von Bornstedt, Carl August Ulrich Adelbert 

Geburtsdatum/-ort: 12.01.1807; Stendal
Sterbedatum/-ort: 21.09.1851;  Illenau bei Achern
Beruf/Funktion:
  • preußischer Offizier, Publizist und Revolutionär
Kurzbiografie:

1803 Kadettenanstalt Potsdam

1824 Leutnant im Berliner Garde-Schützen-Bataillon

1830 IV 15 Beendigung der Offizierslaufbahn

1830 Reisen nach Brasilien und Paris

18311833 Oberleutnant bei der Fremdenlegion in Algerien

18381839 Redakteur der Zeitung „Gazette Allemande de Paris“

18401843 Korrespondent der „Allgem. Preuß. Staatszeitung“

1845 Ausweisung aus Frankreich, Umzug nach Brüssel

18471848 Gründung und Redaktion der „Dt.-Brüsseler Zeitung“, DBZ

1848 Gründung und Vizepräsident der Deutsche(n) Demokratische(n) Gesellschaft und Initiator der Deutsche(n) Legion unter Georg Herwegh

1848 IV 27 Gefecht der Legion bei Dossenbach; Gefangenschaft in Bruchsal

1849 V 13 Befreiung durch badische Freischaren. General-Commandant der Ämter Wiesloch und Neckargemünd

1849 VI1851 Heil und Pflegeanstalt Illenau

Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., später ohne Bekenntnis
Verheiratet:

unverheiratet


Eltern:

Vater: Ernst Johann Eugen (1768–1813), preuß. Offizier
Mutter: Annette Georgine Christiane Eleonore, geb. von Düring (1783–1853)


Geschwister:

6; Emilie Charlotte Philippine, Charlotte Ulrike, Ferdinand, Eugen, Emil Heinrich Johann und Leonhard Julius Germanikus.


Kinder:

keine

GND-ID: GND/119151030

Biografie: Eckhart Pilick (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 56-59

Bornstedt war eine der schillerndsten und abenteuerlichsten Gestalten im Vormärz und der Revolution von 1848. Er kam als sechstes Kind auf die Welt. Der Vater, Offizier in der preußischen Armee, dessen Adel im Hochstift Magdeburg in das 14. Jahrhundert zurückreicht, fiel am 2. Mai 1813 als Kommandeur des I. Westpreußischen Grenadierbataillons in der Schlacht von Großgörschen im Kampf gegen die Truppen Napoleons. Die niedersächsischem Adel entstammende Mutter ließ den 6-jährigen in der Pflanzschule der Offiziere, der Königlich Preußischen Kadettenanstalt in Potsdam, auf die Offizierslaufbahn vorbereiten.

Mit 18 Jahren zum Leutnant, ein Jahr später zum Oberleutnant befördert diente er im Berliner Garde-Schützen-Bataillon, quittierte aber bereits nach sechs Jahren den Dienst. Die Motive für seine Demission gründen wohl in seiner homosexuellen Veranlagung. In der Heilanstalt Illenau, in der er die letzten Lebensjahre verbrachte, nannte er dies jedenfalls dem behandelnden Arzt als Grund für die Entlassung aus dem Militärdienst.

Anschließend an eine Brasilienreise ging Bornstedt nach Frankreich, wo er sich als einer der ersten deutschen Freiwilligen der am 10. März 1831 zur Unterwerfung Algeriens gegründeten Fremdenlegion anschloss. Er gehörte zu den Offizieren des ersten Bataillons, das am 12. September 1831 im Hafen von Algier ankam. Im April 1832 wurde er bei Kämpfen mit Beduinen schwer verwundet. Wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung soll er nach drei Jahren unehrenhaft entlassen worden sein. Es war allerdings üblich, nur einen Kontrakt für drei Jahre abzuschließen; außerdem  waren angesichts der großen Verluste und dem enormen Bedarf an Legionären andere Strafmaßnahmen wie Degradierung die Regel, bevor man einen straffällig gewordenen Offizier relegierte. Bornstedt selber hat dies später vehement bestritten, wie auch viele andere Vorwürfe gegen ihn.

Nach Paris zurückgekehrt war Bornstedt dann von 1838 bis 1839 Redakteur der Pariser Zeitung „Gazette Allemande de Paris“, danach bis 1843 Korrespondent der „Allgemeinen Preußischen Staatszeitung“. 1844 wurde er Mitarbeiter des von Heinrich Börnstein in Paris herausgegebenen „Vorwärts!“ und zeitweilig war er auch Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“. Ab 1839 erhielt Bornstedt dann für Spitzeldienste von Preußen Geld, um die deutschen Emigranten auszuforschen. Allerdings lieferte er überwiegend nur in Zeitungen veröffentlichtes Material. Es darf bezweifelt werden, ob er jemanden persönlich denunzierte, und seine dubiosen Kontakte waren unter den Emigranten ein offenes Geheimnis.

Am 25. Januar 1845 wurde Bornstedt aus Frankreich ausgewiesen, ging nach Brüssel und wurde dort seinerseits durch Informanten der preußischen Regierung observiert, woraufhin seine ambivalente Haltung gegenüber der preußischen Regierung in offene Gegnerschaft umschlug. Ende November 1846 gründete er die „Deutsche-Brüsseler Zeitung“, DBZ, die in einer Auflage von 300 Exemplaren von Januar 1847 bis 27. Februar 1848 zweimal wöchentlich erschien. Im Ankündigungsblatt, dem „Prospectus“ vom 22. November 1846, nannte er unter anderen Zielen den Kampf für Religions- und Pressefreiheit, für Trennung von Staat und Kirche sowie für die Wiederherstellung Polens und die Kräftigung des Nationalsinnes bei den im Auslande lebenden Deutschen. Als weiteres Ziel seiner Arbeit nannte er bemerkenswerterweise Förderung und Verteidigung der gänzlichen Emanzipation der Juden da, wo sie unterdrückt sind.

Bornstedt wehrte sich in den Nummern 43 und 44 von 1847 und Nr.15 von 1848 seiner Zeitung auch gegen Gerüchte und Anschuldigungen, die er als infame, durch und durch erlogene Verleumdungen zurückwies. Jeder Unparteiische wisse, dass man ihn nur deshalb so systematisch verfolge, weil er offen, frei und ohne Visier die gekrönten und nicht gekrönten Ausbeuter der Menschheit angreife. Friedrich Engels, der Bornstedt als aristokratischen homme d‘esprit schätzte, und Karl Marx gehörten zur Redaktion seiner Zeitung. Bornstedt selbst wurde in einer Note des Brüsseler Justizministeriums vom 23. Februar 1848 als „la tête principale de l‘hydre en Belgique“, als Haupt der Hydra in Belgien bezeichnet. (Guido Ros, 1993, S.274 f.)

Nach der Februarrevolution in Paris stellte die DBZ sofort ihr Erscheinen ein. Bornstedt entzog sich der drohenden Verhaftung, die von Preußen seit langem und noch stärker von den Behörden in Brüssel betrieben worden war. Er ging wie die anderen Mitarbeiter zurück nach Paris und gründete dort er am 1. März 1848 die „Deutsche Demokratische Gesellschaft, von der die „Deutsche Legion“ unter Führung Georg Herweghs ausging. Bornstedt war auch bei diesem Unternehmen der eigentliche Initiator und wurde Vizepräsident. Die in dieser Legion zusammengeschlossenen Arbeiter und Handwerker eilten zur Unterstützung der sogenannten ersten Schilderhebung unter Gustav Struve, Franz Sigel und Friedrich Hecker. Am 15. April stand die Pariser Legion in Straßburg. Die erhoffte Förderung des Komitees der Legion durch die französische Regierung blieb aus; sie war zwar daran interessiert, einige Tausend arbeitslose Emigranten loszuwerden, nicht aber an einem Konflikt mit den deutschen Staaten. Der Legion wurden nur 5000 Francs überwiesen, aber keinerlei Waffen bewilligt. Man spekulierte aber auf einen triumphalen Empfang in Baden, nicht jedoch mit einem ernsthaften Widerstand der Truppen des Deutschen Bundes.

Eifersüchteleien und Rivalitäten unter den Anführern schwächten das Unternehmen der Legionäre außerdem. Corvin und Hecker wollten Bornstedt aus seiner Führungsposition drängen. Corvin schrieb in seinen Erinnerungen über ihn, dass er nichts Schlechtes an ihm bemerkt habe, seine kommunistische Art und Weise aber missfiel ihm genauso wie er seine Art nicht billigte, mit den Leuten umzugehen. Er betonte aber auch, dass Bornstedt in materieller Hinsicht mehr als irgendjemand sonst gewirkt und viel Einfluss bei den Leuten der Legion habe. Corvin zögerte daher, das Dekret, welches Bornstedts Abberufung verfügte, zu überreichen, denn Bornstedt sei der Tätigste von allen gewesen, dessen Gunst bei den Leuten ungebrochen sei, der mit ihnen auf der Streu schlief, mit ihnen aß und trank und sich duzen ließe. So wurde Bornstedt schließlich Bataillonskommandeur.

Die Kampfkraft der Legion erwies sich bald als zu gering; sie wurde von württembergischen Truppen auf gerieben. Herwegh samt Frau gelang unter abenteuerlichen Umständen die Flucht. Bornstedt, so erinnerte sich Gustav Struve, hielt bis zum Ende bei seinen Leuten aus, ermutigte sie und bemühte sich zu retten, was noch gerettet werden konnte. Im Gefecht bei Niederdossenbach gegen 300 Württemberger am 27. April 1848 geriet Bornstedtmit 372 Legionären in Gefangenschaft und wurde nach fast 10-monatiger Untersuchungshaft im Bruchsaler Gefängnis am 8. Mai 1849 vom Geschworenengericht in Freiburg zu einer Zuchthausstrafe von 18 Monaten verurteilt, die aber dank des in Mannheim geborenen Advokaten Lorenz Brentano (1813–1893) auf ein Jahr reduziert wurde. Brentano veröffentlichte im Namen von 450 Mithäftlingen auch über die Behandlung der politischen Gefangenen im sog. Pennsylvanischen neuen Männerzuchthaus in Bruchsal eine Beschwerde in der Freiburger „Oberrheinischen Zeitung“.

In der Nacht zum 13. Mai 1849 wurde Bornstedt zusammen mit den anderen Gefangenen befreit und zunächst als General-Commandant der Ämter Wiesloch und Neckargemünd eingesetzt. Kurz darauf jedoch wurde er republikanischer Tendenzen verdächtigt, verhaftet und ins Staatsgefängnis Kislau eingeliefert. Unter Militärbewachung wurde Bornstedt am 6. Juni als Kriegsgefangener in die Anstalt Illenau eingeliefert. Gerüchte, dass er wegen seiner unbequemen und feindseligen Haltung gegenüber den Wortführern der badischen Republik aus dem Weg geschafft worden sei, lassen sich nicht belegen. Amand Goegg urteilte 1876, Bornstedt sei als Folge der Behandlung im Gefängnis irrsinnig geworden, Corvins Biographie ist zu entnehmen, dass Ausbrüche von Irrsinn sehr häufig im Zuchthaus vorgekommen seien, besonders in den ersten zwölf bis achtzehn Monaten der Einzelhaft.

Die Regierung des Großherzogs versuchte 1850, den mittellosen und offenbar unheilbar, laut Krankenakte u. a. an Lähmungen und Verwirrtheit leidenden Bornstedt abzuschieben. Die königlich- preußischen Behörden lehnen jedoch seine Aufnahme ab, weil Bornstedt seit seiner Auswanderung 1830 kein preußischer Staatsbürger mehr sei. Daraufhin wurde der Fall von den Karlsruher Behörden am 10. Januar 1851 zu den Akten gelegt.

Bornstedts körperlicher und geistiger Zerfall schritt unterdessen rapide fort. Er starb wenige Monate später laut Krankenakte an Erschöpfung und lobulärer Pneumonie. Einige Symptome, wie sie dort beschrieben sind, lassen Syphilis vermuten, allerdings wurden in jener Zeit alle möglichen geistigen Störungen einer Luesinfektion zugeschrieben. Eine differenzierte Diagnostik war noch unmöglich.

Werke: Pariser Silhouetten. Nebst einer aphoristischen Übersicht der Monumentalgeschichte von Paris. 2 Bde., 1836; Basreliefs, 2 Bde., 1837; Hautreliefs der Gegenwart. Worte an meine Zeit und an mein Vaterland, 1838; Klänge der Vergangenheit und ein Blick in die Gegenwart, 1844; Deutsche-Brüsseler Zeitung, 1847/1848.

Literatur:

Dronke, Berlin, 1846, gekürzte Fassung 1953; Corvin, Chef des Generalstabs der Legion, Die Erste Expedition der deutschen republikanischen Legion, 1849; Wilhelm Frei, Die Volkserhebung in Baden im Mai und Juni 1849, 1849; Emma Herwegh, Die Geschichte der Deutschen Demokratischen Revolution. Von einer Hochverräterin, 1849; J. B. Bekk, Die Bewegung in Baden von Ende Februar 1848 bis zur Mitte des Mai 1849, 1850; Ludwig Häusser, Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Badischen Revolution, 1851; Leopold von Ladebur, Adelslexikon der preuß. Monarchie, Bd. 3, 1855, 89; Otto Corvin, Die Einzelhaft und das Zellengefängnis in Bruchsal. Ein Kapitel aus den demnächst erscheinenden „Erinnerungen aus meinem Leben“, 1857; Amand Goegg, Nachträgliche authentische Aufschlüsse über die Badische Revolution von 1849, deren Entstehung, politischen und militärischen Verlauf, 1876; Georg Herwegh, 1848. Briefe von und an Georg Herwegh, hgg. von Marcel Herwegh, 1896; Hans Blum, Die deutsche Revolution 1848 –49, 1897; Deutsche Adelsgenossenschaft (Hg.), Jahrbuch des Deutschen Adels Bd. 3, 1899; Wilhelm Blos, Badische Revolutionsgeschichten aus den Jahren 1848 und 1849, 1910; Otto von Corvin, Ein Leben voller Abenteuer, 1924; Gustav Hess, Südbaden vor und während d. Revolution im Frühjahr 1848, 1922; Veit Valentin, Geschichte der deutschen Revolution von 1848–49, 2 Bde, 1930/31; Karl Obermann, Einheit und Freiheit. Die deutsche Geschichte von 1815 bis 1849 in zeitgenöss. Dokumenten dargestellt und eingeleitet, 1950; Kurt Koszyk, Adelbert von Bornstedt – Spitzel und Publizist, in: Publizistik, 3. Jg., 1958, 173–179; Albert Kuhn, Die ersten Deutschen in der Fremdenlegion, Neudruck 1917; Karl Marx und Friedrich Engels, Werke Bd 14, 1. Aufl. 1961, unveränd. Nachdruck 4. Aufl. 1972; Wilhelm Kosch, Biogr. Staatshandbuch. Lexikon d. Politik, Presse und Publizistik. Fortgeführt von Eugen Kuri, 1963; Hans Jessen (Hg.), Die Deutsche Revolution 1848/49 in Augenzeugenberichten, 1968; Julius Dorneich, Der Zug der Herweghschen Legion und die Erinnerungen des badischen Regierungskommissärs Johann Nepomuk Fromherz über ihr Ende bei Dossenbach am 27. April 1848, in: Das Markgräfler Land Jg.4/35, Heft 3/4, 1973, 111–131; Jacques Grandjonc, „Vorwärts!“ 1844. Marx und die deutschen Kommunisten in Paris, 21974; Wolfgang Dreßen (Hg.), 1848 –1849: Bürgerkrieg in Baden. Chronik einer verlorenen Revolution, 1975; Hans Adler (Hg.), Literarische Geheimberichte. Protokolle der Metternich-Agenten. Bd. 1, 1840–1843, 1977; Karl Marx und Friedrich Engels, Gesamtausgabe. 3. Abt., Briefwechsel Bd 2: Mai 1846 bis Dezember 1848, 1979; B. Andréas, J. Grandjonc, H. Pelger, „Einführung“ in die Dt.-Brüsseler Zeitung, 1981; Martin Mumm, Der Heidelberger Arbeiterverein 1848/49, 1988; Guido Ros, Adelbert von Bornstedt und seine Dt.-Brüsseler Zeitung. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Emigrantenpublizistik im Vormärz, 1993; Wolfgang Büttner, Adelbert von Bornstedt und die Brüsseler Kommunisten, in: Forum Vormärz Forschung, Jahrbuch 1995, 1996; Heinrich Raab, Revolutionäre in Baden 1848/49. Biogr. Inventar für die Quellen im GLA Karlsruhe und im StA Freiburg, 1998; Uwe Fahrer, „Ein sonderbarer Bursche ...“ Adelbert von Bornstedt – vom preuß. Gardeleutnant zum Revolutionär, in: 1848/49 – Revolution der deutschen Demokraten in Baden. Landesausstellung im Karlsruher Schloss vom 28.2. bis 2.8.1998, hgg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, 1998; Martin Wiehle, Altmark-Persönlichkeiten. Biogr. Lexikon d. Altmark, des Elbe-Havel- und des Jerichower Landes, 1999; Gerhard Lötsch, Von der Menschenwürde zum Lebensunwert. Die Geschichte der Illenau von 1842 bis 1940, 2000; Eckhart Pilick, „Mein Kopf ist voll Hass und Rache!“. Unbekannte Briefe aus dem Jahr 1848 von Adelbert von Bornstedt aus dem Zuchthaus Bruchsal, 2004.

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