Hummel, Sr. Maria Innocentia 

Andere Namensformen:
  • Taufname: Berta
Geburtsdatum/-ort: 21.05.1909; Massing
Sterbedatum/-ort: 06.11.1946;  Kloster Sießen bei Saulgau [heute: Bad Saulgau]
Beruf/Funktion:
  • Franziskanerin, Künstlerin, nach ihren Kinderzeichnungen Fertigung der Hummel-Figuren
Kurzbiografie: 1915–1926 Volksschule und Höhere Töchterschule in Massing und Simbach
1927–1931 Studium an der Staatsschule für Angewandte Kunst in München; Ausbildung zur Zeichenlehrerin
1931 Eintritt in die Kongregation der Franziskanerinnen von Sießen
1933 erhält sie den Ordensnamen Maria Innocentia
1932 erster Druck von Andachtsbildchen und Postkarten bei Ver sacrum, Rottenburg, und Gesellschaft für Christliche Kunst, München
1934 Erscheinen des ersten „Hummel-Buches“ im Verlag Emil Fink, Stuttgart, Künstlerische Leitung der Paramenten-Werkstatt im Kloster Sießen
1934/1935 Beginn der Verbindung zur Porzellanfabrik Goebel in Oeslau [heute: Rödental], bei Coburg, und der Herstellung von „Hummel-Figuren“
1935–1937 Aufbaustudium an der Staatsschule für Angewandte Kunst, München
1937 Angriff auf ihre Kinderbilder in der Zeitschrift „Der SA-Mann“
1939 Erscheinen des zweiten Hummel-Buches „Hui, die Hummel“ im Verlag Ars sacra Josef Müller, München
1940–1945 Räumung des Klosters Sießen auf Anordnung der Nationalsozialisten; Maria Innocentia Hummel bleibt mit einigen Schwestern im Kloster
1944 Erkrankung an Tuberkulose; Sanatoriumsaufenthalte
1946 Tod infolge ihrer Krankheit
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Adolf Hummel (1885–1953), Kaufmann
Mutter: Viktoria, geb. Anglsperger (1885–1983)
Geschwister: 6
GND-ID: GND/118819801

Biografie: Sr. Claudia-Maria Mühlherr (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 145-147

Berta Hummel, geboren am 21. Mai 1909 als drittes von sieben Kindern, entstammte einer Kaufmannsfamilie. Der Großvater aus dem württembergischen Eningen, selbst ein talentierter Zeichner, gründete 1874 am Marktplatz in Massing an der Rott ein Kolonialwarengeschäft, das der Vater, der gerne Holzschnitzer geworden wäre, übernahm. Die Mutter Viktoria kam aus der alteingesessenen Massinger Bauernfamilie Anglsperger. Schon als Kind zeigte sich Berta Hummels Talent, mit wenigen Strichen intuitiv Motive zu erfassen und zu skizzieren. Sie entwickelte einen ausgesprochenen Drang, jedes Papierstück, ob Geschäftspapiere des Vaters oder eigene Postkarten, zu bemalen, was vom Vater wohlwollend unterstützt wurde. Am 1. Mai 1915 wurde sie in die Massinger Volksschule bei den Armen Schulschwestern eingeschult. Von 1921 bis 1926 besuchte sie das Institut Marienhöhe in Simbach, eine höheren Töchterschule der Englischen Fräulein.
Mit dem Berufswunsch, Zeichenlehrerin zu werden, legte sie am 25. April 1927 die Aufnahmeprüfung an der Staatsschule für Angewandte Kunst in München ab und bestand sie mit dem zweitbesten Ergebnis. Zu ihren Lehrern gehörten u. a. Friedrich Wirnhier in Zeichnen nach der Natur und Entwerfen, Professor Maximilian Dasio in Kopf- und Porträtzeichnen und Professor Else Brauneis in Darstellende Geometrie, Perspektive und Aquarellmalerei. Ihre Malweise war auch inspiriert vom Impressionismus und Expressionismus. Während ihres Studiums entstand ein Werk von 400 Zeichnungen, Entwürfen und Gemälden. Am 15. März 1931 bestand sie die Abschlussprüfung als Zeichenlehrerin mit der Gesamtnote „eins“.
Im Studium lernte sie zwei Franziskanerinnen aus dem oberschwäbischen Kloster Sießen kennen. Am 14. August 1930, noch während ihres Studiums, bat Berta Hummel um Aufnahme in dieses Kloster und trat am 22. April 1931 als Kandidatin dort ein. Zwei Jahre später, 1933, wurde sie in das Noviziat aufgenommen und erhielt den Ordensnamen Maria Innocentia. Ihre ersten Gelübde legte sie am 30. August 1934 ab, drei Jahre später die Gelübde auf Lebenszeit. Vom ersten Tag an war sie in der Sießener Paramenten-Werkstatt tätig, deren künstlerische Leitung sie 1934 übernahm. Mit Elan und Kompetenz brachte sie neue Ideen ein, skizzierte und fertigte Entwürfe für liturgische Gewänder, Behänge und Fahnen. 1931/32, während ihrer zeitweiligen Tätigkeit als Zeichenlehrerin an der Töchterschule St. Anna in Saulgau entstanden die beliebten Fleißbildchen, die 1931 in Rottenburg und München erstmals und dann zu hunderttausenden gedruckt wurden.
Bereits ab 1931 nahm Maria Innocentia Hummel an den jährlichen Beuroner Künstlertagungen des Kunstvereins der Diözese Rottenburg teil. Hier begegnete sie auch dem Benediktiner und Künstler Pater Willibrord, Jan Verkade. Diese Treffen regten sie zur Auseinandersetzung mit Kunst als Mittel der Verkündigung an. So entstand 1934 im Anschluss an eine Beuroner Tagung die einzige, von ihr wiederholt modellierte Figur, ein Jesuskind für die Krippe. Für mehrere Kirchen schuf sie Altarbilder, so u. a. für die Kloster-Kapelle in Sießen (1936), für die Kirchen in Massing (1938), in Tuttlingen (1940), und in Rathsmannsdorf (1942). Ihre Bilder bewegten die Volksseele und trafen das religiöse Empfinden der damaligen Zeit. In einer Zeit großer Menschenverachtung zeigten sie die unvergängliche, unzerstörbare Würde des Menschen. Besonders ihre über 450 Kinderbilder sprechen bis heute Menschen an und rühren an den unverdorbenen Schatz der eigenen Kindheit. So erzielte das erste „Hummel-Buch“ mit 53 Kinderbildern, erschienen 1934 im Fink Verlag Stuttgart, mit einer Erstauflage von 5000 Stück und zwei weiteren Auflagen in unmittelbarer Folge bis heute einen großen Erfolg.
1933 beginnt die Zusammenarbeit von Maria Innocentia Hummel mit dem Verlag Ars sacra in München. 1934 wurde Wilhelm Goebel, Inhaber der Porzellanfabrik Goebel in Oeslau bei Coburg, auf ihre Kinderzeichnungen aufmerksam und trat mit dem Wunsch an die Künstlerin heran, nach ihren Zeichnungen Figuren zu fertigen. Trotz großer Bedenken und erst nach langem Zögern konnte Maria Innocentia Hummel schließlich zustimmen, Figuren nach ihren Zeichnungen anfertigen zu lassen. Bei einem Werkbesuch von Goebel dankten die Arbeiter ihr mit großem Applaus für diese Entscheidung. Maria Innocentia Hummel hatte diese Entscheidung auch getroffen, um den Arbeitern und Angestellten die Arbeitsplätze zu erhalten. Aufmerksam und kritisch begleitete die Künstlerin die Produktion und gab den Figuren mit den dezenten Pastelltönen den typischen Hummel-Charakter. Der Siegeszug der „Hummel-Kinder“ um die ganze Welt, vor allem in USA, begann. Für viele US-Soldaten waren die Hummel-Figuren ein Geschenk für die Familien. Von 1935 bis 1937 absolvierte Maria Innocentia Hummel ein Aufbaustudium in München. In dieser Zeit malte sie bevorzugt in Tempera und auch mit Pastellkreide. Mit antikisierenden und biblischen Motiven erschloss sie sich einen neuen Themenkreis. Als Höhepunkt ihres künstlerischen und franziskanischen Schaffens entstand dabei ein Kreuzweg mit fast 50 Skizzen. Auch die Entwürfe und Werke dieser zweiten Studienzeit zeigen ihr außergewöhnliches Talent und ihre stetige künstlerische Weiterentwicklung, die oft im Schatten ihrer Kinderbilder steht. Während des NS-Regimes wurden ihre Kinderzeichnungen in der Zeitschrift der „SA-Mann“ verunglimpft, aber als Devisenbringer weiterhin im Ausland vertrieben.
Das Kloster Sießen wurde 1940 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Maria Innocentia Hummel gehörte zu einer Gruppe von etwa 40 Schwestern, die in einem kleinen Gebäudeteil des Klosters bleiben konnten. Unter ihren Mitschwestern war sie geliebt und geschätzt. Ihr zuversichtliches frohes Wesen strahlte selbst in dieser düsteren und schweren Zeit Hoffnung und unbeirrbare Treue zur Berufung in der Nachfolge Jesu aus. 1944 erkrankte sie an Tuberkulose. Verschiedene Sanatoriumsaufenthalte in Isny und Wangen folgten, die jedoch nicht die erhoffte Heilung brachten. Sie bäumte sich gegen ihre Krankheit auf, konnte aber schließlich in ihr Schicksal einwilligen. „Nun, das will ich lernen ‚das Pinsele‘ sein, ob im Kasten liegend, wartend auf die Hand des Meisters, ob schon benützt und dann weggelegt, damit es gereinigt werde von allem Schmutz, ob in der Hand des Meisters, dass er es führe und damit Freude schaffe oder aber – ausgebraucht – gerade recht zum wegwerfen.“ 1946 starb sie im Beisein der Schwestern und ihrer Mutter im Kloster Sießen.
In ihrem Elternhaus in Massing befindet sich heute das Berta Hummel Museum und im Kloster Sießen der Hummel-Saal. Berta Hummel Schulen in Bad Saulgau und Massing erinnern an die Künstlerin und Franziskanerin. 1977 wurden für Hummel-Sammler und Freunde der Maria Innocentia Hummel Club gegründet, der heute weltweit über 200 000 Mitglieder zählt.
Quellen: A Berta Hummel Massing; A Kloster Sießen; A Porzellanmanufaktur Goebel, Rödental.
Werke: Berta Hummel, Catalogue raisonné 1927–1931, 2002; Maria Innocentia Hummel, 2. Studienzeit 1935–1937, 2009.
Nachweis: Bildnachweise: Porträtaufnahmen von M. Laura Brugger, A Berta Hummel. Kloster Sießen.

Literatur: Das Hummel-Buch, 1934 (überarbeitete Aufl. 2005); Hui, die Hummel!, 1939; Nekrolog Dr. Hugo Schnell, in: „Das Münster“ Zs. für christliche Kunst und Kunstwiss. 1948, 1. Jahr H. 11/12 München [heute Regensburg] 369 f.; Letztes Schenken, 1949; Sketch me, Berta Hummel, USA 1951; Wilhelm Siemen (Hg.) 50 Jahre „Maria Innocentia Hummel“-Figuren 1935–1985, 1985; Die andere Berta Hummel, Unbekannte Werke einer bekannten Künstlerin, Diözesanmuseum Regensburg Kataloge und Schriften Bd. 3, 1986; Dieter Struss, Maria Innocentia Hummel-Figuren, 1993; Das Maria Innocentia Hummel Album, 1994; Die Hummel – Lebensgeschichte und Werk Maria Innocentia Hummel®, 1994; Das Berta Hummel Museum im Hummelhaus, 1994; Letztes Schenken/Sonderausstellung zum 50. Todestag, 1996; Massing und Berta Hummel, 2000; Der Kreuzweg, Skizzen von Maria Innocentia Hummel, Texte von M. Birgit Reutemann, 2000; Die zauberhafte Welt der Maria Innocentia Hummel-Figuren, Katalog für Sammler, 2000; Guggusele, Schwäbische Kinderlieder von Bruno Gern, Bilder von Maria Innocentia Hummel, 2007; D. Nitz, Ich will Freude machen. Eine schicksalhafte Frauenkarriere, 2009.
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