Schelenz, Walter 

Geburtsdatum/-ort: 21.05.1903;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 05.09.1987;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Bildhauer
Kurzbiografie:

1920–1922 Lehre als Tierpräparator bei seinem Vater; Privatunterricht im Modellieren, Aktzeichnen und Holzschnitzen

1922–1923 Aufnahme in die Bildhauerklasse von Georg Schreyögg  an der Landeskunstschule Karlsruhe

1923–1927 Wechsel an die Akademie der Bildenden Künste Dresden zu Karl Albiker, 1926 Meisterschüler

1927 Freischaffender Künstler in Berlin, Atelier in Neubabelsberg bei Potsdam, Nachtarbeit als Hilfsredakteur bei der United Press von 1928 bis 1931

1929 Ausstellung zusammen mit Alfred Kubin in der Moderne Galerie Wertheim in Berlin

1939–1945 Technischer Zeichner bei der Luftwaffe; ab

1942 in Nordwestrussland stationiert

1945 Rückkehr zur Familie, die seit 1941 in Menzenschwand evakuiert war; Verlust des Ateliers in Neubabelsberg und Zerstörung aller dort befindlicher Skulpturen, vermutlich durch russische Soldaten

1948–1954 Gründung und anfängliche Leitung der Staatlichen Kunsthandwerkschule in Bonndorf

1950 I. Ausstellung nach dem Krieg im Kunstverein Freiburg zusammen mit Otto Dix

1955 Umzug nach Freiburg im Breisgau

1957 ff. Öffentliche Aufträge, Kunst am Bau-Projekte, Teilnahme in Jurys- und Kommissionen

1977 Professor des Landes Baden-Württemberg

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch, ab ca. 1917 konfessionslos
Auszeichnungen: Ehrungen: Kunstpreis Oberrhein (1958); Reinhold-Schneider-Preis der Stadt Freiburg (1970); Ehrengast der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom (1973); Ehrenmitglied des Deutschen Künstlerbundes (1986).
Verheiratet:

1933 (Berlin) Charlotte (Charly), geb. Lange (1906–1988), Tänzerin


Eltern:

Vater: Martin, Paul Alfred (1868–1942), Tierpräparator

Mutter: Emma, geb. Bertsch (1878–1958), Hausfrau


Geschwister:

Felicitas (1904–1993), Sängerin


Kinder:

3, Barbara, verw. Dörr (geb. 1934), Med. Techn. Assistentin im Veterinärbereich, Thomas Martin (geb. 1939), Elektroniker, Freiburg, und Angelika, verh. Gleim (geb. 1946), Lehrerin, Staufen.

GND-ID: GND/119020963

Biografie: Christiane Grathwohl (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 461-464

Kindheit und Jugend verbrachte Schelenz in seiner Geburtsstadt, wo er zusammen mit seiner jüngeren Schwester in bürgerlichen Verhältnissen aufwuchs. Im Elternhaus herrschte eine aufgeschlossene Atmosphäre. Die katholische Mutter und Tochter eines Brauereibesitzers stammte aus Gengenbach, der ev. Vater kam aus Schlesien und hatte sich vom Sattler zum Tierpräparator fortgebildet. Er war weitgereist, hatte in Berlin und Budapest gearbeitet und ließ sich schließlich 1899 in Karlsruhe nieder, wo er im Museum für Naturkunde arbeitete. Für seinen Sohn war er ein wichtiges Vorbild; denn er prägte dessen Entwicklung entscheidend, indem er ihm schon von Jugend an den Umgang mit unterschiedlichen Materialien wie Holz, Gips, Ton und Plastilin beibrachte.

1910 eingeschult wechselte Schelenz 1914 auf das Goethe-Gymnasium, das er 1920 mit der Mittleren Reife verließ. In den wirtschaftlich krisengeschüttelten Jahren nach dem I. Weltkrieg schien es sicherer, eine Lehre zu absolvieren und möglichst früh ins Arbeitsleben einzusteigen, als das Abitur  zu machen und ein Studium zu beginnen. So begann Schelenz zunächst bei seinem Vater eineLehre zum Tierpräparator. Nebenher besuchte er Vorlesungen des Zoologen Max Auerbach und nahm Privatunterricht im Aktzeichnen und Modellieren.

1922 bewarb sich Schelenz um die Aufnahme in die Badische Landeskunstschule, heute Staatliche Akademie der Bildenden Künste. Sein eingereichtes Werk war eine Tierskulptur, ein Wanderfalke aus glasierter Terrakotta. Er kam in die Bildhauerklasse von Georg Schreyögg und besuchte Kurse in der Zeichenklasse von Hermann Gehri. Die von seinen Professoren vertretenen künstlerischen Prinzipien aber waren ihm zu konservativ; er wollte sich aus dem Festhalten an einer im 19. Jahrhundert geprägten Form- und Bildsprache befreien.

Deshalb wechselte er die Akademie und ging im Herbst 1923 nach Dresden, wo der Karlsruher Karl Albiker lehrte. Der künstlerische Ansatz des Rodin-Schülers, wie mit den Problemen von Raum, Form und Bewegung im Raum umzugehen sei, gab für Schelenz den Ausschlag, sich in Albikers Klasse einzuschreiben. Bis 1926 nahm Schelenz am Unterricht teil, in dessen Zentrum das umfangreiche Studium des menschlichen Körpers stand. Der Professor setzte auf Schnelligkeit und wechselte häufig die Aktmodelle. Die wesentlichen Proportionen sollten rasch erfasst und die Bezüge des Körpers im Raum sowohl in der Zeichnung als auch im plastischen Modell umgesetzt werden. 1926 wurde Schelenz Meisterschüler bei Albiker und bekam für ein Jahr ein eigenes Atelier.

Im Herbst 1927 verließ Schelenz Dresden, ließ sich in Berlin als freischaffender Künstler nieder und versuchte, eine eigene, sich von seinem Lehrer absetzende Formensprache zu entwickeln. Das Heraustreten aus dem Schatten des prägenden Vorbilds war ein schwieriger Prozess. Durch die Freundschaft mit Adolf Abel (1902–1945), den Schelenz seit dem gemeinsamen Studienanfang in Karlsruhe kannte und der in Berlin ein Atelier in der Ateliergemeinschaft „Klosterstraße“ hatte, kam Schelenz schnell mit anderen jungen Künstlern in Kontakt. In der „Klosterstraße“ waren an die 40 freischaffende Maler und Bildhauer versammelt: Gustav Seitz (1906–1969), Hermann Blumenthal (1905–1942), Ludwig Kasper (1893–1945), Werner Gilles (1894–1961) und Ernst Wilhelm Nay (1902–1968), meist Altersgenossen, die die gleichen künstlerischen Fragen bewegten. Das Atelierhaus genoss in den 1930er Jahren den Ruf einer toleranten Insel, fast eines Schutzraumes für non-konform denkende und arbeitende Künstler, trotz auf „Gleichschaltung“ ausgerichteten NS-Kunstdogmen. Schelenz hatte selbst aber kein Atelier in der Klosterstraße, er teilte sich von 1927 bis 1932 einen Atelierraum im Eichkamp am Grunewald mit dem Bildhauerkollegen Johannes Schmidt.

Als Schelenz 1932 ein Atelierhaus in Neubabelsberg im Garten einer Villa mieten konnte, verlagerten sich die Freundestreffen an den Stadtrand. Man feierte dort und diskutierte künstlerische Fragen. Die bedrängende politische Situation, die NS-„Machtergreifung“ und vermehrter NS-Terror, schien in den Gesprächen keine vorrangige Rolle gespielt zu haben. Im Zusammenrücken der Freunde und der Familie fand Schelenz Halt und Geborgenheit. Alle waren sich in der Ablehnung des NS-Regimes einig. „Wir nahmen nicht ernst, was da an unsinnigen Forderungen auf uns zu kam […] War es da ein Wunder, dass wir deren verbogene, blödsinnige Kunstforderungen mit schallendem Gelächter quittierten. […] Wir versuchten zu unterlaufen.“ (Walter Schelenz in: Kat. 1936 – Verbotene Bilder, Dt. Künstlerbund, 34. Jahresausstellung, 1986, S. 20)

Schelenz war nicht unmittelbar betroffen vom NS-Kunstdiktat. Seine Skulpturen standen trotz formreduzierender Tendenzen in der Tradition eines angepassten, klassischen, idealisierenden Menschenbildes. So war er vor Verfolgung und Ächtung sicher, konnte weiter ausstellen, sich als Mitglied der „Reichskulturkammer der bildenden Künste“ an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen und erhielt immer wieder einen Porträtauftrag. Die finanzielle Lage des freischaffenden Bildhauers war dennoch äußerst bedrängt. So besserte er schließlich sein Einkommen mit Nachtschichten auf als Hilfsredakteur bei der United Press of America. Nach der Heirat 1933 verdiente auch seine Frau dazu.

Als Hitler 1939 den II. Weltkrieg begann, meldete sich Schelenz gleich freiwillig als Zivilist zur Ausbildung als technischer Zeichner bei der Luftwaffe, wodurch es ihm gelang, nicht als Soldat eingezogen zu werden. Von 1942 bis Kriegsende war er in Ostrow, Nordwestrussland, stationiert, musste aber nicht am direkten Kriegsgeschehen teilnehmen. In seiner Freizeit fertigte er Schnitzarbeiten, gab Schnitzkurse für Soldaten und modellierte Porträtbüsten von Offizieren.

Das Atelierhaus in Babelsberg, seit 1941 verwaist, nachdem die Familie aus Berlin nach Menzenschwand im Schwarzwald umgezogen war, hatte Schelenz immer wieder Künstlerfreunden überlassen, deren Arbeitsräume zerstört worden waren. Nach Kriegsende gehörte Babelsberg zum russischen Sektor; die Villa mitsamt dem im Garten befindlichen Atelierhaus war von russischen Soldaten besetzt, eine Rückkehr der Familie also kaum möglich. Schelenz bemühte sich, etwas über den Verbleib seiner Skulpturen – fast sein gesamtes bis dahin entstandenes künstlerisches Werk! – zu erfahren und musste bald annehmen, dass alle Skulpturen zerstört worden waren. Tatsächlich tauchte auch nach der Maueröffnung 1989, die Schelenz nicht mehr erlebte, nichts aus seinem Frühwerk mehr auf.

Wie viele seiner Altersgenossen erlitt auch er also das Schicksal, in seinen Mittvierzigern ein Künstler ohne Werk zu sein. Das war eine einschneidende Zäsur in seinem Leben. Ohne sein Frühwerk sah er sich in der Situation, unter gänzlich veränderten Bedingungen eine eigene, zeitgemäße künstlerische Sprache zu entwickeln. Schelenz wurde zum Suchenden, der mit jeder neuen Skulptur die jeder Figur innewohnende plastische Lösung herauszuarbeiten suchte. Er war keiner, der schon in den 1930er Jahren sein eigenes künstlerisches Konzept entwickelt hätte. Abstrahierende Tendenzen lagen ihm fern, expressionistische, kubistische Experimente interessierten ihn nicht. Schelenz hatte sich mit seinen frühen Plastiken eingereiht in die Tradition der idealisierenden Figurendarstellung seiner Lehrergeneration. Das nahtlose Anknüpfen an dieses Menschenbild aber war ihm nach dem Krieg nicht mehr möglich; denn inzwischen wurde einer naturalistischen Darstellungsweise in den Bildendenden Künsten zutiefst misstraut. Die Diskussion über Abstraktion oder Figuration polarisierte die Künstlerschaft. Nach dem Missbrauch, den die NS-Kunst mit dem Abbild des Menschen betrieben hatte, suchte man alles, was daran erinnerte, hinter sich zu lassen und sich vom Gegenstand zu befreien. Auch Schelenz setzte sich mit diesen gestalterischen Forderungen auseinander, jedoch zögerlich. In den ersten Nachkriegsjahren ging es zuerst ums Überleben: ein einigermaßen geregeltes Einkommen war notwendig. Die eigene freie künstlerische Arbeit musste warten.

Als Schelenz 1947 beauftragt wurde, eine Fachhochschule für Kunsthandwerk in Bonndorf aufzubauen, stürzte er sich in diese Arbeit. Im September 1948 nahm die neugegründete Schule im Bonndorfer Schloss den Lehrbetrieb auf. Der Spagat zwischen kunsthandwerklichem Unterricht und freiem künstlerischen Arbeiten war kaum zu schaffen. Erst um die Wende zu den 1950er Jahren entstanden wieder Zeichnungen und kleine Skulpturen. Nach sechs Jahren wurde die Kunsthandwerkerschule geschlossen. Schelenz zog mit seiner Familie 1955 nach Freiburg.

Der Schwarzwälder Abgeschiedenheit entronnen begann hier nun ein neuer Lebensabschnitt. Zehn Jahre nach dem Krieg konnte sich Schelenz wieder auf sein künstlerisches Werk konzentrieren. Seine Frau sorgte als Sekretärin an der Universitätsklinik für den Lebensunterhalt. Schelenz erhielt ein städtisches Atelier in der sogenannten „Kunstscheune“, einem Atelierhaus mit sieben Künstlerateliers und dem ebenfalls dort untergebrachten, sehr regen Freiburger Kunstverein. Der tägliche Kontakt mit den Künstlerkollegen war inspirierend und der Blick auf die Werke der anderen anregend. Die Möglichkeiten, sich zu engagieren, waren groß. Schelenz arbeitete im Kunstverein mit und im „Fachverband Bildender Künstler Südbaden“, in dem er seit 1952 Mitglied war. Von 1953 bis 1960 war er I. Vorsitzender des Fachverbands und setzte sich für die sozialen, rechtlichen und beruflichen Belange der Freiburger Künstler ein. Besonders lag ihm die Herausgabe verbindlicher Honorarrichtlinien am Herzen, eine einheitliche Wettbewerbsordnung und die Durchsetzung einer gesetzlich verankerten Baukostenprozentklausel für künstlerische Beiträge an staatlichen Neubauten.

Bildhauerisch ließ er nun die menschliche Figur hinter sich, entwickelte ein abstraktes Formenrepertoire. Bis Ende der 1960er Jahre setzte er sich mit kubisch-geometrischen Raumkörpern auseinander. Er gewann Wettbewerbe und gestaltete seit der Wende zu den 1960er Jahren Skulpturen für den öffentlichen Raum. Schelenz entwarf auch viele Reliefs für Fassaden, wie bei der Oberfinanzdirektion Freiburg 1957, das Betonwandrelief an der Universitätsklinik Freiburg (1962), Skulpturen wie 1964 die Große Terrakottagruppe im Hof des Landgerichts Freiburg, auch die „Gestaute Welle“ am Rheinkraftwerk Iffezheim (1976–78). Ein Mahnmal für die Opfer des NS-Regimes (1975) gehört auch in diese Reihe, genauso wie Straßenlampen (1984) für die Kaiser-Joseph-Straße in Freiburg und Brunnen, z. B. 1987 für den Domplatz von St. Blasien.

In den letzten 15 Jahren seines Schaffens, nach 1970 also, tauchten wieder gegenständliche Motive in Schelenz’ Skulpturen auf. Er verband das abstrakte Formenrepertoire mit surrealen Elementen und brachte ironisch-witzige Aspekte voller Anspielungen in sein Spätwerk. Immer mit einem offenen Bezugssystem aus Inhalt und Form arbeitend gestaltete er bildhauerische Grundfragen nach offener und geschlossener Materialität, nach Lasten und Schweben, nach der Rolle und Bedeutung von Bewegung, Licht und Raum. Auf Bodenplatten montierte er Form-Figuren- Ensembles, die in wechselseitige Beziehungen treten. Menschliche Grundfragen werden in diesen Skulpturen angesprochen, nie aber ohne Ironie und Distanz. So ist es Schelenz gelungen, im letzten Abschnitt seines künstlerischen Schaffens seine eigene Stimme hörbar werden zu lassen und einen unverwechselbaren Beitrag zur Skulptur des 20. Jahrhunderts in Deutschland zu leisten.

Quellen:

FamilienA und Nachlass Walter Schelenz in Freiburg-Au; Auskünfte von Barbara Dörr und0Töchtern, Freiburg und Berlin, im September 2018.

Werke: Museum für Neue Kunst / Städt. Museen Freiburg, Ministerium für Wissenschaft und Kunst Stuttgart, Kunstmuseum Stuttgart, Kunsthalle Karlsruhe, Lehmann-Stiftung Staufen, Oberfinanzdirektion Freiburg, Oberlandesgericht Freiburg, Regierungspräsidium Freiburg, Staatsgalerie Stuttgart, Städt. Museum Heilbronn und verschiedene Privatsammlungen.
Nachweis: Bildnachweise: Selbstportrait, Bronzebüste (1929), Privatbesitz Dresden.

Literatur:

Kunstverein Freiburg (Hg.), Walter Schelenz Ein Werkverzeichnis, 1983. – Walter Schelenz Plastik, 1963 (mit einer Einführung von Werner Haftmann); Walter Schelenz Plastiken, 1973; Hans Albert Peter und Jochen Ludwig (Hgg.), Walter Schelenz, 1978 ; Sabine Fischer, Zwischen Tradition und Moderne. Der Bildhauer Walter Schelenz (1903–1987), Diss. phil. Freiburg im Br. 1990, gedr. 1991; Walter Schelenz (1903–1987), Jochen Ludwig, Christiane Grathwohl-Scheffel, Blick aus dem Fenster, 2003, hgg. von den Städt Museen Freiburg, Museum für Neue Kunst.

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