Baum, Julius 

Geburtsdatum/-ort: 09.04.1882; Wiesbaden
Sterbedatum/-ort: 27.10.1959;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Kunsthistoriker, I. Direktor des Museums der Stadt Ulm, dann der Landeskunstsammlungen Stuttgart, Verfolgter des NS-Regimes
Kurzbiografie:

18911900 Humanistisches Gymnasium Wiesbaden bis Abitur

19001905 Studium der Kunstgeschichte an den Universitäten München, Berlin und Tübingen mit Abschluss Promotion bei Konrad Lange (1855–1921): „Die Kirchen des Baumeisters Heinrich Schickhardt (1558–1634)“

19051907 Studium der klassischen Archäologie in München

19081914 Kustos und Denkmalpfleger an d. Staatssammlung für vaterländische Kunst- und Altertumsdenkmale in Stuttgart

1912 Habilitation an der TH Stuttgart bei Heinrich Weizsäcker (1862–1945): „Ulmer Plastik um 1500“

19141918 Kriegsfreiwilliger im I. Weltkrieg, ab 1917 Unteroffizier und Sachverständiger für Kunstschutz in Belgien

seit 1919 außerordentlicher Professor für mittelalterliche Kunstgeschichte an der TH Stuttgart

ab 1922 am Württembergischen Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart, Lehrauftrag an der Kunstakademie Stuttgart, ab 1925 an d. TH Stuttgart

19241933 Direktor des Museums der Stadt Ulm, das am 4. Oktober 1925 neu eröffnet wurde

1933 III 181934 II 1 Beurlaubung als Museumsleiter; im Herbst Umzug nach Stuttgart-Degerloch; 1934 Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand

1938 XI 11 Verhaftung in der Pogromnacht, 4 Wochen „Schutzhaft“ im KZ Welzheim

19391946 mit Familie im Exil in Bern, CH; 1941 Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und der Versorgungsansprüche

1946 X auf Einladung von Theodor Heuss (Baden-Württembergische Biographien I, S. 136) Rückkehr nach Deutschland

1947 XII1952 Direktor der Landeskunstsammlungen Stuttgart; Honorarprofessor an der TH Stuttgart; Leitung des Wiederaufbaus des Alten Schlosses und Rückführung der ausgelagerten Bestände ins Landesmuseum

Weitere Angaben zur Person: Religion: bis 1907 israelitisch, seit 1918 evangelisch
Auszeichnungen: Charlottenkreuz für im Krieg erworbene Verdienste (1917); Medaille zum 40. Geburtstag (1922); Ehrenkreuz für Frontkämpfer (1934); Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1952)
Verheiratet:

1929 (München) Emma, geb. Gruner (1893–1970)


Eltern:

Vater: Hermann (1850–1914), Teilhaber der Firma Nassauische Leinenindustrie Joseph Maier Baum

Mutter: Julia Anna, geb. Bloch (1859–1911), Pianistin


Geschwister:

2; Elisabeth (1886–1966?) und Franz Maximilian (1888–1982), Maler


Kinder:

2; Konrat (1929–1997) und Gertrud (geb. 1930).

GND-ID: GND/118657623

Biografie: Myrah Adams (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 20-25

Baum entstammte einer wohlhabenden jüdischen Fabrikantenfamilie, die sich seit 1847 Baum nannte. Nach ihrer Übersiedlung ins nahe Wiesbaden 1863 konzentrierte sich die Firma auf Textilproduktion und -handel und wurde zu einem erfolgreichen Unternehmen. Baums Vater war Teilhaber. Ihm gelang der Aufstieg ins Besitz- und Bildungsbürgertum. Baums Mutter stammte aus einer wohlhabenden Kaufmanns- und Weingärtnerfamilie in Edenkoben.

Baum war das älteste von drei Kindern. Die weitgehend assimilierte Familie gehörte zur liberalen Israelitischen Einheitsgemeinde der Stadt. Er besuchte das Wiesbadener humanistische Gymnasium, eine Simultanschule für christliche und jüdische Schüler, bis zum Abitur. Dank seiner Familie konnte er statt einer kaufmännischen die Laufbahn eines Kunsthistorikers einschlagen. Beim Studium löste er sich vom liberal-jüdischen Elternhaus. Er ließ sich 1918 taufen und wurde Mitglied der evangelischen Bergkirchengemeinde in Wiesbaden. In der Entscheidung für die Konversion wurde Baum vielleicht durch die Beschäftigung mit christlich-abendländischer Kunst bestärkt, entscheidender aber waren wohl antisemitische Anfeindungen und gewiss pragmatische Überlegungen für seine Karriere.

Ab 1900 studierte Baum u. a. neben Kunstgeschichte die Fächer Geschichte, Landeskunde, Geologie, Religionsphilosophie und Literaturgeschichte. In Kunstgeschichte lernte er von namhaften Professoren wie Heinrich Wölfflin (1864–1945) und Karl Voll (1867–1917). Schließlich ging er zu Konrad Lange nach Tübingen und promovierte über Heinrich Schickhardt. Zusammen mit Baums Publikation über Elias Holl (1573–1646) von 1908 bildet diese Arbeit den Grundstock einer Geschichte der deutschen Renaissancearchitektur. Danach absolvierte Baum ein Studium der klassischen Archäologie bei Adolph Furtwängler (1853–1907) in München und unternahm ausgedehnte Studienreisen ins Ausland.

Seine erste Stelle trat er 1908 in Stuttgart in der Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale an, woraus das Landesmuseum wurde. Dazu gehörte auch die Tätigkeit am Landeskonservatorium, heute: Landesdenkmalamt. Baum lag an der Dokumentation und Erhaltung der heimatlichen Kunstdenkmäler; er stand dem Heimatschutzgedanken nahe und wurde früh Mitglied im „Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern“, den sein Doktorvater Lange 1909 mitgegründet hatte. 1908 gab Baum zusammen mit Peter Goessler (1872–1956) den Museumsführer der Staatssammlung Stuttgart heraus. Baums erste große selbstständige Publikation mit dem Titel „Ulmer Plastik um 1500“ erschien 1911 und machte ihn im Fach bekannt. Ein Jahr später habilitierte er sich damit an der TH Stuttgart bei Heinrich Weizsäcker und wurde Privatdozent.

Wie der Gemäldekenner Weizsäcker beschäftigte Baum sich vor dem I. Weltkrieg bereits auch mit der Moderne. Zur Großen Kunstausstellung Stuttgart, die 1913 stattfand, erschien die aufwändige Publikation „Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart“. Baum setzte sich für Theodor Fischer ein, den Architekten der 1907 erbauten Pfullinger Hallen wie auch des umstrittenen, 1909 bis 1913 entstandenen Kunstgebäudes am Stuttgarter Schlossplatz. Er schrieb über die Hölzel-Schule und befasste sich mit Willy Baumeister und Ida Kerkovius (1879–1970). Gegenüber allem Neuen in der Kunst zeigte Baum größte Offenheit.

Wie die meisten assimilierten Juden waren auch Baum und seine Familie deutschnational und streng patriotisch eingestellt. Bei Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig. Im Oktober 1914 nahm er als Frontkämpfer an der Schlacht an der Yser teil. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er danach frontuntauglich und als Gefreiter, dann Unteroffizier den Kraftfahrsanitätstruppen zugeteilt.

Auch damals publizierte Baum weiter. In den von der deutschen Armee besetzten Gebieten im Westen fand durch deutsche Wissenschaftler eine durch Baum angeregte, breit angelegte Bestandsaufnahme belgischer Kunstdenkmäler statt, die dem Vorwurf des deutschen Vandalismus entgegenwirken sollte. Vom Sommer 1917 bis 1918 war Baum als Kunstsachverständiger für die Provinzen Limburg und Lüttich zuständig. Daraus entstanden bis 1923 zwei Bände „Belgische Kunstdenkmäler“. Baum stand bis Ende 1918 unter Waffen.

Nach dem I. Weltkrieg setzte er seine Laufbahn in Stuttgart fort. Als Konservator bei der württembergischen Denkmalpflege unternahm er von 1922 bis 1924 eine systematische Bestandsaufnahme der Kunstdenkmäler in den Oberämtern Biberach, Blaubeuren, Geislingen und Münsingen. Ab 1922 war er auch für die Landeskunstsammlungen zuständig und tätigte mit der Hilfe seiner Freunde Robert Bosch und Ernst Louis Laiblin (1861–1927) wichtige Ankäufe.

Selbst Sammler war Baum kein Gelehrter im Elfenbeinturm, sondern suchte den Kontakt. Vermittlung von Kunst hatte für ihn zentrale Bedeutung. Er schrieb für unterschiedliche Zielgruppen: wissenschaftliche Werke für Fachkreise, Zeitschriftenartikel und Bildbände für Laien, hielt Vorträge und leitete Exkursionen. Im Auftrag des Gründers der Volksbildungsbewegung Theodor Bäuerle (1882–1956) baute er ab 1921 die kunstpädagogische Abteilung der Stuttgarter Volksbildungsanstalten auf und stellte Graphiken schwäbischer Künstler aus. Seit 1908 unterrichtete er an der Württembergischen Kunstgewerbeschule, seit 1912 an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Wie seit seiner Habilitation lehrte Baum auch nach dem I. Weltkrieg am kunsthistorischen Institut der TH Stuttgart. Nach Weizsäckers Rücktritt wurde er dort außerordentlicher Professor für Kunstgeschichte und blieb es auch während seiner Ulmer Zeit.

Ende 1923 wählte der Ulmer Gemeinderat unter 60 Bewerbern Baum zum Leiter des Städtischen Museums. Baum zog nach Ulm, überwachte ab April 1924 als Direktor des Museums den Umbau der Räume im historischen Kiechelhaus und ordnete die vielfältigen Bestände aus dem Gewerbemuseum sowie die Sammlung des Vereins für Kunst- und Altertum in Ulm und Oberschwaben. Als einer der Ersten verknüpfte er in der Museumsarbeit wissenschaftlichen Ansatz mit didaktischer Vermittlung und entwickelte ein neues Museumskonzept. Durch gute Kontakte und klugen Ankauf gelang es ihm, die eher zufällig gesammelten Bestände zur in sich geschlossenen Sammlung auszubauen. Auch Ulmer Privatsammler bezog er in die Museumsarbeit mit ein und gewann Sponsoren und Stifter. Bald nach der Eröffnung der Ausstellungsräume 1925 wurden Baum und das Museum zu einer bestimmenden Kraft im Ulmer Kulturleben. Unterstützt wurde er vom Verein der Museumsfreunde. Auch mit anderen Ulmer Kultureinrichtungen kooperierte Baum und hielt viele Vorträge im Großbereich Ulm. Daneben war der rührige Museumsmann Baum auch Standesvertreter. Als zweiter Vorsitzender des Schwäbischen Museumsverbandes und Mitglied verschiedener Verbände gelang es ihm öfters, Jahrestagungen nach Ulm zu holen: 1925 den Internationalen Museumsverband, 1926 den Schwäbischen Museumsverband und 1931 den Deutschen Museumsbund.

Baum sah die Kunstgeschichte als Strom von Entwicklungen mit der Moderne als vorläufigem Endpunkt; Tradition und Moderne bildeten ihm keine Gegensätze. Die vom Gemeinderat beschlossene Einrichtung einer Galerie der Moderne im Museum war ihm Herausforderung. Mit einem bescheidenen Etat gelang es ihm in relativ kurzer Zeit, eine repräsentative Sammlung mit den wichtigsten Strömungen zeitgenössischer Kunst aufzubauen. Bereitwillig wurden in der wirtschaftlichen Krisenzeit Kunstwerke auch leihweise überlassen; denn Händler hofften auf Ankäufe. Mit den zur Verfügung stehenden Leihgaben gelang es Baum ab 1925, Einzelausstellungen wichtiger Künstler der klassischen Moderne zu präsentieren. Oft kaufte er aus den ausgestellten Arbeiten für sein Museum.

Baums Museumspolitik war in Ulm umstritten. Es erregte Anstoß, dass er Stücke aus dem alten Gewerbemuseum verkaufte, tauschte oder nur deponierte. Hauptangriffspunkt aber waren seine Ankäufe für die moderne Galerie. Die Öffnung des lokalhistorischen Museums für internationale Kunst machte für die meisten Ulmer keinen Sinn. Allen voran die Ulmer Künstler forderten, sich auf einheimische Kunst zu beschränken. Vor allem seine eher seltenen Ankäufe französischer Werke waren so umstritten, dass der Gemeinderat den Etat für Gegenwartskunst 1926 kürzte. Der Oberbürgermeister, der an Baums häufigen Dienstreisen, seiner Lehrtätigkeit und seiner „Eigenmächtigkeit“ Anstoß nahm, erwog 1929 seine Entlassung, Baum wandte sich an die Fachöffentlichkeit.

Antisemitische Untertöne hatte diese Kritik bereits, als wachsende NS-Anhängerschaft sie um 1930 deutlich verstärkte. Bald reichte es, dass Baum jüdischer Herkunft war. Kontakte zu jüdischen Galeristen und Kunsthändlern, die in den 1920er Jahren im deutschen Kunsthandel eine wichtige Rolle spielten, besonders zur Galerie Alfred Flechtheim (1878–1937) wurden aufgebauscht. Auch in Ulm war vorübergehend ein jüdischer Galerist und Verleger gewesen, Jakob Hermelin (1890–1948).

Aus solcher Hetzte wurde nach der „Machtergreifung“ Repression und Verfolgung. Am 18. März 1933 wurde Baum als Museumsleiter suspendiert. Die Kündigung folgte dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 29. Mai. Deswegen wurde Baum im Mai 1933 auch von seiner Stuttgarter Lehrtätigkeit suspendiert und wie 13 Professoren dort entlassen.

Ulms NS-Gemeinderat hatte beschlossen, das Museum sei als „Heimatmuseum“ zu führen.  Baums Moderne Galerie wurden im August 1933 unter dem Titel „Zehn Jahre Ulmer Kunstpolitik“ als „Schmäh- und Schandausstellung“ präsentiert. Um Baums Kontakte zum jüdischen Kunsthandel zu „entlarven“, waren den Bildern die Ankaufpreise und Namen der Verkäufer bzw. Galeristen beigefügt.

Wie in fast allen größeren deutschen Museen fand auch in Ulm im August 1937 eine zentral organisierte „Säuberung“ statt. 233 Werke von 72 Künstlern wurden beschlagnahmt, 160 davon nach Berlin abtransportiert. Einige der Werke aus Ulm wurden bis November 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München und anschließend in anderen Städten gezeigt und teilweise am 30. Juni 1939 in Luzern versteigert. Nur drei der Ulmer Gemälde kamen bis 2018 ins Ulmer Museum zurück.

Ende 1933 zog Baum wieder nach Stuttgart, wo er weiter wissenschaftlich zu arbeiten suchte. Seine gelegentlichen Vorträge wurden misstrauisch von der Gestapo observiert. Obwohl Ehrenmitglied im „Bund für Heimatschutz“, der nun „Schwäbischer Heimatbund“ hieß, wurde Baum 1935 aufgrund der „Nürnberger Gesetze“ dort ausgeschlossen. Seine Forschung zeigt fortan Auslandsorientierung, vor allem auf die Schweiz. Seine internationalen Kontakte waren ihm nützlich. Zunächst hatte Baum weiterhin die Möglichkeit, zu reisen und honorierte Gastvorlesungen im Ausland zu halten, so im Winter 1935 an der Universität von Stockholm. 1936 war er beim Kunsthistorischen Kongress der Schweiz.

In der Pogromnacht 1938 wurde er mit den Stuttgarter Juden ins KZ Welzheim verschleppt und misshandelt. Ende 1938 entlassen gelang ihm im Februar 1939 die Emigration in die Schweiz, wohin seine Familie ihm folgen konnte. Bis Oktober 1946 lebte er hauptsächlich von der Unterstützung der evangelischen Flüchtlingshilfe Bern. Auch während des Exils war er wissenschaftlich tätig, soweit es sein Gesundheitszustand zuließ.

Nach Kriegsende war Baum einer der wenigen jüdischen Emigranten, die ins zerstörte Deutschland zurückkehrten. Auf Einladung des württembergischen Kultministers Theodor Heuss, den Baum seit dessen erstem Studiensemester in München kannte, kehrte die Familie Baum im Oktober 1946 nach Stuttgart zurück und bezog in Degerloch wieder das Haus, in dem sie zuvor gelebt hatte.

Baum wurde in Stuttgart Leiter der Altertümersammlung und der staatlichen Kunstsammlungen des Schlossmuseums, später Württ. Landesmuseum, dessen Bestände im Krieg an 25 verschiedenen Orten ausgelagert waren. In enger Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Werner Fleischhauer gelang es, die Bestände wieder zusammenzuführen. Der Wiederaufbau des Alten Schlosses wurde beaufsichtigt. Als außerordentlicher Professor konnte Baum im WS 1947/48 die Lehrtätigkeit an der TH Stuttgart wieder aufnehmen. Ausdrücklich erfolgten beide Ernennungen als „Fall einer Wiedergutmachung“ (K. Nagel, 2017, S. 175). Baum stand auch den Ulmern bei der Wiedereinrichtung des Ulmer Museums zur Seite. Wiederholt besuchte er Ulm nach 1945. So kam er u. a. im November 1946 mit Landrat Ernst Sindlinger (1883–1963) und Robert Scholl, dem Vater der Geschwister Scholl und 1945 bis 1948 Ulmer Oberbürgermeister, zusammen. Am Vorabend der Wiedereröffnung der gotischen Abteilung und der Modernen Galerie im Dezember 1947 sprach Baum im Ulmer Museum über seine dortige Tätigkeit.

Als sich Baum 1952 mit 70 Jahren zur Ruhe setzte, wurde er hoch geehrt. Auch seines 70. und 75. Geburtstags wurde öffentlich gedacht. Er arbeitete und publizierte bis kurz vor seinem Tod, gesundheitlich nun zusehends beeinträchtigt. Der 75-jährige lud noch zur Ulmer Tagung des Württembergischen Museumsverbands 1957 ein. 77-jährig starb er in Stuttgart und wurde auf dem Esslinger Friedhof im Grab der Familie seiner Ehefrau bestattet. Zahlreiche Nachrufe erschienen. Seine 2 000 Bücher umfassende Bibliothek und die Fotothek mit ca. 80 000 Fotografien wurden seiner Witwe 1960 durch das Kunsthistorische Institut der Universität in Mainz abgekauft, zu dessen Leiter Friedrich Gerke (1900–1966) er enge Kontakte hatte.

Der vielseitige Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Baum, ein „typischer Vertreter der nachformanalytischen Kunsthistorikergeneration“ (C. Fork, 1998, S. 14), war ein äußerst produktiver Autor, der bahnbrechende Beiträge lieferte. NS-Diffamierung und Verfolgung richteten sich in seinem Fall zuerst aus rassenpolitischen Gründen gegen ihn. Seine Haltung zur künstlerischen Moderne tat ein Übriges. Völkische und rassistische Tendenzen innerhalb seines Faches, die bei seiner Ächtung mitwirkten, dauerten teilweise nach 1945 noch fort. Erst seit etwa 2000 trat hier eine Wende ein. Baums Person und Werk erfuhr 2005 durch Ausstellung und Publikation des Ulmer Museums die erste große Würdigung.

Quellen:

Kunsthistorisches Institut der Universität Mainz, Findbuch NL 44, Nachlass Baum, Eva Baum, Enkelin, Stuttgart, priv. Nachlass; StadtA Ulm B 032/41 u. 42; StA Ludwigsburg EL 350, ES 8554; HStA Stuttgart EA3/150 u. 201; Zentrale Stelle d. Landesjustizverw., jetzt BA, Außenst. Ludwigsburg, B 362/20, 54; UnivA Stuttgart 57/275; A des Museums Ulm; DZOK Ulm.

Werke: (Auswahl, nur selbstständige Publikationen) Die Kirchen des Baumeisters Heinrich Schickhardt (1558 –1634), Diss. phil. Tübingen, 1905; Die Bauwerke des Elias Holl, Straßburg 1908; Führer durch die Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale, hg. von Baum und Peter Goessler, 1908; Eugen Gradmann (Hg), Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg: (mit Bertold Pfeifer) OA Biberach 1909, OA Blaubeuren 1911, (mit Hans Klaiber und Berthold Pfeiffer) OA Geislingen, 1914, und (mit Ernst Fiechter), Bd.4, 3: OA Münsingen, 1926; Romanische Baukunst in Frankreich, 1910; Die Ulmer Plastik um 1500, 1911, (Habilitation 1912); Theodor Fischer. Kirchenbauten in Württemberg, 1911; Romanesque architecture in France, 1912; Die Pfullinger Hallen, 1912. 21916; (mit Max Diez, Eugen Gradmann, Gustav Keyssner, Gustav E. Pazaurek, Heinrich Weizsäcker) Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart, 1913; Forschungen über die Hauptwerke des Baumeisters Heinrich Schickhardt in Freudenstadt, Mömpelgard und Stuttgart sowie über die Schlösser in Weikersheim und Aschaffenburg, 1916; Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts, Katalog der Königl. Altertümersammlung in Stuttgart, 1917; Baukunst und dekorative Plastik der Frührenaissance in Italien, 1920; Christian Landenberger. Zeichnungen, mit Verzeichnis seines Graphikwerkes, 1920, Einführung in die bildende Kunst, 1920; Die gotischen Bildwerke Schwabens, 1921; Skizzenbuch des Hans von Marées, 1922; Schwäb. Graphik, Katalog zur Ausstellung, 1922; Die Lütticher Bildnerkunst im 14. Jh., in: Paul Clemen (Hg), Belgische Kunstdenkmäler, Bd. 1, 1923; Deutsche Bildwerke des Mittelalters, 1923; Altschwäbische Kunst, 1923; Die Niederschwäbische Plastik des ausgeh. Mittelalters, 1925; Neuere Kunst im Ulmer Museum, in: Aus dem Museum der Stadt Ulm, 1925; Baukunst und dekorative Plastik der Frührenaissance, 1926; Kloster Blaubeuren, 1926; Berichte des Museums d. Stadt Ulm, 1927 und 1933; Die Bildwerke des Hochaltars von Blaubeuren, 1927; Die Alpen in der Graphik der Gegenwart, Katalog zur Ausstellung, 1928; Katalog d. Bildwerke d. Rottweiler Lorenzkapelle, 1929; Die Sammlung Wilm, 1929; Carl und Maria Caspar, Katalog Ausstellung Ulm 1929; Die Malerei und Plastik des Mittelalters, Bd. 2: Deutschland, Frankreich und Britannien, Handbuch der Kunstwissenschaft, hgg. von Burger und Brinckmann, 1930; (mit Max Scheffold) Führer durch das Museum der Stadt Ulm, 1930; Gottfried Graf, Katalog zur Ausstellung, 1930; Deutsche Bildwerke des 12. bis 18.Jahrhunderts, 1931; Die Renaissanceausstellung im Schwörhaus, 1931; Romantische Malerei Oberschwabens, 1932; La sculpture figurale en Europe a l`époque mérovingienne, 1937; Katalog der Skulpturen des Bernischen Historischen Museums, in: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums, 1941; Frühmittelalterliche Denkmäler der Schweiz und ihrer Nachbarländer, 1943; Martin Schongauer, 1948; Museen und Kunstpflege, 1948; (mit Werner Fleischhauer und Stina Kobell) Katalog der Landenberger-Ausstellung in Ebingen, 1951; Die schwäbische Kunst im 19. und 20. Jahrhundert, 1952; Der Materialismus des bürgerlichen Zeitalters und das 20. Jahrhundert, 1952; Kraft und Innigkeit. Ulmer Bildwerke der Blütezeit, Sammlung Adolf Spemann, 1953; Unbekannte Bildwerke alter deutscher Meister, Sammlung Bernhard Fahr in Fulda, 1954; Karolingische geschnittene Bergkristalle. Frühmittelalterliche Kunst in den Alpenländern, 1954; (mit Helga Schmidt-Glassner) Zwölf deutsche Dome des Mittelalters, 1955; Meister und Werke spätmittelalterlicher Kunst in Oberdeutschland und der Schweiz, 1957; Peter Walliser (Bearb.), Josef Schmid (Hg) Die Luzerner Skulpturen bis zum Jahre 1600, 1965.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1955) S. 19, Theodora Layer, StadtA Stuttgart, Fotosammlg. F 51226.

Literatur:

(Auswahl, ohne Rezensionen) Konrat Baum: Bibliographie, in: Neue Beiträge zur Archäologie und Kunstgeschichte Schwabens. FS Julius Baum zum 70. Geburtstag am 9.4.1952 gewidmet, 1952, 240–246; Kürschners deutscher Gelehrtenkalender, 1928/29, 92; Robert Volz (Hg), Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft – Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort u. Bild. Bd. 1, 1930; Hermann A. L. Degener (Hg), Wer ist´s? Unsere Zeitgenossen, 1935, 71; Der Jude kauft – Hochwürden lobt, in: Flammenzeichen vom Mai 1937; Schach dem Judentum. Die sog. vornehmen, angeblich harmlosen Hebräer, in: Flammenzeichen vom November 1938; Julius Baum zum 65. Geburtstag, in: Stuttg. Ztg. vom 9.4.1947; Wer ist wer? 1948, 18; Handbuch der deutschen Wissenschaft, 1949, 816; Kürchners deutscher Gelehrtenkalender, 1950; Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, in: Ulmer Nachr. vom 17.6.1952, 4; Karl Ritter von Klinesch (Hg), Köpfe der Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft, 1953, 73; Julius Baum 75 Jahre, in: Das württ. Museum, 1956/57, 18; Werner Fleischhauer, Baum zum 75. Geburtstag, in: Schwäb. Heimat 8, 1957, 69; Nachrufe in Stuttg. Nachrichten vom 28.10.1959, in: Ulmer Nachrichten vom 29.10.1959, Schwäb. Donauztg. vom 30.10.1959; Zum Nachlass in: Schwäb. Donauztg. vom 9.3.1960; Werner Fleischhauer, Zum Tode von Prof. Dr. Julius Baum, in: Schwäb. Heimat 11, 1960, 25–27; Alfred A. Schmid, In Memoriam Julius Baum, in: Unsere Kunstdenkmäler. Mitteilungsblatt für die Mitglieder d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bd. 11, H. 1, 1960, 20–22; Werner R. Deusch: Nachruf Julius Baum in: ZWLG 19, 1960, 184 f.; Werner Fleischhauer, 100 Jahre Württ. Landesmuseum Stuttgart, in: Stuttg. Leben, 37. Jg, Heft 10 vom Oktober 1962; Maria Zelzer, Weg und Schicksal d. Stuttgarter Juden, Ein Gedenkbuch, 1964, 198 u. 428; Erich Stockhorst, 5000 Köpfe. Wer war wer im Dritten Reich?, 1967, 45; Erwin Treu, 50 Jahre Ulmer Museum 1925–1975, in: Ulmer Forum 36, 1975, 2–7; Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hgg.), Biographisches Handbuch der deutsch-sprachigen Emigration nach 1933, 1980–1983, 60, (Nachdr. 1999); Erwin Treu, Geschichte des Ulmer Museums, in: Ulmer Museum. Kataloge des Ulmer Museums I, Bildhauerei und Malerei vom 13. Jahrhundert bis 1600, 1981, 12; Walter Tetzlaff, 2000 Kurzbiographien bedeutender deutscher Juden des 20. Jahrhunderts, 1982, 19; Kurt Leipner (Hg), Chronik der Stadt Stuttgart 1933–1945, 1982, 25; Gerald Jasbar, Ulmer Museum, 1983; Joseph Walk: Kurzbiographie zur Geschichte der Juden 1918–1945,1988, 22; H. Röttgen, Nachvollziehbare Gedanken zur Geschichte des Instituts für Kunstgeschichte, hgg. von J. Zahlten, 1991, 28–42; Renate Heuer (Hg) Lexikon dt.-jüdischer Autoren Bd. 1, 1992, 390–398; Myrah Adams, Kunst u. Kultur in Ulm 1933–1945, Katalog zur Ausstellung des Ulmer Museums, 1993; Thomas Striegel, Die Geschichte der Sammlung moderner Kunst am Städt. Museum Ulm, Abschlussarbeit Kommunikationswissenschaften der FU Berlin, April (Typoskript), 1994; Walter Killy (Hg), Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd.1., 1995, 332; Christiane Fork, Baum, in: Metzler Kunsthistoriker Lexikon, 200 Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten, 1998, 13–16; Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Bd. 1, 1999, 27–31; Myrah Adams: Julius Baum, Museumsdirektor zwischen Tradition und Moderne, 2005; Petra Kollross, Ausstellung. Angefeindet als ein Verfechter der Moderne. Verdienste, Schicksal und Persönlichkeit des vielseitig kompetenten Gründungsdirektors Julius Baum, SWP Ulm vom 2.9.2005; Uwe Degreif, Die Verfolgung von bildenden Künstlern an Fallbeispielen aus Oberschwaben, in: Edwin E. Weber (Hg), Opfer des Unrechts. Stigmatisierung, Verfolgung u. Vernichtung von Gegnern durch die NS-Gewaltherrschaft an Fallbeispielen aus Oberschwaben, [137]- 158, 2009; Benigna Schönhagen: „...ein treuer und gewissenhafter Diener und Helfer...“. Der Schwäbische Heimatbund in d. NS-Zeit, in: Schwäb. Heimat, Heft 2, 2009, Homepage Schwäbischer Museumsbund, abger. am 8.8.2018; Martina Steber, Ethnische Gewissheiten. Die Ordnung des Regionalen im bayer. Schwaben vom Kaiserreich bis zum NS Regime, 264–266 u. 268–270; Mechthild Maisant, Homepage des Stadtarchivs Wiesbaden, abger. am 11.6.2015; Katja Nagel, Julius Baum, in: Norbert Becker, Katja Nagel, Verfolgung und Entrechtung an der TH Stuttgart während der NS-Zeit, 2017, 169–178.

 

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