Klotz, Helmuth 

Geburtsdatum/-ort: 30.10.1894;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 03.02.1943; Berlin-Plötzensee
Beruf/Funktion:
  • Oberleutnant zur See, Schriftsteller, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1909 Helmholtz-Oberrealschule Karlsruhe
1912 vorverlegtes Abitur wegen Einberufung als Seekadett
1914-1918 Seeoffizier und Marineflieger mit Auszeichnungen: Eisernes Kreuz II. Klasse, Eisernes Kreuz I. Klasse, Ritterkreuz 1. Klasse mit Schwertern des Ordens vom Zähringer Löwen
1918-1921 Studien in Rostock, Freiburg i. Br. und Frankfurt a. M.; Dr. der Staatswissenschaften
1922 2. Vorsitzender der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP) in Frankfurt a. M.
1923 SA-Führer in Nürnberg und Teilnahme am Hitlerputsch vom 8./9. November
1923-1924 Schutzhaftgefangener in Landsberg am Lech
1924 Bruch mit der NSDAP und Adolf Hitler
1929 Reichsbanner und SPD; gefürchteter Kämpfer gegen den SA-Terror
1933 Flucht nach Frankreich
1936 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikanischen Regierung
1937 Wiederbelebungsversuch einer Volksfront (SPD und KPD) unter den Emigranten
1938 Berichterstattung über die deutsche Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in Exilzeitungen
1939 Bildung einer „Deutschen Legion“
1940 Verhaftung in Paris
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1918 (Wernigerode) Johanna, geb. von Korff-Krokisius (1897-1988), geschieden im September 1920, wieder verheiratet 1921, wieder geschieden 1931
2. 1931 (Berlin) Maria, geb. von Bechtold (1905-1949)
Eltern: Vater: Adolf (1864-1936), Dr. jur., Ministerialdirektor am Verwaltungsgericht Karlsruhe
Mutter: Johanna, geb. Manger (1869-1951)
Geschwister: Erika (1893-1989)
Kinder: aus 1. Ehe: Hans-Helmut (1919-1983), Hans Wolfgang (1922-1944)
GND-ID: GND/120346516

Biografie: Herbert Linder (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 147-149

Ein bildungsbürgerliches Elternhaus, der Vater großherzoglich-badischer Verwaltungsjurist, Geheimrat, den preußisch zu nennende Tugenden auszeichneten und eine von ihrer ganzen Umgebung geliebte und verehrte Mutter waren formend für die Kinder der Familie. Bei Klotz kam eine elitäre Ausbildung als Kadett der Kaiserlichen Marine hinzu, die ein bemerkenswertes Selbstvertrauen hinterließ. Der I. Weltkrieg hat den Lebensentwurf des hochdekorierten Seefliegers erheblich mitbestimmt. Das anschließende Studium der Staatswissenschaften in Rostock, Freiburg i. Br. und die Promotion in Frankfurt a. M. ließen eine Zielstrebigkeit ahnen, die – als Lebensregel formuliert – für Klotz hätte lauten können: „Was zu tun ist, tu es gleich, damit es nicht vergessen wird.“
Erste politische Erfahrungen gewann Klotz bei der DVFP in Frankfurt a. M., und fast folgerichtig schloss er im Dezember 1922 einen unseligen Bund mit Adolf Hitler. Klotz übernahm die Nürnberger SA gegen den Willen des Stürmerherausgebers Julius Streicher. Beim „Marsch auf die Feldherrnhalle“ am 8./9. November 1923 war Klotz maßgeblich beteiligt und war dann über Monate in Landsberg am Lech mit Hitler zusammen inhaftiert. Dort kam es zwischen Hitler und Klotz zu programmatischen Auseinandersetzungen. Für Hitler war „Sozialismus“ nichts anderes als die Möglichkeit, die Arbeiter für seine Partei zu gewinnen. Für Klotz war der zynische Umgang mit diesem „Programm“ Grund genug, an der Ernsthaftigkeit Hitlers zu zweifeln, Sozialismus jemals politisch zu verwirklichen. Der Parteitag der Völkischen am 20. Juli 1924 in Weimar brachte den völligen Bruch mit der NSDAP und Hitler.
Das unruhige Leben von Klotz hatte Einfluss auf seinen Lebensweg. Studium und politisches Engagement brachten im September 1920 den ersten Anlauf zur Ehe zum Scheitern, die Wiederverheiratung mit seiner Frau Johanna scheiterte schließlich an Klotzs Abkehr von Hitler, die sie – eine Verehrerin des „Führers“ – nicht verkraften konnte. Noch im gleichen Jahr heiratete er erneut.
Eine Begegnung mit dem einstigen Reichsinnenminister im Kabinett Stresemanns, Wilhelm Sollmann, beendete Anfang 1929 die politische Abstinenz. Klotz, Gewerkschafter aus Neigung, wurde über das Reichsbanner zum tatkräftigen Mitglied der SPD. Seine Waffe war das Wort. So wurde er zum Mitbegründer einer Broschürenkampagne gegen die NSDAP; „Hitlers Sozialismus“, „Ehrenrangliste“, insbesondere die „Röhmbriefe“ waren gefürchtete Darstellungen des Innenlebens der Nationalsozialisten. Dafür prügelten ihn am 12. Mai 1932 NS-Reichstagsabgeordnete im Foyer des Reichstagsgebäudes schier zu Tode. Die von Klotz wöchentlich herausgegebene „Antifaschistische Pressekorrespondenz“ sorgte für die aktuelle Berichterstattung über den Terror der SA, zugleich aber auch für Zorn und Rachgier der NS-Partei gegen den Wortgewaltigen.
Gefürchtet und gehasst musste Klotz wenige Wochen nach der Machtergreifung fliehen; über Prag, Österreich und die Schweiz führte sein Weg zusammen mit seiner Frau nach Paris ins Exil. Auf Einladung des Generals Mijaia, des Verteidigers Madrids im Spanischen Bürgerkrieg, sollte Klotz den Aufbau einer schlagkräftigen republikanischen Luftwaffe bewerkstelligen. Diese Mission scheiterte, da die Zahl der technisch veralteten Flugzeuge viel zu gering war. Als Kriegsberichterstatter für französische Zeitungen blieb Klotz den republikanischen Truppen Spaniens weiter verbunden. Klotz überließ den Republikanern auch seine Pläne für den Bau eines modernen Panzers, der weitgehende Verbesserungen im Gelände aufwies und gegen Frontalbeschuss nahezu unverwundbar war. Das weist auf Klotzs außergewöhnliche technische Begabung, die durch ein Geschehen aus dem Jahr 1917 bestätigt wird, als der Seeoffizier über einen Abteilungsbefehl zum Wegbereiter eines einheitlichen „Flugzeug-Signalbuches“ bestellt worden war, um die moderne Funktelegraphie für die Seeflieger nutzbar zu machen. Im Exil fand Klotz in dem einstmaligen saarländischen SPD–Vorsitzenden Max Braun und in dem geläuterten Kommunisten Willi Münzenberg Mitstreiter im Kampf gegen NS-Deutschland. Der Versuch einer Neubelebung der „Volksfront“ als „Kampfgemeinschaft“ der Arbeiterparteien unter Heinrich Mann, den Klotz mitbetrieb, scheiterte im Sommer 1938 an der Unduldsamkeit Wilhelm Piecks, des neuen Sprechers der KPD im Vorbereitungsausschuss.
In der von Max Braun veröffentlichten Emigrantenzeitung „Deutsche Freiheit“ schrieb Klotz die militärischen Beiträge über die Aufrüstung und die Kriegsvorbereitungen Hitlers. Die Quellen, aus denen Klotz seine Informationen schöpfte, bleiben unbekannt, dass sie aus hohen militärischen Stäben kommen mussten, bezeugen die Detailkenntnisse bei den Berichten über den „Fall Grün“ (Tschechoslowakei) und den Westfeldzug. Lange Zeit musste die Gestapo zusehen, wie „Geheime Kommandosachen“ in Emigrantenzeitungen nahezu perfekt wiedergegeben wurden, ehe sie im April 1940 Braun und Klotz durch ein Agententrio unter der für Heydrich arbeitenden Schweizer Agentin Carmen-Maria Mori zu liquidieren versuchte. Die Sureté vereitelte jedoch das Attentat.
Klotz, Braun und Münzenberg waren in der Lage, Frankreich für den unvermeidlichen Krieg deutsche und österreichische Emigranten-Freiwillige als „Deutsche Legion“ – vergleichbar den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg – zur Verfügung zu stellen. Das Gastland zeigte sich interessiert, wollte aber die Freiwilligen – zum Leid der Initiatoren – nicht in eigenen Bataillonen zusammenfassen. Dennoch fällt auf, dass Klotz nie die Neigung zur weit verbreiteten „Emigrantenlethargie“ zeigte.
Als die deutschen Truppen im Mai/Juni 1940 Frankreich überrollt hatten, erkannte Klotz die Unmöglichkeit des Entrinnens und kehrte nach Paris zurück. Am 8. Juli wurde er verhaftet und nach Berlin überstellt. Das Konzentrationslager Sachsenhausen, die Prinz-Albrecht-Straße und Berlin-Moabit waren Stationen seines Leidensweges. Nach Freislers erster Hauptverhandlung als neu ernannter Präsident am Volksgerichtshof wurde Klotz am 27. November 1942 zum Tode verurteilt und nach Plötzensee gebracht. Er starb am 3. Februar 1943.
Im Biographischen Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, 1980 herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte München und andernorts ist das Geburtsjahr von Helmuth Klotz mit 1884 falsch angegeben. Das ist aus folgendem Irrtum zu erklären: Dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 27. November 1942 sind zwei Blätter mit den Seitenzahlen 201 und 202 angefügt mit der Überschrift: „Todesurteil – Vortragssache für den 10. November 1944“; unter der Anmerkung C. „Allgemeine Todesurteile, Referat Oberstaatsanwalt Dr. Erhardt Glatt“ ist der Name Klotz verzeichnet, allerdings ohne weitere Angaben, während auf den Seiten l bis 86 die Fakten unverkennbar festzustellen sind.
Quellen: Unterlagen in 47 Archiven u. ähnl. Institutionen, darunter 43 deutsche, in Rußland, Österreich, d. Schweiz u. den Niederlanden; Schriftgut im Privatbesitz d. Familie; 37 Zeitungen, Zeitschriften u. Periodika; Les Documents Espagnols, Les Dernieres Opérations de L‘Armée Republicaine, 1938 (Masch.).
Werke: Frequenzen u. Betriebs-Einnahmen d. städt. Straßenbahn zu Frankfurt/M. während d. Kriegsjahre unter bes. Berücksichtigung d. Verhältnisse bei Tarifänderungen, (Diss. Frankfurt/M.) 1921 (in d. UB Frankfurt nicht mehr vorhanden, da der NS-Staat 1937 H. Klotz die Dr.-Würde aberkannt hatte); Antifaschistische, Presse-Korrespondenz, hg. von Dr. H. Klotz, 1930, beendet im vierten Jg. 1933; Hitlers Sozialismus, 1931; Nationalsozialismus u. Beamtentum, 1931; Die Außenpolitik der Nationalsozialisten; 1931; Ehren-Rangliste (d. NSDAP), 1932; Der Fall Röhm, 1932; Tagebuch eines Reichswehrgenerals, von Weimar über Potsdam nach ..., in: Die Wahrheit, Jg. 13, 1934 (unveröffentlicht, z. T. handschriftl.); Tagebuch eines Reichswehrgenerals, Teil 2 vom 30. 1. 1933 bis 1. 5. 1933, 1934; Der neue „deutsche“ Krieg, (mit 5 Skizzen, 6 Schemata, 7 Diagrammen, allesamt vom Verf.), militärische Lehren des Bürgerkrieges in Spanien, 1938.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in H. Linder, 1998, 20 (vgl. Lit.)

Literatur: Birgit Rätsch, Hinter Gittern, Schriftsteller u. Journalisten vor dem Volksgerichtshof 1934-1945, Schriftenreihe Extremismus u. Demokratie, hg. von Uwe Backes u. Eckhard Jesse, 1992, 127-138; Herbert Linder, Von d. NSDAP zur SPD, Der politische Lebensweg des Dr. H. Klotz (1894-1943), Karlsruher Beiträge zur Gesch. des Nationalsozialismus, hg. von d. Forschungsstelle „Widerstand gegen den Nationalsozialismus im dt. Südwesten“ d. Univ. Karlsruhe, 1998.
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