Klemm, Fritz 

Geburtsdatum/-ort: 14.08.1902;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 17.05.1990;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Zeichner und Maler
Kurzbiografie:

1922–1925 Studium an der Badischen Landeskunstschule Karlsruhe bei Ernst Würtenberger (1868-1934)

1925–1931 Lehrtätigkeit als Zeichenlehrer an verschiedenen Schulen

1932–1942 Kunsterzieher am Bismarck-Gymnasium Karlsruhe

1939–1945 Kriegseinsatz bei der Baukompanie, dann bei der Heeresschlächterei Durlach; gegen Kriegsende Einsatz in Österreich, dort kurze amerikanische Gefangenschaft

1945–1948 erneut Lehrer am Bismarck-Gymnasium Karlsruhe

1948–1970 Tätigkeit an der Staatl. Akad. der Bildenden Künste Karlsruhe, Leiter der Werkklasse; 1953 Professor, 1961 amtlich bestätigt; seit 1958 stellvertretender Direktor der Akademie

1970 VI Pensionierung

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrenstipendiat der Villa Massimo, Rom (1954); Bundesverdienstkreuz am Bande (1983); Max-Lütze-Medaille (1984); Hans-Thoma-Preis des Landes Baden-Württemberg (1987)
Verheiratet:

1931 Antonia, geb. Gräfin von Westphalen zu Fürstenberg (1902–1989)


Eltern:

Vater: Gustav (1874–1940) Gärtner

Mutter: Luise, geb. Hartmann (1871–1947)


Geschwister:

3; Luise (1893–1974), Gustav (1903–1965), Walter (1916–1943)


Kinder:

6; Clemens (1933–1962), Ludwine (geb. 1934), verh. van Vorstenbosch, Thomas (1937–2016), Barbara (geb. 1939), verh. Hilbert, Fotografin, Silvia (geb. 1941), verh. Klemm-Aicher, und Ebba (geb. 1942), verh. Gardner

GND-ID: GND/118723057

Biografie: Inge Herold (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 299-302

Klemm wuchs als zweitältestes von vier Geschwistern in Mannheim auf, wo er bis 1919 die Tulla-Oberrealschule besuchte. Dann siedelte er nach Karlsruhe um und absolvierte dort bis 1922 eine Ausbildung am Lehrerseminar. Das Studium umfasste alle schulischen Fächer, doch schon bald entschied er, sich auf den künstlerischen Bereich zu konzentrieren. Zunächst strebte er den Beruf des Zeichenlehrers an, um pädagogische Arbeit und kreatives Schaffen zu verbinden. Er studierte von 1922 bis 1925 an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe und war dort Schüler von August Groh (1871–1944) und Ernst Würtenberger. Während seines Vorbereitungsdienstes unterrichtete Klemm als Probe- und Zeichenlehrerkandidat von 1925 bis 1926 an der Realschule in Breisach. 1926 und noch einmal 1931 übernahm er eine Stellvertretung an der Humboldtschule in Karlsruhe. 1929 wurde er nach Triberg versetzt, bis er im April 1932 an das Bismarckgymnasium Karlsruhe kam, wo er mit kriegsbedingten Unterbrechungen bis 1948 unterrichtete.

Unter dem Einfluss seiner Ehefrau wandte sich Klemm bald nach der Eheschließung der Mazdaznan- Lehre zu, einer im 19. Jahrhundert entstandenen Mischreligion mit zarathustrischen, christlichen und hinduistischen Elementen. Sie basierte auf vegetarischer Ernährung sowie auf täglichen Atem- und Meditationsübungen, die Klemm mehr oder weniger konsequent bis an sein Lebensende befolgte. Die Familie lebte in einer kleinen Vierzimmerwohnung in der von Walter Gropius Ende der 1920er Jahre entworfenen Baugenossenschafts-Wohnsiedlung Dammerstock im Süden Karlsruhes. Erst mit der Versetzung an das Bismarckgymnasium schien Klemms Laufbahn in sichere Bahnen gelenkt, seine Ernennung zum Zeichenlehrer verzögerte sich aber. Erst 1939 wurde er Beamter auf Lebenszeit. 1941/42 legte er die Prüfung für das Lehramt an Höheren Schulen, das pädagogische Examen und die Prüfung für Erdkunde ab und wurde Assessor.

Der Fronteinsatz im II. Weltkrieg blieb dem Vater von sechs Kindern erspart. Von August 1939 bis Februar 1940 war er bei der militärischen Baukompanie Durlach im Einsatz, danach in der Verwaltung der Heeresschlächterei in Durlach. Erst kurz vor Ende des Krieges wurde Klemm nach Österreich abkommandiert. Seine Familie war während des Krieges in Isny untergekommen, wohin Klemm 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde. Bereits im November 1945 kehrte er wieder nach Karlsruhe an sein Gymnasium zurück.

Im April 1948 eröffnete sich Klemm ein neuer Arbeitsbereich, der seinem Leben und Schaffen eine entscheidende Wende gab. 1933 war aus der Badischen Landeskunstschule die Badische Hochschule der Bildenden Künste geworden, die 1947 als Badische Akademie der Bildenden Künste wieder eröffnet wurde und 1949 den Status der Staatlichen Akademie erhielt. Mit Künstlern wie Karl Hubbuch, Wilhelm Schnarrenberger und Erich Heckel hatte der Neubeginn eine naturalistisch orientierte, aus weitgehend regionalen Künstlern zusammengesetzte Ausrichtung. Klemm wurde als Leiter des Werkunterrichts an diese Akademie berufen und hatte die Aufgabe, die zukünftigen Zeichenlehrer in Werken auszubilden. Im Februar 1951 wurde er Studienrat, 1953 erhielt er die Amtsbezeichnung Professor, um titular den anderen Mitgliedern des Lehrkörpers gleichgestellt zu sein, amtliche Bestätigung erfuhr diese Bezeichnung 1961. Seit 1958 war er stellvertretender Direktor und 1965 übernahm er zusätzlich die Aufgabe des Pressereferenten. 1966 wurde Klemm stellvertretender Landesschulrat. Im Alter von 67 Jahren wurde Klemm im Juni 1970 pensioniert.

Klemm gab seinen Werkunterricht montags und dienstags ganztägig, die übrigen Wochentage blieben der Vorbereitung des Unterrichts und der eigenen Malerei vorbehalten. Regelmäßigkeit, Einfachheit und konsequente Disziplin erwiesen sich nicht nur als relevante Züge in Klemms Lebensführung, sondern auch als Aspekte, die sein Wirken als Lehrer bestimmten. Im Vordergrund seiner Lehre standen sein spezifisches Materialverständnis sowie seine Wertschätzung des handwerklichen Könnens. Zweck, Form und Funktion verstand er als bestimmende Faktoren, Ökonomie, Disziplin und Ordnung als „Forderungen unserer Zeit“ (in: Badische Werkkunst, 100 Jahre Akademie der bildenden Künste Karlsruhe, Juli 1954, S. 31). Aus verschiedenen Materialien, z. B. Metall, Holz, Ton, Gips, Papier, Textil und Kunststoff, oft Abfallstücken, sollten mit einfachen, spielerischen Methoden zweckvolle, formschöne und künstlerisch anregende Dinge entstehen. Formbestimmend sollte beim experimentellen Gestalten, ganz im Sinne der Bauhaus-Lehre von Johannes Itten (1888–1967), die Eigenart der Materialien sein. Gemeinsam war den beiden im Übrigen auch die Beschäftigung mit der Mazdaznan-Lehre, wenngleich Klemm sie nicht in seinen Unterricht einbezog.

Als Klemm 45–jährig, also nicht mehr ganz jung, seine Tätigkeit als Lehrer an der Akademie antrat, war er künstlerisch noch nicht an die Öffentlichkeit getreten. Er hatte nur während der Sommerferien im Freien oder zu Hause seine Familie gezeichnet. Andere Arbeiten ließ die kleine Wohnung nicht zu. Meistens malte er Häuser des alten Dorfes Rüppurr, häufig auch das dortige Bahnwärterhäuschen. Als Lehrer an der Akademie nun stand ihm ein Atelier zur Verfügung. Motive und Themen seines künstlerischen Schaffens bezog er nun meist aus seinem direkten Arbeits- und Lebensumfeld, etwa Stillleben mit Obstschalen und Kannen, dann auch die Werkzeuge seiner Arbeit selbst wie Staffelei, Maltisch oder die Atelierecke mit Malwerkzeugen. Die Motive stellte er völlig unprätentiös und schlicht dar, sie dienten offensichtlich zuerst der Erprobung und Lösung künstlerischer Problemstellungen. Schließlich wurden diese dreidimensionalen Objekte durch plane Gegenstände wie Spiegel, Fenster und Wände abgelöst, die jedoch auf besondere Weise Transparenz, Reflexion und Räumlichkeit repräsentierten und neben der rein formalen Wirkung eine metaphorische Ebene eröffneten. Die konzentrierte Beobachtung von Gegenständen führte schließlich zu einer Fokussierung auf Wahrnehmungsprozesse, auf die Bedingungen des Sehens. In den späten abstrakten Wandmotiven konzentrierte sich Klemm auf ein Minimum an Farbe und Form. Dies schien auf den ersten Blick Parallelen zur zeitgenössischen Minimal Art aufzuweisen, doch ging Klemm im Unterschied zu deren Vertretern nie von geometrischen Grundformen aus, sondern von einer gegenständlichen Darstellung, die er in abstrakte Strukturen und eine lebendig haptische Oberfläche zerlegte.

Klemm war kein schneller Maler, intensiv rang er um den gewünschten Ausdruck. Für seine Bilder nutzte er zunächst Eitempera, später Caparol, einen synthetischen Binder, der die Korrektur von Farbtönen ermöglichte, was wegen Klemms langem Malprozess nötig war. Andererseits führte dies zu einer dicken, von Pinselspuren und Rissen strukturierten Oberfläche, einer besonderen körnigen Materialität, die das Motiv zurückdrängte und Farbe und Form in den Vordergrund treten ließ. In seinen von Experimentierfreude geprägten Papierarbeiten kombinierte er meist verschiedene Techniken. In den späten Collagen nutzte er unterschiedliche Papiersorten, zerschnitt ältere Arbeiten, um sie zu neuen Kompositionen zusammenzusetzen. Häufig ritzte er in das feuchte Papier oder setzte lamellenartige Schnitte zur Erzielung räumlicher Effekte. Neben Tusche nutzte er auch Kaffee- oder Kastanienbrühe.

Wie stark Klemm künstlerisch auf seine räumliche Umgebung reagierte, wie sehr sich dabei Biographisches mit Künstlerischem mischte, zeigten die mit Atelierwechseln verbundenen künstlerischen Neuorientierungen. Anfang der 1950er Jahre hatte er das erste eigene Atelier bezogen, einen Raum im 3. Stock des alten Hauptgebäudes der Akademie. Im zweiten größeren Atelier im Lichthof gab es Fenster, die sich zur Straße und zum dahinter liegenden Hardtwald öffneten. Hier malte er auf der Basis von Zeichnungen und Gouachen seine ersten Fensterbilder in der für ihn spezifischen Verwendung von Caparol. Der Umzug 1968 in die neue Dependance im Schloss Scheibenhardt, außerhalb von Karlsruhe, schlug sich ebenfalls formal nieder. Auch hier war es neben dem Thema Tür vor allem das Fenstermotiv, das ihn zur Darstellung anregte. Die hohen schmalen Schlossfenster finden sich auf Zeichnungen wie auf Caparol-Bildern.

Noch einmal zog Klemm 1970 in ein Atelier in einem städtischen Gebäude in der Stresemannstraße um, wo der Lichteinfall durch Bebauung und Baumbestand alles andere als günstig war. Gegenüber der mit Butterbrotpapier beklebten Fensterwand ließ sich Klemm aus Spanplatten eine Wand montieren, die für ihn als Motiv nun Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit wurde. In reduzierter Nüchternheit und unter Verzicht von Farbe waren die Arbeiten abgeleitet von den zementgrauen kahlen Wänden des Ateliers. Klemm verstand es, die ungünstige Situation in einen fruchtbaren Neuanfang zu verwandeln.

Bei aller Kargheit überrascht die Vielfalt der Arbeitsergebnisse. Die Werkgruppe der Caparolbilder fand nun ihren Abschluss und Klemm verlegte sich gänzlich auf Papierarbeiten. Dieser Wechsel von den Bildern, die beim Suchen nach dem richtigen Farbton zu vielschichtigen, reliefartigen Gebilden wuchsen, zu den leichten Papierarbeiten muss für Klemm auch ein Akt der Befreiung gewesen sein. Darüber hinaus mögen die Aufgabe der Lehrtätigkeit und das nunmehr mögliche Konzentrieren auf die eigene Arbeit befreiend gewirkt haben. Er selbst bemerkte auf die Frage nach dem Grund dieses Wechsels, die Caparolbilder seien ihm zu schwer in der Handhabung geworden. Auch ging ihm die neue Arbeit mit Papier, Tuschepinsel, Bleistift viel schneller von der Hand als das langsame Malen in mehreren Schichten. Er konnte nun viel spontaner und experimentierfreudiger arbeiten. Der geringen Zahl von etwa 40 Caparolbildern steht von eine kaum überschaubare an Arbeiten auf Papier gegenüber.

In unterschiedlichsten Gruppenausstellungen war Klemm bereits seit 1951 vertreten gewesen, seit 1956 nahm er bis auf die Zeit von 1965 bis 1970 an den Jahresausstellungen des Künstlerbundes Baden-Württemberg teil. Seine erste Einzelausstellung aber fand erst nach dem Ausscheiden aus dem Lehramt 1972 in der Galerie Schneider in Karlsruhe statt. 1975 wurde das erste Bild Klemms durch ein Museum gekauft: Die Kunsthalle Karlsruhe erwarb das um 1965 entstandene Gemälde „Der Spiegel“. Die erste umfassende Retrospektive mit umfangreichem Katalog veranstaltete 1976 das Ulmer Museum. 1978 folgte eine Ausstellung im Mannheimer Kunstverein und 1985 ein Überblick über Klemms Schaffen im Badischen Kunstverein Karlsruhe. Die Retrospektive zum 90. Geburtstag in der Kunsthalle Karlsruhe war noch zu seinen Lebzeiten mit ihm vereinbart worden, der Künstler erlebte sie jedoch nicht mehr.

Klemm arbeitete fast ununterbrochen bis zu seinem Tod. Nach langer Krankheit starb 1989 seine Frau. Bald darauf erlitt Klemm einen ersten Herzinfarkt, er erholte sich jedoch und konnte wieder im Atelier arbeiten, bis er am zweiten Herzinfarkt starb. Sein Nachlass wurde unter seinen Kindern aufgeteilt. Werke Klemms befinden sich heute im Besitz von Museen und Privatsammlungen, wie dem Kupferstichkabinett Dresden, dem Städel Museum Frankfurt, Augustinermuseum Freiburg, der Kunsthallen Karlsruhe und Mannheim und im Museum Wiesbaden. Als Lehrer hat Klemm Generationen junger Künstler gefördert und geprägt, etwa Franz Bernhard (1934–2013) und Helmut Schweizer (geb. 1946). Die Anerkennung seines künstlerischen Lebenswerks fand in verschiedenen Ehrungen, Förderungen und Würdigungen Ausdruck.

Quellen:

A der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe; Auskünfte von Ebba Gardner, Barbara Klemm, Ludwine van Vorstenbosch und Silvia Klemm-Aicher, 2002.

Werke: Kunsthalle Karlsruhe; Kunsthalle Mannheim.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1976), S. 297, von Barbara Klemm.

Literatur:

Bibliographie: Fritz Klemm – Retrospektive, AKat. Ulmer Museum, 1976. – Fritz Klemm – Bilder von 1951 bis 1970, AKat Württemberg. Kunstverein Stuttgart, 1984; Fritz Klemm, AKat Badischer Kunstverein Karlsruhe, 1985; Fritz Klemm – Retrospektive, AKat Staatl. Kunsthalle Karlsruhe u. a., 1992; Eva Studinger, Fritz Klemm (1902–1990) – Leben und Werk, Diss. phil. Heidelberg 1999; Fritz Klemm zum Hundersten, AKat. Kunsthalle Mannheim u. a., 2002; Barbara Klemm, Fritz Klemm, Photographien, Gemälde, Zeichnungen, AKat. Staatl. Kunstsammlungen Dresden 2007; Fritz Klemm, Malerei und Arbeiten auf Papier, AKat. Kunstmuseum Ahlen u. a. 2017.

Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)