Wagner, Wieland Adolf Gottfried 

Geburtsdatum/-ort: 05.01.1917; Bayreuth
Sterbedatum/-ort: 17.10.1966; München
Beruf/Funktion:
  • Regisseur und Bühnenbildner
Kurzbiografie: 1936 Abitur, dann Einberufung zum Reichsarbeitsdienst
1937 Bühnenbilder für „Parsifal“ in Bayreuth
1938 Eintritt in die NSDAP
1943 Bühnenbilder für „Meistersinger“ in Bayreuth
1943 Oberspielleiter in Altenburg
1944 „Kriegsdienst“ im KZ Außenlager Bayreuth
1951 Neueröffnung der Bayreuther Festspiele
1954 Erste Inszenierung in Stuttgart: „Fidelio“
1956 Orff, „Antigonae“ in Stuttgart
1957 „Rienzi“ in Stuttgart
1962 „Salome“ und „Elektra“ in Stuttgart
1965 Neuinszenierung des „Rings“ in Bayreuth
1966 „Lulu“, letzte Arbeit in Stuttgart
1972 Wieland-Wagner-Woche in Stuttgart
1976 Letzte Aufführung des Stuttgarter „Rings“
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1941 (Nussdorf am Bodensee) Gertrud, geb. Reissinger (1916–1998), Tänzerin und Choreographin
Eltern: Vater: Siegfried (1869–1930)
Mutter: Winifred, geb. Williams (1897–1980)
Geschwister: Friedelind (1918–1991), Wolfgang (geboren 1919), Verena (1920-2010)
Kinder: 4;
Iris (geboren 1942),
Wolf Siegfried (geboren 1943),
Nike (geboren 1945),
Daphne (geboren 1946)
GND-ID: GND/118770764

Biografie: Michael Strobel (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 446-448

Genau 16 Inszenierungen hat Wagner in Stuttgart als Regisseur und Bühnenbildner zwischen 1954 und 1966 betreut, mehr als an einer anderen Bühne im In- und Ausland außerhalb der Festspielstadt Bayreuth. Neben Günther Rennert war Wagner der bedeutendste Regisseur der Ära Walter Erich Schäfer– Ferdinand Leitner. Stuttgart war sein „Winter-Bayreuth“, wo er Werke ausprobieren und Ideen entwickeln konnte. Der Enkel Richard Wagners war der älteste Sohn Siegfried Wagners und dessen aus England stammender, wesentlich jüngerer Frau Winifred, die nach Siegfrieds Tod 1930 die Leitung der Festspiele übernahm und zur unumschränkten Herrscherin des „Grünen Hügels“ aufstieg. Über die enge Verbindung der ganzen Familie Wagner und des Hauses Wahnfried mit Adolf Hitler und dem NS-Regime ist hinlänglich berichtet.
Wagner erhielt seine künstlerische Ausbildung bei dem Maler Ferdinand Staeger, der ihn auch geistig stark beeinflusste und ihm ein väterlicher Freund wurde, und bei dem Dirigenten Kurt Overhoff, der ihn in die Musikdramen seines Großvaters einführte. Bereits 1937 entwarf Wagner erste Dekorationen für die Festspielaufführungen des „Parsifal“ in Bayreuth, 1943 malte er die Bühnenbilder für die „Meistersinger von Nürnberg“, einer Inszenierung von Heinz Tietjen. Im selben Jahr sammelte er erste Erfahrungen als Oberspielleiter in Altenburg. 1938 wurde der 21-jährige Wagner NSDAP-Mitglied. In den letzten Kriegsmonaten leistete er „Kriegsdienst“; er hatte eine leitende Funktion beim „Institut für physikalische Forschung“ im KZ-Außenlager Bayreuth, einem Ableger des KZ Flossenbürg.
Nach dem Zusammenbruch floh Wagner mit seiner Frau, die seine Arbeit nachhaltig inspirierte, und den Kindern an den Bodensee, wo er bis 1949 blieb. 1951 gelangen Wagner und seinem jüngeren Bruder Wolfgang die erfolgreiche Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele mit einer vielbeachteten Aufführung des „Parsifal“. Wagner hatte mit seinen Lehrern und seiner Vergangenheit gebrochen. Die frühere Festspielleiterin Winifred Wagner wurde vom „Grünen Hügel“ verbannt. Der Bruder Wolfgang kümmerte sich zunächst nur um die Finanzen, trat ab 1953 dann auch als Regisseur in Erscheinung. Wagner „entrümpelte“ die Szene, arbeite abstrakt und mit beeindruckenden Lichträumen und ließ tiefenpsychologische Erkenntnisse in seine Regie-Arbeit einfließen, die er während seines unfreiwilligen Exils am Bodensee gewonnen hatte. Er engagierte namhafte Dirigenten wie Herbert von Karajan, Hans Knappertsbusch und Joseph Keilberth und versammelte ein junges, politisch unbelastetes und künstlerisch formbares Sängerensemble mit Wolfgang Windgassen, Martha Mödl, George London, Gustav Neidlinger, Hermann Uhde, Astrid Varnay, Leonie Rysanek, Josef Greindl und Hans Hotter um sich.
Nachdem es Wagner nicht gelungen war, außerhalb Bayreuths eine Experimentier-Bühne zu finden, bot ihm der Stuttgarter Intendant Walter Erich Schäfer an, sein Haus als Werkstatt zu nutzen. Die 12-jährige Zusammenarbeit begann am 14. November 1954 mit Beethovens Oper „Fidelio“. Wagner strich die Dialoge und ließ statt dessen einen Text Schäfers von dem Schauspieler Günther Lüders (1905–1975) sprechen. Die Spielebene reduzierte er auf eine kreisrunde, hell ausgeleuchtete Scheibe mit nur angedeuteten Gefängnisgittern. Der Chor wurde oratorienhaft streng geführt. Diese radikale Neufassung forderte massiven Widerspruch heraus, war aber musikalisch dank des Dirigenten Ferdinand Leitner, der die meisten Produktionen Wagners in Stuttgart betreute, und der Sänger Gré Brouwenstijn, Wolfgang Windgassen, Gustav Neidlinger und Otto von Rohr ein Ereignis. Diese Inszenierung blieb in modifizierter Form bis in die frühen 1980er-Jahre auf dem Spielplan der Württembergischen Staatsoper und wurde bei den frühen Auslandsgastspielen der Stuttgarter Oper in Brüssel und London gezeigt. Die Liebe zum griechischen Drama und zur Antike überhaupt vereinte Carl Orff und Wagner bei der Premiere der „Antigonae“ 1956. Die Hauptrollen sangen Martha Mödl und Hermann Uhde, Fritz Wunderlich den „Teiresias“. 1957 folgte Orffs „Comoedia de Christi ressurectione“. Zur von Orff gewünschten Fortsetzung einer Zusammenarbeit kam es indes nicht.
Im Mittelpunkt von Wagners weiterer Stuttgarter Arbeit stand neben den Dramen Richard Strauss’ („Salome“ und „Elektra“, 1962) das Werk seines Großvaters. Die Produktionen von „Tristan und Isolde“ 1958, „Lohengrin“ 1960, „Der Fliegende Holländer“ 1961 und von „Tannhäuser“ 1962 waren Reflexionen oder Vorstudien zu Wagners Bayreuther Produktionen. Wagners in Bayreuth nie aufgeführtes Frühwerk „Rienzi“ bildete 1957 die einzige Ausnahme. Die Neuinszenierung des „Rings des Nibelungen“ 1955 bis 1957 war besonders erfolgreich und erweckte große Begeisterung. Mit Wolfgang Windgassen als „Loge“, „Siegmund“ und „Siegfried“, sowie Martha Mödl als „Brünnhilde“, Gustav Neidlinger als „Alberich“ und Otto von Rohr als „Hagen“ konnte die Stuttgarter Bühne mit Sängern von Weltrang aufwarten. Die Produktion stand nach mehr als 30 zyklischen Aufführungen im Herbst 1976 unter der musikalischen Leitung von Silvio Varviso ein letztes Mal auf dem Spielplan.
Schon von schwerer Krankheit gezeichnet war 1966 Alban Bergs „Lulu“ Wagners letzte Stuttgarter Arbeit. Die Titelpartie übernahm Wagners langjährige Lebensgefährtin Anja Silja, die bereits 1960 die „Senta“ und 1962 die „Salome“ gesungen hatte. Ein von Schäfer für 1967 geplanter neuer „Don Giovanni“ konnte nicht mehr realisiert werden. Im Januar 1972 veranstaltete die Stuttgarter Staatsoper eine einwöchige Werkschau mit sieben Inszenierungen zum Gedenken an den großen Regisseur Wagner.
Werke: Inszenierungen in Stuttgart: Fidelio (1954), Orpheus u. Eurydike (1955), Antigonae (1956), Der Ring des Nibelungen (1955–1957), Comoedia de Christi resurrectione (1957), Rienzi (1957), Tristan u. Isolde (1958), Lohengrin (1960), Der Fliegende Holländer (1961), Elektra (1962), Salome (1962), Tannhäuser (1962) u. Lulu (1966).
Nachweis: Bildnachweise: Walter Erich Schäfer, Die Stuttgarter Staatsoper, 1972, 156/157.

Literatur: Walter Erich Schäfer, Wieland Wagner. Persönlichkeit u. Leistung, 1970; Wolfgang Wagner, Lebensakte, 1994; Berndt W. Wessling, Wieland Wagner. Der Enkel, 1997; Anja Silja, Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, 1999.
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