Fischer, Otto Eduard Jakob 

Geburtsdatum/-ort: 22.05.1886;  Reutlingen
Sterbedatum/-ort: 09.04.1948; Basel
Beruf/Funktion:
  • Kunsthistoriker und Museumsdirektor
Kurzbiografie: 1900–1904 Internat des Gymnasiums in Kreuznach
1904–1907 Studium der Kunstgeschichte und Archäologie in Tübingen, München und Wien
1907 Dr. phil. (Wien)
1909–1913 Privatgelehrter in München
1911 Mitglied der „Neuen Künstlervereinigung München“
1913 Habilitation in Göttingen
1913–1914 Privatdozent in Göttingen
1914–1918 Kriegsdienst
1919 Eröffnung eines Antiquariats in München
1921–1927 Direktor der Stuttgarter Staatsgalerie
1927–1938 Leiter des Basler Kunstmuseums; Prof. für Kunstgeschichte an der Univ. Basel
1938 Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1910 (Bozen) Katharina Forster (1888–1963), Schauspielerin
Eltern: Vater: Ernst Fischer, Kaufmann und Kommerzienrat in Reutlingen (1854–1922)
Mutter: Anna, geb. Linder (1856–1937)
Geschwister: 2: Ernst (1888–1914); Elsi (1891–1972)
Kinder: 2:
Hilde, verh. Flory (1911–2003);
Ernst (1917–1969)
GND-ID: GND/119218976

Biografie: Ansbert Baumann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 63-65

Als ältestes Kind einer alteingesessenen Reutlinger Kaufmannsfamilie besuchte Fischer nach der Elementarschule zunächst das Gymnasium in seiner Heimatstadt. Da er jedoch ein recht aufmüpfiger Schüler war, schickten seine Eltern ihn in ein Internat nach Kreuznach, wo er im Frühjahr 1904 das Abitur erwarb. Zum Sommersemester 1904 schrieb er sich an der Universität Tübingen für ein Studium der Rechtswissenschaften ein, wechselte aber bereits im Wintersemester zu den Fächern Kunstgeschichte und Archäologie. Im Herbst 1905 immatrikulierte er sich an der Universität München, von wo aus er im Wintersemester 1906/07 an die Universität Wien ging. Dort schloss er schon im Dezember 1907 bei dem berühmten Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin seine Promotion mit einer Arbeit über die altdeutsche Malerei in Salzburg ab.
Nach Studienreisen, die Fischer nach Frankreich und Italien führten, ließ er sich 1909 als Privatgelehrter in München nieder. Schon zu dieser Zeit beschäftigte er sich in zwei wichtigen Aufsätzen mit der ostasiatischen Kunst, die bis zu seinem Lebensende ein Schwerpunktthema seiner Forschungen bleiben sollte. Daneben publizierte er aber auch Übersetzungen indischer Gedichte, sowie einen kleinen Band mit eigenen lyrischen Werken und profilierte sich beispielsweise als Herausgeber von Jean-Jacques Rousseaus Bekenntnissen. Vor allem aber schloss er sich 1911 der von expressionistischen Künstlern gebildeten „Neuen Künstler-Vereinigung München“ an. Als es im Spätjahr 1911 unter den Mitgliedern zu zunehmenden Streitigkeiten über die künstlerische Ausrichtung der Vereinigung kam, in deren Folge sich die von Wassily Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter gebildete Gruppe „Der Blaue Reiter“ abspaltete, positionierte Fischer sich in seinem Buch „Das Neue Bild“ klar gegen die von den Sezessionisten vertretenen Ansichten. Dies bildete für Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin den Anlass, die Neue Künstler-Vereinigung ebenfalls zu verlassen, woraufhin diese faktisch nur noch auf dem Papier existierte. Die für Fischer durchaus charakteristische unverblümte Stellungnahme hatte somit unmittelbare Auswirkungen auf zentrale Entwicklungen innerhalb der Münchner Avantgarde. Bemerkenswert und im Vergleich zu seinen Zeitgenossen eher ungewöhnlich ist dabei die Selbstverständlichkeit, mit welcher er die moderne Kunst in die kunsthistorische Gesamtentwicklung einordnete.
1913 habilitierte er sich an der Universität Göttingen mit einer Arbeit über die chinesische Kunsttheorie, einem für die damalige deutsche Kunstwissenschaft sehr ungewöhnlichen Thema. Als Privatdozent lehrte er ab dem Wintersemester 1913/14 an der Universität Göttingen, und es schien darauf hinzudeuten, dass er eine wissenschaftliche und universitäre Laufbahn einschlagen würde. Der Kriegsausbruch im August 1914 bedeutete jedoch eine folgenschwere Zäsur: Fischer war zwar zunächst wegen einer angeborenen Herzschwäche vom Militärdienst zurückgestellt worden; nachdem sein jüngerer Bruder Ernst bereits in den ersten Kriegstagen im Elsass gefallen war, ließ er sich jedoch in Göttingen beurlauben und meldete sich freiwillig an die Front. Nach dem Ende des Kriegs zog er wieder nach München und eröffnete zur Sicherung des Lebensunterhalts für seine Familie ein Antiquariat. Offenbar spielte er aber durchaus mit dem Gedanken, in den Wissenschaftsbereich, und auch in seine schwäbische Heimat, zurückzukehren; jedenfalls beantragte er bei der württembergischen Staatsregierung die Verleihung des Professorentitels, welche ihm von dieser schließlich im November 1920 zugestanden wurde.
Zu dieser Zeit hatte Fischer bereits einen Ruf aus Stuttgart erhalten, wo er 1921 als Nachfolger des zum „Reichskunstwart“ nach Berlin berufenen Edwin Redslob die Leitung des Museums der Bildenden Künste übernahm. Unter seiner Direktion wurde nicht nur die Barockgalerie aufgebaut, sondern auch Jerg Ratgebs Herrenberger Altar für die Staatsgalerie erworben. Für Furore sorgte aber vor allem die „Ausstellung Neuer Deutscher Kunst“, in welcher 1924 über 400 Gemälde und Plastiken der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Stuttgart ausgestellt wurden. Die präsentierten Werke wurden zwar von Fachleuten und der Kunstkritik gefeiert, in der breiten Öffentlichkeit jedoch größtenteils abgelehnt. Die Kritik ging so weit, dass Fischer als Teil einer „entarteten und volksfremden Literatur- und Virtuosengesellschaft“ diffamiert wurde und sich schließlich am 7. Februar 1925 sogar der Württembergische Landtag mit der Ausstellung befasste. Dabei forderte das Parlament mehrheitlich, dass „bei der Veranstaltung öffentlicher Kunstausstellungen auch der Einfluss der Künstlerschaft“ sichergestellt werden müsse, was unverblümt einer Beschneidung von Fischers Kompetenzen gleichkam. In diesem Sinne wurde auch der von ihm initiierte Erwerb eines Gemäldes von Oskar Kokoscha für die Staatsgalerie rückgängig gemacht. Der engagierte Direktor sah angesichts solcher Entwicklungen für sich in Stuttgart keine Perspektiven mehr. Nach einer unbeanstandet gebliebenen Ausstellung zur Schwäbischen Malerei des 19. Jahrhunderts trat er Ende 1925 eine große Forschungsreise an, die ihn unter anderem nach Korea, Japan, China, Java und Bali führte. Schon kurz nach seiner Rückkehr bewarb er sich auf die Direktorenstelle des Kunstmuseums in Basel, welche er Ende des Jahres 1927 tatsächlich übertragen bekam; parallel wurde er an der dortigen Universität zum außerordentlichen Professor für Kunstgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der asiatischen Kunst ernannt.
Basel wurde zur wichtigsten Station seiner Karriere: Hier erweiterte Fischer nicht nur die Bestände der Sammlungen, sondern nahm auch den Neubau des Kunstmuseums in Angriff, der schließlich 1936 eröffnet wurde. Wegen seiner angegriffenen Gesundheit wurde Fischer zum 1. August 1938 aus dem Staatsdienst entlassen und ließ sich im Tessin nieder, wo er in Ascona ein Haus baute. Als sich sein Gesundheitszustand gegen Ende des Jahres 1945 deutlich verschlechterte, zog er wieder nach Basel, wo er am 9. April 1948 verstarb. Die Beisetzung erfolgte im Familiengrab in Reutlingen.
Fischer war ohne Zweifel eine hoch intelligente und vielseitig begabte, aber auch eine vielschichtige und schwierige Persönlichkeit, deren direktes und oftmals harsches Auftreten immer wieder für Irritationen sorgte. So wurde er beispielsweise trotz seines engagierten Eintretens für die sogenannte „entartete“ Kunst im Sommer 1945 von den Tessiner Behörden verdächtigt, mit dem Nationalsozialismus sympathisiert zu haben. Dies lässt möglicherweise aber weniger Rückschlüsse auf seine politische Gesinnung zu, als vielmehr auf sein Verhältnis zu den Menschen in seiner Umgebung, die er sowohl im privaten als auch im wissenschaftlichen Bereich häufig vor den Kopf stieß. Die Bedeutung, die sein Wirken für die Sammlungen in Stuttgart und Basel hatte, bleibt jedoch unumstritten.
Quellen: StadtA Reutlingen NL N 14; HStAS J 191; StAL F 215 Bü 212; UAT 40/60,101; Schweizerisches BundesA E7160-07, 1968/54, 1575* Nr. 407.
Werke: Die altdeutsche Malerei in Salzburg, 1908; Das neue Bild. Veröffentlichung der Neuen Künstlervereinigung München, 1912; Albrecht Dürers Leben und Werke, 1920; Chinesische Landschaftsmalerei, 1921; Schwäbische Malerei des neunzehnten Jahrhunderts, 1925; Die Kunst Indiens, Chinas und Japans, 1928; Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan, 1939; Kunstwanderungen auf Java und Bali, 1941; Geschichte der deutschen Malerei, 1942.

Literatur: Heinrich Geissler, Martin Kaulbach, Otto Fischer Kunstgelehrter und Museumsmann 1886 – 1948, Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart, 1986; Otto Fischer. Ein Kunsthistoriker des zwanzigsten Jahrhunderts, Reutlingen 1886 – Basel 1948, hg. von der Stadt Reutlingen, 1986; Nikolaus Meier, Ars una: Der Kunsthistoriker Otto Fischer, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 50 (2011), 147-208.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)