Reinhardt, Walther 

Geburtsdatum/-ort: 24.03.1872;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 08.08.1930; Berlin-Lichterfelde
Beruf/Funktion:
  • General, preußischer Kriegsminister
Kurzbiografie: 1891 Eintritt in die württ. Armee
1901 Wechsel in den Generalstab der Armee
1907 Kompaniechef in Ludwigsburg
1909 Generalstabsoffizier in der 26. (1. württ.) Infanteriedivision
1912 1. Generalstabsoffizier im XIII. (württ.) Armeekorps
1915 Chef des Generalstabes des XIII. (württ.) Armeekorps,
1916 Chef des Generalstabes der 11. Armee
1917 Chef des Generalstabes der 7. Armee
1918 Leiter der Demobilmachung im preuß. Kriegsministerium
1918 preuß. Kriegsminister
1919–1920 Chef der Heeresleitung, Berlin
1920–1924 Befehlshaber im Wehrkreis V und Kommandeur der 5. Division sowie Landeskommandant in Württemberg, Stuttgart
1925–1927 Befehlshaber des Reichswehrgruppenkommandos 2, Kassel
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: u. a. Pour le Mérite mit Eichenlaub; Eisernes Kreuz 1. und 2. Klasse; Roter Adlerorden 4. Klasse; Ritterkreuz des Württ. Militärverdienstordens
Verheiratet: 1900 (Berlin) Luise, geb. Fürbringer († 1920)
Eltern: Vater: August von Reinhardt (1827–1907, württ. Personaladel), Generalmajor und Kommandeur des 120. Infanterieregimentes
Mutter: Emilie, geb. von Wiedenmann
Geschwister: Ernst (1870–1939), Generalleutnant
Kinder: 3: Lotte; Hedwig; Ursula
GND-ID: GND/118744291

Biografie: Heiner Möllers (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 223-225

Reinhardt trat als Sohn eines württembergischen Generals 1885 in das Kadettenkorps ein und durchlief die militärische Ausbildung in der Kadettenanstalt in Schloss Oranienstein und in der preußischen Hauptkadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde. Ab 1891 gehörte er, anfangs als Portépée-Fähnrich, dem Grenadierregiment „Königin Olga“ (1. Württembergisches) Nr. 119 in Stuttgart an. Nach der Ausbildung zum Truppenoffizier, u. a. an der Kriegsschule in Hersfeld, wurde er 1901 für drei Jahre zur Dienstleistung in die „Französische Abteilung“ des Großen Generalstabs der Armee in Berlin kommandiert. Mit kurzen Unterbrechungen, z. B. zwischen 1907 und 1909 als Chef der 5. Kompanie des Infanterieregiments Alt-Württemberg (3. Württembergisches) Nr. 121 in Ludwigsburg sowie einer dreiwöchigen Verwendung als Regimentskommandeur im Jahr 1916, gehörte er bis 1918 dem Generalstab an: u. a. ab 1909 im Stab der 26. (1. Württembergischen) Infanteriedivision, danach ab 1910 wieder der Französischen Abteilung im Großen Generalstab, 1912 als 1. Generalstaboffizier dem Stab des XIII. (Württembergischen) Armeekorps. Ihm gehörte er bis 1916 an und er erlebte den Stellungskrieg im Westen sowie zwischen November 1914 und Herbst 1915 auch den Krieg im Osten. Ab 1916 wirkte er als Chef des Generalstabes der 11. Armee in Mazedonien, Oberbefehlshaber war General der Infanterie Arnold von Winckler, ab Frühjahr 1917 dann in gleicher Verwendung bei der von General Max von Boehn geführten 7. Armee an der Westfront. Für die Führung der Abwehrkämpfe erhielt er am 30. April 1917 den preußischen Orden Pour le Mérite.
Die große Wende im Leben von Reinhardt war die Ernennung zum Leiter der Demobilisierungskommission im preußischen Kriegsministerium Ende Oktober 1918 und nach dem Rücktritt des preußischen Kriegsministers, General Heinrich von Schëuch, die Übernahme seines Amtes, als württembergischer Oberst! Ursächlich dafür war auch, dass die führenden Köpfe im kaiserlichen Großen Hauptquartier, vor allem Generalleutnant Wilhelm Groener als Oberquartiermeister, sich angesichts der revolutionären Umtriebe nicht selbst „verbrennen“ wollten, den württembergischen Offizier also „vorschoben“.
In den Tagen und Wochen der Revolution organisierte Reinhardt den Schutz der Reichskanzlei und sicherte damit die Handlungsfähigkeit der Übergangsregierung. Grundlage für diese Kooperation war das Ebert-Groener-Abkommen, nachdem das Militär dem Rat der Volksbeauftragten seine Unterstützung gegen die Spartakisten gegen die Zusicherung der Kommandogewalt der Offiziere gewährte. Als Entgegenkommen gegenüber den gemäßigt revolutionären Kräften war Reinhardt bereit, auf Achselstücke zu verzichten, um weiteren Konfliktstoff zu vermeiden. Gleichwohl war gerade dies ein Punkt, weshalb er bei reaktionären Offizieren fortwährend wenig Rückhalt besaß.
Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles folgte die Reichsregierung unter Ministerpräsident Philipp Scheidemann angesichts der militärischen Unterlegenheit gegenüber den Kriegsgegnern Reinhardts Vorschlag zum militärischen Widerstand nicht. Unter dem Reichswehrminister Gustav Noske übernahm er am 1. Oktober 1919 das Amt des Chefs der Heeresleitung. Zuvor hatte Reinhardt jedoch einen Vorschlag Generalmajor Hans von Seeckts, die höheren militärischen Kommandostellen und Ämter in Form eines Kollegialkabinetts gleichberechtigt nebeneinander anzuordnen, verworfen und den Chef der Heeresleitung zum faktischen Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte erhoben. Der ihm nun unterstellte Chef des Truppenamtes, Seeckt, untergrub Reinhardts Amtsführung als Chef der Heeresleitung und zog immer mehr Kompetenzen und Befugnisse an sich. Dabei nahm Seeckt nach klassischer Art die Stellung eines Chefs des Generalstabes der Armee ein, mit der er die leitende Position in den Streitkräften ausüben wollte.
In der Nacht des Kapp-Lüttwitz-Putsches am 12. März 1920 riet Reinhardt zum militärischen Widerstand gegen die militärisch schlagkräftigen, und den Regierungstruppen überlegenen Putschisten. Sein Vertreter Seeckt verwarf diesen Gedanken gegenüber dem Minister, weil er aussichtslos sei und für das innere Gefüge der noch im Aufbau befindlichen Reichswehr eine zu schwere Hypothek darstelle. – Die Worte „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“ fielen nicht, gleichwohl hat Seeckt dieses Argumentationsschema angewandt, um den Minister von den Gefahren eines solchen „Einsatzes gegen Kameraden“ zu überzeugen. – Reichswehrminister Noske wich einer Entscheidung aus, und Reinhardt war isoliert. Er erklärte seinen sofortigen Abschied – schriftlich nicht überliefert! – und war in den Folgetagen ohne Aufgabe. Nach dem Rücktritt Gustav Noskes, dem Otto Geßler folgte, wurde Seeckt zum Chef der Heeresleitung ernannt und begann nun, wie Reinhardt es vergeblich versucht hatte, den Chef des Heeresleitung zum Oberbefehlshaber auszubauen. In der öffentlichen Wahrnehmung und angesichts des auf die (partei-)politische Arbeit sich zurückziehenden Ministers Geßler gelang ihm dies auch. Für Reinhardt kam unter diesen Voraussetzungen eine Verwendung in der Reichswehr unter der Führung Seeckts anfangs nicht in Frage.
Im Zuge umfangreicher personeller Veränderungen wurde Reinhardt in Stuttgart zum Befehlshaber im Wehrkreis V und Kommandeur der 5. Division ernannt. Dabei war er in Personalunion Landeskommandant in Württemberg, eine in diesem Land eher nominell-repräsentative Aufgabe. Die Ruhrbesetzung und die große Staatskrise im Jahre 1923 scheinen auf seinen Verantwortungsbereich wenig Auswirkungen gehabt zu haben. Reinhardt wurde im Rahmen der Reichsexekution im Jahr 1923 mit der Ausübung der vollziehenden Gewalt in Thüringen beauftragt. Dabei bekämpfte er die proletarischen Hundertschaften, jene damals bestehende linksrevolutionäre Kampftruppe, die die demokratische Republik mit Gewalt in ein bolschewistisches Rätesystem wandeln wollte. 1925 wechselte Reinhardt an die Spitze des Reichswehrgruppenkommandos 2 nach Kassel, wo er Vorgesetzter der 5., 6. und 7. Division der Reichswehr war.
Im Zuge der Entlassung des Generalobersten Hans von Seeckt im Oktober 1926 überging man Reinhardt bei der Nachfolge. Er fand bei Reichspräsent Paul von Hindenburg keine Unterstützung, stattdessen wurde mit General Wilhelm Heye ein gefügiger Anhänger Seeckts berufen. Reinhardt bat um den Abschied, erhielt ihn auf Wunsch des Reichswehrministers jedoch erst im Dezember 1927. Das Recht zum Tragen der Uniform des 13. (Württembergischen) Infanterieregimentes, das die Tradition des früheren Grenadierregimentes „Königin Olga“ weiterführte, war die letzte Auszeichnung, die er in seiner militärischen Laufbahn erhielt. Er wurde bis zu seinem Tode in der Rangliste des Regimentes geführt.
Nach seinem Abschied leitete Reinhardt die nach ihm benannten „Reinhardt-Kurse“, mit denen die Reichswehr überdurchschnittliche Offiziere weit über den militärischen Kontext hinaus in staatspolitischen Gebieten fortbildete. Da es sich dabei aber nicht um genuin militärische Fortbildungen handelte, war es kein Wunder, dass diese Kurse 1933 ersatzlos eingestellt wurden.
Bei aller persönlichen Loyalität gegenüber den führenden Köpfen der Weimarer Republik, insbesondere Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichswehrminister Otto Geßler, und der sich dem Staat fügenden Haltung, darf nicht übersehen werden, dass Reinhardt wie viele seiner Zeitgenossen ein entschiedener Gegner des Versailler Vertrages war. Auch deswegen arbeitete er nach seiner Verabschiedung weiter an der „Erstarkung des Wehrwillens in Deutschlands“ mit. Gleichwohl war Reinhardt unter den militärischen Persönlichkeiten eine herausragend schillernde: Sein über Militärisches hinausgehendes Interesse, gerade an politischen Fragen und der Rolle der SPD, trug ihm den Makel ein, ein „Linker“ zu sein. Geschadet hat ihm dies nicht. Die Bundeswehr benannte 1968 eine Kaserne in Ellwangen/Jagst nach ihm.
Quellen: HStAS M 660/034: NL Reinhardt. TeilNL; BA-MilitärA Freiburg N 86 (Mikrofilm): (Teil des HauptNL).
Werke: Ernst Reinhardt (Hg.), Wehrkraft und Wehrwille. Aus dem NL mit einer Lebensbeschreibung, 1932.
Nachweis: Bildnachweise: In: Wehrkraft und Wehrwille, Vorsatz (wie Werke).

Literatur: Hans Möller, Geschichte des Ordens „Pour le mérite“ im Weltkriege, Bd. 2, 1935, 182–184; Fritz Ernst, Walther Reinhardt, in: ZWLG 16 (1957), 331–364; Fritz Ernst, Aus dem NL des Generals Walther Reinhardt, 1958; Axel Gablik, Walther Reinhardt, in: Detlef Bald/Uwe Hartmann (Hgg.), Klassiker der Pädagogik im deutschen Militär, 1999, 147–163; William Mulligan, The Creation of the modern German army, General Walther Reinhardt and the Weimar Republic, 1914–1930, 2005; Bruno Thoß in: NDB 21, 363; DBE 8, 221.
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