Gröber, Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 11.02.1854;  Riedlingen/Donau
Sterbedatum/-ort: 19.11.1919; Berlin (bestattet in Weingarten)
Beruf/Funktion:
  • Gründer und Führer der württ. Zentrumspartei
Kurzbiografie: 1860–1862 Volksschule in Weingarten
1862–1864 Elementarschule in Altdorf
1864–1870 Lyzeum in Ravensburg
1870–1872 Obergymnasium in Stuttgart
1872–1873 Einjährig Freiwilliges Militärdienstjahr beim 2. Infanterieregiment in Weingarten
1873–1877 Studium der Rechtswiss. in Tübingen, Leipzig und Straßburg
1877–1878 I. Juristische Staatsprüfung, Referendariat in Rottweil, II. Juristische Staatsprüfung
1878–1880 Hilfsrichter beim Oberamtsgericht Neresheim, Justizassessoratsverweser, dann stellv. Amtsrichter beim Oberamtsgericht Saulgau
1880–1887 Staatsanwaltsgehilfe und Hilfsanwalt in Rottweil, dazwischen (1885–1886) Hilfsrichter beim Landgericht Hall
1887 Staatsanwalt in Ravensburg
1888–1819 Landrichter, Landgerichtsrat (1895), Landgerichtsdirektor (1912) in Heilbronn
1890–1919 Mitglied im Gesamtvorstand, später auch im Engeren Vorstand, 1914–1919 Zweiter Vorsitzender des Volksvereins für das kath. Deutschland, Landesvertreter des Volksvereins in Württemberg
1895 Gründung der württ. Zentrumspartei
1887–1919 Mitglied des Reichstags und der Deutschen Nationalversammlung
1889–1919 Mitglied des Württ. Landtags (Zweite Kammer) und der Württ. Verfassunggebenden Landesversammlung, zunächst fraktionslos, dann Vorsitzender der Zentrums-Fraktion
1917–1919 Vorsitzender der Zentrums-Fraktion im Reichstag und in der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung
1918 Staatssekretär ohne Portefeuille in der Regierung Max von Baden
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Albert Gröber (1821–1895), Graveur und Goldschmied, später Privatier
Mutter: Anna Maria, geb. Baumann (1814–1885), Uhrmachertochter aus Augsburg
Geschwister: Albert (10.2.1853–16.2.1853)
Kinder: Keine
GND-ID: GND/118718924

Biografie: Andreas Gawatz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 78-80

Gröber war eine der zentralen Figuren des württembergischen politischen Katholizismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er förderte das katholische Vereinswesen, insbesondere den Ausbau des Volksvereins für das katholische Deutschland. Sein Hauptwerk war die Gründung einer eigenen württembergischen Landesorganisation der Zentrumspartei. Er war die unbestrittene Führungsfigur des württembergischen Zentrums und nahm auch wichtige Positionen auf Reichsebene ein.
Gröber, geboren in Riedlingen und aufgewachsen in Weingarten, kam aus einer Handwerkerfamilie, die es zu bescheidenem Wohlstand gebracht hatte. Nach Schul- und Militärzeit studierte Gröber Jura und trat in den württembergischen Justizdienst ein. Den Beruf des Justizbeamten übte er aber wegen seiner ununterbrochenen Mandatstätigkeit in Reichs- und Landtag schon früh nicht mehr aktiv aus.
Der Oberschwabe Gröber, der aus einem sowohl religiösen als auch politisch interessierten Elternhaus kam, nahm schon während des Studiums auch gegen Widerstände offen Partei für die „katholische Sache“. In Leipzig schloss er lebenslange Freundschaft mit dem Rheinländer Karl Trimborn, der später ebenfalls eine wichtige Rolle in der Zentrumspartei spielen sollte. Mit ihm zusammen gründete er dort gegen den Willen der Universitätsleitung die katholische Studentenverbindung Teutonia. In Straßburg trat Gröber beispielsweise dem Kirchenrechtler Sohm entgegen und verwahrte sich gegen Witzeleien und falsche Ausführungen über das Dogma der unbefleckten Empfängnis. Dieses noch etwas vereinzelte Engagement erfuhr während seines Referendariats in Rottweil eine deutliche parteipolitische Akzentuierung. Gröber hatte engen Kontakt zum Konvikt, unter anderem zum dortigen Repetenten Pfarrer Joh. Gaupp. Er begann nun, aktiv „schwarze Politik“ zu betreiben, gab ultramontane Wahlaufrufe heraus und schrieb Zeitungsartikel. Schon länger war Gröber auch mit Konrad Kümmel befreundet, der als Redakteur von Deutschem Volksblatt und Katholischem Sonntagsblatt die publizistische Präsenz des politischen Katholizismus in Württemberg vorantrieb.
Sein endgültiger Sprung in die Politik erfolgte bei den Reichstagswahlen 1887. Gröber kandidierte an Stelle des alten Reichstagsabgeordneten Pfarrer Joseph Utz im XV. württembergischen Reichstagswahlkreis (Münsingen, Ehingen, Blaubeuren, Laupheim) für das Zentrum. Die württembergische Regierung sah das politische Engagement des neuen Zentrumsmannes mit Argwohn und verweigerte dem jungen Justizbeamten den für die Wahlreisen notwendigen Urlaub. Das obrigkeitliche Obstruktionsmanöver verfehlte aber seine Wirkung und kam vielmehr einer Wahlwerbung gleich. Denn Gröber prangerte, unterstützt von der ultramontanen Presse, öffentlich die Ungleichbehandlung durch die Regierung gegenüber anderen Kandidaten an und konnte damit seine Wählerschaft mobilisieren. Auf seine Wahl in den Reichstag erfolgte prompt die Strafversetzung nach Heilbronn. Sie konnte seinen politischen Aufstieg nicht stoppen. Vielmehr war Gröber von nun an ein „echte[r] schwäbische[r]Berufsparlamentarier“, wie ihn sein in der Politik nicht minder engagierter Landsmann und linksliberaler Gegenspieler Conrad Haußmann später zutreffend charakterisierte. Bei den anstehenden Landtagswahlen 1889 kandidierte Gröber ebenfalls erfolgreich und saß künftig für den Riedlinger Wahlkreis in der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags.
Diese Kandidatur war insofern bemerkenswert, als Gröber (neben seinen Mitstreitern Caspar Bueble und Konrad Kümmel) in der Öffentlichkeit als eindeutig ultramontaner Kandidat wahrgenommen wurde. Das war bei Landtagswahlen ein Novum, denn Württemberg besaß, obwohl ein Drittel der Bevölkerung katholisch war, zu dieser Zeit als letzter Staat im Deutschen Reich keine eigenständige Zentrumsorganisation. Für Karl Bachem, den Historiographen der Zentrumspartei, war dieser Zustand eine „Anomalie, welche zu den neuzeitlichen politischen Verhältnissen nicht passen wollte.“ Auf dem beginnenden „politischen Massenmarkt“ war nämlich seit den 1890er Jahren die Bedeutung der Massenbasis für die Politik deutlich gestiegen. Die Bevölkerung war immer mehr in Vereinen und Verbänden organisiert und auch Parteien und Kandidaten bemühten sich intensiver als je zuvor um ihre Wähler. Der politische Katholizismus trieb im Verein mit den Sozialdemokraten diese Entwicklung besonders stark voran. 1890 wurde in Köln mit dem Volksverein für das katholische Deutschland die bedeutendste Massenorganisation der Katholiken gegründet, in der Gröber eine führende Rolle spielte. Ebenfalls 1890 fand in Ulm die erste Versammlung der württembergischen Katholiken statt. Es war für Gröber keine Frage, dass die vom Katholikentag in Ulm ausgelöste Organisationsdynamik zur Gründung der württembergischen Zentrumspartei führen musste. Im Januar 1895, rechtzeitig zu den anstehenden Landtagswahlen, traf man sich in Ravensburg zur konstituierenden Landesversammlung. Danach betrieb Gröber mit seinen Parteikollegen konsequent den Ausbau der Zentrumsorganisation, die von einer immer stärker werdenden politisch ausgerichteten Presse unterstützt wurde. Wo bei Wahlen kein Kandidat gefunden werden konnte, wählte man Gröber als Zählkandidaten.
Gröber war von einer ernsthaften Religiosität geprägt. Angeblich hatte er in jüngeren Jahren mit dem Gedanken gespielt, Kapuziner zu werden. Seit 1887 war er mit dem Ordensnamen Fidelis Mitglied im Dritten Orden des hl. Franziskus, eines weltlichen Ordens. In der Politik galt er als standhafter Politiker und gefürchteter Redner. Er pochte auf die Rechte des Parlamentes und kämpfte für die Rechte der katholischen Kirche und des katholischen Bevölkerungsteils. Gröber war Demokrat, aber auch in der Politik in erster Linie Katholik. Daher nahmen kirchenpolitische Positionen für ihn einen zentralen Stellenwert ein. „Kutten und Kinder“, die Frage nach der Wiederzulassung von Männerorden und die Beibehaltung der geistlichen Schulaufsicht waren auf Landesebene seine zentralen Forderungen. Schon seit geraumer Zeit rang man in Stuttgart um eine Reform der Landesverfassung, die im Kern eine Demokratisierung der Zusammensetzung des Landtags zum Ziel haben sollte. Obwohl das Zentrum diese Demokratisierung im Prinzip befürwortete, machte Gröber in der entscheidenden Phase die Zustimmung seiner Partei zur Verfassungsreform von kirchenpolitischen Zugeständnissen abhängig, was 1898 zum vorläufigen Scheitern der Verfassungsrevision führte. Dieses Verhalten brachte Gröber große Kritik ein, isolierte das Zentrum auf Landesebene und war letztlich erfolglos: Die Verfassungsreform konnte 1906 gegen die Stimmen des Zentrums dann doch durchgebracht werden. Die freie Ordensniederlassung wurde erst in der Weimarer Republik ermöglicht. Auch im Reichstag lagen ihm bei all der Vielfalt von Themen, mit denen er sich beschäftigt hat, die kirchenpolitischen Forderungen besonders am Herzen, insbesondere die nach Aufhebung des Jesuitengesetzes, das seit dem Kulturkampf Niederlassung und Tätigkeit von Jesuiten untersagte, und die nach Beschneidung der staatlichen Aufsicht über die Religionsgemeinschaften („Toleranzantrag“).
Obwohl Alfred Rembold als Parteivorsitzender fungierte, war und blieb Gröber der unangefochtene Führer des württembergischen Zentrums. Im Landtag hatte er den Fraktionsvorsitz inne. Im Reichstag entwickelte er sich ebenfalls rasch zu einer wichtigen Figur, machte sich als „Arbeitsbiene“, wie man ihn wegen seines unermüdlichen Arbeitseifers bezeichnete, als gut informierter und kompetenter Redner verdient. Dennoch blieb er, anders als sein Ziehsohn Matthias Erzberger, der nach der Jahrhundertwende einen rasanten Aufstieg nahm, innerhalb der Fraktion eher der verlässliche Arbeiter und weniger der große Polarisierer. Gerade diese ausgleichende Position ließ ihn 1917, in einer Zeit der Neuorientierung der Partei, in die erste Reihe rücken, als er nach dem Rücktritt von Peter Spahn auf Reichsebene Partei und Fraktion führte.
Gröber war zwar entschiedener Demokrat, aber insgesamt etwas bürgerlicher und konservativer als Erzberger. Länger als er wollte er das Ziel eines Siegfriedens nicht aufgeben. Auch stand er einer Annäherung an die Arbeiterbewegung skeptischer gegenüber. Doch Gröber war auch Realist und Pragmatiker. Bei der staatlichen Neuordnung 1918/19 brachte er sich konstruktiv ein. Obwohl er gegen die Abdankung des Kaisers war, akzeptierte er die Grundlagen des neuen Staates und sprach sich z. B. in der Germania für den Volksstaat aus. Trotz seiner Empörung plädierte er für die Annahme des Friedensvertrags von Versailles. Er war bereit, in den Übergangsregierungen mitzuarbeiten, und war selbstverständlich in der Deutschen Nationalversammlung und der Württembergischen Verfassunggebenden Landesversammlung vertreten. Während des Krieges war er allerdings krank und müde geworden. Er litt unter Diabetes. Im Oktober 1919 hatte er einen Ohnmachtsanfall vor dem Reichstagsgebäude und zog sich dabei eine Kopfverletzung zu. Am 19. November erlitt er im Reichstag einen tödlichen Schlaganfall.
Quellen: NL Gröber im StadtA Mönchengladbach.
Werke: Schriftenverzeichnis in: Georg Schoelen, Bibliographisch-historisches Handbuch des Volksvereins für das katholische Deutschland, 1982, 232-236. Gröber arbeitete am Staatslexikon der Görres-Gesellschaft mit, verfasste Broschüren, Zeitungsartikel (v. a. Deutsches Volksblatt, Germania, Kölnische Volkszeitung). Neben den üblichen Parlamentsprotokollen wurden einige seiner Reden eigens publiziert.
Nachweis: Bildnachweise: August Hagen, Adolf Gröber, in: ders.: Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus, Bd. 3, 1954, 96. Archiv des Landtags von Baden-Württemberg; Museum Riedlingen.

Literatur: Johann Baptist Kiene, Werdegang, Wirken und Stellung der württembergischen Zentrumspartei, in: Deutsches Volksblatt vom 4. April 1910, II; Konrad Kümmel, Einiges aus dem Leben Adolf Gröbers (Aufsatzserie), in: Katholisches Sonntagsblatt 71 (1920), 1-6, 8-23; ders., Einiges aus dem Leben Adolf Gröbers (Aufsatzserie), in: ebda., 72 (1921), 5-9, 11, 13-18, 20-25; Hermann Cardauns, Adolf Gröber, 1921; [August Pieper], Was verdankt der Volksverein Adolf Gröber?, 1925; Karl Bachem, Die Zentrumsbewegung in Württemberg 1887 – 1914. Das Werk Adolf Gröbers, in: ders.: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 8, 1931, 57-97; August Hagen, Adolf Gröber, in: ders.: Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus, Bd. 3, 1954, 97-133; Wilfried Loth, Katholiken im Kaiserreich. Der politische Katholizismus in der Krise des wilhelminischen Deutschlands (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politische Parteien, Bd. 75), 1984; Frank Raberg, Adolf Gröber. Zentrumsgründer und Zentrumsführer in Württemberg, Parlamentarier und Staatssekretär. 1854 – 1919, in: Gerhard Taddey/Joachim Fischer (Hg.), Lebensbilder aus Baden-Württemberg. Bd. 19, 1998, 403-436 (mit weiterer Literatur); ders., Biograph. Handbuch, 286-288; Andreas Gawatz, Adolf Gröber (1854 – 1919), in: Weber, Reinhold/ Mayer, Ines (Hg.), Politische Köpfe aus Südwestdeutschland (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Bd. 33), 2005, 32-42.
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