Venedey, Henriette 

Geburtsdatum/-ort: 05.04.1817;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 20.05.1893;  (Badenweiler-) Oberweiler
Beruf/Funktion:
  • Pensionswirtin, Publizistin, Frauenrechtleri
Kurzbiografie:

1823–1829 Mädchenschule in Karlsruhe und Privatunterricht durch den Vater

1829–1833 Verzicht auf höhere Schulbildung wegen Verpflichtungen im elterlichen Haushalt

1833 IV–1837 III „Frankfurter Wachensturm“ mit zwei ihrer Cousins als Teilnehmern; Anfang März 1837 Polizeiermittlungen gegen Venedey wegen Verdachts auf Fluchthilfe für Cousin Wilhelm Obermüller

1837–1845 Aufenthalt in der Hafenstadt Le Havre zusammen mit ihrem ersten Ehemann und intensiver Austausch mit exilierten deutschen Schriftstellern

1845–1848 Rückkehr nach Durlach und Aufbau eines Weinhandels; gemeinsamer Besuch von Sitzungen der II. Kammer der Landstände und Aufnahme von Kontakten zu demokratischen Kreisen in Durlach

1848 seit Sommer Beteiligung am Aufbau des demokratischen Vereinswesens, Auftritte als Mitglied des Durlacher Bürger- und des Frauenvereins; Teilnahme am Kongress der demokratischen Vereine Badens und der Pfalz in Ettlingen am 16. Juli

1849 Besuch der Schlussverhandlungen der Prozesse vor dem Hofgericht in Freiburg gegen die Teilnehmer der Aufstände von 1848; einzige Frau unter den „Hauptteilnehmern“ der badischen Mairevolution; vor Einsetzen der Kampfhandlungen Ende Juni Flucht nach Lauterburg ins Elsass

1849 VIII–1853 I Anklage wegen Hochverrats und Konfiszierung des Familienvermögens; Rückkehr nach Baden, im Nov./Dez. 1849 Haft in Durlach; Anfang Jan. 1850 gegen Kaution Entlassung Venedeys aus der U-Haft; „Ausweisung“ aus Durlach nach Karlsruhe, dort zwei Jahre unter Polizeiaufsicht und Hausarrest; Venedeys erster Ehemann wird zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und stirbt an Haftschäden im Jan. 1853

1853–1855 Wiedersehen mit Jakob Venedey nach 12 Jahren und bald Eheschließung; danach Aufenthalt in Zürich, wo dieser Vorlesungen an der Universität hält; Rückkehr nach Baden

1855–1860 Aufenthalte in Durlach, Hagsfeld und Heidelberg; im Aug. 1858 Umzug nach Oberweiler, heute: Badenweiler; im Aug. 1860 Eröffnung des umgebauten „Rast- und Pflegehauses Venedey“ für bis zu 40 Pensionsgäste

1860–1869 mit Beginn der Neuen Ära wurde Venedey wieder politisch aktiv: Ablehnung der Hegemonie Preußens, für deutsche Republik und Demokratie, gegen den 1866er Krieg mit Österreich; Engagement in der bürgerlichen Frauenbewegung; Mitglied in der „Association Internationale des Femmes“, AIF, und Austausch mit der Vorsitzenden über Frauenrechte und die Weiterentwicklung der AIF aus; Artikel im Vereinsjournal; Venedey übernimmt Vertrieb und die Abonnentenwerbung in Südwestdeutschland

1869 Aufenthalt der gesamten Familie Venedey in Berlin, wo Jakob Venedey Parlamentskorrespondent ist; Kontakte mit der intellektuellen Szene

1870/71 wegen des Krieges gegen Frankreich Rückkehr nach Oberweiler; Venedeys Rasthaus wird Lazarett für verwundete Soldaten; nach ersten deutschen Siegen Eintritt für Versöhnung und Frieden mit Frankreich

1871–1893 nach dem Tod Jakob Venedeys Konzentration auf die Geschäftsführung der Rasthauses, Erziehung und Ausbildung der Söhne und Weitergabe des politischen Erbes ihres Mannes

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Ausstellung „Zeitenwende, Das Leben der Henriette Obermüller-Venedey“ im Pfinzgaumuseum Durlach (1999 XI - 2000 II); Henriette-Obermüller-Straße in Karlsruhe Südstadt-Ost (2000).
Verheiratet:

I. 1837 (Karlsruhe) Gustav August Obermüller (1812–1853), Kaufmann und Geschäftsführer;

II. 1854 (Baden-Baden) Jakob Venedey (1805-1871)


Eltern:

Vater: Carl Theodor Obermüller (1770–1848), Oberrevisor im badischen Justizministerium

Mutter: Christine Henriette Karoline, geb. Sachs (1793–1869), Hausfrau


Geschwister:

4; Theodora Auguste (1814–1824), Karl August (geb. 1815), Apotheker und Regimentsarzt, Christoph Gottfried (geb. 1819), Buchhändler und Kaufmann, Luise Christophine Emmeline (geb. 1821), Hausfrau


Kinder:

2 aus II.; Michael Hermann Gustav (1856–1893), Arzt, und Martin Georg Christoph (1860-1934)

GND-ID: GND/121844137

Biografie: Birgit Bublies-Godau (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 537-541

Venedey, drittes Kind eines badischen Oberrevisors verlebte eine behütete Kindheit und Jugend. Während ihrer Schulzeit unterrichtete sie der bildungsorientierte, freidenkende Vater auch in naturwissenschaftlichen und altphilologischen Fächern. Mit ihren Brüdern und Vettern wuchs sie in einem politischen Klima auf, das durch fortschrittliche Haltung gekennzeichnet war, Zustimmung zum Hambacher Fest und zum Frankfurter Wachensturm. Bei den Untersuchungen gegen ihre am Überfall auf die Frankfurter Hauptwache beteiligten Cousins Wilhelm (1809–1888) und Theodor Obermüller (geb. 1815) wurde Anfang März 1837 erstmals auch gegen Venedey ermittelt, nach Verhören, einer Hausdurchsuchung und Durchsicht ihrer Korrespondenz das Verfahren aber ergebnislos eingestellt.

Nach der Eheschließung 1837 gingen die Frischvermählten nach Le Havre, wo ihr Mann Geschäftsführer einer Auswanderungsagentur war. Dort machte sie zahlreiche interessante Bekanntschaften, verbesserte ihre Sprachkenntnisse und las die französische Presse und Literatur, darunter auch die Werke von Louis Blanc (1811–1882). Mehrere Reisen führten sie durch Frankreich: in die Normandie, das Elsass und die Île de France. In Paris besuchte sie Theater- und Opernvorstellungen, gewann Einblicke über die französische Hauptstadt als Schmelztiegel für sozialistische und revolutionäre Ideen und eignete sich Kenntnisse über das moderne Wirtschafts- und Kulturleben an. Solches aus eigenem Erleben erworbenes Wissen hob Venedey bereits aus der Masse deutscher Frauen der Vormärz- und Revolutionsära heraus.

Nachdem ihr Mann Gustav Obermüller nicht wie gehofft die Auswanderungsagentur als Eigentümer hatte übernehmen können, kehrte das Ehepaar im März 1845 nach Durlach zurück, wo Obermüller einen profitablen Weinhandel aufbaute.

Von der allgemeinen Politisierung in Baden erfasst besuchten die Eheleute von 1846 bis 1848 Sitzungen der II. Kammer der badischen Landstände und fanden Kontakt zu republikanischen Kreisen in Durlach, die bald im Hause der Obermüllers verkehrten. Die Nachricht vom Sturz der französischen Julimonarchie unter Louis Philippe (1773–1850) Ende Februar 1848 löste laut Venedey im Großherzogtum bei der Bevölkerung große Begeisterung aus. Diese positive Resonanz nutzte die Revolutionsbewegung um das Ehepaar, organisierte die städtische Bürgerwehr neu und listete ihre politischen Forderungen auf.

Venedey beteiligte sich nun am Aufbau des demokratischen Vereinswesens in Karlsruhe und Umgebung, hielt öffentliche Reden für die Republik, trat für den Durlacher Bürger- und den Frauen- und Jungfrauenverein auf, besuchte Volksversammlungen und nahm Mitte Juli 1848 am Süddeutschen Demokratentag in Ettlingen teil.

Bis zum Dezember 1848 pflegte sie auch Kontakte mit politisch Andersdenkenden. Nach der Niederschlagung der Revolution in Wien und dem Verfassungsoktroi durch die preußische Regierung in Berlin kam es allerdings bei einem Kaffeekranz mit Damen der Durlacher Gesellschaft zu heftigen Auseinandersetzungen: Venedey lobte die Demokratie und verteidigte die republikanische Staatsform. Viele der anwesenden Frauen stimmten ihr darin zu. Als es dann aber um die Großherzogin ging, kippte die Stimmung. Die Situation spitzte sich weiter zu, als eine der Damen behauptete, die Freischaren hätten überall gestohlen. Venedey stellte sich darauf auf die Seite der Revolution. So kam es zum Bruch.

Im zweiten Revolutionsjahr wurden Venedeys politische Aktivitäten noch intensiver. Seit März 1849 besuchte sie Sitzungen der Schwurgerichtsprozesse gegen die Teilnehmer der April- und September- Aufstände vor dem Freiburger Hofgericht. Nach Ausbruch der Mairevolution 1849, Flucht von Großherzog Leopold (1790–1852), Ausrufung der Republik und der Übernahme der Regierungsgewalt durch die provisorische Regierung Lorenz Brentano (1813–1891) Mitte Mai 1849 nahm Venedey mit ihrem Mann an einem Festessen der Demokraten im Pariser Hof in Karlsruhe teil. Sie hatte sogar den Ehrenplatz neben Brentano. Diese Möglichkeit nutzend forderte sie ihn zu entschiedenem Vorgehen bei der Verteidigung der revolutionären Errungenschaften und der Reichsverfassung gegen die Reaktion und die herannahenden preußischen Truppen auf. Brentano suchte jedoch auszuweichen, woraufhin ihr erste Zweifel am Sieg der Revolution kamen. Im Juni 1849, nach dem Auseinanderfallen der Nationalversammlung und dem Vormarsch der Reichstruppen in Baden, verlor sie vollends die Hoffnung. In ihren Lebenserinnerungen klingen Jahre später gleichermaßen Begeisterung und Zweifel an. Gleichzeitig versuchte sie darin, die Ursachen der Mairevolution, die Chancen einer Erhebung im ersten Revolutionsjahr und die Gründe für den Fehlschlag aller drei Aufstände zu klären.

Ebenfalls im Mai 1849 war Venedeys Mann zum Offizier des I. Aufgebots der Durlacher Bürgerwehr gewählt worden und mit ihr nach Karlsruhe gezogen. Bei einer Versammlung der Bürgerwehr-Offiziere rief Obermüller, Anhänger des radikalen „Clubs des entschiedenen Fortschritts“, im Juni 1849 dazu auf, sich einem weiteren Aufstandsversuch von Gustav Struve (1805–1870) anzuschließen, der allein in der Lage sei, die Revolution voranzutreiben. Venedey war während des Struve-Aufruhrs ihrem Mann nach Karlsruhe gefolgt und als einzige Frau zwischen die Fronten geraten.

Zu Venedeys letzten revolutionären Aktionen zählte die Unterstützung eines Freiwilligen-Bataillons der Turner für das Gefecht um Durlach. Als Präsidentin des „Vereins der Demokratinnen Durlachs“ übergab sie Mitte Juni 1849 bei der Weihe der Bürgerwehrfahne dem Bataillon eine rote Standarte mit schwarz-goldenen Bändern, in deren Mitte ein grüner Eichenkranz prangte, in den sie die alte Jakobinerlosung „Sieg oder Tod“ hineingestickt hatte. Während ihr die Republikaner für diesen Einsatz dankten und Gedichte in den Zeitungen widmeten, schlug ihr Hass aus Durlacher Bürgerkreisen entgegen. Nach der Schlacht bei Waghäusel erlebte sie den für sie deprimierenden Anblick des geschlagenen Revolutionsheeres, das sich nach Rastatt zurückzog.

Venedey floh am Morgen des 25. Juni 1849, unmittelbar vor Einsetzen der Kampfhandlungen, aus Durlach vor den preußischen Truppen nach Ettlingen, ehe sie, jetzt auch wie ihr Mann steckbrieflich gesucht, diesem ohne Pass ins französische Lauterburg folgte. Dort erhielt sie am 23. August von der Preußischen Kommandantur aus Karlsruhe die Nachricht, dass beide Eheleute wegen Hochverrats angeklagt seien und ihr Vermögen beschlagnahmt worden sei. Ihr Haus in Durlach war durch preußische Truppen geplündert worden.

Von Lauterburg aus war das Ehepaar zunächst in die Schweiz gegangen, kehrte dann aber nach Straßburg zurück, wo beide im November 1849 beschlossen, sich den badischen Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Wie ihr Mann wurde Venedey im Durlacher Stadtgefängnis inhaftiert. Das Verzeichnis der Verhafteten des Oberamts vom 15. Dezember 1849 nennt sie als einzige Frau unter den „Hauptteilnehmern der Mai-Revolution“ (Raab, 1998, S. 684 f.).

Ihre Gesinnung hat sie nach eigener Angabe bei Verhören nie verleugnet. Während ihrer Haft organisierte sie für die Gefangenen über bestochene und mit den badischen Aufständischen sympathisierende Wachsoldaten kleine Annehmlichkeiten im Haftalltag sowie den Briefverkehr mit Angehörigen. Nachdem ihr Anwalt sich Ende 1849 für ihre Freilassung eingesetzt hatte, wurde sie Anfang Januar 1850 gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen, das Verfahren Mitte Februar ausgesetzt. Von Durlach nach Karlsruhe ausgewiesen stand sie dann zwei Jahre unter Polizeiaufsicht und Hausarrest. Ihr Mann wurde zu 21 Monaten Zuchthaus verurteilt und trat Anfang 1851 seine Strafe im Männerzuchthaus Bruchsal an. Als Venedey die badische Generalstaatskasse abgefunden hatte, konnte sie für ihren Mann ein Gnadengesuch erwirken, dem entsprochen wurde. Auf Wohlverhalten wurde er begnadigt und Anfang September 1851 aus der Strafanstalt entlassen. Bereits mit Tuberkulose infiziert starb er im Januar 1853.

Durch die Vermittlung des ehemaligen Parlamentskollegen Johann Adam von Itzstein (1775–1855) hatte Jakob Venedey erfahren, dass Venedey, die er Anfang 1838 in Le Havre kennengelernt und 1842 ein weiteres Mal getroffen hatte, jetzt Witwe war. Beide sahen sich wieder, heirateten bald darauf und gingen nach Zürich, wo der habilitierte Historiker drei Semester lang Vorlesungen zur Mittleren und Neueren Geschichte an der Universität hielt. Seine Hoffnungen auf eine Professur am neuen Polytechnikum erfüllten sich indes nicht.

Beide zogen im Herbst 1855 nach Heidelberg, wo Venedey nun mit 39 Jahren erstmals Mutter wurde. Wie viele Achtundvierziger litt das Ehepaar während der Reaktion aber unter polizeilicher Verfolgung, gesellschaftlicher Ausgrenzung und existentiellen Problemen, so dass es im August 1858 nach Oberweiler, heute Teil von Badenweiler, zog. Das Ehepaar kaufte ein altes Anwesen, ließ es renovieren und zur Pension für Kurgäste ausbauen. Anfang August 1860 war das „Rast- und Pflegehaus Venedey“ fertig. Als selbständige Pensionswirtin mit Köchin, Kindes- und Hausmagd führte Venedey nun couragiert ihr Rasthaus für bis zu 40 Gäste, sicherte so das Familieneinkommen und hielt ihrem Mann den Rücken frei für seine politischen Aktivitäten.

In der zweiten Hälfte der 1850er Jahre, als das Klima in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wieder besser war, gibt es erste Anzeichen für Venedeys neuerliche Teilnahme am öffentlichen Leben. Damals scheint sie auch mit dem Schreiben begonnen zu haben. In ihrem Nachlass jedenfalls findet sich eine Korrespondenz mit dem Verleger ihres Mannes, Zacharias Löwenthal (1810–1884, ab 1859: Karl Friedrich Loening). Dessen Verlagsbuchhandlung hatte sie im Februar 1856 einige ihrer Schriften angeboten, worauf dieser aber nicht einging.

Während der deutschen Einigungsbestrebungen schaltete sich Venedey wieder in die Politik ein. Sie lehnte die Hegemonie Preußens ab und trat der von Otto von Bismarck (1815–1898) betriebenen Einigungspolitik entgegen. Mit ihrem von ihren politischen Fähigkeiten überzeugten Mann stritt sie erneut für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung in einer geeinten, vom Volk getragenen deutschen Republik. Entsprechend bezog sie auch Stellung zur aktuellen Tagespolitik, etwa zum preußisch-österreichischen Krieg von 1866.

Ende der 1860er Jahre wandte sie sich dann verstärkt der Emanzipation der Frauen zu und wirkte als Korrespondentin der „Association Internationale des Femmes“, AIF, unter Vorsitz von Jeanne-Marie Goegg-Pouchoulin (1826–1899), der Frau des Revolutionärs Amand Goegg (1820–1897). Beider Briefwechsel von 1868/69, in dem die Frauen einen intensiven Gedankenaustausch pflegten, lässt Venedey als aktives Mitglied der AIF erkennen. Sie arbeitete an dem Bundesorgan „Journal des Femmes“, der ersten politisch orientierten, übernational ausgerichteten Frauenzeitschrift, mit und übernahm sogar den Vertrieb für die Zeitschrift im südwestdeutschen Raum.

Im Oktober 1869 ging Venedey für ein halbes Jahr nach Berlin, wo ihr Mann als Korrespondent arbeitete, war bald in der Berliner intellektuellen Szene fest verankert und traf sich regelmäßig mit Persönlichkeiten wie Franz Duncker (1822–1888), Berthold Auerbach (1812–1882) und Karl Gutzkow (1811–1878). Nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Juli 1870 herrschte im frontnahen Südschwarzwald panische Angst vor den französischen Truppen. Jakob Venedey ging nach Stuttgart, um die Anhänger der süddeutschen Volkspartei für den Kampf gegen das Frankreich Napoleons III. zu gewinnen. Venedey folgte ihm, reiste aber Anfang August 1870 aus Sorge um ihre Pension ins Markgräflerland weiter, bot sogleich ihr Rasthaus als Lazarett für verwundete Soldaten an und warb dafür, auch sonst im Ort Verwundete aufzunehmen. So konnte sie 25 Mitstreiterinnen gewinnen und bei der einheimischen Bevölkerung ein hohes Maß an Zustimmung erzielen.

Ungeachtet aller Anteilnahme blieb sie ihren demokratischen Auffassungen aber treu und sprach sich wie ihr Mann nach den ersten deutschen Siegen für eine Versöhnung mit Frankreich aus, wodurch das Ehepaar in die Schusslinie nationalistischer Kreise geriet.

Mit dem Tod Jakob Venedeys Anfang Februar 1871 verlor sie nicht nur einen geliebten Ehepartner, sie musste von da an auch als selbstständige Pensionswirtin ihr Haus weiterführen und die beiden Söhne allein großziehen. Nach einer längeren Trauerphase zog sie sich allem Anschein nach aus der Politik zurück und konzentrierte sich auf die Kindererziehung und die Geschäftsführung des Rasthauses. Gleichzeitig wirkte sie aber als Nachlassverwalterin ihres Mannes, plante seine Lebensgeschichte in einer Biographie darstellen zu lassen und setzte sich für Jakob Venedeys politisches Erbe ein.

Es gelang ihr in den folgenden Jahrzehnten, das Interesse an Jakob Venedeys Werk wach zu halten und seinen Ruf als Kämpfer für Freiheit, Einheit, Demokratie und Recht zu festigen. Auch den Söhnen vermittelte sie seine Ideale und Vorstellungen.

Außerdem hat sie als badische Achtundvierzigerin, überzeugte Republikanerin und dann als Publizistin und Frauenrechtlerin für die Durchsetzung der Republik und die Gleichstellung der Frau gewirkt. Schon zu Lebzeiten erwarb sie so einen hervorragenden Ruf bei ihren politischen Weggefährten. Sie darf heutzutage als Vorkämpferin der (südwest-) deutschen Demokratiebewegung gelten, deren Lebensweg inzwischen eingehend untersucht und dargestellt ist.

Quellen:

Übersicht von Archivalien mit Bezug zu Venedeys revolutionärem Engagement im GLA Karlsruhe und StA Freiburg bei Heinrich Raab, Revolutionäre in Baden 1848/49, 1998, bes. 683–685.; BA Berlin, Nachlass Jakob Venedey, N 2316/ 1–189; GLA Karlsruhe, Best. 233, No. 15977, Personenakte Venedey; StadtA Karlsruhe, Best. Stadt AK/ 5 Durlach A 2005, Personenakte Venedey.

Werke: Birgit Bublies-Godau (Hg.), „Dass der Frauen bessere Democraten, geborene Democraten seyen ...“, Henriette Obermüller-Venedey, Tagebücher und Lebenserinnerungen 1817–1871, 1999.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1863) S. 535, Privatbesitz. - Birgit Bublies-Godau (Hg.), 1999, 264–265, 268–270 und 277–278; dies., Jakob Venedey, Henriette Obermüller-Venedey, in: Sabine Freitag (Hg.), 1998, 239; Walter Schmidt u. a. (Hgg.), Bd. 2, 2007, Buchcover.

Literatur:

(Auswahl) Christian Klenert, Danksagung an die Bürgerin Henriette Obermüller, in: Der Verkündiger für Karlsruhe und Umgegend vom 17.6.1849; Hermann Venedey, Henriette Venedey, Ein Lebensbild, 1937; Otto Beuttenmüller (Bearb.), Badisches Geschlechterbuch, Bd. 4, 1972, 177 f. und 239–243; Susanne Asche, Fürsorge, Partizipation und Gleichberechtigung, in: Olivia Hochstrasser u. a. (Hgg.), Karlsruher Frauen 1715–1945, Eine Stadtgeschichte, 1992, 171–256; Alexander Mohr, Die Stadt Durlach in der Badischen Revolution von 1848/49, 1993; Heinrich Raab, Die „revolutionären Umtriebe“ der Familie Obermüller von Karlsruhe während der Zeit von 1832 bis 1849, in: BH 73, 1993, H. 3, 481–489; Susanne Asche, Die Bürgerstadt, in: dies./Olivia Hochstrasser, Durlach, Staufergründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt, 1996, 147–443; Birgit Bublies-Godau, Venedey, Henriette, in: Manfred Asendorf/Rolf von Bockel (Hgg.), Demokrat. Wege, Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten, 1997, 655–657, auch in: Manfred Asendorf (Hg.), Wegbereiter der Demokratie, 2006, 224–227; Heinrich Raab, Revolutionäre in Baden 1848/49, 1998, 683–685; Diana Finkele, Die Verfolgung, Vier Einzelschicksale, in: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.), 1848/49, Revolution der deutschen Demokraten in Baden, Katalog der Landesausstellung, 1998, 420–422; Susanne Asche, „Freigesinnte Schöne“, Die Rolle der Frauen in der badischen Revolution 1848/49, in: Die Ortenau, Sonderdruck, 1998, 579–591; Birgit Bublies-Godau, Jakob Venedey, Henriette Obermüller-Venedey, Der Held der Parlaments und die Heckerin, in: Sabine Freitag (Hg.), Die Achtundvierziger, Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, 1998, 237–248; Beate Kube, Demokratin und Revolutionärin, Buch und Ausstellung über Henriette Obermüller-Venedey, in: BNN vom 27./28.11.1999; dies., Henriette Obermüller, Romantische Liebe einer starken Frau, ebd. vom 25.1.2000; Michael Nückel, Eine richtige Straße für die „Obermüller“, ebd. vom 14.4.2000; Regula Zürcher, Marie Goegg-Pouchoulin (1826–1899), Politisches Engagement, in: Rita Huber-Sperl (Hg.), Organisiert und engagiert, Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert, 2002, 211–231; Birgit Bublies-Godau, Henriette Obermüller-Venedey (1817–1893), Der Weg einer „fanatischen Demokratin“ und frühen Frauenrechtlerin zwischen Frz. Julirevolution und Dt. Reichsgründung, in: Walter Schmidt u. a. (Hgg.), Akteure eines Umbruchs, Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, Bd. 2, 2007, 473–518; Gudrun Wedel, Autobiographien von Frauen, 2010, 619; Neele Müller, Wilhelm Obermüller: Celticist, Dissident, Revolutionary, 2015; Birgit Bublies-Godau, Venedey, Juristen, Politiker, Publizisten, Schriftsteller, Historiker, in: NDB 26, 2016, 746–753; dies., „Henriette Obermüller-Venedey und der 48er Revolution“, Vortrag zur Ausstellung „Tübinger Revolutionen 1848/1968“ im Stadtmuseum Tübingen, im Rahmen der Baden-Württembergischen Literatursommers, Hörfunk-Beitrag bei Freies Radio Wüste Welle, Tübingen, 2018, unter: https://www.wueste-welle.de/projekt/view/id/239/tab/weblog/article/64514/Henriette_Oberm-uuml-ller.html#topB log (Zugriff am 22.12.2018); https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio–0606 (Zugriff am 22.12.2018).

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