Siebenpfeiffer, Philipp Jakob 

Geburtsdatum/-ort: 12.11.1789;  Lahr/Schwarzwald
Sterbedatum/-ort: 14.05.1845; Bümpliz/Kt. Bern, CH
Beruf/Funktion:
  • Jurist, Journalist, Publizist, Initiator des Hambacher Festes
Kurzbiografie:

bis 1805 Lateinschule und Pädagogikum in Lahr, Wechsel ins Gymnasium scheitert an Geldmangel

1804 Oberamtsschreiberincipient in Lahr; an 1807 Oberamtsactuar

1808 Renovator und Berains-Commissaire in der Rentkammer in Freiburg im Breisgau

1810–1813 Studium der Philosophie und der Rechte an der Universität Freiburg

1811 Steuercommissär in Gengenbach

1813 Juristisches Staatsexamen, Promotion bei Johann Maria Weissenegger von Weißeneck:„Sätze des Rechts und aus den politischen Wissenschaften“

1814 Anstellung beim österr. Generalgouvernement in Colmar, danach Arbeit in Kreuznach, Trier, Ottweiler, Landau, Speyer und Frankenthal

1818 Landcommissär des neuen Landcommissariats Homburg in der linksrheinischen bayerischen Pfalz, Mitarbeit an der Konsolidierung der staatlichen Strukturen; Schriften zur Reform der Kommunalverwaltung und der Justiz

1821 Mitglied der Synode der pfälzischen Evangelischen Landeskirche

1827 Mitbegründer des Central-Musikvereins der Pfalz in Kaiserslautern

1830 Beginn der journalistischen Tätigkeit nach der Julirevolution in Frankreich, worauf er nach Kaisheim im Regierungsbezirk Schwaben und Neuburg versetzt werden sollte. Stattdessen Umzug von Homburg nach Zweibrücken und Ausweitung der journalistischen Tätigkeit

1832 Übersiedelung nach Oggersheim; Siebenpfeiffer einer der Hauptakteure des Hambacher Festes, Verhaftung und Gefängnis in Landau

1833–1840 „Assisenprozess“ endet mit Freispruch. Überstellung an das Zuchtpolizeigericht Frankenthal wegen Beamtenbeleidigung; Ausbruch und Flucht über das Elsass ins Schweizer Asyl; apl. Professor für Straf- und Staatsrecht, 1840 Sekretär des eidgenössischen Justizdepartements

1841–1845 Anzeichen einer Geisteskrankheit, ab 1842 Heil- und Pflegeanstalt Bümpliz bei Bern

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Österreichische goldene Zivilehrenmedaille mit Öhr und Band (1817); Siebenpfeiffer-Preis für journalistisches Engagement zur Förderung von demokratischem Bewusstsein (seit 1987 alle 2–3 Jahre); Siebenpfeiffer-Stiftung im Landratsamt des Saarpfalz-Kreises in Homburg/Saar (seit 1989).
Verheiratet:

1814 Emilie (1790–1835), Tochter des Freiburger Staats- und Völkerrechtlers Johann Maria Weißegger von Weißeneck (1755–1817)


Eltern:

Vater: Philipp Jakob (1761–1799), Schneidermeister in Lahr

Mutter: Catharina Dorothea, geb. Bittenbring (1764–1799), Tochter eines Kaminkehrers und Stadtprocurators


Geschwister:

3; Dorothea Caroline (1785–1850), Salomone Friederike (1787–1791) und Karl Friedrich (1796–nach 1875)


Kinder:

Cornelia (1826–1887)

GND-ID: GND/118828460

Biografie: Tobias Hirschmüller (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 510-515

Siebenpfeiffer wurde vier Monate nach dem „Sturm auf die Bastille“ in Lahr geboren, das seit 1629 zur reichsunmittelbaren Grafschaft Nassau-Saarbrücken gehörte. Der Großvater Johannes Theobald war um 1754 von Saarbrücken dorthin gezogen, hatte das Schneiderhandwerk erlernt und geheiratet. Sein Sohn Philipp Jakob, Siebenpfeiffers Vater, übernahm diesen Beruf.

Über das erste Lebensjahrzehnt von Siebenpfeiffer liegen kaum Informationen vor. Die Verhältnisse dürften aber nicht so ärmlich gewesen sein, wie früher in der Literatur geschildert. Ein einschneidendes Erlebnis für den jungen Siebenpfeiffer war 1799 der Tod von Mutter und Vater innerhalb eines Monats durch eine Krankheit. Er kam mit seinen beiden Geschwistern in die Obhut der Familie eines Onkels, Ehemann der älteren Schwester seines Vaters und ebenfalls Schneidermeister, was Siebenpfeiffer vor dem Waisenhaus bewahrte. Siebenpfeiffer musste aber zum Lebensunterhalt im Familienbetrieb mitarbeiten. Auch wenn er sich später kaum zu diesem Lebensabschnitt äußerte, kann davon ausgegangen werden, dass die damaligen Erfahrungen für den Rest des Lebens prägend waren, besonders für seine Pädagogik.

Auch die politischen Ereignisse betrafen das junge Leben. Während des I. Koalitionskrieges von 1792 bis 1795 geriet der linksrheinische Teil der Grafschaft Nassau-Saarbrücken 1793 unter französische Kontrolle und wurde bald von Frankreich annektiert; Lahr fiel mit dem rechtsrheinischen Teil 1803 an Baden.

Trotz herausragender schulischer Ergebnisse auf der Lateinschule und im Pädagogium war für Siebenpfeiffer 1805 ein Übertritt auf das Gymnasium aus finanziellen Gründen unmöglich, was seine weitere Ausbildung verzögerte. Er trat 1804, also noch während seines letzten Schuljahrs, eine Stelle als Oberamtsschreiberincipient in Lahr an.

Unterdessen war er auch politisch interessiert und sogar aktiv. Mit 16 Jahren gehörte er einem „Bund gegen die Tyrannei“ an, welcher gegen die Hegemonie Frankreichs gerichtet war. Die „Schmach der Zwingherrschaft, welche Napoleon auf Deutschland gebracht“ (Verteidigungsreden, 1834, S. 38), habe er nie vergessen, schilderte er 1833 vor Gericht. Die Ablehnung der Person des französischen Kaisers aber führte bei Siebenpfeiffer nie zu einer generell antifranzösischen Haltung.

1807 wurde Siebenpfeiffer zum Oberamtsactuar befördert und 1808 als Renovator und Berains-Commissaire an die Finanzverwaltung in Freiburg versetzt, das seit 1805 ebenfalls badisch war. So konnte er seine Erfahrungen, Verwaltungs- und Rechtskenntnisse sukzessive erweitern.

Durch etwas erspartes Geld sowie ein Stipendium seines Arbeitgebers konnte Siebenpfeiffer 1810 ein Studium der Philosophie und der Rechte an der Universität Freiburg beginnen. Vorlesungen hatte er schon zuvor gehört. Seit 1809 bestanden nachhaltig prägende Kontakte zum Liberalen Karl von Rotteck, ordentlicher Professor der Weltgeschichte, und zur Familie von Joseph Maria Weissegger von Weißeneck, der allgemeines Staats- und Völkerrecht sowie peinliches Recht lehrte. Rotteck, der ihm zeitweise in seinem Haus Obhut gewährte, vermittelte Siebenpfeiffer Ideen der Aufklärung und philosophisches Denken. Nach dem Studium blieben sie im Briefkontakt. Von Weißeneck wurde nicht nur Siebenpfeiffers Doktor- sondern auch sein Schwiegervater.

1814, nach dem Abschluss des juristischen Staatsexamens und der Promotion, erhielt Siebenpfeiffer eine Stelle beim österreichischen Generalgouvernement in Colmar. Zu Neujahr 1814 hatten die Alliierten den Rheinübergang erkämpft und den Krieg nach Frankreich hineingetragen. Siebenpfeiffer bewarb sich damals als Dozent an der Universität Freiburg, was aber an seiner Mittellosigkeit scheiterte.

Einige Wochen war er auch Freiwilliger in den sogenannten Befreiungskriegen im Kampf gegen das napoleonische Frankreich. Danach erhielt er auf Verwendung des österreichischen Präsidenten der gemeinsamen bayerisch-österreichischen Landesadministration in Kreuznach eine Stelle in der Verwaltung. Seine nächste Station war Trier, wo er 1815 an der Absetzung des von Napoleon eingesetzten Bischofs Charles Mannay (1745–1824) maßgeblich mitwirkte. Danach kamen Ottweiler, Landau, Speyer und Frankenthal, bis Siebenpfeiffer 1818 Landcommissär des neuen Landcommissariats Homburg im Rheinkreis wurde, der bayerisch gewordenen linksrheinischen Pfalz. Zu seinen Aufgaben gehörte die Mitarbeit am Aufbau und der Konsolidierung der Verwaltungsstrukturen nach den permanenten territorialen Veränderungen während der Koalitionskriege.

Neben dem sozialen Engagement und dem Einsatz für die Wohltätigkeit, dem Ausbau der Infrastruktur und der flächendeckenden Organisation des Schulwesens brachte Siebenpfeiffer seine Erfahrungen in Schriften zur Reform der Kommunalverwaltung (Gemeindegüter und Gemeindeschulden, 1818) und der Justiz (Über die Frage unserer Zeit in Beziehung auf Gerechtigkeitspflege, 1823) ein. Den Staat sah er darin als Auftraggeber für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Zollbestimmungen sollten abgebaut werden, um den Wohlstand der Bevölkerung zu mehren. Siebenpfeiffer wandte sich auch entschieden gegen den Einfluss der kath. Kirche in Bayern, die für ihn keine Antworten auf die Probleme der Zeit bot. Sein von „Ehrgeiz und Empfindlichkeit, Gewandtheit und Geschick mit Rücksichtslosigkeit und schroffem Wesen“ (Reinalter, 1994/95, S. 55) gezeichneter Charakter führten durchaus zu Anerkennung, brachte ihm aber auch wegen Überschreitung seiner Amtsbefugnisse Verwarnungen, Disziplinarstrafen und Prozesse ein.

Mit seinen Anliegen wandte sich Siebenpfeiffer auch an König Maximilian I. Joseph von Bayern (1756–1825). Doch in seinen Briefen an Rotteck wie in Publikationen klingt Resignation über die herrschenden Verhältnisse an, da Kritik und Reformvorschläge von seinen Vorgesetzten nicht angenommen wurden und Besserung ausblieb. Seine Loyalität zum bayerischen Herrscherhaus wurde dadurch nicht beeinträchtigt, die Konsequenz aber war, vorläufig zumindest, ein Rückzug ins biedermeierliche Privatleben. Siebenpfeiffer versuchte sich in der Lyrik und unterhielt in Homburg eine ausgedehnte Gartenanlage mit mehrfach prämierten Obst- und Weingärten. Er zählte 1827 zu den Mitbegründern des Central-Musikvereins der Pfalz in Kaiserslautern. Im Unterschied zu seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Katholizismus, wovon auch ein Streit über die Lösung der sozialen Frage mit dem Homburger katholischen Pfarrer zeugt, war Siebenpfeiffer der evangelischen Kirche eng verbunden und seit 1821 Mitglied der pfälzischen Kirchensynode.

Seit 1817 trug Siebenpfeiffer sich mit dem Gedanken, eine Zeitschrift herauszugeben. Inzwischen hatte er unter einem Pseudonym schon für das Blatt „Inland“ gearbeitet. Im Winter 1829 legte er dann ein Konzept für ein eigenes Periodikum vor, das das Ziel verfolgen sollte, auf die öffentliche Meinung und Entscheidungen der Regierung einzuwirken. Grund dafür war seine Enttäuschung, die er über König Ludwig I. von Bayern (1786–1868) empfand, der mit liberalen Ansätzen angetretenen war. Zum Auslöser aber wurde die Julirevolution 1830 in Frankreich. Nun gab Siebenpfeiffer die Zeitschrift „Rheinbayern“ heraus, um „die Völker wie die Regierungen über die wahren Bedürfnisse, in deren Befriedung allein die Gewähr fortbestehender Ruhe und Ordnung gegeben ist, aufzuklären“. Die Völker sollten ihre Forderungen „auf das rechte Maß begrenzen“ und die Regierungen nicht weiter zögern, ihren Völkern „jene Institutionen zu bewilligen, welche sich die Zeit nun einmal nicht länger vorenthalten lässt.“ (Rheinbayern 1, 1830, S. 315) Neben dem Streben nach Ausgleich wurden in „Rheinbayern“ auch Lösungen der sozialen Frage und zur Überwindung wirtschaftlicher Schranken behandelt. Der Fokus blieb zunächst auf den Rheinkreis konzentriert, später er aber wandte sich Siebenpfeiffer der nationalen Ebene zu, womit er zum fortschrittlich-liberalen Publizisten wurde.

Dieses Engagement blieb nicht ohne Auswirkungen auf seine Beschäftigung: Siebenpfeiffer wurde als Landcommissär suspendiert und die Versetzung nach Kaisheim bei Donauwörth im Regierungsbezirk Schwaben und Neuburg angedroht, wo er Zuchthausdirektor werden sollte. Das lehnte er ab und zog von Homburg nach Zweibrücken, wo er die Zeitung „Der Bote aus dem Westen“ herausbrachte. In dem Blatt vertrat er seine liberalen Ansichten noch entschiedener. Aufgabe einer Zeitung sei, dass sie „des Lesers geistiges Auge schärft“ und dessen „Gemüth bereiten“ müsse, damit die „Lichtfunken der Wahrheit in ihm zünden“. (Der Bote aus dem Westen vom 12.3.1831) Seine Forderungen wurden nun noch umfassender: deutsche Nationalregierung und -vertretung, einheitliche Gerichtsverfassung, Bürgerrecht, Vereinheitlichung der Gewichte, des Münzwesens und der Maße, „rein-deutsche kirchliche Institutionen“, deutschen „Handel und Posten“, eine Militärverfassung und deutsches Militär sowie „deutsche Nationalfeste zur Hebung des Gemeingeistes, der Wissenschaft und der Kunst“. (Westbote vom 1.3.1832) Außenpolitisch setzte Siebenpfeiffer auf den kulturellen und geistigen Einfluss Frankreichs. Nur so orientiert werde sich Deutschland „von der Vormundschaft der nordöstlichen Barbarei und dem Absolutismus loswinden“. (Rheinbayern 4, 1831, S. 182)

Siebenpfeiffers europäische Vision einer friedlichen Koexistenz der Völker bemerkenswert ist: „Die einzige Politik, welche der heutigen Civilisation entspricht, ist ein friedliches, die freieste gegenseitige Mittheilung aller Güter des Lebens bezweckendes Nebeneinanderbestehen der Völker.“ (Westbote vom 8.11.1831) Damit werde Deutschland nicht an Frankreich verraten. Preußen aber kritisierte er für sein Paktieren mit dem Zaren (ebd. vom 12.3.1832) und bekundete Solidarität mit Polen bei seinen Freiheitskampf gegen Russland: „So feiern die Bewohner Rheinbaierns die Helden der Freiheit […] mit denen sie […] durch Einheit der Ideen und des lebendigen Gefühls für Freiheit und Humanität auf ’s Innigste verbunden sind.“ (ebd. vom 29.1.1932) Europa wollte er zu einem „Bund der Völker“ machen, die friedlich und gleichberechtigt zusammenleben. (ebd. vom 4.3.1832) Die Zeitung wurde bald darauf verboten.

Auch bei der Gründung des „Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins“ in Zweibrücken 1832 wirkte Siebenpfeiffer entscheidend mit, der ersten deutschen „Journalisten- Gewerkschaft“ (Becker, 2010, S. 321), die sich mit 5000 Mitgliedern schnell auf alle deutschen Staaten ausdehnte.

Siebenpfeiffer zog bald darauf von Zweibrücken nach Oggersheim und setzte dort seine Arbeit fort. Um sich einen Zuverdienst zu erwirtschaften, gab er als Auftragsarbeit ein für Gerichts- und Verwaltungsbeamte, Pfarrer und die kommunale Administration gedachtes fünfbändiges „Handbuch der Verfassung, Gerichtsordnung und gesamten Verwaltung Rheinbayerns“ heraus, eine Sammlung von gültigen Gesetzen und Verordnungen des Rheinkreises, die Siebenpfeiffer großteils mit historischen Kommentaren versah.

Publizistische Unterstützung erhielt er seit 1831/1832 durch den Juristen und Journalisten Johann Georg August Wirth (1798–1848), dessen „Deutsche Tribüne“ in Homburg erschien, nachdem er mit der bayerischen Zensur in Konflikte geraten und von München in die Pfalz gezogen war. Der Einfluss von Wirth führte bei Siebenpfeiffer zu einem noch stärker ausgeprägten Nationalbewusstsein, aber auch zu einer kritischeren Beurteilung zur Politik Frankreichs, wobei er aber an der Vorstellung einer Kooperation mit dem westlichen Nachbarland festhielt.

Nachdem die liberale Bewegung in der Pfalz anfangs 1832 Festbankette durchgeführt hatte, reifte bei Wirth und Siebenpfeiffer der Gedanke an ein „Nationalfest“, um die Bevölkerung aufzurütteln. Beide Journalisten wurden zu maßgeblichen Initiatoren und Hauptakteuren des „Hambacher Festes“, einer Massenkundgebung am 27. Mai 1832, dem Jahrestag der Verfassung des Königreiches Bayern von 1818, bei der Ruine des Hambacher Schlosses. In seiner gedruckten Eröffnungsrede „Der Deutschen Mai“ forderte Siebenpfeiffer die Überwindung der politischen und wirtschaftlichen Zersplitterung Deutschlands, Pressefreiheit und mehr demokratische Rechte, damit „der Bürger nicht in höriger Untertänigkeit den Launen des Herrschers und seiner knechtischen Diener, sondern dem Gesetz gehorcht, und auf den Tafeln des Gesetzes den eigenen Willen liest“. (Mai, 1832, S. 12) Gegen die Aristokratie solle die „europäische Freiheit“ erstritten werden. Siebenpfeiffer fasste seine Forderungen in die Schlagworte: „Vaterland – Volkshoheit – Völkerbund hoch!“ (ebd. S. 15), formulierte aber keine weiteren konkreten Ansätze.

Wenn auch geschätzt 30 000 Menschen an der Veranstaltung teilgenommen hatten, blieb es bei einer „machtvollen, aber letztlich wirkungslosen Demonstration“. (Baus, 2018, S. 51) Zwar wurde das Fest in der Presse als bedeutsam wahrgenommen, und in den Tagen danach fanden in Hambach noch mehrere kleinere Veranstaltungen statt, doch fehlte die langfristige Wirkung, auch weil die Veranstalter keine Konzepte oder Strategien zur Umsetzung ihrer Ziele ausbreiteten. In den folgenden Wochen wurden sukzessive alle Redner verhaftet, die auf dem Hambacher Fest gesprochen hatten, so auch Siebenpfeiffer in Haardt. Nach rund einem Jahr Gefängnis in Landau wurde gegen ihn und seine Mitstreiter ein aufsehenerregender „Assisenprozess“ durchgeführt. Siebenpfeiffer rechtfertigte sein Verhalten damit, im Sinne der Volksaufklärung gegen die Despotie gekämpft und damit im Interesse der deutschen Nation und für die Umgestaltung der gesellschaftlichen Einrichtungen Europas gehandelt zu haben.

Der Prozess endete für ihn mit einem Freispruch, obwohl die Zusammensetzung der Geschworenen eher einen anderen Ausgang hätte erwarten lassen. Dann wurde er aber an das Zuchtpolizeigericht in Frankenthal überstellt und wegen Beamtenbeleidigung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Von Helfern unterstützt gelang es Siebenpfeiffer, im November 1833 auszubrechen. Er flüchtete über das französische Elsass in die Schweiz, wo er politisches Asyl erhielt. Nach einem Aufenthalt in Zürich kam er Anfang 1934 nach Bern, wo er als außerordentlicher Professor für Straf- und Staatsrecht lehren konnte und sein zweibändiges Werk „Ideen zu einer Grundreform der Erziehung und Unterrichtsanstalten“ verfasste, in dem er eine liberale Pädagogik zur Erziehung mündiger Staatsbürger entwarf. 1840 wurde er Sekretär des Justizdepartements der Eidgenossenschaft, politisch trat er nicht mehr in Erscheinung.

Bald jedoch machten sich Anzeichen einer Geisteskrankheit bemerkbar. Deswegen musste er seine letzten Lebensjahre in der Heil- und Pflegeanstalt Bümpliz bei Bern verbringen.

Siebenpfeiffer war von Veit Valentin als „alemannischer Hitzkopf, ein verbitterter Rechthaber“ aber „im Regieren tüchtig“ beschrieben worden. (Valentin, 1932, S. 14) In der Geschichtswissenschaft der DDR galt er als „Agitator der kleinbürgerlichen Demokratie“. (Bock, 1971, S. 645) Den Nationalismus, „jene dünkelvolle Einseitigkeit, die nur das eigene schätzt und preist, alles Fremde hingegen als gering mißachtet“ (Ideen 2, 1834, S. 35), lehnte er entschieden ab. Rotteck gegenüber erklärte er sich als „Radikalreformer“, nicht aber als „Deutschtümler“. (Laubenberger, 1964, S. 164) Siebenpfeiffer verband „eine liberale und tolerante Geisteshaltung [mit dem Ziel der] Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Bewohner in seinem Zuständigkeitsbereich.“ (Baus, 2018, S. 10)

Das Hambacher Fest ging zwar in die deutsche Geschichte ein, weniger jedoch sein zentraler Akteur Siebenpfeiffer Auch wenn ihm wegen nicht ausgereifter Vorstellungen zur Umsetzung seiner Ziele ein politischer Erfolg verwehrt blieb, die Forschung ihm zum Teil einen schwierigen Charakter unterstellt, war er doch „ein markanter Exponent des frühen Liberalismus im Südwesten Deutschlands“ (Becker, 2010, S. 321). Sein Beitrag zur deutschen Einheitsbewegung darf dabei nicht übergangen werden und mit seiner europäischen Vision hat Siebenpfeiffer sogar noch weiter gedacht.

Quellen:

StadtA Lahr, Bestand Lahr I und Sammlungen; UA Freiburg B 36, Akten der juristischen Fakultät; GLA Karlsruhe 76, Personalakte Siebenpfeiffer; HStA München, MInn 36774, 45314, MA 1899, Verhandlungen gegen Wirth und Siebenpfeiffer; StA Kanton Bern, Manuale des Regierungsrathes A II, Akten des Erziehungsdepartments BB IIIII und Akten Dipl. Depositum 51, Flüchtlingsangelegenheiten; LA Speyer, H 2 und 3, J 1, Untersuchungen gegen Siebenpfeiffer; Ludwig Hoffmann (Hg.), Vollständige Verhandlungen vor dem königlich-bayerischen Appellationsgerichte des Rheinkreises und in den öffentlichen Sitzungen des ausserordentlichen Assisengerichts zu Landau, 1833.

Werke: (Auswahl) Sätze des Rechts und aus den politischen Wissenschaften, 1813; Über Gemeindegüter und Gemeindeschulden, 1818; Über die Frage unsrer Zeit in Beziehung auf Gerechtigkeitspflege, 1823 ; Rheinbayern. Eine vergleichende Zeitschrift für Verfassung, Gesetzgebung, Justizpflege, ges. Verwaltung und Volksleben des constitutionellen In- und Auslandes, zumal Frankreichs, 1830–1831 (Nachfolgeorgan: Deutschland. Zeitschrift für allgemeine Politik und dt. Bürgertum NF, 1832); Der Bote aus dem Westen, 1831, ab 1832 Westbote. Ein allgemein politisches und deutsches Volksblatt; Handbuch der Verfassung, Gerichtsordnung und gesamten Verwaltung Rheinbayerns, 5 Bde., 1831–1833; Baden-Baden oder Rudolph und Helmina, episches Gedicht in zwölf Gesängen, 1832; Der Deutschen Mai, Eröffnungsrede, am ersten deutschen Nationalfeste, 1832; Zwei gerichtliche Verteidigungsreden, 1834; Ideen zu einer Grundreform der Erziehung und Unterrichtsanstalten, 2 Bde., 1834; Préavis sur la motion des députés du Jura, rélative au rétablissemant de la législation française, 1839.
Nachweis: Bildnachweise: Stahlstich, Ausschnitt (1832), Sammlung der Siebenpfeiffer-Stiftung, Homburg/Saarpfalz.

Literatur:

Theodor Julius Ney, Siebenpfeiffer, in: ADB 34, 1892, 176 f.; Friedrich Eschrich, Ein Teilnehmer des „Hambacher Festes“ als Vorkämpfer für politische Bildung, in: Schlesisches Jahrbuch für Geistes- und Naturwissenschaften 2, 1923, 85–119; Veit Valentin, Das Hambacher Nationalfest, 1932; Hans Braun, Philipp Jakob Siebenpfeiffer, 1956; Wilhelm Weber, Homburg und Hambach, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 6/7, 1956/57, 105–128; Franz Laubenberger, Philipp Jakob Siebenpfeiffer an Karl von Rotteck, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 14, 1964, 143–167; Helmut Bock, Siebenpfeiffer, Philipp Jakob, in: G. Hass (Hg.), Biographisches Lexikon zur deutschen Geschichte, 2. Aufl. 1971, 645 f.; Winfried Dotzauer, Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg. Wirth, in: Werner Helmes (Hg.), Personen und Wirkungen, 1979, 148–156; Emil Strauß, Dr. Siebenpfeiffers Beziehungen zur pfälzischen Musik, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 18/19, 1980/81, 507–516; Anton Doll, Philipp Jakob Siebenpfeiffer/Johann Georg August Wirth, in: Kurt Baumann (Hg.), Das Hambacher Fest, 21982, 7–94; Saarpfalz-Kreis (Hg.), Ein Leben für die Freiheit, 1989; Elmar Wadle (Hg.), Philipp Jakob Siebenpfeiffer und seine Zeit im Blickfeld der Rechtsgeschichte, 1991; Karin Borggräfe, Siebenpfeiffer Besoldungsanspruch nach seiner Entlassung aus dem Staatsdienst, 1993; Helmut Reinalter, Philipp Jakob Siebenpfeiffer, in: Jahrbuch der Hambachgesellschaft 5, 1994/95, 53–63; Theophil Gallo, Die Verhandlungen des außerordentlichen Assisengerichts zu Landau in der Pfalz im Jahre 1833, 1996; Martin Baus, Die deutsch-französische Grenze als Fluchtpunkt der verfolgten pfälzischen Demokraten im 19. Jahrhundert., in: Saarpfalz 4, 1997, 5–20; Martin Baus/Peter Gaub, Siebenpfeiffer und die Saarpfalz im Vormärz, 1997; Merve Finke, Siebenpfeiffers Verwaltungshandbuch, 1997; Martin Baus, Zu Siebenpfeiffers Erstausgabe von Rheinbayern, 1999; Elisabeth Droß, Siebenpfeiffer, Philipp Jakob, in: Manfred Asendorf/Rolf von Bockel (Hgg.), Demokratische Wege, 2006, 590–592; Elisabeth Hüls, Zwei mutige Streiter für die Freiheit, in: Joachim Kermann/Gerhard Nestler/Dieter Schiffmann (Hgg.), Freiheit, Einheit und Europa, 2006, 85–134; Elmar Wadle (Hg.), Philipp Jakob Siebenpfeiffer, in: Jahrbuch der Hambachgesellschaft 14, 2006, 82–94; Martin Baus, Siebenpfeiffers Gartenanlage am Homburger Schlossberg, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde 3, 2009, 28–35; Bernhard Becker, Siebenpfeiffer, in: NDB 24, 2010, 321 f.; Martin Baus, Juristen auf der Anklagebank, in: Charlotte Glück/ders., 200 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, 2015, 159–170; Joachim Kermann, Philipp Jakob Siebenpfeiffer und die Absetzung des Trierer Bischofs Charles Mannay (1815), in: Peter Diehl (Hg.), Wissenschaft Pfalz, 2015, 229–238; Martin Baus, Philipp Jakob Siebenpfeiffer, in: Saarpfalz 35, Heft 2, 2018, 47–63; ders., Philipp Jakob Siebenpfeiffer, in: http://siebenpfeiffer-stiftung.de/wordpress/philip-jakob-siebenpfeiffer/ einges. am 21.8.2018.

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