Ringwald, Klaus 

Geburtsdatum/-ort: 06.08.1939;  Schonach
Sterbedatum/-ort: 29.11.2011;  Triberg
Beruf/Funktion:
  • Bildhauer
Kurzbiografie:

1945 –1953 Volksschule in Schonach

1953 –1956 Schnitzerlehre in Triberg

1960 –1961 Kunstschule in Selva Gardena, Grödnertal, Südtirol

1962 –1963 Mitarbeit bei Prof. Karl Baur in München

1963 –1969 Studium bei Prof. Hans Wimmer, Akademie der bildenden Künste in Nürnberg, 1967 bis 1969 Meisterschüler; Abschluss als akademischer Bildhauer und Beginn der Tätigkeit als freischaffender Künstler

1972 Bezug seines Ateliers in Schonach

1973 –2009 Einzelausstellungen in Villingen, Endingen, Karlsruhe, Hornberg und Meßkirch

1995 Ernennung zum Professor des Landes Baden-Württemberg

2006 Gründung der Klaus-Ringwald-Stiftung

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet:

1967 (München) Rosmarie, geb. Dettenkofer (geb. 1939)


Eltern:

Vater: Ernst (1907–1976), Uhrmacher

Mutter: Laura, geb. Schwer (1912–1977)


Geschwister:

keine


Kinder:

3; Markus, Christiane und Simon

GND-ID: GND/118809377

Biografie: Johannes Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 445-448

Die Briefe an seine Freunde unterschrieb Ringwald gern als „Klaus vom Wald“. Als „Wälder“, nämlich als Schwarzwälder, hat er sich selber verstanden, lebenslang.

Ringwald wurde kurz vor Ausbruch des II. Weltkriegs geboren, der ihm bald den Vater bis zum Kriegsende entzog. Er wuchs unter ärmlichen Verhältnissen auf. Oft musste er mit der Großmutter Beeren und Pilze sammeln, bei Wind und Wetter die Kühe weiden. Dennoch gelang es ihm, die Volksschule und dann eine Lehre im für die Region typischen Schnitzerhandwerk abzuschließen, als er noch nicht 17 Jahre alt war. Um seine Fähigkeiten weiterzubilden, zog er ins Grödnertal nach Südtirol, dann nach München und schließlich nach Nürnberg, wo er im Bildhauer Hans Wimmer (1907–1992) den Lehrer fand, der ihn prägen sollte.

Im Grödnertal war Ringwald erstmals dem Süden begegnet, den er wie eine Offenbarung empfand. Italien, aber auch Spanien und Griechenland, dann Ägypten, Indien und China hat er von da an bereist, sich Kenntnis der jeweiligen Kunst erworben und so Maßstäbe gewonnen. In Vaglio im Tessin baute er sich eine zweite Heimat auf.

Wimmer war einer der bedeutendsten Porträtisten seiner Zeit gewesen, und Ringwald wurde sein gelehrigster Schüler, der mit Bildnissen seiner Eltern begann, seiner Frau und seiner Kinder. Vor allem aber wuchs Ringwald in der Auseinandersetzung mit Carlo Schmid, der geradezu sein geistiger Ziehvater wurde. Es folgten Künstler-Büsten: von Ingeborg Hallstein, Hermann Prey (1929–1998), Kurt Böhme (1908–1998), Dietrich Fischer-Dieskau (1925–2012) und, kurz vor Ringwalds Tod, von Pierre Boulez (1925–2016). Wenn Ringwald nicht Bildhauer geworden wäre, hätte er, davon war er überzeugt, Dirigent werden können; ohne Musik konnte er nicht leben.

Auch andere – insgesamt etwa 40 – Persönlichkeiten hat Ringwald porträtiert, zuweilen nach Vorlagen. Zu ihnen zählten die Verfolgten des NS-Regimes Rupert Mayer (1876-1945), Heinrich Feurstein (1877-1942) und Edith Stein (1891-1942), Geistliche wie die Freiburger Erzbischöfe Eugen Seiterich (1903-1958) und Hermann Schäufele (1906-1977), der Freiburger Generalvikar Robert Schlund (1912-1990), Politiker wie Lothar Späth (1937–2016) und Heiner Geißler (1930–2017), aber auch unbekannte Menschen. Das Wichtigste war ihm dabei, dass er sich von einem Gesicht, einem Kopf künstlerisch herausgefordert fühlte. Ringwald ging es nie um bloße Abbildung, das Wesen des Menschen wollte er erfassen und herausarbeiten. Ein solches Porträt war dann, nach dem berühmten Satz aus Hegels Ästhetik; „gleichsam getroffener, dem Individuum ähnlicher als das wirkliche Individuum selbst“(Hegel, 2. Aufl. 1955, S. 239). Doch nicht nur dem Menschenbild, auch dem des Tieres wandte sich Ringwald mit großer Intensität zu. Oft entdeckte er in den Menschen tierische, in den Tieren aber menschliche Züge.

Ein weites Arbeitsfeld eröffnete sich ihm, weil zahlreiche Kirchen und Kapellen nach dem Krieg wiederhergestellt, neu errichtet oder, nach den Liturgie-Reformen des II. Vaticanums, neu gestaltet werden mussten. Vorwiegend im Lande, etwa in Ludwigshafen am Bodensee, in Singen und Staufen hat Ringwald rund 20 Sakralräume ausgestattet, indem er Altar, Ambo, Tabernakel, Kreuz, Kreuzweg, Leuchter und Sedilien schuf, immer mit Rücksicht auf den vorgegebenen baulichen Bestand, dem er sich ein-, nicht aber unterordnete. Immer sprach er seine eigene unverwechselbare Sprache, auch und gerade bei der Ausstattung der wiederaufgebauten barocken Jesuitenkirche in Mannheim. Ringwald war in „Traditionalist“, der die Tradition im Bewusstsein ihres Wertes fortzusetzen suchte.

Mit monumentalen, platzbestimmenden Bronzeplastiken trat Ringwald auch im öffentlichen Raum hervor, wobei er, in Bild und Schrift, die Geschichte des jeweiligen Ortes in Erinnerung rief: so etwa mit Brunnen in Waghäusel, Villingen, Hechingen, Stetten a. k. M., Hausach, Seckach und Durlach, mit der Geschichtsstele in Säckingen, der Benediktssäule in Stift Neuburg bei Heidelberg, auch mit dem Denkmal für Joseph Kardinal Höffner (1906–1987) in Horhausen im Westerwald und in Kork, unweit von Kehl, dem Korker Stier. Einen seiner größten Erfolge erzielte Ringwald mit den Türen für das Münster in Villingen, die an romanische Vorbilder erinnern. Doch auch in ihnen verleugnete er sich nicht, auch weil er, wie andernorts, seiner Neigung nachgab, in den biblischen Figuren ganz reale Zeitgenossen, Freunde wie Feinde, auch sich selbst zu porträtieren. Gesichter konnte Ringwald nicht erfinden.

So ist – um ein paar Beispiele zu nennen – auf den Villinger Türen eine kleine Porträtbüste Hans Filbingers (1913–2007) zu sehen, die vom Sockel stürzt, während die Erhard Epplers auf ihrem Sockel steht. Filbingers Nachfolger Lothar Späth verlässt als Judas den Abendmahlssaal, Erzbischof Oskar Saier (1932-2008) sitzt im Hohen Rat, der Theologe Alfons Deissler (1914-2005) wacht am Heiligen Grab. Und über dem Tor des Gefängnisses, in das Johannes der Täufer geworfen wurde, steht ‚Stammheim‘. Auf dem Hechinger Brunnen bildete Ringwald unter den Nationalsozialisten, die die Juden vertrieben hatten, einen Stadtrat ab, der als schärfster Gegner seines Werks hervorgetreten war. Es kam zu einem Prozess, den der Künstler verlor; Ringwald musste dieses Porträt abschleifen.

Die Villinger Türen brachten Ringwald den bedeutendsten Auftrag seines Lebens ein. Er führte ihn nach Canterbury, zur ältesten und größten Kathedrale Englands, die zugleich Mutterkirche der anglikanischen Kirche ist. Im den ausgedehnten Cathedral Precinct, in dem sie sich erhebt, gelangt man durch ein spätgotisches Tor, in dessen mittlerer Nische sich einst eine Christusfigur befand. Sie war 1643 durch Cromwells Truppen zerstört worden und seither leer geblieben. Mehrfach wurde daran gedacht, sie angemessen zu füllen, bis eine eigens ausgesandte Kommission über Villingen nach Schonach zu Ringwald gelangte, der mit seinem Entwurf erst unter 70, dann noch drei Mitbewerbern aus ganz Europa den Zuschlag erhielt, obwohl er Deutscher war, wie die, die im noch unvergessenen II. Weltkrieg große Teile von Canterbury in Schutt und Asche gelegt hatten.

Ringwald schuf eine Figur, die sich selbstbewusst in ihren Rahmen einfügt, ohne ihn zu sprengen, eine Figur, die viel größer wirkt als sie wirklich ist, nämlich 2,60 m: einen zugleich göttlichen und menschlichen Christus. Der ‚Welcoming Christ‘ steht an der Schwelle zu einem Ort, wo, wie der Dean of Canterbury bei der Einweihung 1990 sagte, „all, from wherever they may come, can be one“ – „wo alle, wo immer sie auch herkommen mögen, miteinander eins sein können“: The Welcoming Christ, 2009, S. 11). Dass Ringwald eine sitzende statt einer stehende Figur gestaltete, war ebenso umstritten wie das Material, der Bronzeguss. Schon längst hatte er Holz und Stein hinter sich gelassen und sich der beständigeren, in der Herstellung weit schwierigeren Bronze zugewandt.

Am Anfang stand stets Ringwalds Entwurf in Lehm oder Ton, den er höchstens mithilfe einer kleinen Spatel, sonst aber allein mit seinen Händen erarbeitete, ganz aus seiner Vorstellung oder – bei den Porträts – aus seiner Anschauung und Erinnerung heraus. Zeichnungen oder Skizzen fertigte er nie. Aus der ersten Fassung entstand durch doppelte Umformung eine zweite in Gips, an der er dann die eigentliche künstlerische Gestaltung vollzog. Am Ende stand, wiederum nach einigen Zwischenstufen, der Bronzeguss, den er nur den besten Vertretern dieser aussterbenden Zunft anvertraute. Die Endbearbeitung, das Ziselieren und Patinieren des Werks, nahm er wieder selber vor.

Carlo Schmid hat bemerkt, Ringwald sei ihm nicht als ein herkömmlicher Künstler, sondern als Handwerker erschienen, als „einer, der einmal Lehrling war, dann Geselle wurde und sich schließlich an das Meisterstück gewagt hat und dadurch seine Meisterprüfung macht, dass er […] den Sprung heraus macht, […] indem er ganz das wird, was er ist, und dem Leben der Wirklichkeit etwas hinzufügt, was es vor ihm nicht gab“ (Carlo Schmid, 2003, S. 23).

Nahezu unübersehbar ist die Menge der Kleinplastiken, die aus Ringwalds Hand hervorging: Pokale, Türgriffe, Fass- und Glockenzierden, Gedenk- und Schrifttafeln, die Ehrenmedaille der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg. Immer verwandte er viele Mühe auf die Gestaltung der Schrift und fügte diese auch in seinen Bildwerke ein. Sie bedeutete ihm gleichviel wie das Ornament, das er wieder und wieder neu entwarf und der herrschenden Mode entgegen zur Geltung brachte.

Ringwald war darauf bedacht, dass sein Werk in seiner Entwicklung und seinem Umfang sichtbar bleiben sollte. Daher gründete er 2008 die nach ihm benannte Stiftung mit dem Auftrag, neben seinem Atelier in Schonach ein von ihm geplantes Ausstellungsgebäude zu errichten. Dessen Vollendung wurde nach Ringwalds Tod wegen Streitigkeiten um sein Erbe verzögert. Der Stiftung übereignete er die Gipsmodelle seiner Arbeiten und die Dubletten, die er von den Bronzegüssen, soweit machbar, dafür hatte anfertigen lassen.

Weil er immer und überall aneckte, galt Ringwald als schwieriger Mensch. Diese Schwierigkeit aber bestand paradoxerweise darin, dass er so einfach war: direkt, offenherzig, dickköpfig, hartnäckig, unbeugsam und selbstbewusst. Er sagte, was er dachte, auch wenn es ihm eher schaden mochte. Diplomatie war für ihn ein Fremdwort, während sich seine Gegner nicht nur ihrer, sondern auch anderer Mittel bedienten. In der Kunst wie im Leben litt er, nochmals nach den Worten Schmids, darunter, „dass die Dinge nicht so sind, wie sie sein könnten, wie sie mit unseren Mitteln gemacht sein könnten, wenn wir guten Willens wären“ (ebd. S. 25). Andererseits liebte er das Leben und genoss es im Kreis seiner zahlreichen Freunde.

Auch körperlich entsprach Ringwald dem Bild des zähen, ausdauernden Schwarzwälders. Anders hätte er seine monumentalen Werke nie schaffen können. Er war ein unermüdlicher Wanderer, Skiläufer, sogar geprüfter Skilehrer, der keine Herausforderung scheute. Umso mehr bedrückte es ihn, als seine Kräfte nachließen, woran er nicht glauben mochte, bis zur ererbten Bluterkrankheit der Krebs hinzukam und seinem Leben ein Ende setzte. Ringwald wurde in Schonach im Grab seiner Eltern bestattet. Die Grabrede, die dabei verlesen wurde, hatte er selbst verfasst.

Quellen:

Nachlass im Besitz der Klaus-Ringwald-Stiftung, Schonach; Mitteilungen von Klaus Schuler, Schonach, und Oswald Blank, Schönwald.

Werke: Der Bildhauer und sein „Gegenüber“. Meine Gedanken zum Portrait der Monsignore Dr. Heinrich Feurstein, in: Jahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises Bd. 4, 1980, 138–140; Bronzeportale am Villinger Münster, 1985; Der Künstler und sein Werk [über die Geschichtsstele in Bad Säckingen], in: Heimat am Hochrhein Bd.12, 1988, 156–162; Der Marienbrunnen in Waghäusel, 1990; Der Münsterbrunnen in Villingen, 1992; Bad Säckingen. Stadtgeschichte in Bronze, 1992; Carlo Schmid im Palais Beauharnais, 2003; Die Kirchenportale am Villinger Münster, in: Villingen im Wandel der Zeit Bd. 26, 2003, 30–39; Robert Schlund im Collegium Borromaeum, 2006; Der Welcoming Christ in Canterbury, 2009; Der Korker Stier, 2010.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1984), Oswald Blank, Schönwald. - Ringwald, 1992, 96; ders., 2003, 6, 10, 14, 21, Umschlag hinten; ders., 2006, 9, 13, Umschlag hinten; ders., 2009, 17; ders., 2010, 17, 22; Fuchs, 1973, 22; Legler, 1999, 81; Werner, 2007, 160; Nachruf BZ, 2011; Müller, 2013, 23.

Literatur:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik Bd. 2, 2. Aufl. 1955; Josef Fuchs, Klaus Ringwald Bildhauer, 1973; Klaus Schuldis, Die Geschichtsstelein Bad Säckingen, in: Heimat am Hochrhein Bd.12, 1988, 155; Rolf Legler, Das Wunder von Mannheim. FS zur Altarweihe der Jesuitenkirche Mannheim, 1997; ders., Menschenbilder. Klaus Ringwald der Porträtist, 1999; Johannes Werner, Einer, der Bilder von Menschen macht. Hinweis auf Klaus Ringwald, in: BH, Bd. 80, 2000; Karl Bosl, Säckingen, seine Geschichte und Klaus Ringwald, in: ders., Vorträge zur Geschichte Europas, Deutschlands und Bayerns Bd. 3, 2002, 289–293; ders., Die urbane Trinität der jungen Stadt Waghäusel und ihre historischen Bauelemente im Lichte der Skulpturen Klaus Ringwalds am Marienbrunnen, ebd., 294–300; Rolf Legler, Menschen gestalten – Menschengestalten. Bronzeporträts von Klaus Ringwald, 2004; Johannes Werner, Ein Meister aus dem Schwarzwald. Klaus Ringwald und sein Werk, in: Jahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises Bd. 31, 2007, 160–173; ders., Da steht er nun, der Stier. Ein Werk für Kork von Klaus Ringwald, in: Die Ortenau Bd. 90, 2010, 399–404; Kurt Müller, Der Zelebrationsaltar im Villinger Münster, in: Villingen im Wandel der Zeit Bd. 36, 2013, 10–14; ders., Nachruf auf Klaus Ringwald, ebd., 23–26; Erwin Teufel, Erinnerung an Klaus Ringwald, ebd. Bd. 39, 2016, 65–67; Nachrufe in: Südkurier und Schwäbische Zeitung vom 30.11.2011, Mittelbadische Presse vom 10.12.2011, BZ vom 13.12.2011.

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