Fanck, Arnold 

Geburtsdatum/-ort: 06.03.1889; Frankenthal, Pfalz
Sterbedatum/-ort: 28.09.1974;  Freiburg/Br.
Beruf/Funktion:
  • Filmregisseur und -autor
Kurzbiografie: 1899-1903 Kuraufenthalt in Davos, Internat Fridericianum
1906-1909 Mittlere Reife Progymnasium Frankenthal
1909 Abitur Freiburg, Bertholdsgymnasium
1909-1910 Universität München und Berlin, Philosophie und Kunstgeschichte
1911-1912 Universität Zürich, Chemie und Geologie
1912/13 1 Semester in Freiburg, Monterosa-Film
1913-1915 Universität Zürich, Erarbeitung der Dissertation
1915 Promotion, Einberufung zum Kriegsdienst
1915-1918 bei der Spionageabwehr in einer fotografischen Abteilung
1919 Teppichhändler in Berlin
1919/20 Initiator, Teilhaber und Regisseur der Berg- und Sportfilm GmbH Freiburg, bis 1924: 3 Bergfilme
1925-1939 Regie in 10 weiteren Filmen, produziert bei Ufa, H. R. Sokal-Film GmbH, Aafa-Film, Deutsche Universal Film AG, darunter eine deutsch-japanische Produktion: Die Tochter des Samurai
1939-1941 ohne Engagement
1941 Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP
1941-1945 Dokumentarfilme für das Ministerium Speer: Generalbauinspektion und Organisation Todt, z. B. Atlantikwall
1946 ff. Versuch eines beruflichen Neubeginns in Freiburg
1957 Große Goldmedaille beim Filmfestival in Trient
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1920 Zürich, Natalie, geb. Zaremba
2. 1934 Berlin, Elisabeth (Lisa), geb. Kind (geb. 1908, von Fanck geschieden 1957, wiederverheiratet Stefanek)
3. 1972 Freiburg, Ute, geb. Dietrich (geb. 1940)
Eltern: Friedrich Fanck (1846-1906), Kommerzienrat
Ida, geb. Paraquin (1858-1957)
Kinder: 1 Adoptivsohn
1 Sohn aus 2. Ehe
GND-ID: GND/118686038

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 121-123

„Meine Ski-, Berg- und Expeditionsfilme behandelten ausnahmslos den Kampf des Menschen gegen die Natur und niemals den der Menschen untereinander.“ So formulierte Arnold Fanck 1946 im Zusammenhang mit seinem Entnazifizierungsverfahren, aus dem er 1948 von Sühnemaßnahmen unbehelligt als „Sympathisant“ hervorging. Der Ermittlungsausschuß „für die Reinigung der Industrie-, Handels- und Handwerksbetriebe“ in Freiburg bescheinigte ihm eine distanzierte Haltung gegenüber der Partei und beschrieb ihn als „einen der größten deutschen Künstler“. Die Exklusivität des Superlativs hatte sich Fanck in den 20er und frühen 30er Jahren errungen, als seine Filme ein Millionenpublikum im In- und Ausland begeisterten. Zu seinen bekanntesten Werken gehörte „Die weiße Hölle vom Piz Palü“, 1928/29 als Stummfilm gedreht mit Leni Riefenstahl und Gustav Diessl als Darsteller, wobei jedoch die Hochgebirgslandschaft die Hauptrolle spielte. Fanck hatte diese zum tragenden Handlungsfaktor gemacht und damit aus dem Ski- und Bergsteigerfilm heraus eine eigene Spezies entwickelt: den Natur-Spielfilm. Fanck verstand sein filmisches Schaffen als künstlerische Berufung. 1946 nannte er es seine „Lebensaufgabe, den Menschen die Schönheiten aus allen möglichen Ländern der Erde zu zeigen“. In seinen Filmen war er persönlich allgegenwärtig: Er wählte jeweils den Stoff, schrieb das Drehbuch und führte Regie. In jüngeren Jahren stellte er sich auch oft hinter die Kamera. Später mußten seine Kameraleute, darunter Sepp Allgeier, die Jagd nach dem Bild in Schnee und Eis, oft in Höhen über 4 000 Meter, allein aufnehmen. Wegen der heroisch-wagnerhaften Stimmung der Naturbilder und der schicksalhaften Ergebung der Menschen in machtvolle Fügungen wurden Fancks Filme nach dem Zweiten Weltkrieg als Wegbereiter des Dritten Reiches interpretiert, obwohl Fanck selbst nach 1933 bei den damaligen Machthabern wegen zu geringer Kooperationsbereitschaft persona non grata war. Daß sich sein Werk dennoch gut mit der NS-Ideologie vereinbaren ließ, empfand schon 1938 der Theologe Emil Rümmele, dem zu Fancks Bergfilmen die Vokabeln „gesunde Kost“, „sauber und rein“ einfielen.
Den ersten Kontakt mit dem Medium Film verdankt Fanck dem Filmpionier B. Gotthart, der in Freiburg Kultur- und Dokumentarfilme produzierte, darunter auch Skifilme. Fanck gehörte zu einer Gruppe von jungen Leuten, die 1913 in Gottharts „Ersteigung des Monte Rosa mit Filmkamera und Skiern“ mitwirkten. Fanck war damals im Bergsteigen und Skilaufen überdurchschnittlich erfahren, da er als Schüler etliche Jahre in Davos verbracht hatte (wegen eines Asthmaleidens) und später vom Studienort Zürich aus mit seinem Freund Hans Rohde sich ganz dem Alpinismus verschrieb. Er liebte die Herausforderung durch das Extreme und ging unter Überwindung von Angst hohe Risiken ein. Eine knabenhafte Abenteuerlust und die Bereitschaft, sich auf Zufälle einzulassen, trugen dazu bei, daß sich sein Leben über weite Strecken spannend und bunt gestaltete. Im Ersten Weltkrieg gelangte er durch die Vermittlung seines Ski- und Studienfreundes Hans Rohde, Sohn eines Generals, in die Spionageabwehr, wo er seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Fotografie anwenden und erweitern konnte. Hier lernte er die legendäre Agentin „Mademoiselle Docteur“ kennen, über die er nach 1933 einen Film drehen wollte. Der Stoff war damals jedoch nicht mehr genehm.
Finanzielle Sorgen hatte Fanck bis 1918 nie gekannt. Der Vater, Sohn eines badischen Bahnmeisters, war zum Direktor einer großen Zuckerfabrik in Frankenthal aufgestiegen. Auch nach dessen Tod 1906 konnte die Familie in Freiburg sorglos leben. Nach dem Kriegsende ließ sich Fanck als gerade Dreißigjähriger in Berlin nieder, wo eine Hausangestellte seiner Mutter 1919 seinen unehelichen Sohn zur Welt brachte, den er später adoptierte. Den Lebensunterhalt verdiente er damals durch Teppichhandel. 1920 heiratete er eine Kommilitonin russisch-polnischer Herkunft, mit der er seit der Zürcher Studienzeit befreundet war. Bald nach der Heirat erkrankte sie an Krebs. Ob sie mit Fanck nach Freiburg zog, ist eher unwahrscheinlich. Er war jedenfalls ab 1921 unter derselben Adresse wie seine Mutter gemeldet und stand seit 1919 in Kontakt mit seinen Freiburger Sportsfreunden aus der Vorkriegszeit. In der Hütte des Akademischen Skiclubs auf dem Feldberg sollen Fanck, Odo Tauern, Rolf Bauer und Bernhard Villinger auf die Idee gekommen sein, eine Filmgesellschaft zu gründen: die Berg- und Sportfilm GmbH. Die Kapitalbasis war dünn. Es gelang ihnen jedoch, die eigene Begeisterung dem Publikum zu vermitteln, selbst mit dem ersten Film „Das Wunder des Schneeschuhs“, der keine Handlung hatte und nur durch die romantisch-schönen Bilder und die verblüffenden sportlichen Leistungen wirkte. Fanck wußte jedoch von Anfang an, daß Stars zum Kino gehören. Er holte zu seinen Schwarzwäldern den seinerzeit besten Skiläufer Hannes Schneider vom Arlberg, dessen elegante Bewegungen auch der Zeitlupe standhielten. Im Inflationsjahr 1923 schied Fanck mit seinen Freunden aus der Berg- und Sportfilm GmbH aus, die 1926 liquidiert und 1931 im Handelsregister gelöscht wurde. Unter Fancks Regie brachte sie 1924 noch den Film „Berg des Schicksals“ heraus, worin er erstmals Luis Trenker als Darsteller einsetzte und damit ans Filmgeschäft heranführte. Ab 1925 arbeitete Fanck in Berlin, wo er namhafte Produzenten fand. (Die Geschäftsräume der Berg- und Sportfilmgesellschaft, zuletzt in der Merzhauserstraße, wurden laut Adreßbuch erst 1930 aufgegeben.) Trotz der großen Erfolge seiner Filme blieb Fanck nach eigenen Aussagen in der Branche ein Außenseiter, vielleicht wegen seiner individuellen Arbeitsweise fern der Studios, in der Natur; sehr wahrscheinlich auch wegen seines Hangs zum Einzelgängertum. Jedenfalls war er meist fern von Berlin, überwiegend an Drehorten im Ausland.
Als er 1934 Lisa Kind, eine gewandte und gutaussehende Sekretärin, heiratete und in Berlin-Wannsee eine große eigene Villa bezog, war das Thema Bergfilm erschöpft. Er versuchte nun, das bewährte Konzept mit Panoramen aus aller Welt fortzusetzen: 1932/33 mit SOS Eisberg, woran Auftraggeber aus den USA beteiligt waren, dann mit der deutsch-japanischen Produktion „Die Tochter des Samurai“ 1936/37 und schließlich 1936-1939 mit dem Südamerikafilm „Ein Robinson“. Jeder dieser drei Filme ermöglichte ihm eine Reise in die USA, wo er Hollywood kennenlernte. Die beiden letzteren führten ihn buchstäblich um die ganze Welt. Der Japanfilm ist vor dem Hintergrund des Antikominternpaktes zu sehen. In humorvoller Weise wird das angedeutet in „Hänschen klein ging allein ...“, einem Kurzfilm fürs Beiprogramm, dessen Star Fancks damals einjähriger Sohn Hans-Joachim war. Die Initiative zu Fancks Arbeit in und über Japan ging übrigens nicht vom Propagandaministerium aus, sondern von Fancks Jugendfreund Hack, der in Japan im diplomatischen Dienst tätig war. Die offizielle Einladung sprach das japanische Kultusministerium aus. Für die Jahre 1939 bis 1941 notiert Fanck in seinem Fragebogen lapidar: ohne Engagement. 1941 verschaffte ihm Leni Riefenstahl die Möglichkeit, Dokumentarfilme über die Bautätigkeit des Reiches zu fertigen. 1944 entstand ein Film über den Atlantikwall. Fanck reiste jedoch nicht selbst an die Aufnahmeorte. Dagegen begab er sich 1943 nach Paris, um über eine Ausstellung des Künstlers Arno Breker zu berichten.
Seine nächste große Reise führte 1945, kurz bevor die Russen einmarschierten, von Berlin nach Südbaden. Da er in den letzten Kriegsmonaten anstelle einer Verwendung beim Volkssturm bei der Spionageabwehr tätig war, konnte er sich einen manipulierten Marschbefehl ausstellen, um aus der Stadt zu gelangen. Er schlug sich nach Höchenschwand durch, wo Frau und Sohn sich bei einem befreundeten Arzt aufhielten. 1946 zog die Familie in den Landsitz Lilienhof bei Ihringen, was durch verwandtschaftliche Verbindung mit der Eigentümerfamilie Henkel-Düsseldorf möglich war. Während Fanck in seinen Memoiren von drei Jahren Waldarbeit schreibt, legt seine Entnazifizierungsakte nahe, daß er sich damals um einen beruflichen Neubeginn bemühte durch eine Wiedergründung der Berg- und Sportfilmgesellschaft, wobei er auf Unterstützung durch die Stadt Freiburg hoffte – ein Plan, der sich nicht konkretisierte. Gelegentlich wurden jedoch Fancks alte Filme wieder aufgeführt: bei Filmfestivals oder im Fernsehen. Im übrigen zog er sich ins Privatleben zurück und unterhielt sich ab und zu beim Glücksspiel. In seinen letzten Lebensjahren diktierte er seiner jungen Frau seine Memoiren. So konnte er sein ungewöhnlich abwechslungsreiches Leben, von dem er gern erzählte, noch einmal Revue passieren lassen. Aus der neuen Zeitperspektive heraus hat er dabei manches neu gewichtet, zum Beispiel seine gute Zusammenarbeit mit jüdischen Produzenten. Er will dem Leser vorwiegend Informationen über seine berufliche Arbeit bieten und an die überschwenglichen Reaktionen auf seine Filme erinnern. Informationen aus seiner Privatsphäre läßt er eher etwas im unklaren. Er erwähnt zum Beispiel, daß er seine Berliner Villa eingebüßt habe, aber nicht daß sie unter das Restitutionsgesetz fiel. Im Alter lebte Fanck in eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, klagte aber nicht darüber, sondern bewahrte sich die Fähigkeit, sich zu freuen. In einer Beziehung blieb er aber „Star“, er konnte es nur schwer ertragen, wenn man seinen Namen nicht kannte.
Quellen: StAF: D 180/2 Nr. 182, 187; Standesämter Freiburg und Frankenthal. Mündliche Mitteilungen von Hans-Joachim Fanck (Sohn) und Frau Lisa Stefanek, beide Freiburg
Werke: (gedruckt): Die bruchlose Deformation von Fossilien durch tektonischen Druck und ihr Einfluß auf die Bestimmung der Arten. Beobachtet und bearbeitet an den Pelecypoden der St. Galler Meeresmolasse. Diss. Zürich, Gutachter: Prof. Dr. H. Schardt. 1929; Das Wunder des Schneeschuhs. Ein System des richtigen Skilaufens und seine Anwendung im alpinen Geländelauf von Arnold Fanck und Hannes Schneider aus St. Anton am Arlberg. Photographie Arnold Fanck und Sepp Allgeier. 1925; Dr. Baader und Hans Schneeberger: Das Wunder des Schneeschuhs. Sprunglauf und Langlauf. Photographische Bearbeitung Sepp Allgeier und Dr. Arnold Fanck. 1926; Das Echo vom Heiligen Berg. 1926; Die weiße Hölle vom Piz Palü. 1929; Der Kampf mit dem Berg. Berlin 1931; Stürme über dem Montblanc. Basel 1931; SOS Eisberg. Mit Dr. Fanck und Ernst Udet in Grönland. Die Grönland-Expedition des Universal-Films SOS Eisberg. 1933; Die Tochter des Samurai. Ein Film im Echo der deutschen Presse. 1938. Zur Erinnerung an die einstige Freiburger Berg- und Sportfilm-Gesellschaft, o. J. (1956); Die Wiege des Bergfilms, in: Freiburger Almanach 10 (1959) 136-150; Briefe, die mich zu meinem 80. Geburtstag erreichten, o. J. (1969); Er führte Regie mit Gletschern, Stürmen und Lawinen. Ein Filmpionier erzählt. 1973
(Filme): Das Wunder des Schneeschuhs 1919/20; Im Kampf mit dem Berge 1921; Eine Fuchsjagd durchs Engadin 1921/22; Der Berg des Schicksals 1923/24; Das Wolkenphänomen in Maloya 1924; Der heilige Berg 1925/26; Der große Sprung 1927; Das weiße Stadion 1928; Die weiße Hölle vom Piz Palü 1929; Stürme über dem Montblanc 1930; Der weiße Rausch 1930/31; SOS Eisberg 1932/33; Der ewige Traum 1934; Die Tochter des Samurai 1936; Ein Robinson 1938/39; Joseph Thorak – Werkstatt und Werk 1943; Arno Breker 1944; Atlantikwall 1944
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Besitz des Sohnes H.-J. Fanck, Freiburg i. Br. sowie in allen größeren Veröffentlichungen von Arnold Fanck (vgl. Werke)

Literatur: Leni Riefenstahl: Kampf in Schnee und Eis. 1933; Emil Rummele: Der Spielfilm als pastoraltheologisches Problem. Diss. Freiburg 1938; Charles Ford: Leni Riefenstahl. Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin. Französische Originalausgabe 1978, deutsche Übersetzung 1982; Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Untersuchung des deutschen Films. Deutsche Übersetzung 1979; Béla Balázs, Der Fall Dr. Fanck. Erschien ursprünglich als Vorwort zu „Stürme über dem Montblanc“ (siehe oben), nachgedruckt in: Balács: Schriften zum Film. 1984; Eine japanische Publikation von 1987; Leni Riefenstahl: Memoiren Bd. 1: 1902-1945, Bd. 2: 1945-1987. 1987 und 1990 und 1992. Film und Kritik. Heft 1, Juni 1992. Hg. von Frank Amann, Ben Gabel und Jürgen Keiper mit Unterstützung des Deutschen Filmmuseums Frankfurt. 1992. Hier auch weitere Literatur
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