Manz, Philipp Jakob 

Geburtsdatum/-ort: 22.12.1861;  Kohlberg bei Nürtingen
Sterbedatum/-ort: 02.01.1936;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Architekt
Kurzbiografie: 1869-1876 Volksschule in Urach
1877-1878 Lehre als Steinhauer und Maurer in Stuttgart
1878-1880er Jahre Studium an der Königlich-Württembergischen Baugewerkwerkschule in Stuttgart in den Wintersemestern insbesondere bei Prof. Emil Otto Tafel
1882-1891 Mitarbeit im Architektur-Büro von Prof. Tafel u. a. an Fabrikbauten (z. B. Otto in Wendlingen)
1883 Reise in die USA (Philadelphia)
1889 Eröffnung des eigenen Architekturbüros „Spezialbüro für Industrie-und Wasserbauten“ in Kirchheim/Teck
1898 Reise nach Schottland
1900/01 Übersiedlung des Büros nach Stuttgart in den Friedrichsbau
1905 Eröffnung der Büro-Zweigstelle in Wien (bestand bis in die 1920er Jahre)
1908 Württembergische Bauausstellung in Stuttgart, Teilnahme mit einem Arbeiterwohnhaus
1912 Ernennung zum Baurat
1929 Umzug des Architekturbüros in den selbst entworfenen Ulrichsbau in Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1895 Else, geb. Nestel (1870-nach 1938), Kaufmannstochter in Kirchheim/Teck
Eltern: Vater: Johann Jakob Manz (geb. 1837), Textilarbeiter in Urach und Gastwirt in Stuttgart
Mutter: Rosine Katharine, geb. Schaich (1840-76)
Kinder: Max (geb. 1896)
Hedwig (geb. 1897)
Gertrud (geb. 1906)
GND-ID: GND/122219260

Biografie: Julius Fekete (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 170-172

Den beruflichen Werdegang von Philipp Jakob Manz hat sicherlich das Studium und die Mitarbeit bei E. O. Tafel entscheidend mitgeprägt, ist doch Tafel auch als Architekt von Industriebauten im späten 19. Jahrhundert zu den führenden Baumeistern in Württemberg zu zählen – die Ottosche Fabrik in Wendlingen bei Stuttgart (an der Manz 1883 bis 1887 mitwirkte) sei als Beleg genannt. Bereits bei Tafels Fabrikbauten findet sich der vertikalbetonte unverputzte Ziegelbau mit kräftiger Reliefwirkung, der Hervorhebung funktionsbedingter Achsen und markantem Horizontalabschluss – Merkmale, die auch die Arbeiten von Manz prägen werden. Nach Eröffnung des eigenen Büros gelang Manz der Durchbruch als Industriearchitekt merkwürdigerweise erst ein Jahrzehnt später mit den Bauten in Esslingen (Quist) und Schwäbisch Hall. Beide Gebäude dokumentieren die Kontinuität der bei Tafel erlernten Fabrikarchitektur. Sehr früh erkannte Manz – der Wasserbautechniker – die aufkommende Bedeutung der Wasserkraft, dies erschloss ihm neue Aufgabenfelder. Seinen Erfolg begründete insbesondere die durchdachte Organisation der Arbeit des Baubüros wie auch der Ausführung – er galt als „Blitzarchitekt“, der große Fabrikkomplexe in ein bis zwei Jahren unter Einsatz von 600-700 Arbeitern hochzuziehen in der Lage war. Dies bewerkstelligte er, als erster, auch mithilfe des Einsatzes der Elektrizität auf der Baustelle. Manz dehnte seine Entwurfstätigkeit sehr früh auch auf die Arbeitersiedlungen und Fabrikantenvillen aus – diese bis dahin nicht übliche Zusammenfassung der gesamten Bautätigkeit eines Industrieunternehmens in einer Architektenhand, das Angebot von Komplettlösungen in Form von Gesamtanlagen aus einem Guss, mit daraus resultierenden Kosten- und Zeitvorteilen sowie einheitlichem repräsentativen Aussehen – dies hat erheblich zum Erfolg von Manz beigetragen. Das Büro Manz ist über Jahrzehnte quasi der Hausarchitekt manch eines Industrieunternehmens geworden. Er weitete seine Tätigkeit spätestens seit 1903 auch auf Österreich-Ungarn, Elsass, Schweiz, Böhmen, Polen, Bayern, Baden, Schlesien und sogar Ostafrika aus, so dass seine Architektur quasi den Fabrikbau Europas mitbestimmte. Seine Büros beschäftigten bis zu 100 Architekten, die jährlich 80-100 Bauten entwarfen, seine Werksübersicht muss daher immer lückenhaft bleiben. Es kann von einer „Architekturfabrik“, wohl nach amerikanischen Vorbildern, gesprochen werden. Der Erste Weltkrieg – der eine Vielzahl europäischer Architekturbüros ruinierte – hat dem Büro Manz einen ungeahnten Aufschwung gebracht, da er sich als Spezialist für Industriebauten der blühenden Rüstungswirtschaft anbieten konnte.
Die Gestaltung der durch Manz entworfenen Gebäude spiegelte immer den aktuellen Stand der modernen architekturgeschichtlichen Entwicklung ihrer Bauzeit wider, Manz ist nicht bei einem persönlichen Stil stehen geblieben, seine Flexibilität muss sprichwörtlich gewesen sein. So dokumentieren zum Beispiel die Bauten der Fabrik von Gminder in Reutlingen 1903 den Übergang von den historischen Einzelfenstern zu den modernen großformatigen Durchfensterungen, das Städtische Volksbad und das Elektrizitätswerk in Heidenheim 1904 die allmähliche Wiederaufnahme der Putzbauweise, die Papierfabrik Schnabl&Co. in Wien 1908 die Anfänge des Stahlbetonskelettbaus, die Pressenfabrik Fritz Müller in Esslingen 1910 den Einzug des Neoklassizismus, und schließlich der Ulrichsbau in Stuttgart kurz vor 1930 den Bauhausstil im Gewerbebau.
Auch als Bauingenieur hat sich Manz Verdienste erworben: Um 1900 entwickelte er als bautechnische Neuheit eine kombinierte Deckenarmierung mit Aufhängevorrichtung, und ließ dies im In- und Ausland patentieren. Ebenso hat er die Rationalisierung durch die Verwendung von aus Betonguss präfabrizierten Ornamenten betrieben. Diese beiden stellvertretend genannten Details mögen ein bezeichnendes Licht auf seine Persönlichkeit werfen – er ist die Verkörperung des neuen Architektentyps gewesen, der mehr Ingenieur als Baukünstler gewesen ist.
Manz verkörperte auch dahingehend einen neuen Architektentypus, dass er einerseits die im 19. Jahrhundert begonnene Aufwertung des Industriebaus deutlich machte, andererseits die damit einhergehende Notwendigkeit der Spezialisierung. Während bis dahin Entwürfe von Gewerbebauten im allgemeinen in der Hierarchie der Bauaufgaben nur tertiäre Bedeutung besaßen, stieg ihr Stellenwert seit der Jahrhundertwende sogar soweit, dass sie heute zu den Pionierleistungen der Moderne zählen. Durch seine Spezialisierung auf die Bauten für die Industrie ist Manz gezwungen und in der Lage gewesen, konsequent die Architektur aus der inneren Funktion heraus zu entwickeln. Er war einer der führenden Industriearchitekten und zugleich einer der konsequentesten Verfechter des funktionalen Bauens seiner Zeit. Manz' Arbeiten prägten somit nicht nur die Industrielandschaft Ost- und Mitteleuropas, sondern sie gaben auch gewichtige Impulse zur Moderne in der Profanbaukunst.
Auffallend ist, dass Manz, soweit bisher bekannt und im Gegensatz zur Vielzahl seiner Zeitgenossen, keinerlei Publikationen veröffentlichte, keine Vorträge hielt und auch keine Mitgliedschaft in Vereinigungen bekannt ist – er ist also kein Theoretiker, sondern der Typ des Machers gewesen, seine zahlreichen Bauten wirkten für sich. Dies könnte womöglich auch darin begründet sein, dass er in den Augen der „Baukünstler“, die z. B. Sakralbauten, öffentliche Bauten und Ähnliches entwarfen, als Repräsentant von „Baufabrikanten“ galt, der auch noch weniger die Kunst und mehr die Funktionalität präferierte. Hinzu kommt noch, dass er keinen Hochschulabschluss aufzuweisen hatte und bis 1912 lediglich den Titel „Wasserbautechniker“ führen konnte.
Nach dem Tode des Vaters führte sein Sohn Max das Architekturbüro fort, heute wird die Tradition durch die Enkel Peter und Günter fortgesetzt.
Quellen: Archiv Manz, Stuttgart; WABW: Firmenarchive.
Werke: Haus Stuttgarter Straße 40, Fa. Otto, Wendlingen, 1888; Fabrik Quist, Esslingen, 1896; Baumwollspinnerei Held&Teufel, Schwäbisch Hall, 1896-1897; Wohnhaus Scheerer, Tuttlingen, 1897; Germania-Linoleumwerke, Bietigheim, 1899; Arbeitersiedlung der Württ. Kattun-Manufaktur, Heidenheim, 1900; Schriftgießerei Bauer, Stuttgart, 1902-1903; Volksbad Heidenheim, 1903; Schuhfabrik Berneis-Wessels, Augsburg, 1903-1912; Gardinenfabrik L. Joseph&Co., Stuttgart, 1904-1905; Salamander-Werke, Kornwestheim, 1904-1907; Baumwollverarbeitung H. Otto&Söhne, Deutsch-Ostafrika, 1907; Arbeitersiedlung „Papyruskolonie“ der Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg, Mannheim, 1908; Zigarettenpapierfabrik J. Schnabl&Co., Wien, 1908-09; Werftanlage der Fa. Luftschiffbau Zeppelin, Friedrichshafen, 1909; Baumwollspinnerei Aumühle, Augsburg, 1909-10; Elektrizitätswerk Stuttgart-Münster, um 1910; Wohnhaus Manz, Danneckerstraße 54, Stuttgart, um 1910; Trikotagenfabrik Lang&Bumiller, Stuttgart, 1912; Königin Charlotte-Gymnasium, Stuttgart, 1912; Österreichische Waffenfabrik, Steyr, 1913; Industriewerke Karlsruhe, 1915-18; Werksiedlung der Waffenfabrik Mauser, Oberndorf, 1915; Automobilfabrik Gräf&Stift, Wien, 1916-17; Uhrenfabrik Junghans, Schramberg, 1916-18; Papierfabrik Saybusch, Żywiecz, Polen, 1919; Textilfabrik Niehues&Dütting, Nordhorn, 1921; Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik, Schramberg, 1922; Spinnerei der Bundweberei, Sulz am Neckar, 1925; Kammgarnspinnerei, Kaiserslautern, 1926; Wohnhaus Dr. Brigel, Stuttgart, 1928; Ulrichsbau, Stuttgart, 1929; Wohnhaus Bopserstraße 25, Stuttgart, 1933.
Nachweis: Bildnachweise: K. Renz (vgl. Lit.).

Literatur: Gustav Baum, Entwicklungslinien der Textilindustrie, Diss., 1911; W. Franz, Fabrikbauten, in: Handbuch der Architektur 4, 2.5, 1923, 22 ff.; Gustav Adolf Platz, Die Baukunst der neuesten Zeit, in: Propyläen-Kunstgeschichte, 1927; Peter Kirsch, Arbeiterwohnsiedlungen im Königreich Württemberg in der Zeit vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, 1982; Manfred Wehdorn, Ute Georgeacopol-Winischhofer, Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich, Bd. 1, 1984; Rainer Beck (Hg.), Industriearchitektur in Karlsruhe, 1987, 105 ff.; Julius Fekete, P. J. Manz, in: NDB 16, 99 f.; Gerhard Lutz, Das alte Stadtbad und die Bauten von P. J. Manz in Heidenheim, in: Heimat- und Altertumsverein Heidenheim 3 (1989-1990); Kerstin Renz, Gebaute Architektur. Der Architekt P. J. Manz (1861-1936). Begleitheft zur Ausstellung in Schramberg, 2000.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)