Gleichauf, Robert 

Geburtsdatum/-ort: 04.04.1914;  Oberndorf/Neckar
Sterbedatum/-ort: 25.10.1992;  Oberndorf/Neckar
Beruf/Funktion:
  • Werkmeister, CDU-Politiker und Finanzminister von Baden-Württemberg
Kurzbiografie: 1944-1969 Volksschule
1928 Mechaniker in der Waffenfabrik Mauser-Werke, Oberndorf, später Werkmeister
1935-1937 Wehrdienst in Horb
1939-1945 nicht zum Kriegsdienst eingezogen wegen Beschäftigung bei Firma Mauser
1946 Betriebsratsvorsitzender, ab 1949 Angestellter beim Arbeitsamt Rottweil
1947-1968 Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister von Oberndorf (1948-1962), ab 1948 Mitglied des Kreistags
1948-1968 Mitglied des Kreisrats Rottweil, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Württemberg-Hohenzollern
1952-1980 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung, dann des Landtags von Baden-Württemberg (Wahlkreis Rottweil)
1956-1968 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion des Landtags
1968-1980 Finanzminister von Baden-Württemberg, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Badenwerk-AG und anderer Unternehmen
1977 Ehrenbürger der Stadt Oberndorf
1978 Stellvertretender Ministerpräsident; Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband
1980 Verdienstmedaille des Landes
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1943 Oberndorf a. N., Hildegard Maria, geb. Huber (geb. 1923)
Eltern: Johann Andreas Gleichauf (1886-1965), Instrumentenmacher
Franziska, geb. Kalbacher (1887-1957)
Geschwister: (Luise) Franziska
Kinder: Monika, Winfried, Rudolf, Elisabeth, Konrad, Hildegard, Barbara, Michael, Martin, Jürgen, Markus
GND-ID: GND/124129870

Biografie: Paul Feuchte (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 156-158

Von einer „Traumkarriere“ könnte man sprechen, wenn man Gleichaufs Weg zum Finanzminister eines wirtschafts- und finanzstarken Bundeslandes betrachtet. Aber Gleichauf träumte nicht, er stand mit beiden Beinen in der Wirklichkeit. Sein Aufstieg steht als eines der nicht ganz seltenen Beispiele dafür, daß ein geradlinig denkender Mann mit festen Grundsätzen, redlich bemüht und frisch zupackend aus bescheidenen Anfängen heraus ohne spektakuläre Auftritte in der Politik Erfolg haben kann. Nüchternheit und Gespür für das Erreichbare, gesunder Menschenverstand und Sachkunde bewahrten ihn davor, sich selbst und anderen utopische Ziele zu setzen, altbewährtes zu schnell über Bord zu werfen. So erkannte er auch in einer Zeit wachsenden Wohlstandes im Anspruchsdenken mancher Mitbürger Gefahren, vor denen er das Gemeinwesen bewahrt wissen wollte. So ließ er sich nicht durch übersteigerte Erwartungen in neu aufkommende Theorien beirren oder bestechen.
Der Sohn einer Arbeiterfamilie wuchs im heimatlichen Oberndorf auf, wo er, was nahe lag, in den Mauserwerken Arbeit fand und Werkmeister wurde. In dem nach dem Kriege wie viele andere Betriebe in der französischen Besatzungszone von der völligen Demontage bedrohten Werk war er Vorsitzender des Betriebsrates und konnte dazu beitragen, das Schlimmste für die Arbeiter abzuwenden. Das dem erfolgreichen Politiker 30 Jahre später verliehene Ehrenbürgerrecht der Heimatstadt im oberen Neckartal zwischen Schwarzwald und Alb ist gewiß auch ein Zeichen der Anerkennung für die entsagungsvolle Arbeit in jener schweren Zeit, in der er die Geschicke Oberndorfs mitbestimmt hat. Um den Wiederaufbau, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Ansiedlung neuer Betriebe, aber auch den Ausbau kommunaler Einrichtungen, die Erhaltung der alten Klosterkirche und Verkehrsbauten machte er sich verdient.
Einen „Volksmann mit Herz und Rechenstift“ konnte man ihn nennen. Von der katholischen Jugendbewegung und der christlichen Arbeiterschaft geprägt, fand er in der CDU bald nach ihrer Gründung, an der er in Oberndorf beteiligt war, seine politische Heimat. Ihr damals verkündetes Ziel, den Neuaufbau moralisch und geistig an den Werten der christlichen Ethik zu orientieren, traf sich voll mit seiner eigenen Haltung. Diesen festen Boden behielt er zeitlebens unter den Füßen, und die Menschen in seinem Wahlkreis und der Region mit Kulturzentren und Industriestädten wie Rottweil, Oberndorf, Villingen-Schwenningen und Schramberg, zu denen er den Kontakt nie verlor, blieben ihm treu. Für seine Partei konnte er durchweg Stimmenanteile von mehr als 60 % erreichen, ein in Südwürttemberg nicht ganz seltenes Ergebnis. Den Fleiß und die Genauigkeit des Werkmeisters brauchte man auch in der Politik.
Gleichauf wurde bald auch in den kommunalen Körperschaften und in der CDU aktiv, was 1952 zur Wahl des 38jährigen in die Verfassunggebende Landesversammlung von Baden-Württemberg führte. Hier fand er als eines der jüngsten Mitglieder – der Schwerpunkt der Altersgruppen lag damals noch über dem 50. Lebensjahr – in seiner Fraktion Mitstreiter, für deren gemeinsame Ziele er sich vorbehaltlos einsetzen konnte. Der schließlich erfolgreiche Kampf für das konfessionelle Elternrecht und die Erhaltung der Konfessionsschule wenigsten in Südwürttemberg-Hohenzollern war ihm ein Herzensanliegen, dem er auch weit später treu blieb, als der Geist der Zeit andere Wege ging. Seine Erklärung vor dem Landtag am 8. Februar 1967, mit welcher er mit einer kleinen Schar von Gesinnungsfreunden die von einer großen Mehrheit akzeptierte Verfassungsänderung ablehnte, gibt davon Zeugnis.
Der verhandlungsgewandte, arbeitsame und sachlich argumentierende Mann fand Vertrauen und Respekt bald über die eigene Fraktion hinaus, die ihn 1956 zum Geschäftsführer bestellte. Die parlamentarische Arbeit mußte damals durchweg von den Abgeordneten selbst geleistet und vorbereitet werden. Erst in den 60er Jahren wurden ihnen zunehmend eigene Berater und Hilfsdienste zugeordnet. Die noch bis 1960 bestehende große Koalition aller demokratischen Parteien verlangte auch von den Fraktionen Bereitschaft und den Willen zur guten Zusammenarbeit, zu der Gleichauf gerne stand. Ein schärferer Wind blies freilich nach dem Ausscheiden der SPD aus der Koalition (1960).
In die 1968 gebildete CDU-SPD-Regierung unter Hans Filbinger wurde Gleichauf als Finanzminister berufen. Zwar wäre ihm, wie man weiß, das Arbeitsministerium zunächst lieber gewesen; dieses wurde aber vom Koalitionspartner besetzt. Sein Amtsantritt fiel nach Jahren kräftiger Expansion der Staatsaufgaben – und Ausgaben – zunächst in eine Phase der landes- und finanzpolitischen Konsolidierung, und gerade dafür war er der rechte Mann. Er stand für Solidität und bewährte sich darin auch später, als Parlament und Regierung dem Druck der Forderungen nur geringen Widerstand entgegensetzten und die Staatsausgaben – ähnlich wie bei allen öffentlichen Körperschaften – während seiner Amtszeit auf etwa das Dreifache anstiegen. Sparsamkeit war ihm oberstes Gebot, aber seinen Ehrgeiz, mehr Schulden zu tilgen als neu aufzunehmen, konnte er nur im ersten Amtsjahr befriedigen. Sein Versuch, stille Reserven im Haushalt zu verstecken, brachte ihm 1977/78 unverdienten Spott ein. Mit Wehmut sah er, wie die Politik „immer mehr von cleveren, glattzüngigen Managertypen besorgt werde, die sich schon als Abiturienten auf den Politikerberuf vorbereiten und das wahre Arbeitsleben, das 95 Prozent unserer Bevölkerung haben, nie erleben.“ Konzeptionelle Höhenflüge versuchte er auf den Boden realer Gegebenheiten zurückzuführen.
Die Spielräume in der Finanzpolitik auch dieses leistungsstarken Landes waren eng begrenzt; große Teile des Mehraufkommens an Steuern mußte es im Finanzausgleich abgeben. Und die Weichen für die Entscheidungen über die Ausgaben wurden vom Parlament, Gesamt-Regierung und Regierungschef gestellt. Bei diesen Entscheidungen galt die Stimme des für schwäbische Sparsamkeit bekannten Ministers viel, aber gegenüber vielerlei „Sachzwängen“ blieb ihre Wirkung verhalten, und die Vorstellungen des Regierungschefs von Solidität brauchten sich mit den seinen nicht unbedingt zu decken. So gemahnte er immer wieder an eine Verstetigung der Haushaltspolitik. In den fiskalischen Problemen sah er das Ergebnis einer Grundhaltung, nach der des Menschen Glück vom Staat komme. Davor warnte er. Auch die Möglichkeiten, vom Staat her auf Wirtschaft und Konjunktur einzuwirken, schätzte er nüchtern ein. „Ist das – so frage ich – was wir fortlaufend an Wohltaten beschließen, im wahrsten Sinne des Wortes auch notwendig? ... Ist die ‚Anspruchshaltung‘ so mancher Zeitgenossen, die wir so sehr beklagen, am Ende die Frucht einer Politik, die es verlernt hat, auch mal wieder nein zu sagen; einer Politik, die es nur jedem recht machen will“ (27.9.1979). Sein großes Verständnis und seine Sympathie für den Arbeiter hinderten ihn darum nicht, auch in der Tarifpolitik – über den öffentlichen Dienst hinaus – zur Mäßigung aufzurufen und gegenüber Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung und Lohnzuschlägen eine restriktive harte Linie zu halten. Wenn er auch den Streit nicht scheute, hatte er doch immer eine „gute Presse“.
Als er nach 12 Jahren das Finanzministerium in andere Hände gab, hatte er nicht nur die längste Dienstzeit, die ein Finanzminister des Landes je gehabt hatte und die auch sein Nachfolger nicht übertraf, sondern er war auch der dienstälteste Finanzminister aller Bundesländer. Er, der trotz einer harten Hand in Sachen Geld keine persönlichen Gegner hatte, verzichtete von nun an auf alle Ämter, besonders den in Aussicht stehenden Sessel des Landtagspräsidenten, um sich nun ganz seiner Familie, seiner Frau und den elf Kindern zu widmen.
Gleichauf überlebte Gebhard Müller, der am Anfang der politischen Laufbahn Gleichaufs bereits Staatspräsident des kleinen Landes war, aus dem beide kamen, und von dem er gelernt hatte, wie man mit dem Geld anderer Leute umgehen muß, nur um zwei Jahre. Er selbst aber, ein Vorbild an Fleiß, Treue und Rechtschaffenheit im privaten wie im öffentlichen Leben, kann, wie jener, als Lehrmeister einer praktischen und redlichen Politik gelten.
Quellen: Persönlichkeiten – Dokumentation im Landtagsarchiv Stuttgart; Auskünfte des Bürgermeisteramts der Stadt Oberndorf a. N.
Werke: Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg = Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg. Bearb. von Paul Feuchte, 2.-9. Band der Veröffentlichungen zur Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg seit 1945, 1986-1992; Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg 1953-1980; daselbst die Haushaltsreden und andere Debattenbeiträge von Gleichauf; die Haushaltsreden sind auch erschienen in einer Veröffentlichungsreihe des Finanzministeriums; Das Finanzamt und die Vereine, 1970; Erinnerungen eines Wegbegleiters, in: Schwarzwälder Bote, Sonderausgabe April 1982 30 Jahre Baden-Württemberg, S. 27 (mit Bild)
Nachweis: Bildnachweise: Jahresspiegel 1992 des Landtags von Baden-Württemberg, 66; Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg, 2. Bd. 6. Wahlperiode 1972, 356; Im Rahmen der Kabinette: 40 Jahre Baden-Württemberg. Aufbau und Gestaltung 1952-1992. Hg. von Meinrad Schaab, Stuttgart 1992, Tafeln bei 48/49

Literatur: „Ein Volksmann mit Herz und Rechenstift.“ Finanzminister Robert Gleichauf zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. In: Schwarzwälder Bote 17./18.12.1977; Paul-Ludwig Weihnacht (Hg.), Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte (SpLBW Band 2) 1978; Wilhelm Hahn, Ich stehe dazu, 1981, S. 244; Manfred Rommel, Finanzminister Robert Gleichauf, in: „Deutsches Monatsblatt“ April 1982; Gebhard Müller, Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952, in: Gögler/Richter (Hg.), Das Land Württemberg-Hohenzollern 1982, 13-29; Paul Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983, 469; Der Steuerzahler, Nr. 4 April 1984; Hermann Reiff, Erlebtes Baden-Württemberg, 1985, 135; Stefan Zauner, Württemberg-Hohenzollern, in: Der Weg zum Südweststaat, Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg, 1991, 55-74; Josef Weik. Die Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg seit 1946 (Stand Dezember 1992), 5. teilweise fortgeschriebene und ergänzte Aufl. 1993; Nachrufe in allen Tageszeitungen des Landes (Ende Oktober 1992); Weiter hervorzuheben: Rede von Ministerpräsident Erwin Teufel am 29.10.1992 in Oberndorf a. N. und von Landtagspräsident Dr. Fritz Hopmeier, in: Schwarzwälder Bote vom 30.10.1992
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