


Eltern:

Vater: Emil (1859–1938), Oberforstrat

Mutter: Amalie, geb. von Klipstein (1869–1952)


Geschwister:

2; Wilhelm (1895–1970), General, und Charlotte Julie, verh. von Schubert (1906–2008)


Kinder:

3; Ina Rose, verh. Saame (geb. 1927), Christa Ute, verh. Brunner (geb. 1932) und Hans Helmut (geb. 1938)

GND-ID: GND/118616013

Biografie: Christopher Dowe (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 520-524

Die Herkunft aus dem württembergischen Bildungsbürgertum prägte den Lebensweg von Speidel, der in vier deutschen Armeen und in der NATO diente. Ein bildungsbürgerlicher Habitus, das Spiel mit den „feinen Unterschieden“ (Pierre Bourdieu), breite kulturelle Interessen und souveräne Beherrschung bürgerlicher Techniken der Netzwerkpflege ermöglichten es ihm, immer auch ein Leben jenseits des Nur-Militärischen zu führen. 1897 in Metzingen geboren wuchs Speidel seit 1902 in Stuttgart auf. Nationalliberale Grundhaltung, große Wertschätzung für König Wilhelm II. und kulturelle Offenheit bestimmten die Atmosphäre im Elternhaus. Das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium vermittelte ihm humanistische Bildung und Zugänge zur Kultur der wilhelminischen Zeit.

Speidel trat nach einem Notabitur Ende November 1914 in das Grenadier-Regiment König Karl ein. Ab April 1915 war er im Fronteinsatz an der Westfront, wurde mehrfach ausgezeichnet und befördert und erlebte das Kriegsende an der Maas. Er zählte zu den wenigen Soldaten, die nach Kriegsende in die Reichswehr übernommen wurden. An der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik wirkte er als Mitglied eines Organisationsstabes mit. Ab Spätsommer 1919 besuchte Speidel neben seinem Dienst in Stuttgart, später Ludwigsburg und der Vorbereitung auf die Generalstabsausbildung geisteswissenschaftliche Vorlesungen an der TH Stuttgart und der Universität Tübingen. Seine Tübinger Promotion in Geschichte 1925 verglich die politische, militärische und wirtschaftliche Situation in Deutschland um 1813 mit der Lage im Jahr 1924. 1923 übernahm Speidel Sonderaufträge bei der Reichsexekution gegen Sachsen und Thüringen und in Bayern. Neben dem Aufbau weitreichender militärischer Netzwerke pflegte Speidel engen Kontakt zur Stuttgarter Kulturszene.

1929 nach Berlin versetzt schloss Speidel die Generalstabsausbildung ab. Nach einem Sprachaufenthalt in Frankreich war er ab Oktober 1930 in der Abteilung Fremde Heere des Truppenamtes für die Bewertung der Militärpolitik westeuropäischer Länder zuständig. Enge Kontakte zum Auswärtigen Amt waren die Folge. Auch kulturell vernetzte sich Speidel in Berlin weiter.

Von Oktober 1933 bis Herbst 1935 pflegte er als Gehilfe des Militärattachés an der deutschen Botschaft in Paris dienstlich Beziehungen zu französischen Behörden, Militärs und dem Diplomatischen Corps und genoss das kulturelle und gesellschaftliche Leben. An zahlreiche Kontakte knüpfte er im II. Weltkrieg und nach 1945 wieder an. Ein konservatives Staats- und Weltbild vertretend schwankte Speidel nach 1933 zwischen fehlender Begeisterung, Distanz und punktueller Ablehnung des Nationalsozialismus; dienstlich diente er engagiert dem NS-Regime.

Ab Oktober 1936 Leiter der Abteilung Fremde Heere West im Generalstab des Heeres unter Ludwig Beck (1880–1944), betonte Speidel den Defensivcharakter der französischen Militärpolitik und warb für den Interessenausgleich. Er gewann die Wertschätzung des Generalstabschefs, ohne in dessen oppositionelle Überlegungen eingeweiht zu werden. Seit Oktober 1937 im Truppendienst steuerte Speidel im Mai 1940 als I. Generalstabsoffizier den Vorstoß des IX. Armeekorps bis Dünkirchen. Vom 14. Juni 1940 an baute er die Stäbe des Militärbefehlshabers Frankreich auf. Als Chef des Kommandostabs war er den wenigen seiner Dienststelle unterstellten militärischen Einheiten vorgesetzt. Maßgeblich durch Speidels Personalpolitik bestimmt bestanden die Stäbe des Militärbefehlshabers Frankreich aus einer „relativ homogene[n] Gruppe, deren Habitus durch elitären Konservatismus, eine aus intellektueller Verachtung, sozialer Arroganz und politischer Gegnerschaft zusammengesetzte Distanz zu Hitler und den „Parteileuten“ sowie einen deutschnational durchwirkten Patriotismus geprägt“ war (Herbert, 1998, S. 174). Speidel ließ den Schriftsteller Ernst Jünger in seinen Stab versetzen und versammelte um diesen einen privaten Kreis, die „Georgsrunde“, die Raum für Trinkgelage, Kulturelles und Kritik am NS-Regime bot.

Ab September 1940 war der Militärbefehlshaber Frankreich zusammen mit der deutschen Botschaft in Paris treibende Kraft bei der Einführung antisemitischer Regelungen im besetzten Frankreich. Diese Maßnahmen fielen überwiegend in die Zuständigkeit des Verwaltungsstabes; der Chef des Kommandostabs Speidel beteiligte sich mit vorbereitenden und ergänzenden Befehlen, die die Rückkehr von aus den deutsch besetzten Gebieten Frankreichs geflohenen Juden verhindern sollten. Während der systematische Raub französischer Kulturgüter und jüdischen Besitzes durch deutsche Dienststellen schon 1940 auf Ablehnung bei Speidel und anderen Pariser Offizieren stießen, hatten die konservativen Militärs solange keine Bedenken gegen die von ihnen eingeleitete und veranlasste antisemitische Politik, wie diese mit Sicherheitsaspekten begründbar blieb und wegen des auch in Frankreich verbreiteten Antisemitismus’ keine größeren Proteste provozierte. Referenzpunkt für die Militärs war die damals diskutierte zwangsweise Ansiedlung von europäischen Juden in Madagaskar.

Im Sommer 1941 begann eine neue Phase der Besatzungspolitik in Frankreich, die Speidel und andere Pariser Kameraden in Konfrontation mit Hitler und der Wehrmachtsführung führten. Nach zahlreichen Attentaten auf deutsche Besatzer bestand Hitler auf Massenerschießungen französischer Geiseln. Mit dem Militärbefehlshaber und seinen Stäben versuchte Speidel, die Zahl der zu Erschießenden möglichst gering zu halten, auch um keine neuen Widerstandshandlungen zu provozieren. Auf den Vorschlag des Militärbefehlshabers von Herbst 1941, statt Massenerschießungen größere Gruppen schon inhaftierter Kommunisten und Juden aus Frankreich nach Osten zu deportieren, reagierten Hitler und Keitel (1882–1946) mit dem Befehl, beides parallel durchführen. Mit ihrem Deporationsvorschlag hatten die Besatzungsoffiziere in Paris, ohne das zu überschauen, einen Beitrag zur Realisierung des Holocausts geleistet. Im November 1941 erhielten sie erste Informationen über Massenerschießungen von Gefangenen und der jüdischer Bevölkerung im Osten: die erste Phase des Holocausts.

Parallel zu den innermilitärischen Konflikten gewann das Reichssicherheitshauptamt auf Kosten des Militärbefehlshabers Frankreich Einfluss auf die dortige Besatzungspolitik, so dass Speidels Vorgesetzter General Otto von Stülpnagel (1886–1944) Mitte Februar 1942 unter Protest als Militärbefehlshaber Frankreich zurücktrat. Speidel wechselte wenige Wochen später an die Ostfront. Da Speidel die Geiselerschießungen strikt ablehnte, an deren befohlener Umsetzung er dennoch mitwirken musste, hatte er im Oktober 1941 Ernst Jünger beauftragt, heimlich das deutsche Vorgehen und die Verantwortlichkeiten zu dokumentieren. Unabhängig von der Geiselthematik ordnete Speidel Ende August 1941 für den Fall von Unruhen im besetzten Frankreich an, bei einer Niederkämpfung möglicher größerer Aufstände „keinerlei Rücksicht auf politische und menschliche Gesichtspunkte zu nehmen“ (Lieb, 2007, S. 259).

Im April 1942 tauschte sich Speidel auf dem Weg zu seiner neuen Verwendung als Stabschef des V. Armeekorps über die besorgniserregende militärische Lage mit dem ehemaligen Generalstabschef Ludwig Beck aus, der zum strikten Gegner Hitlers geworden war. Von einer Beteiligung Speidels an Kriegsverbrechen an der Ostfront ist nichts bekannt. In den Kämpfen um Charkow im Februar 1943 erwies sich Speidel indes als Offizier, der militärisch nicht sinnvolle Durchhaltebefehle Hitlers durchzusetzen suchte, während sich SS-Generäle den Weisungen widersetzten, ein Vorgehen, das Speidel in seinen Erinnerungen von 1977 ins Gegenteil verkehrte.

Mitte April 1944 wurde Speidel Chef des Generalstabs der Heeresgruppe B unter Erwin Rommel. Es galt, eine Invasion der Alliierten in Frankreich zu verhindern. Der Stuttgarter NS-Oberbürgermeister Karl Ströhlin knüpfte ab April an ältere Kontakte an, um sich vertraulich mit Speidel, Rommel und Constantin von Neurath über die aussichtslos erscheinende Lage auszutauschen. Belastbare Quellen zu den Inhalten dieser Gespräche gibt es nicht. Nach dem Krieg rückte sich Speidel unter Berufung auf die Gespräche mit Ströhlin, der Kontakt zu Carl Goerdeler (1884–1945) hatte, an die Umsturzbewegung des 20. Juli heran und versuchte, Ströhlin in dessen Entnazifizierungsverfahren zu entlasten.

Speidels Verhältnis zur Umsturzbewegung des 20. Juli ist untrennbar mit der bis heute umstrittenen Beziehung Rommels zum Wiederstand verknüpft, prägte Speidels Schicksal nach dem 20. Juli und spielte in seiner steilen Nachkriegskarriere eine zentrale Rolle. Inwieweit Speidel in Vorbereitungen zum 20. Juli eingeweiht war, ist unklar. Zeitgenössische Quellen fehlen, Erinnerungsberichte aus der Zeit nach Kriegsende zeichnen unterschiedliche Bilder und beeinflussten sich zum Teil wechselseitig. Zudem hat Speidel nach 1945 gezielt versucht, massiv Einfluss zu nehmen und seine sich je nach Interessenlage wandelnde Sicht öffentlich durchzusetzen. Unter sorgfältiger Berücksichtigung der schwierigen Überlieferungslage sieht die neueste Forschung Rommel mindestens am Rande, wenn nicht als Teil der Umsturzbewegung. Es spricht vieles dafür, dass Rommel im Sommer 1944 heimlich eine bedingungslose deutsche Kapitulation an der Westfront vorbereitete und Speidel ihn darin unterstützte. Rommel dürfte am 9. Juli 1944 dem Verbindungsmann zwischen der Pariser und der Berliner Teilgruppe der Umsturzbewegung des 20. Juli, Cäsar von Hofacker, seine Unterstützung zugesagt zu haben. Die mehrfache Verschiebung des eigentlich um den 10. Juli vorgesehenen Umsturzversuchs und Rommels schwere Verwundung am 17. Juli 1944 machten Absprachen beider obsolet. Als am 20. Juli 1944 die Umsturzplanungen in Paris von den dortigen Verschwörern um Carl Heinrich von Stülpnagel und Cäsar von Hofacker konsequent umgesetzt und SS und SD in Paris inhaftiert wurden, wurde Speidel nicht in das Widerstandshandeln einbezogen; er blieb abwartender Beobachter. Am Abend des 20. Juli war er zeitweise bei Gesprächen anwesend, in denen von Hofacker und von Stülpnagel vergeblich versuchten, Speidels neuen Vorgesetzten Günther von Kluge (1882–1944) für den Umsturz zu gewinnen. Zukünftige Befragungen und Verhöre erwartend stimmte Speidel in den folgenden Tagen seine Aussagen mit anderen Augenzeugen ab, um sich und andere nicht zu belasten. Trotz Folter verrieten die inhaftierten von Hofacker und von Stülpnagel ihre Mitverschwörer in Frankreich nicht an die Gestapo.

Speidel wurde am 7. September verhaftet, nachdem sich sein Vorgesetzter von Kluge einem Zugriff durch Selbsttötung entzogen hatte und die Ermittler nach Machtkämpfen in der NS-Bewegung sich auf Kluges Vorgänger Rommel konzentriert hatten. Das weitere Schicksal Speidels spricht dagegen, dass er wesentliche Rommel belastende Aussagen machte. Der Ehrenhof der Wehrmacht schloss ihn nach kontroverser Diskussion nicht aus der Armee aus und verhinderte so ein Verfahren vor dem Volksgerichtshof. Auf Anweisung des Leiters des Reichssicherheitshauptamtes erhielt Speidel über Weihnachten 1944 sogar Hafturlaub. Bis Kriegsende blieb er in Haft. Ende April 1945 wurde Speidel zusammen mit anderen teilweise aus dem Ausland stammenden Gefangenen in Urnau von französischen Truppen befreit. Dass er den kommandierenden französischen General aus seiner Zeit in Frankreich kannte, erleichterte seinen Übergang in die Nachkriegszeit.

Alte württembergische und deutsche militärische Netzwerke nutzte Speidel in den folgenden Jahren intensiv. Für Württemberg-Hohenzollern wirkte er als sicherheitspolitischer Berater. Im Laupheimer Kreis traf er Vertreter der Eliten der französischen Zone, um über konservative Ordnungsmodelle für Staat und Gesellschaft zu diskutieren und spätestens ab Frühjahr 1947 war Speidel Teil der Netzwerke ehemaliger deutscher Generäle, die im Rahmen der „Historical Division“ für die Amerikaner Erfahrungsberichte über den Krieg schrieben. Zudem zählte er spätestens ab 1949 zu den „Sonderverbindungen“ der Organisation Gehlen, einem von den Amerikanern finanzierten Geheimdienst mit deutschen Mitarbeitern. Diese doppelte Einbindung ermöglichte es Speidel, ab 1950 zusammen mit den ehemaligen Generälen Adolf Heusinger (1897–1982) und Hermann Foertsch (1895–1961) die militärfachlichen Schlüsselpositionen beim Aufbau der Bundeswehr und ihrer sicherheitspolitischen Einbindung in das westliche Bündnis zu besetzen. Speidel wirkte dabei auch als Lobbyist ehemaliger Wehrmachtsgeneräle und erreichte, dass deutsche Politiker und führende US-Amerikaner ehemaligen deutschen Generälen neue berufliche Perspektiven in einer aufzubauenden Armee eröffneten und in Ehrenerklärungen den Mythos der „reinen Wehrmacht“ beschworen. Speidel zählte zu denjenigen Offizieren, die die Beteiligung einzelner Wehrmachtsangehöriger an angeblich wenigen Kriegsverbrechen nicht leugneten und die auch den militärischen Widerstand als zu respektierenden Teil der Wehrmacht und nicht als Verräter betrachteten. Rommel und Beck dienten ihm variabel gedeutet als öffentlich beschworene Vorbilder militärischen Handelns.

Seit 1950 eine atlantische Einbindung westdeutscher Streitkräfte bevorzugend verhandelte Speidel für die Bundesregierung als eine Art Militärdiplomat in Paris flexibel die geplante Bildung westeuropäischer Streitkräfte und realisierte nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die von ihm präferierte NATO-Integration der entstehenden Bundeswehr. Zunächst ab 1955 als Abteilungsleiter Gesamtstreitkräfte im Bundesverteidigungsministerium führte Speidel ab April 1957 für die NATO von Frankreich aus als ranghöchster deutscher Soldat die verbündeten Landstreitkräfte Europa Mitte. Dabei inszenierte er sich als Militärdiplomat und weltoffener Bildungsbürger, der ein anderes, nichtnationalsozialistisches Deutschland verkörpern wollte.

Mit der Rolle der Wehrmacht im NS-Regime wurde Speidel öffentlich nach 1945 immer wieder konfrontiert. Sein Bruder Wilhelm, für den er sich unermüdlich einsetzte, war als General in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse wegen Kriegsverbrechen zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden. In Frankreich stießen sich Präsident Charles de Gaulle wie Teile der Gesellschaft an Speidels Rolle in der Besatzungsverwaltung während des II. Weltkrieges, während andere den deutschen Bildungsbürger hofierten. Auch in Norwegen gab es Proteste gegen Speidel, während die SED-Propaganda mit Fälschungen den NATO-General zu diskreditieren suchte. Vehemente Rücktrittsforderungen de Gaulles und innerdeutsche Auseinandersetzungen um eine atlantische oder gaullistische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik begleiteten Speidels letzte Dienstjahre. Als Ergebnis des Streites um seine Person wurde er im Oktober 1963 noch Sondergesandter der Bundesregierung für Fragen der atlantischen Verteidigung, bis er Ende März 1964 offiziell aus dem aktiven Militärdienst ausschied.

Bevor Speidel nach 1945 wieder eine militärische Laufbahn einschlug, hatte er – ähnlich seinem Vater – noch eine akademische Karriere in Aussicht genommen. 1948 erhielt er einen Forschungsauftrag der Regierung Württemberg-Hohenzollerns zur jüngsten Zeitgeschichte. Ab 1949 boten ihm Lehrveranstaltungen an der Universität Tübingen die Möglichkeit, für seine Vorstellungen von Sicherheitspolitik und jüngster Zeitgeschichte zu werben. Von der Regierung Württemberg-Hohenzollerns im November 1947 in den Beirat des entstehenden Instituts für Zeitgeschichte entsandt entschied Speidel über zahlreiche Forschungs- und Publikationsprojekte zur NS-Zeit mit und beeinflusste als Gutachter und autoritativer Zeitzeuge bis 1978 Inhalte von Veröffentlichungen zu Nationalsozialismus und Wehrmacht.

Ehrungen und scharfe öffentliche Kritik begleiteten Speidels letzte Lebensjahre nach Erscheinen seiner Memoiren und polemischen Angriffen des Holocaust-Leugners David Irving. Nach einem Schlaganfall starb er im Alter von 87 Jahren. Einer großer Trauerfeier mit Bundespräsident in Bad Honnef folgte im kleinen Kreise die Beisetzung auf dem Stuttgarter Pragfriedhof.

Quellen:

Nachlass im Familienbesitz.

Werke: (Auswahl): 1813/1924. Eine militärpolitische Untersuchung, Diss. phil. Tübingen, 1925; Invasion 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal, 1949; (Hg.) Ludwig Beck. Studien, 1955; August Graf von Gneisenau, in: Große Deutsche II, 1956, 433–442; Ludwig Beck, ebd. IV, 1957, 564–571; Gedanken zur Verteidigung Europas, in: Schweizer Militärhist. Hefte 44, 1964, 497–504; Ludwig Beck. Porträt eines großen Deutschen, ebd. 46, 1966/67, 307–319; Kultur und Menschenführung, in: Macht und Ohnmacht des Politischen. FS zum 70. Geburtstag von Michael Freund, 1967, 102–110; Zeitbetrachtungen. Ausgewählte Reden und Aufsätze, 1969; Gedanken zum antiken und modernen Feldherrentum, in: Das Altertum und jedes neue Gute. FS für Wolfgang Schadewaldt zum 15. 3. 1970, 1970, 357–366; Aus unserer Zeit. Erinnerungen, 1977.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca. 1944), BA Bild 146–2004–0024.

Literatur:

(Auswahl): MGFA (Hg.), Die Anfänge der westdeutschen Sicherheitspolitik 1945 –1956, 4 Bde., 1982–1997; Ulrich Herbert, Die deutsche Militärverwaltung in Paris und der Deportation der französischen Juden, in: ders. (Hg.), NS-Vernichtungspolitik 1939 –1945, 1995, 170–208; Elmar Krautkrämer, Generalleutnant Hans Speidel, in: Gerd R. Ueberschär (Hg.), Hitlers mil. Elite II, 1998, 245–255; Ahlrich Meyer, Täter im Verhör, 2005; Peter Lieb, Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg, 2007; Hermann Frank Meyer, Blutiges Edelweiß, 2008; Dieter Krüger, Speidel, Hans, in: NDB 24, 2010, 648–649; Peter Lieb, Erwin Rommel, in VfZG 61, 2013, 303–343; Lars Lüdecke, Constantin von Neurath, 2014; Dieter Krüger, Hans Speidel und Ernst Jünger, 2016; Christopher Dowe/Cornelia Hecht, Von Mythen, Legenden und Manipulationen, in: Haus der Gesch. Baden-Württemberg (Hg.), Verräter? Vorbilder? Verbrecher?, 2016, 129–160; Agilolf Keßelring, Die Organisation Gehlen und der Neuformierung des Militärs in der Bundesrepublik, 2017.

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