Ostendorf, Friedrich Carl Emil Alwin 

Geburtsdatum/-ort: 17.10.1871; Lippstadt in Westfalen
Sterbedatum/-ort: 16·1917-03-16.03.1913; Lorettohöhe b. Arras, Frankreich
Beruf/Funktion:
  • Architekt und Architekturtheoretiker
Kurzbiografie: 1881–1890 Realgymnasium Lippstadt bis Abitur
1890–1894 Architekturstudium an den TH Stuttgart, Hannover u. Berlin-Charlottenburg, I. Staatsprüfung für das Hochbaufach 1895 im Architekturbüro von Carl Schäfer u. in d. Großhzgl. Baudirektion Karlsruhe tätig; am 17. Mai Ernennung zum preuß. Regierungsbauführer
1896 I. 15 Kreisbauinspektion Marburg
1896 X. 1–1897 IX. 30 Einjährig-Freiwilliger, Vizefeldwebel
1897–1898 Regierungsbauführer in Köln u. Trier, 1898 bei Diözesanbaumeister Güldenpfennig, Paderborn
1898–1899 Kreisbauinspektion Paderborn
1899–1900 Regierungsbauführer in Münster, II. Staatsprüfung, Regierungsbaumeister, dann Studienreise nach Süddeutschland u. Italien
1900 Freier Architekt in Düsseldorf
1902 Studienreise nach Frankreich, ab 1903 Ministerium d. öffentlichen Arbeiten, Berlin
1904 II. Habilitation an d. TH Berlin-Charlottenburg: „Die Konstruktions- u. Formenlehre d. Renaissance in Deutschland von 1500 bis 1750“ u. Berufung an d. TH Danzig
1907 Berufung an d. TH Karlsruhe, ab 1908 zugleich bautechn. Referent im Bad. Finanzministerium,
1913 Oberbaurat
1914 VIII. Kriegsfreiwilliger als Kompanie-Offizier
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Auszeichnung: Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen (1912)
Verheiratet: 1899 (Lippstadt) Joaquina, geb. Hilbck (1878–1964)
Eltern: Vater: Julius (1823–1877), Lehrer
Mutter: Luise, geb. Hilbck (1840–1917)
Geschwister: 2; Walter (1870–1954) u. Berta (1873–1946)
Kinder: 5; Clara, Friedrich Joachim, Joaquina II, Clemens u. Maria
GND-ID: GND/12172218X

Biografie: Joachim Kleinmanns (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 301-303

Der Sohn des Direktors des Realgymnasiums im westfälischen Lippstadt verbrachte seine Kindheit in Düsseldorf, bis seine Mutter nach dem Tod des Vaters wieder mit ihren Kindern in Ostendorfs Geburtsstadt zurückzog. Nach der Reifeprüfung begann er an der TH Stuttgart sein Architekturstudium; 1891 wechselte er an die TH Hannover, wo er im Jahr darauf die Vorprüfung ablegte. Belegt ist eine Studienarbeit bei Hubert Stier (1838–1907). Das Hauptstudium absolvierte Ostendorf an der TH Berlin-Charlottenburg, wo er vor allem von Carl Schäfer (1844–1908) geprägt wurde.
Nach der I. Staatsprüfung für das Hochbaufach folgte er Schäfer, der im Laufe des Jahres nach Karlsruhe berufen worden war, und arbeitete im Februar und März 1895 in dessen privatem Architekturbüro an Zeichnungen für die Altkath. Kirche in Karlsruhe und ein Offizierskasino in Düsseldorf. Auf Schäfers Empfehlung konnte Ostendorf bereits im April unter Josef Durm (➝ II 70) eine Arbeit als Gehilfe in der Großherzogl. Baudirektion aufnehmen. Nachdem Ostendorf sein Patent als königlich preuß. Regierungsbauführer erworben hatte, musste er 1896 zur Kreisbauinspektion Marburg wechseln, da Preußen die Ausbildung bei Durm nicht anerkannte.
Nach seinem freiwilligen Wehrdienst als Vizefeldwebel trat Ostendorf eine Stelle als Regierungsbauführer in Köln an, zog aber alsbald nach Trier und schließlich 1898 nach Paderborn, wo er anfangs bei Dom- und Diözesanbaumeister Arnold Güldenpfennig (1830–1908), dann bei der Kreisbauinspektion wirkte. In diese Zeit fallen seine ersten Privatbauten, die Häuser Hilbck und Schwemann in Lippstadt. 1899, inzwischen Regierungsbaumeister in Münster, vermählte sich Ostendorf mit seiner Cousine. Bis zum Frühjahr schloss er eine mehrmonatige Studienreise durch Süddeutschland und Italien an, die ihm der Staatspreis im Schinkelpreis-Wettbewerb in Höhe von 1700 Mark ermöglichte, den er 1899 für seinen Entwurf eines Gesellschaftshauses gewonnen hatte.
Nach der Rückkehr im Frühjahr 1900 bat Ostendorf um seine Entlassung aus dem Staatsdienst und eröffnete ein „Bureau für Architektur und Möbelkunst“ in Düsseldorf. Im August wurde ihm für sein gutes II. Staatsexamen erneut ein Staatspreis zugesprochen, diesmal 1800 Mark, die er 1902 für eine Studienfahrt durch Frankreich nutzte. Zahlreiche Skizzenbücher sind das Ergebnis dieser und weiterer Reisen.
Als freier Architekt hatte Ostendorf 1901 an drei größeren Wettbewerben teilgenommen. Mit seinem Entwurf für ein neues Rathaus in Dresden errang er einen 1. Preis. Realisiert wurde dieser Entwurf aber ebensowenig wie der des zweiten Dresdner Rathaus-Wettbewerbs 1903, den Ostendorf ebenfalls gewann. In anderen Konkurrenzen hatte Ostendorf sich nicht unter den Gewinnern platzieren können. Und mit Ausnahme eines Anbaus an das Haus Kleine in Lippstadt hatte er 1901 vermutlich auch keine Aufträge erhalten, was ihn bewogen haben mag, nach der Rückkehr aus Frankreich im Dezember 1902 erneut um die Aufnahme in den Staatsdienst zu bitten, auch wenn er just zu diesem Zeitpunkt mit dem Umbau des Lippstädter Rathauses betraut wurde.
Zum 1. April 1903 trat Ostendorf seinen Dienst im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten in Berlin an, nahm aber weiterhin an Wettbewerben teil. Auch ein wissenschaftliches Projekt verfolgte er damals; denn schon im Jahr darauf habilitierte er sich an der TH Berlin. Dies war möglicherweise mit Blick auf die vor der Eröffnung stehende TH Danzig geschehen, welche die Berliner Einrichtung entlasten sollte. Tatsächlich wurde Ostendorf noch im Herbst 1904 dorthin auf die Professur für „Entwerfen im mittelalterlichen Stil“ berufen, für die er als Schüler Carl Schäfers prädestiniert war. Keine drei Jahre später folgte er Carl Schäfer, dessen krankheitsbedingte Pensionierung Anfang 1907 betrieben wurde, auf dem Lehrstuhl für mittelalterliche Baukunst an der TH Karlsruhe nach. Zudem sicherte er sich in den Berufungsverhandlungen Aufträge für Staatsbauten: das Physikalische Institut der Univ. Heidelberg, 1908 bis 1913, und die Staatsschuldenverwaltung und Landeshauptkasse Karlsruhe, 1912 bis 1913. Seinem 1908 verstorbenen Lehrer Schäfer widmete er die im selben Jahr erschienene „Geschichte des Dachwerks“, bis heute ein Grundlagenwerk.
Inzwischen zum Bautechnischen Referenten im Bad. Finanzministerium ernannt, war Ostendorf bis 1913 federführend bei der Restaurierung der Abteikirche St. Blasien. 1908 bis 1913 nahm er an großen Wettbewerben für ein Ministerial- und Landtagsgebäude in Oldenburg, ein Rathaus in Berlin-Wilmersdorf, das Bismarck-Nationaldenkmal bei Bingen, die Klinik in Freiburg und die Kunstakademie in Düsseldorf teil, jeweils ohne Erfolg. Nur 1910 konnte sein Entwurf für den Friedhof in Bremen-Osterholz einen 3. Preis erringen.
Was sich in den letzten Wettbewerbsbeiträgen abgezeichnet hatte, trat bei den nun realisierten Privat- und Staatsbauten deutlich hervor: die Abkehr vom „mittelalterlichen Entwerfen“ zugunsten einer neuen Einfachheit, deren Vorbilder Ostendorf in der römischen Antike und der Zeit „um 1800“ – so der Titel des viel beachteten Buches von Paul Mebes 1908 – suchte. Entwerfen war für ihn das Finden der einfachsten Form, „wobei ,einfach‘ mit Bezug auf den Organismus, nicht etwa mit Bezug auf das Kleid zu verstehen ist“, wie er im ersten Band seiner „Sechs Bücher vom Bauen“ ausführte. Mit der Rückkehr zur Einfachheit stand Ostendorf nicht allein in der Entwicklung der zeitgenössischen Architektur. In seiner Architekturtheorie nahm er auch die äußeren Räume – Straßen, Plätze, Höfe und Gärten – in den Blick. Als städtebaulicher Entwurf realisiert wurde ab 1912 der Ostendorf-Platz in Karlsruhe-Rüppurr; der Garten als Raum manifestierte sich beim eigenen Wohnhaus in der Karlsruher Weberstraße 1912 im Kleinen und der Villa Krehl (➝ V 159) in Heidelberg (1910–1913) im Großen.
Im April 1914 wurden Entwürfe für eine Brückenbebauung und das neue Kreishaus in Lippstadt genehmigt. Doch deren Fertigstellung sollte Ostendorf nicht mehr erleben. Im August hatte er sich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet. Ein halbes Jahr später fiel er und wurde am 29. März 1915 auf dem Karlsruher Hauptfriedhof beigesetzt.
Auch wenn die architekturtheoretischen Schriften des genialen Theoretikers, charismatischen Lehrers, begabten Entwerfers und kenntnisreichen Bauhistorikers unvollendet blieben: die erschienenen Bände wurden im gesamten deutschsprachigen Raum rezipiert. In Karlsruhe endete Ostendorfs Einfluss sogar erst mit dem Bau der Dammerstock-Siedlung 1929.
Quellen: Architekturmuseum d. TU Berlin, Plansammlung AIV; Geh. StA Preuß. Kulturbesitz I. Hauptabt. Rep. 76 Vb, Sekt. 10, Tit. III, Nr. 2, Bd. 1; Geh. StA Danzig 988/358 u. 988/2963; GLA Karlsruhe 235/2361, 235/ 4096 u. 448/2393; Südwestdt. A für Architektur u. Ingenieurbau, saai, am KIT Karlsruhe, Friedrich Ostendorf.
Werke: Entwürfe – Auswahl: Haus Hilbck, Lippstadt, 1898; Haus Schwemann, Lippstadt, 1899; Haus Kleine (Anbau), Lippstadt, 1901; Wettbewerbsentwurf Neues Rathaus in Dresden, 1901 (1. Preis); Wettbewerbsentwurf Neues Rathaus in Dresden, 1903 (1. Preis); Umbau Rathaus Lippstadt, 1902–1904; Physikal. Institut d. Univ. Heidelberg, 1908–1913; Restaurierung d. Abteikirche St. Blasien, 1909–1913; Wettbewerbsentwurf Friedhof in Bremen-Osterholz, 1910 (3. Preis); Villa Krehl in Heidelberg, 1910–1913; Haus Ostendorf, Karlsruhe, 1912; Staatsschuldenverwaltung u. Landeshauptkasse, Karlsruhe, 1912–1913; Gartenstadt Rüppurr, Karlsruhe, ab 1912; Brückenbebauung, Lippstadt, 1914; Kreishaus, Lippstadt, 1914 –1915. – Schriften: Über den Verschluss des Profanfensters im Mittelalter, in: Zentralbl. d. Bauverwaltung, 1901, 177–180 u. 187–207; Schlösser d. roman. Zeit in Deutschland, ebd. 1902, 185–189; Die Geschichte des Dachwerks, 1908; Sechs Bücher vom Bauen, Bd.1: Theorie des architektonischen Entwerfens, 1913, Bd. 2: Die äußere Erscheinung d. einräumigen Bauten, 1914, Supplementbd. 1: Haus u. Garten, 1914, Bd. 3: Die äußere Erscheinung d. mehrräumigen Bauten, hgg. von Walter Sackur, 1920; Die dt. Baukunst im Mittelalter, Bd. 1: Aufnahme u. Differenzierung d. Bautypen. Aus d. Nachlass, hgg. von Hermann Alker u. a., 1922.
Nachweis: Bildnachweise: saai am KIT Karlsruhe, Fotografie, 1891; StadtA Karlsruhe, 8 PBS o III.565, Fotografie, um 1907.

Literatur: (Auswahl) Julius Posener, Friedrich Ostendorf, in: Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur, 1979, 175–190; Barbara Auer, Das Physikalische Institut in Heidelberg, 1984; J. Nesselmann, Das Ostendorfhaus, 1986; Julia Hauch, Friedrich Ostendorf (1871–1915). Architektonisches Werk, architekturgeschichtl. u. theoret. Schriften, Diss. Mainz 1995; Werner Oechslin, Entwerfen heißt, die einfachste Erscheinungsform zu finden, in: Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform u. Tradition, 1992, 29–53; Thomas Leibrecht, Die Villa Krehl in Heidelberg, in: Heidelberg. Jb. zur Geschichte d. Stadt, 2003/04, 99–115; Joachim Kleinmanns (Hg.), Friedrich Ostendorf – Bauten u. Schriften, 2010.
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