Beil, Alfons 

Geburtsdatum/-ort: 03.09.1896;  Gutenstein bei Sigmaringen
Sterbedatum/-ort: 01.03.1997;  Heidelberg, beerdigt auf dem Bergfriedhof Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher
Kurzbiografie:

19031910 Volksschule in Gutenstein

19101914 Lendersche Lehranstalt Sasbach

19141915 X Erzbischöfliches Gymnasialkonvikt und Berthold Gymnasium Freiburg bis Notabitur

1915 IX1918 Teilnahme am I. Weltkrieg, 4. Badisches Infanterie-Regiment Prinz Wilhelm 112; zweimal verwundet; EK II und I und Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen

19191925 Studium der Philosophie und Theologie am Collegium Germanicum-Hungaricum, anfangs in Innsbruck, seit Oktober 1919 wieder in Rom an Universität Gregoriana

1921 VI 28 Promotion zum Dr. phil.

1924 X 28 Priesterweihe in Rom

1925 VII 7 Promotion zum Dr. theol.

1925 VII 8 Vikar in Mosbach

1932 XII 13 Spiritual im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Freiburg

1934 II 8 Pfarrverweser in Tiefenbach bei Bruchsal

1936 X 15 Kurat in Heidelberg, St. Albert

1948 V 9 Investitur zum Pfarrer

1950 VII 311969 Dekan des Kapitels Heidelberg

1971 VIII 20 Ruhestand und Subsidiar in St. Michael, Heidelberg, bis 1996

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Geistlicher Rat ad honorem (1952); Päpstl. Geheimkämmerer mit dem Titel Monsignore (1956, zurückgegeben aus Protest gegen Versuche des Nuntius, die Amtsführung des Limburger Bischofs Kempf zu beschneiden); Gründung des Pfadfinderstammes „Alfons Beil“ der evangelischen Markusgemeinde und der katholischen Gemeinde St. Michael in Heidelberg (1987); Umbenennung des Heidelberger Albertusplatzes in „Alfons-Beil-Platz“ (2002); Gedenktafel an Beil beim Geburtshaus in der Burgfeldenstraße 38, Gutenstein (2008).
Eltern:

Vater: Hermann, Maurer (1854–1925)

Mutter: Theresia, geb. Längle (1862–1942)


Geschwister:

8; 3 ältere wenige Monate nach der Geburt verstorben; Julius (1897–1924), Hermann (1900–1980), Maria Luise (Schwester Henriette, SMIC, 1901–1996), Johannes (1903–1986) und Philipp (geb. 1905)

GND-ID: GND/128517913

Biografie: Joachim Maier (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 33-38

Beils Leben ist gekennzeichnet von Eigenständigkeit und Geradlinigkeit, Freimut und Wahrhaftigkeit. Schon früh suchte er die Nähe zur Bibelbewegung, zur Ökumene und Liturgischen Bewegung und wurde so zu einem Wegbereiter des II. Vatikanischen Konzils. In seiner Seelsorgepraxis und literarischen Tätigkeit ging Beil „den Weg des Dienstes in der Kirche und der ausdauernden Erneuerung ‚von unten‘“ (Raske, 2000, S. 116). Die Weltverantwortung des Christen schloss für Beil auch politisches Engagement ein: Er setzte sich für Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern ein, vor allem zu Frankreich und Polen, und bekannte sich zu der von den Bischöfen Lateinamerikas proklamierten „Option für die Armen“. Beil war streitbar und unbequem, was ihm Konflikte in Kirche und Öffentlichkeit brachte.

Beil besuchte von 1903 bis 1910 die Volksschule. Sein Heimatpfarrer Albert Wilhelm Dufner (1868–1936) bereitete ihn auf den Besuch der höheren Schule vor und weckte früh seinen Wunsch, Priester zu werden. In der Heimschule Lender eröffnete ihm der Direktor Hermann Schindler (1855–1923) eine faszinierende Geistesweite, und sein Griechischlehrer Anton Baumstark vermittelte ein Verständnis vom geschichtlichen Werden der Liturgie. Nach dem Notabitur 1915 wurde Beil Soldat, so dass er erst nach Entlassung aus dem Heeresdienst 1919 sein Studium beginnen konnte. Er wurde von der Leitung des Theologischen Konvikts in Freiburg dem Collegium Germanicum-Hungaricum empfohlen, das wegen des Weltkrieges im Collegium Canisianum in Innsbruck Aufnahme gefunden hatte und erst im Herbst 1919 nach Rom zurückverlegt wurde. Im Germanicum fühlte er sich wohl, aber auch einsam. Er beklagte eine einseitige „Betonung der Spekulation auf Kosten der geschichtlichen Fächer“ (Tagebuch 13.3.1919; Seng, 2016, S. 301) und die vorherrschende antimodernistische Apologetik, der es darum ging, „Gegner zu widerlegen“ (Leben, 1989, S. 5). Gleichwohl ertrug er die doktrinäre Enge, auch dank der unbefangenen Freundlichkeit und Menschlichkeit mancher Professoren. Zudem erschlossen ihm der belgische Moraltheologe Arthur Vermeersch (1858–1936) eine weniger auf Verbote als auf positive Weisungen orientierte Ethik und der Bibelgelehrte Augustin Bea ein Gespür für kritisches Bibelverständnis und ökumenische Gesinnung.

Nach zwei Promotionen, der Priesterweihe und Abschluss des Studiums in Rom kehrte Beil nach Deutschland zurück und kam zunächst als Vikar nach Mosbach. Schon bald rühmten seine Vorgesetzten Beils „große Gelehrsamkeit“ (Jahresbericht 1927, EAF, Personalakte) und empfahlen ihn für höhere Aufgaben in Wissenschaft oder kirchlicher Verwaltung. Beil suchte diesen Weg aber nie. Er fand hingegen Zugang zu den Anliegen der Liturgischen Bewegung in Beuron, in regelmäßigen Exerzitien in Maria Laach und bei Pius Parsch (1884–1954) in Klosterneuburg, der seit 1926 die Zeitschrift „Bibel und Liturgie“ herausgab, an der Beil seit 1931 regelmäßig mitarbeitete. Daneben beschäftigte Beil nachhaltig der Fall des Breslauer Theologen Joseph Wittig (1879–1949), den er in seinen Tagebuchaufzeichnungen (Rom, 15.3.1925; Raske, 2000, S. 105) als „Prophet“ kennzeichnete. Angetan war Beil von Wittigs Essay „Die Erlösten“, worin er die katholische Beichtordnung in Frage gestellt hatte, besonders aber von seinem „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“. Wittig wollte den Menschen das Wort von der Erlösung durch verständliche Sprache und in ihren Lebenserfahrungen ohne dogmatische Abstraktion nahebringen, damit sie in „Gottesfrieden“ statt in dauernder „Herzensangst“ leben und wirken könnten (Wittig, 1922, S. 7 u. 11). 1925 waren mehrere Schriften Wittigs auf den Index gesetzt worden, 1926 wurde er suspendiert und exkommuniziert; die Exkommunikation wurde 1946 aufgehoben. Beil blieb dem „Freund“ (Tagebuch vom 12.9.1925; Raske, 2000, S. 116; Seng, 2016, S. 322) dauerhaft verbunden.

Neben der Sympathie für die von Carl Muth begründete und geleitete Kulturzeitschrift Hochland fand Beil Kontakt zu den Schriftleitern der 1923 begründeten „Rhein-Mainischen Volkszeitung“, besonders zu Walter Dirks. Die in beiden Presseorganen zum Ausdruck kommende kath. Aufgeschlossenheit und die Bemühungen um eine deutsch-französische Verständigung hoben sich von den Erscheinungen eines „rabiaten Nationalismus“ (Leben, 1989, S. 9) ebenso ab wie von den beharrenden Kräften innerhalb der Kirche. 1931 erschien unter dem Pseudonym A. Bieler in Hochland Beils Aufsatz „Nochmals: Romanität oder Katholizität?“ Hier griff er in die Debatte ein, um das aus dem Französischen übersetzte Werk von Henri Massis „Defense de l’Occident“ (deutsch: Verteidigung des Abendlandes) und nahm gegen die besonders in der Action française favorisierte Gleichstellung von Romanität und Katholizität dezidiert Stellung. Diese „Übersteigerung des Rechtsgedankens“ (Hochland 1931, S. 264; Leben, 1989, S. 174) dränge die Kirche in der sozialen Frage mit einem statischen Eigentumsbegriff zu nahe an die bestehenden Verhältnisse und binde sie letztlich an den Staat. Die Angst vor der Beschuldigung, nicht national genug zu sein, hindere sie vor einem überzeugten Einsatz für den Frieden unter den Völkern. Übertriebene Romanität nähre im katholischen Volk die irrige Meinung, „die römische Liturgie sei urwesentlich kath. Liturgie“ (Hochland 1931, S. 267; Leben, 1989, S. 177). Die ungenügende Rücksicht auf die Verhältnisse in den einzelnen Ländern versperre auch der „Wiedervereinigung mit den Getrennten“ den Weg. Hier postulierte Beil: „Das Werk wird nie und nimmer zustande kommen, […] solange es so aufgefasst wird, als ob die Mutterkirche […] die andern nur unter ihre Fittiche zu nehmen hätte. Nein, es geht hier auf Gegenseitigkeit.“ (Hochland 1931, S. 267; Leben, 1989, S. 177 f.)

Im Dezember 1932 übernahm Beil den Dienst als Spiritual bei den Barmherzigen Schwestern in Freiburg und im zugehörigen Krankenhaus St. Josef. Die Ordensjugend erschien ihm für den in der Kirche beginnenden geistlichen Aufbruch durchaus empfänglich; die Ordensleitung dagegen war der Erneuerung verschlossen und regelte das Leben der Schwestern „unglaublich eng und streng“ (Seng, 2016, S, 331; Leben, 1989, S. 12). Im September 1933 legte Beil das Pfarrexamen ab. Im Februar 1934 wurde er Pfarrverweser in Tiefenbach bei Bruchsal, weil der dortige Pfarrer, sein Freund, altkatholisch geworden war.

Im Oktober 1936 kam Beil nach Heidelberg und übernahm die Verwaltung der neu errichteten Kuratie St. Albert, Tochtergemeinde von St. Bonifaz. Der Bau der Kirche war u. a. aus dem Erlös des Verkaufs des bisher katholischen Chores der Heiliggeistkirche in Heidelberg an die Evangelische Landeskirche finanziert worden. 1948 erhob Erzbischof Gröber die Kuratie St. Albert zur Pfarrei; Beil war ihr Pfarrer bis 1971, von 1950 bis 1969 auch Dekan des Kapitels Heidelberg und von 1950 bis 1971 Vorsitzender des Caritasverbandes.

In Heidelberg fand Beil eine „vom innerkirchlichen Aufbruch kaum berührte volkskirchliche Frömmigkeit“ vor (Leben, 1989, S. 17) und trieb die liturgische Erneuerung im Geiste von Beuron und Maria Laach voran. Er vertrat auch die Neuausrichtung des Altars und warb für die Zelebration „versus populum“. Als Träger der Liturgie bezeichnete Beil zuerst die Gemeinschaft der Gläubigen, das „Volk“, dessen Teilhabe am priesterlichen Amt als „allgemeines Priestertum“ er in Taufe und Firmung begründet sah (Einheit in Liebe, 3. Aufl. 1955, S. 15). Der aktiven Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst genügte die traditionelle „stille Messe“ nicht mehr. Auch das mag erklären, warum Vorgesetzte, Mitbrüder und ein Teil der Gemeinde Beil zwar als „bescheiden und streng gegen sich, unnachgiebig gegen andere“ bezeichneten, aber auch als „zu ungestüm“ und „wenig einfühlsam“ (Jahresberichte 1936 u. 1937; EAF, Personalakte). Gegen liturgische Reformen regte sich Widerstand, bis hin zur Forderung, Beil zu versetzen. Die Freiburger Kirchenleitung gab dem nicht nach; sie verlangte und erreichte aber Beils Zusage zu mehr Rücksicht auf die „Privatandacht beim Gottesdienst“. Erzbischof Conrad Gröber erachtete selbst im Kriegsjahr 1943 den Kampf gegen die von ihm als vom Geist der Reformation geprägte Erneuerung der Liturgie als so bedeutsam, dass er in seinem aufsehenerregenden 17-Punkte-Memorandum an den Großdeutschen Episkopat und Pius XII. seine tiefgehende „Beunruhigung“ (Seng, 2016, S. 337; Leben, 1989, S. 17) formulierte. Danach fragte sich Beil, ob er „in der Diözese überhaupt noch existieren“ könne (Brief an Max J. Metzger vom 11.2.1943; EAF).

Erst das II. Vatikanische Konzil leitete die Liturgiereform ein und brachte für Beil die ersehnte Bestätigung. Beils „nüchterne Begeisterung“ (Raske, Ansprache vom 6.3.1997) hatte sich inzwischen auf seine Mitbrüder übertragen. Viele erlebten seine Bescheidenheit und Güte, seinen Freimut als ermutigend und befreiend. Er pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu Altkatholiken und förderte die Ökumene durch Glaubensgespräche mit der benachbarten Luthergemeinde. Die Spannung zur Kirchenleitung blieb indessen erhalten. Erzbischof Hermann Schäufele agierte eher zögerlich. Noch im Glückwunschschreiben zum Goldenen Priesterjubiläums Beils (1974) lobte er zwar dessen Einsatz für die liturgische Erneuerung, mahnte aber nochmals zur Rücksicht auf die „Schwachen“ (EAF, Personalakte; Siebler, 2002, S. 134). Beil beteiligte sich auch in anderen Fragen an den innerkirchlichen Reformdebatten, so in Briefen an Bischöfe und an Papst Johannes Paul II. Seine persönliche Treue zur frei gewählten Lebensform ermöglichte ihm, für ein Priesterbild zu werben, das auch für verheiratete „viri probati“ Platz biete, ja auch die Weihe von Frauen möglich mache.

Während des I. Weltkrieges war Beil zweimal verwundet worden, worunter er zeitlebens litt, auch physisch. Eigene Erfahrungen im Krieg und die Lektüre von Schriften wie „Weltpolitik und Weltgewissen“ des Pädagogen Friedrich Wilhelm Förster bestärkten ihn in seiner Entscheidung für einen ethischen Pazifismus auf christlicher Grundlage. Tiefen Eindruck bei ihm hatte ein von Papst Benedikt XV. am Allerseelentag 1919 für sämtliche nationalen Kollegien angeordnetes Requiem für die Gefallenen aller Völker in der Laterankirche erweckt, weil hier die im Krieg verfeindeten Gegner zusammen beteten. Durch wieder erstarkenden Nationalismus wurden die Ansätze zu einer Aussöhnung zwischen den Völkern jedoch früh überlagert. Beil erlebte den Aufstieg des italienischen Faschismus und wurde Zeuge brutaler Ausschreitungen gegen politische Gegner. Auch in Deutschland spürte er das Fortwirken des Nationalismus, dann den Aufstieg des Nationalsozialismus, wogegen er 1931 bis 1933 im „Pfälzer Boten“ und in „Der Seelsorger“ schrieb. Nach 1933 wählte Beil den Weg der Nicht-Anpassung, als Widerstand bezeichnete er seine Haltung nie. Er hörte ausländische Sender, teilweise gemeinsam mit einem katholischen Arzt. Anfang 1935 erhielt Beil aus der Schweiz die Schrift „St. Ambrosius und die deutschen Bischöfe“ von Waldemar Gurian (1902–1954), worin der Verfasser das Schweigen der deutschen Bischöfe nach dem „Röhm-Putsch“ vom 30. Juni 1934 verurteilte. Beil gibt sie in seiner Autobiographie wieder.

Von Heinrich Höfler, dem Leiter der Presseabteilung im Deutschen Caritasverband in Freiburg, erhielt Beil während des Krieges das Sonett „Allein den Betern kann es noch gelingen“ von Reinhold Schneider. Beil schrieb es ohne Quellenangabe ab und hängte es an die Kirchentüren von St. Albert. Bei einer Vorladung bei der Gestapo am 15. April 1943 konnte Beil glaubhaft machen, dass er das Gedicht nicht als Angriff auf den Staat verstehe. Als Namen des Autors nannte er „einen gewissen Herrn Reinhold“. Schon 1940 und 1942 war Beil von der Gestapo verhört worden. Verhaftet wurde er nie. Diesmal erhielt er einen schweren Verweis.

Um 1930 hatte Beil den Gründer der Christkönigs-Gesellschaft, Max Josef Metzger kennengelernt und war seither mit ihm befreundet. Im August 1940 nahm er an einer ökumenischen Freizeit in Meitingen teil. Beil lancierte 1942 unter eigenem Namen einen Artikel von Metzger über „Kirchliche Gemeindeerneuerung“ in das „Oberrheinische Pastoralblatt“. 1943 lud er Metzger zweimal nach Heidelberg ein, im Januar predigte er in der Jesuitenkirche, und in der Passionszeit gestaltete er in St. Albert eine geistliche Erneuerungswoche. Schwerpunkte waren einfache Choralmessen sowie die Förderung des Bewusstseins von Taufe und allgemeinem Priestertum. Durch einen Freund aus den Jahren in Rom hatte Beil auch den katholischen Priester Alfons Maria Wachsmann (1896–1944, hingerichtet) kennengelernt und ihn 1941 zu einem Vortrag im Bonifatiuswerk nach Heidelberg eingeladen. In seiner Schrift „Umkehr“ (S. 19–21) widmete Beil dem „um die religiöse Erneuerung in Deutschland verdiente[n] Priester“ mit der Publikation seiner Briefe aus dem Zuchthaus ein eindrucksvolles Gedenken.

Auch angesichts der 1933 einsetzenden Judenverfolgung mühte sich Beil nach Kräften. In Freiburg suchte er nach dem Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933 den in der Nähe wohnenden Rabbiner auf. Er wusste um die Verantwortung der Kirche für die Verfolgung der Juden und empfand seinen Besuch als „heilsame Beschämung“ (Leben, 1989, S. 14). Als die badischen Juden im Oktober 1940 nach Frankreich verschleppt wurden, versteckte Beil zusammen mit einem Lehrer den Schauspieler Otto Rubens (geb. 1885) mehrere Tage. Rubens wurde dann im April 1942 nach Izbica deportiert. Es gelang Rubens noch, Briefkontakt zu Beil aufzunehmen, der ihm einige Male Geld schickte. Beil, der auch dem „Sonntagskreis“ um Marianne Weber angehörte, lernte dort wahrscheinlich den evangelischen Pfarrer Hermann Maas kennen. In Zeitzeugengesprächen erinnerte Beil an ein Treffen 1942 im Marienhaus am Bismarckplatz, an dem neben H. Maas auch Marie Baum, Gertrud Luckner und Pfarrer Richard Hauser (1903–1980) teilgenommen hatten. Sie berieten über Möglichkeiten, den Juden zu helfen. Beil erinnerte sich an die Befürchtung von G. Luckner angesichts des Schweigens der Kirche: „Wenn es sich nach dem Zusammenbruch darum handeln wird, dem Sieger gegenüber für unser Volk Fürsprache einzulegen, wird niemand dasein, der es mit innerer Zuständigkeit wird tun können.‘ Genauso ist es gekommen.“ (Leben, 1989, S. 20). In die Rettungsbemühungen von H. Maas war Beil demnach nicht weiter eingebunden.

Beil hörte auch vom Massaker von Babi Jar bei Kiew im September 1941, bei dem etwa 30 000 Juden ermordet wurden. Wenig später besuchte ihn ein junger Mann der Gemeinde auf Heimaturlaub und berichtete von seiner Mitwirkung mit dem Maschinengewehr an der Mordaktion. Dass Beil den Täter in seinem Bekenntnis „nicht weiter“ brachte, bewegte ihn nachhaltig, und er stellte sich die Frage nach persönlicher Schuld.

Nach der Katastrophe von 1945 verlangte Beil Neubesinnung und Neubeginn statt Restauration und Wiederherstellung des Früheren. In seiner Schrift „Umkehr. Gedanken zur gegenwärtigen Prüfung“ 1948 mahnte er neben dem persönlichen Schuldbekenntnis in der Messe auch ein öffentliches Schuldbekenntnis der Kirche an. Als „Kollektivschuld im engeren Sinn“ bezeichnete Beil „die persönliche Schuld, über die man sich im Banne einer Massensuggestion hinwegtäuscht.“ (Umkehr, 1948, S. 8). Unter Hinweis auf R. Schneider betonte er: Es gibt „keine Flucht vor dieser Schuld“ (ebd. S. 38). Das galt auch für ihn selbst: „Wer […] wie ich jene Jahre in einem Alter erlebte, in denen man im Vollsinn Verantwortung trägt und sie überlebt hat, kann sich, was immer er für sich anführen könnte, nicht ohne auch persönliche Schuld fühlen“ (Gedenkgottesdienst zum Kriegsende im Jahr 1985; zit. nach Haas, in: RNZ vom 6.3.1997).

Beils politisches Engagement entfaltete sich nun in der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, in der Anklage des Rüstungswahns und in der Teilnahme an Sitzblockaden in Heidelberg. Mit R. Schneider stritt Beil 1950/51 um dessen radikale Bergpredigtauslegung und hielt dem Dichter vor, in „ostzonalen Blättern“ seinen „Namen für eine Friedensaktion hergegeben“ zu haben, „für die Frieden bedeutet: Unterwerfung der Welt unter die Sowjet-Herrschaft.“ (24.6.1951, zit. nach Blattmann, 2001, S. 820). Beil war Mitglied im „Bensberger Kreis“, der sich u. a. früh für ein erneuertes Verhältnis zwischen Polen und Deutschland einsetzte, und auch in der jüdisch-christlichen Begegnung war er bis ins hohe Alter aktiv.

Nach seinem Abschied vom aktiven Dienst in der Pfarrei St. Albert 1971 nahm Beil Wohnung in der Gemeinde St. Michael in Heidelberg- Rohrbach und half als „Subsidiarus“ weiter in Gottesdienst, Seelsorge und in der Betreuung der Kranken im Bethanien-Krankenhaus. 1995 zog er sich ganz aus der Gemeindeseelsorge zurück und wohnte im „Mathilde-Vogt-Altenzentrum“ der Arbeiterwohlfahrt in Heidelberg-Kirchheim. Beil starb im Alter von 100 Jahren. Im Totenoffizium am 6. März sang die Gemeinde das Osterlied „O Licht der wunderbaren Nacht“, das von Beil schon in die Liturgie der Osternacht eingeführt worden war, lange bevor es Aufnahme in das offizielle Gesangbuch fand.

Quellen:

EAF, Personalakte Alfons Beil, Teilnachlass, Kopien des Briefwechsels mit M. J. Metzger 1939–1943, Kopien der Tagebücher, Gespräche mit Studierenden der PH Heidelberg am 20.6.1983 und 31.1.1985, Video und Transkript, Ansprache von M. Raske bei der Eucharistiefeier zum Gedenken an Pfarrer Dr. Alfons Beil. vom 6.3.1997 und weitere Unterlagen; Originale der Tagebücher 1919–1923 und 1924–1933 aus dem Nachlass, Privatbesitz von M. Raske, Erzhausen, Landkreis Darmstadt-Dieburg; F. Moraw/R. Ast, Möglichst viel Selbsterlebtes d. Vergessenheit entreißen. Gespräch mit Alfons Beil am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg zum 8.5.1995, in: RNZ vom 13./14.5.1995; Briefwechsel mit R. Schneider, in: E. Blattmann, Reinhold Schneider im Roten Netz, 2001, 474 f., 816–820 (aus: Reinhold Schneider Archiv, BLB Karlsruhe).

Werke: (Auswahl) umfangreiche Bibliographie, begonnen durch E. Seng, in: EAF. – Pseudonym Albert Bieler: Nochmals: Romanität oder Katholizität?, in: Hochland 1931, 259–267 (auch in: Aus meinem Leben, 1989, S. 167–179); Nationalsozialismus und Lüge in: Pfälzer Bote vom 27.1.1931; Nationalsozialismus und Christus, ebd. vom 31.1.1931; Das Kreuz in Kampf und Wehr, ebd. vom 2.5.1931); Die Kirche gegen den Antisemitismus, ebd. vom 23.12.1931; Der Priester und das öffentliche Leben, in: Der Seelsorger 1932/33, 33 ff.); Der Seelsorger im „Dritten Reich“, ebd. 263 ff.); Liturgisches Leben und Gestalten, in: W. Wiesen (Hg.), Seelsorge und Liturgie, 1937; In Christo Jesu. Von der liturgischen Gemeinschaft zur lebendigen Gemeinde, 1940, umgearb. Neuaufl.: Einheit in d. Liebe. Von d. betenden Kirche zur gelebten Gemeinschaft, 1941,3. Aufl. 1955; Umkehr. Gedanken zur gegenwärtigen Prüfung, 1948; Meditation als Voraussetzung, in: A. Kirchgässner (Hg.), Unser Gottesdienst, 1960, 124–130; Der geistliche Mensch, in: M. von Galli/M. Plate (Hgg.), Kraft und Ohnmacht, 1963, 249–253; Freiheit zum Charisma, in: F. Böckle (Hg.), Der Zölibat, 1968, 56–59; Sakrament der Spaltung oder der Einheit?, in: Bibel und Liturgie 53, 1980, 23–29; Max Joseph Metzger in der Friedensarbeit, in: Auf dem Weg zu einem Friedenskonzil. Max Joseph Metzger, hg. vom Deutschen Sekretariat der Pax-Christi-Bewegung, Probleme des Friedens 1, 1987, 20–27; Brief an Papst Johannes Paul II., 1987, in: Aus meinem Leben, 338–357; Th. Seiterich (Hg.), Briefe an den Papst, 1987, 180–185; Aus meinem Leben. Erfahrungen, Zeugnisse, Fragen (=Leben), 1989, als Manuskript gedruckt, mit Nachträgen, Aggiornamento I–XI, zuletzt 1995; Für ein neues Priesterbild, in: B. Marz (Hg.), Alles für Gott? 1990, 29–42.
Nachweis: Bildnachweise: Foto S. 35, bei d. Feier seines 100. Geburtstages 1996, Sammlung M. Raske.

Literatur:

J. Wittig, Die Erlösten, in: Hochland Bd. 2,1922, 1–26; ders, Jesu Leben in Palästina, Schlesien und anderswo, 1925; W. Gurian (Pseudonym: Stefan Kirchmann), St. Ambrosius und die deutschen Bischöfe, 1934; Th. Seiterich-Kreuzkamp, Wider Hoffnung hoffen. Besuch bei dem 97 Jahre alten katholischen Kirchenreformer Alfons Beil in Heidelberg, in: „Publik-Forum – Ztg. kritischer Christen“ Nr. 11 vom 10.6.1994, 32–35; B. Mogel, Als Gläubiger stets ein Fragender geblieben [zu Beils 70. Priesterjubiläum], RNZ vom 29./30.10.1994 (auch in: HStA Stuttgart J 191 mit 3 weiteren Zeitungsartikeln); M. Raske, Zeitgenosse des Jahrhunderts. Alfons Beil – Zeuge d. Hoffnung wider alle Hoffnung – wird 100 Jahre alt; in: Imprimatur. Nachrichten und kritische Meinungen aus der katholischen Kirche 1996, 226–228; G. Haas, Ein Leben und Sterben aus der Hoffnung. Zum Tod von Altdekan Dr. Alfons Beil, in: RNZ vom 6.3.1997; M. Raske, Wittig ist ein Prophet. Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Alfons Beil, in: J. Hainz (Hg.), Abschied vom Gott der Theologen, 2000, 93–117; J. Maier, Aufrecht durch ein ganzes Jahrhundert. Der Heidelberger Pfarrer Alfons Beil (1896–1997), in: A. Hanschmidt/B. U. Hucker (Hgg.), Persönlichkeit und Zeitgeschehen. FG für Joachim Kuropka, 2001, 183–203; Cl. Siebler, Nekrolog, in: FDA 122, 2002, 133 f.; E. Seng(†), hgg. von Chr. Schmider, Ein prophetischer Christ. Alfons Beil, in: FDA 136, 2016, 287–363.

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