Baden, Luise Marie Elisabeth von 

Geburtsdatum/-ort: 1838-12-03; Berlin
Sterbedatum/-ort: 1923-04-23;  Baden-Baden, beigesetzt 30. 4. 1923 Karlsruhe, Fasanengarten (Großherzogliches Mausoleum)
Beruf/Funktion:
  • Großherzogin, geb. Prinzessin von Preußen
Kurzbiografie: Privatunterricht Berlin und Koblenz
1859-1923 Protektorin des Badischen Frauenvereins
1917 Dr. med. h. c. Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Großherzog Friedrich I. von Baden (20. 9. 1856)
Eltern: Vater: Prinz Wilhelm von Preußen (Kaiser Wilhelm I.)
Mutter: Prinzessin Augusta geb. von Weimar
Geschwister: 1 (Prinz Friedrich Wilhelm = Kaiser Friedrich III.)
Kinder: 3 (Friedrich II. von Baden; Prinzessin Viktoria, Königin von Schweden; Prinz Ludwig Wilhelm)
GND-ID: GND/118729667

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 12-14

Luise vereinigte in ihrer Person zwei grundverschiedene Traditionen deutschen Lebens. Ihr Pflichtbewußtsein war vor allem am Vorbild Friedrichs des Großen orientiert. Im Profil der gealterten Frau war eine gewisse Ähnlichkeit mit dem großen Ahnen aus Potsdam erkennbar. Von Weimar hatte sie den Sinn für das Schöne in Kunst und Literatur geerbt.
Ihre Kinderjahre verbrachte Luise in Berlin. Als kaum Zehnjährige erlebte sie dort die Erschütterungen des Jahres 1848. Da es der preußischen Regierung nach der Revolution nicht opportun schien, den Prinzen Wilhelm weiterhin in Berlin zu belassen, wurde er im Herbst 1849 zum Generalgouverneur im Rheinland und in Westfalen ernannt; 1850 folgte ihm die Familie an den Koblenzer Wohnsitz. Luise erlebte dort ihre prägenden Jugendjahre. Die Rheinprovinz war ihr zur eigentlichen Heimat geworden. Die militärische Stellung des Vaters machte sie früh mit den maßgeblichen adeligen Offiziersfamilien bekannt. Ihre Mutter entfaltete eine rege karitative Tätigkeit. So wurde die Prinzessin auf ganz natürliche Weise mit ihren späteren Führungsaufgaben, aber auch ihren besonderen sozialen Verpflichtungen den Mitmenschen gegenüber vertraut gemacht. Das Leben in der Rheinprovinz, in der damals Kunst und Musik (Düsseldorf), Wissenschaft und Forschung (Bonn) blühten, hatte darüber hinaus die intellektuellen und musischen Veranlagungen des jungen Mädchens zur vollen Entfaltung gebracht.
Es entsprach ganz dem Erziehungsideal der adeligen Familien, ihre Kinder durch Reisen zu bilden und zu fördern. Seit 1850 kam Luise zum alljährlichen Sommeraufenthalt nach Baden-Baden. Noch im Jahre ihrer Konfirmation (1855), die sie in Berlin feierte, lernte sie den badischen Großherzog Friedrich I. kennen; bereits ein Jahr danach fand in Berlin die Vermählung statt.
Obwohl die Ehe unverkennbar dynastisch-politische Züge trug, wurde sie doch aus einer wahrhaft inneren Zuneigung geschlossen. Luise hatte schnell erkennen lassen, daß sie in ihrer hohen Stellung vor allem dem Volke dienen wollte. Da der Großherzog daran interessiert war, seine junge Gattin planmäßig in die landesherrlichen Aufgaben einzuführen, pflegte Luise während der ersten Ehejahre regelmäßig den Vorträgen der Minister beizuwohnen; und sie hatte auch bald die Gewohnheit angenommen, sich persönliche Aufzeichnungen über politische Vorgänge zu machen.
Doch ihre ureigene Lebensaufgabe als Landesmutter wurde Luise von den politischen Wechselfällen ihrer Zeit zugewiesen. Der Ausbruch des italienischen Krieges (1859), der sich anfänglich zu einer europäischen Krise auszuweiten drohte, führte zur Gründung des Badischen Frauenvereins. Ziel dieser Vereinigung war, Handarbeiten herzustellen, die den Verwundeten des Krieges zukommen sollten.
Auch nachdem die Kriegsgefahr gebannt war, blieb der Frauenverein mit extensiver karitativer Zielsetzung bestehen. Auf ihn geht die Einführung des Handarbeitsunterrichts für die schulpflichtigen Mädchen zurück. Die daher notwendig gewordene Ausbildung von Handarbeitslehrerinnen sollte sich für die weibliche Jugend segensreich auswirken, denn vielen jungen Frauen konnte so eine gediegene Berufsausbildung ermöglicht werden. In der Leitung des Frauenvereins, der alsbald das ganze Land mit einem Netz sozialer Fürsorge umspannte, hatte Luise ihre lebenserfüllende Aufgabe gefunden. Ihre selbstlose Menschenliebe entsprang echter Religiosität. Und daher hatte sie immer auch das christliche Motiv der Nächstenliebe, vor allem bei der Ausbildung der Krankenschwestern, betont. Es wäre ihr zu wenig gewesen, für diesen Verein lediglich ihren Namen als fürstliche Protektorin herzugeben. Im wortwörtlichen Sinn war Luise mittätig, und sie soll einmal, durch Krankheit verhindert, ihr Fernbleiben von einer Sitzung durch ein ärztliches Attest begründen haben lassen.
Die Kraft zu solch nimmermüdem Dienst am Nächsten erwuchs ihr vornehmlich aus ihrer Familie, die im besten Sinne intakt war und ganz aus der Kraft des Wortes Gottes lebte. Nur selten gab es einen Tag, der nicht mit einer kurzen Bibellesung begonnen wurde. Drei Kinder gingen aus der Ehe hervor. In herzlicher Zuneigung blieb Luise auch ihrem Elternhaus in Berlin verbunden. Es war für sie ein harter Schlag, als ihr im Jahre 1888 nicht nur der zweitgeborene Sohn, sondern auch der Vater und der einzige Bruder durch den Tod entrissen wurden. Nur wenig später verlor sie auch ihre geliebte Mutter.
Obwohl nicht im eigentlichen Sinn zu führendem politischen Handeln berufen, hatte Luise den großen Ereignissen ihrer Zeit ein ganz persönliches Interesse bekundet. Viel Kummer bereitete ihr der Deutsche Krieg (1866); da die Mehrzahl der badischen Herzen für Österreich schlugen, gab es in ihrer Umgebung kaum jemand, der der Großherzogin Mitgefühl für die Sache Preußens geteilt hätte. Sicher war der glanzvollste Tag ihres Lebens, als das Deutsche Reich gegründet wurde und ihr Gemahl das erste kaiserliche Hoch auf ihren Vater ausrief.
Daß in einem der süddeutschen Staaten des 19. Jahrhunderts die gebürtige Preußin nicht allenthalben die ungeteilte Zuneigung der Bevölkerung erfahren durfte, war kaum verwunderlich. Die im Zuge der Reichsgründung etablierte Vormachtstellung der Hohenzollern, die damals noch stark empfundenen konfessionellen Gegensätze, vor allem aber die sozialen Umwälzungen als Folge der Industrialisierung haben gegenüber Luise zahlreiche Ressentiments geweckt. Da ihre Willensstärke und ihr Durchsetzungsvermögen sprichwörtlich waren, hatten es ihre Kritiker nicht schwer, alle unliebsamen Vorkommnisse in der badischen Staatsführung dieser Frau zuzuschieben, von der man unumwunden sagte, daß sie in Karlsruhe die eigentliche und wahre Gebieterin sei. Nachweislich blieb „die alte Luise“ noch immer die stärkste Figur am Hofe, auch nachdem die Regierungsgeschäfte bereits an ihren Sohn übergegangen waren. Indessen konnte den unvoreingenommenen Zeitgenossen nicht entgehen, daß Luise für die ihr gestellten Aufgaben ein Höchstmaß an Begabung und Befähigung mitgebracht hatte. Ihrem sozialen Engagement zollte ohnehin jedermann respektvolle Anerkennung; diesem inneren Bedürfnis hatte sie auch durch mehrere religiöse Erbauungsschriften sichtbaren Ausdruck verliehen. Während des 1. Weltkrieges hatte sie, seit 1907 im Witwenstand lebend, noch einmal Gelegenheit, ihre ganze Kraft in den Dienst der Mitmenschen zu stellen. Daß ihr im Jahre 1917 die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg die Ehrendoktorwürde verlieh, war mehr als eine konventionelle Geste gegenüber einer hochbetagten Fürstin und verdienten Landesmutter.
Der Zusammenbruch des Reiches und der damit verbundene Sturz der Monarchie mußten sie schwer treffen, zumal sie bis zuletzt an den Sieg der gerechten Sache geglaubt hatte. Im Zuge der Novemberereignisse 1918 wurden auch gegen sie zahllose Schmähungen ausgestoßen, auch wenn diese kaum an das Ohr der Großherzogin gelangten. Nach der Flucht aus der Residenz lebte Luise nach kurzen Zwischenaufenthalten zunächst auf der Insel Mainau, bis sie im Spätsommer 1919 nach dem Schloß Baden-Baden übersiedeln konnte, wo sie 1923 starb. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in der Großherzoglichen Gruft an der Seite ihres Gemahls.
Werke: Das in mehreren, teilweise erweiterten Auflagen herausgegebene Schrifttum zugänglich in: Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV); 1700-1910, Bd. 91, 132, München 1983; Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV); 1911-1965, Bde. 32, 354 und 82, 316, München 1978; ferner bei Lautenschlager F. und Schulz W., s. u. L (BbG); Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik von 1854-1871, Briefwechsel, Denkschriften, Tagebücher, hg. von H. Oncken, 2 Bde., Stuttgart 1927 (darin 359-391: Aufzeichnungen der Großherzogin Luise vom Sommer 1863); Persönliche Erinnerungen, Karlsruhe 1915.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos: StAF, Bildnissammlung; ferner in: Die Großherzöge Friedrich I. und Friedrich II., hg. v. E. Ferle, Karlsruhe 1930, 47-59; Velhagen und Klasings Monatshefte Jg. 33, 1918/19, Bd. 1, Heft 4, 404/5.

Literatur: BbG 1.2 Nr. 8904-8955, III Nr. 20380, VII Nr. 39126. Dazu die gesamte Literatur über Großherzog Friedrich I. von Baden, ebenda 1.2 Nr. 8761-8955, III Nr. 2037820381, 22611, V Nr. 29572, VI Nr. 34365, 36422, 36628, VII Nr. 39122-39125.
Besonders informative Einzeltitel (in Auswahl): Hesselbacher K.: Großherzogin Luise von Baden. Zu ihrem 80. Geburtstage 3. Dezember 1918; in: Velhagen u. Klasings Monatshefte 33, 1918/19, Bd. 1, Heft 4, 401-406; Bodmann H., Freiherr von, Ansprache in der Trauerfeier Freiburger Frauenvereine zum Gedächtnis Ihrer Kgl. Hoheit Großherzogin Luise von Baden am 17. Mai 1923 gehalten, Karlsruhe 1923; Oncken H., Marie Elisabeth Luise, Großherzogin von Baden, geb. Prinzessin von Preußen; in: DBJ. 5, 1923, 251-261; Hindenlang F., Großherzogin Luise von Baden. Der Lebenstag einer fürstlichen Menschenfreundin, Karlsruhe, 2. Aufl. 1926; Doll I., Großherzogin Luise, in: Die Großherzöge Friedrich I. und Friedrich II., hg. v. E. Ferle, Karlsruhe 1930, 47-58; Hesselbacher K., Aus meinen Erinnerungen an Großherzogin Luise, ebenda, 59-66; Pezold H. von, Zum 95. Geburtstag von Großherzogin Luise von Baden, in: Die Pyramide Jg. 22 Nr. 49, Karlsruhe 1933, 193-194.
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