Hundsnurscher, Franz 

Geburtsdatum/-ort: 26.10.1933; Planskus (heute: Planská, Tschechien)
Sterbedatum/-ort: 18.11.2007;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Kirchenarchivar und Historiker
Kurzbiografie: 1946 Vertreibung
1948–1956 Gymnasium Königstein im Taunus bis Abitur
1956–1961 Theologiestudium in Königstein, Abschluss: Diplomtheologe
1962–1963 Wiss. Angestellter im StA Ludwigsburg, ab 1963 im HStA Stuttgart
1967 IV. 1–1998 Wiss. Angestellter im Erzb. Archiv Freiburg, 1969 Archivrat, 1973 -oberrat, 1977 -direktor bis zum Ruhestand in Freiburg
1969 Dr. theol. bei Wolfgang Müller, Freiburg: „Die finanziellen Grundlagen für die Ausbildung des Weltklerus im Fürstbistum Konstanz vom Tridentinischen Konzil bis zur Säkularisation mit einem Ausblick auf die übrigen nachtridentinischen Bistümer Deutschlands“
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 2001 (Freiburg) Ursula, geb. Wetzel
Eltern: Vater: Josef (geboren 1898), Landwirt, nach d. Vertreibung Arbeiter, aus Tisch (Tschechien)
Mutter: Franziska, geb. Plach (1899–1956)
Geschwister: 3; Heinrich (geboren 1927), Josef (1931–1992) u. Theodor (geboren 1937)
Kinder: keine
GND-ID: GND/122560817

Biografie: Christoph Schmider (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 198-200

Hundsnurscher, der erste nach modernen fachlichen Kriterien qualifizierte Archivar in der Geschichte des 1827 entstandenen Erzbistums Freiburg, baute das Erzbischöfliche Archiv, EAF, aus in jeder Hinsicht bescheidenen Anfängen zu einem zeitgemäßen und anerkannten Archiv auf und machte die darin verwahrten Quellen zur Bistumsgeschichte der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich. Wesentlich sind insbesondere die aus der „geistlichen“ Verwaltung des ehemaligen Bistums Konstanz stammenden, in Teilen bis ins hohe Mittelalter zurückreichenden Amtsbücher, die bei der „Kirchenaufsicht“ in der badischen Ministerialverwaltung angefallenen Akten, Amtsbücher und Rechnungsserien, die vor allem für die einstige Kurpfalz mitunter den Zeitraum vom 17. bis ins 20. Jahrhundert abdecken, oder die Nachlässe von so bedeutenden Erzbischöfen wie Hermann von Vicari oder Conrad Gröber. Gleichzeitig leistete er in seinem publizistischen Schaffen vor allem Beiträge zur Erforschung der Freiburger wie der voraufgegangenen Konstanzer Bistumsgeschichte.
Seine böhmische Heimat verlor der dritte von vier Söhnen einer streng katholischen Familie durch die Vertreibung im Oktober 1946. Als 13-Jähriger musste er Zwangsarbeit verrichten und die Erfahrung machen, ohnmächtig der Willkür anderer ausgesetzt zu sein. Das prägte sein Wesen; selbstherrlichem Auftreten gegenüber reagierte er zeitlebens geradezu allergisch. Er durchlebte Monate in verschiedenen Lagern, bis die Familie im Frühjahr 1947 in Ludwigsburg-Neckarweihingen eine dauerhafte Bleibe fand. Bald darauf kam Hundsnurscher nach Königstein im Taunus, wo er am Gymnasium für Heimatvertriebene im Februar 1956 die Reifeprüfung ablegte. Anschließend begann er dort sein Theologiestudium, das er mit sehr gutem Erfolg im März 1961 abschloss.
Ein beruflicher Anfang schien dann seine Arbeit als Seelsorgehelfer. Gleichwohl blieb ihm das Priestertum verwehrt, denn ein nicht kurierbares Leiden machte ihn hochgradig schwerhörig und somit nach damaligen Maßstäben ungeeignet für den Priesterberuf. Hundsnurscher litt zeitlebens unter der als verhindert empfundenen Berufung und tat sich mit manchen Aspekten der irdischen Verwirklichung der Kirche bisweilen schwer.
Gleichwohl waren es zwei Kirchenmänner, die dafür sorgten, dass Hundsnurscher letztlich doch einen erfüllenden Beruf finden und seine besondere Begabung nutzbringend einsetzen konnte. Max Miller bot ihm Tätigkeiten als wissenschaftlicher Angestellter, erst im StA Ludwigsburg, ein Jahr später im HStA Stuttgart. Hundsnurscher befasste sich dort mit der Untersuchung der in Baden und Württemberg unterschiedlichen Höhe der Staatsleistungen an die Kirchen. Dann dokumentierte er Schicksale jüdischer Bürger unter dem NS-Regime, woraus das zusammen mit Gerhard Taddey veröffentlichte Standardwerk „Die jüdischen Gemeinden in Baden“ erwuchs. Zugleich qualifizierte sich Hundsnurscher damals für den Höheren Archivdienst. Parallel dazu nahm er bei Wolfgang Müller in Freiburg die Arbeit an seiner Dissertation auf, worin er sich mit der nachtridentinischen Klerikerausbildung befasste. Im Jahr 1969 wurde Hundsnurscher von der Theologischen Fakultät der Universität zum Doktor promoviert. Zuvor schon hatten W. Müller und M. Miller den Weg dafür bereitet, dass Hundsnurscher Bistumsarchivar in Freiburg werden konnte. Er trat seinen mehr als 31 Jahre währenden Dienst als erzbischöflicher Archivar 1967 an. Mit der 1974/75 in der Freiburger Bistumsverwaltung durchgeführten Reform wurde ihm die Leitung der neu geschaffenen Stabsstelle „Archiv/Bibliothek/Registratur“ und damit die Verantwortung für zuletzt rund 20 Mitarbeiter übertragen.
In seiner Dienstzeit gelang es Hundsnurscher, aus den so umfangreichen wie historisch bedeutsamen Altregistraturen von Ordinariat und Finanzkammer – der ursprünglich staatlichen Kirchenaufsichtsbehörde, die letztlich im Erzbischöflichen Ordinariat aufgegangen ist – das moderne Archiv der Gegenwart zu machen. Die nach Freiburg gelangte Konstanzer Überlieferung, die in diesen Registraturen verborgen war, hat er anderthalb Jahrhunderte nach der Aufhebung dieses Bistums endlich in angemessener Weise wissenschaftlich nutzbar und die historische Fachwelt nachhaltig darauf aufmerksam gemacht, welche Schätze in den Magazinen des EAF lagern. Er hat eine Fülle von wissenschaftlichen Arbeiten maßgeblich mit auf den Weg gebracht und manche Doktorarbeit in der für ihn charakteristischen Weise womöglich intensiver betreut als der jeweilige Doktorvater. In der Zusammenarbeit der katholischen Kirchenarchive hat Hundsnurscher früh sich aktiv eingebracht, was mit dazu beitrug, dass sie in der „Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland“ institutionalisiert wurde. Er setzte sich auch intensiv dafür ein, dass die Bistumsarchive mit ausgebildetem Fachpersonal besetzt wurden.
Als Archivar sah sich Hundsnurscher schon früher als andere als „Dienstleister“, dessen Aufgabe darin bestand, Benutzer zu unterstützen. Was die „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ den Archivaren im Februar 1997 in der Verlautbarung „Die pastorale Funktion der kirchlichen Archive“ vorschrieb, nämlich die von ihnen verwahrten Dokumente seien „ein Erbe, das erhalten wird, um weitergegeben und genutzt zu werden“ (Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz, Arbeitshilfen 142, S. 32), fasste Hundsnurschers berufliches Selbstverständnis in Worte. Stark ausgeprägt war bei Hundsnurscher die Wissbegierde. Er wollte nicht nur Bestände hüten, sondern auch die darin verborgenen Schätze kennen und anderen eröffnen. Die bisweilen erhebliche Diskrepanz zwischen der Neugier des Forschers und der Verantwortung des Archivars, die Interessen der ihm übergeordneten Instanz zu wahren, hatte er selbstverständlich erkannt. Gleichwohl obsiegte bei ihm meist die Neugier – bisweilen zum Verdruss seiner Obrigkeit.
Der Vorgesetzte Hundsnurscher legte Wert auf mündige Mitarbeiter. Deshalb gewährte er ihnen große Ermessens- und Entscheidungsspielräume. Wem er vertraute, den unterstützte er, zuweilen auch ohne Rücksicht auf eigene Nachteile. Wer allerdings sein Vertrauen verloren hatte, der konnte es kaum wiedergewinnen. Diplomatie war nicht Hundsnurschers Stärke, und dass dazu ein bisweilen sarkastischer Humor kam, machte den Umgang mit ihm nicht immer leicht.
Hundsnurschers Augenmerk galt immer den größeren Zusammenhängen. Hinter den heutigen, aus staatlichen Vorgaben erwachsenen Bistumsgrenzen suchte er stets die Bedingtheiten ihrer historischen Vorläufer: In der Oberrheinregion sah er den alemannischen Kulturraum und über die konfessionellen Grenzen hinaus erblickte er die gemeinsame Kirchengeschichte. Deshalb gehörte er auch mehreren Kirchengeschichtsvereinen an, katholischen wie evangelischen, dem Alemannischen Institut und zahlreichen anderen wissenschaftlichen Vereinigungen.
Als Forscher und Publizist hat Hundsnurscher zahlreiche Beiträge zu Ortschroniken und Archivführern, zum „Historischen Atlas von Baden-Württemberg“, zum „Lexikon der deutschen Geschichte“, zur Neuen Folge der „Badischen Biographien“ wie zu dieser Reihe verfasst. Die Veröffentlichung einer von ihm vorbereiteten Edition der Konstanzer Investiturprotokolle des 16. Jahrhunderts hat er noch auf den Weg gebracht.
Von 1975 bis 2003 gehörte Hundsnurscher dem Vorstand des Kirchengeschichtlichen Vereins für die Erzdiözese Freiburg an und erwarb sich als Redaktor des „Necrologium Friburgense“ große Verdienste. Acht Fortsetzungen dieser für die Freiburger Bistumsgeschichtsschreibung bedeutsamen Reihe hat er betreut, rund eintausend Kurzbiographien von verstorbenen Priestern angeregt, redigiert oder selbst verfasst, wobei seine eigenen Beiträge sich zumeist nicht im Aufzählen von Lebensstationen erschöpften, sondern auch auf biographische Brüche und Momente des Misslingens abhoben. Wenn er sich auch damit nicht nur Freunde machte, nahm Hundsnurscher das um der in seinen Augen wahrhaftigen Darstellung willen in Kauf. Die neun Jahre seines Ruhestandes waren geprägt von rasch zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden, so dass er keinen der großen wissenschaftlichen Pläne mehr verwirklichen konnte, die er für diese Zeit gehegt hatte. So bleibt sein Wirken vor allem in der Geschichte des EAF und des Erzbistums Freiburg wirksam.
Quellen: EAF PAL 3072, Personalakte Franz Hundsnurscher.
Werke: (Auswahl) Die finanziellen Grundlagen für die Ausbildung des Weltklerus im Fürstbistum Konstanz vom Tridentinischen Konzil bis zur Säkularisation mit einem Ausblick auf die übrigen nachtridentinischen Bistümer Deutschlands, 1968; (mit Gerhard Taddey) Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, 1968; Gliederung d. Kath. Kirche in Baden, Württemberg u. Hohenzollern um 1840, in: Historischer Atlas für B-W; Gliederung d. Kath. Kirche in B-W 1945–1970, in: ebd.; Der heilige Konrad, Bischof von Konstanz – Nebenpatron des Erzbistums Freiburg, in: Bistumspatrone in Deutschland, 1984, 168-173; Die jüdische Gemeinde Konstanz, in: Juden in Baden 1809–1964, 1984, 247-249; Die jüdische Gemeinde Freiburg im Br., ebd., 243-246; (mit Peter Weigand u.a.) Bad. Krippen. Ausgewählte Krippenlandschaften, 1985; Beichert, Alois, Geistlicher, Opfer des NS-Regimes, in: BBNF 2, 1987, 28-30; Knörzer, Anton, Stadtpfarrer von St. Stephan, Karlsruhe, ebd., 167; Domkapitular, Offizial u. Erzbistumsverweser Karl Franz Weickum (1815–1896), in: Mein Boxberg 21, 1987, 33-39; Fischer, Karl Josef, Dompräbendar, religiöser Schriftsteller, in: BBNF 3, 1990, 86; Gihr, Nikolaus, Subregens in St. Peter, ebd., 103-104; Archivalien zur Karlsruher Stadtgeschichte im Erzbischöfl. Archiv Freiburg, in: Ernst Otto Bräunche (Hg.), Stadtbibliothek, Archiv, Sammlungen. Geschichte u. Bestände des Stadtarchivs Karlsruhe, 1990, 192-195; Böhler, Eduard Fridolin, Geistlicher, Heimatforscher, in: BWB 1, 1994, 34; Geis, Rudolf, Dompfarrer in Freiburg, ebd., 104-105; Geschichte d. Pfarrei St. Vincentius in Neuershausen, in: Thomas Steffens (Red.), 1200 Jahre Neuershausen 789–1989, 1989, 251-272; Zur Geschichte d. Pfarrei Holzhausen, ebd., 209-224; Kraus, Johann Adam, Erzbischöflicher Archivar, in: FDA 116, 1996, 172-174; Futterer, Adolf, Priester, Heimatforscher, in: BWB 3, 2002, 92-93; Bessler, Josephine (Maria Aleidis), Ordensfrau (O. Cist.), in: BBNF 5, 2005, 16f. –Insgesamt 45 Beiträge zum „Lexikon d. dt. Geschichte“ u. zahlreiche Beiträge zum „Necrologium Friburgense“, ab FDA 97, 1977ff.
Nachweis: Bildnachweise: Fotografien im EAF.

Literatur: Christoph Schmider, in: FDA 127, 2007, 387-393.
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