Lambert, André Louis 

Geburtsdatum/-ort: 12.05.1851; La Chaux-de-Fonds, Schweiz
Sterbedatum/-ort: 20.02.1929; Javea (Provinz Alicante), Spanien
Beruf/Funktion:
  • Architekt, Oberbaurat
Kurzbiografie: 1883 Zusammenschluss mit Eduard Stahl zum Architektenbüro Lambert&Stahl
1886 Bau der Villa Ostertag-Siegle in Stuttgart (Mörikestr. 24)
1892–1896 Bau des Historischen Museums in Bern
1893/95 Königin-Olga-Bau in Stuttgart
1902/03 Bau der Villa für den Papierfabrikanten Roland Müller in Mochenwangen
1905/07 Erweiterung des Schlosses Fachsenfeld bei Aalen
1907 Zahnradbahnhof Filderstraße in Stuttgart
1909 Neubau für die Erste Kammer des Württ. Landtags in Stuttgart
1909 Lambert wird zum Oberbaurat ernannt
1909 Bau der Kunstgewerblichen Möbelfabrik Fröhling&Lippmann in Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 19.5.1879 (Stuttgart) Gertrud Mathilde, geb. Jordan (* 23.9.1857 Reutlingen), Tochter des Professors Wilhelm Jordan in Stuttgart
Eltern: Vater: Henri Louis Lambert, Bankier in Genf
Mutter: Julie, geb. Perret-Gentil
Kinder: 3: André Henri Wilhelm (* 17.3.1884 Stuttgart, † 1967), Maler und Graphiker, Schüler von H. Habermann in München und von Cormon in Paris; Hans Rudolf (* 22.12.1886 Stuttgart, † 30.12.1964 Stuttgart), Mathematiker, Oberstudienrat; Max Arnold (* 10.7.1888 Stuttgart)
GND-ID: GND/129299790

Biografie: Alfred Lutz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 172-175

Lambert, aus der französischen Schweiz stammend, studierte bei Christian Friedrich Leins an der Polytechnischen Schule in Stuttgart sowie bei Ernest Georges Coquart und Eugène Emanuel Viollet-le-Duc an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Lambert ließ sich als Architekt in Stuttgart nieder und schloss sich 1883 mit dem ebenfalls zu den Leins-Schülern zählenden Eduard Stahl (* 1.12.1849 Frankfurt/Main, † 23.5.1926 Stuttgart) zum gemeinsamen Büro Lambert&Stahl zusammen.
Unter den Bauwerken Lamberts ragen einige besonders heraus: Nachdem ein erster Architektenwettbewerb nur wenig befriedigende Ergebnisse erbracht hatte, wurde 1891 in einer zweiten Runde der Entwurf des gebürtigen Schweizers Lambert zum Bau eines neuen Historischen Museums in der schweizerischen Hauptstadt Bern von der zuständigen Kommission einstimmig zur Ausführung bestimmt. Vor allem ein von ihm mit verfasstes, reich bebildertes Buch aus dem Jahr 1883 über die Geschichte der schweizerischen Architektur hatte die Verantwortlichen in Bern auf Lambert aufmerksam gemacht; einige darin abgebildete Gebäude dienten dann auch als Vorbild für den Bau in Bern. Die Stadt an der Aare hoffte damals noch, zum Sitz des schweizerischen Nationalmuseums bestimmt zu werden. Auf der Münchner Kunstausstellung 1891 wurden die Berner Museumspläne Lamberts mit einer goldenen Medaille und 1892 in Berlin mit einer ehrenvollen Erwähnung ausgezeichnet. Mit der konkreten Anlehnung an Architekturformen des schweizerischen Burgen- und Schlossbaus des 15. und vor allem des 16. Jahrhunderts erinnerte Lambert bewusst an die Zeit, aus der die wichtigsten Sammlungen des Museums stammten. Wie von den Auftraggebern gefordert übernahm er im Wesentlichen die Grundrissdisposition von Adolphe Tièche, dem Sieger des ersten Wettbewerbs, wandte sich jedoch bewusst vom Neurenaissance-Stil und der Idee einer streng symmetrischen Anlage ab. Ursprünglich war geplant, das Hauptgebäude mit seiner reich bewegten Silhouette durch Annexgebäude zu flankieren, die einen Vorgarten umgeben sollten. Weiter war vorgesehen, dass ein westlich anschließender Kreuzgang der Ausstellung von Fragmenten sakraler Architektur dienen sollte, während ein östlich gelegener Arkadenhof für die Ausstellung profaner Architekturstücke vorgesehen war. Als die schweizerische Bundesversammlung Zürich zum Sitz des Landesmuseums bestimmt hatte, beschloss Bern – nun auf seine eigenen Mittel angewiesen – das schlossartige Hauptgebäude ohne große Änderungen auszuführen, jedoch auf Kreuzgang, Arkadenhof und die nach Norden gelegenen halboffenen Gänge zumindest vorerst zu verzichten (Baukosten: rund 1 Million Schweizer Franken). 1894 (Hauptgebäude) bzw. 1896 (Seitenflügel) konnte das „Bernische Historische Museum“ bezogen werden. Der imposante Bau mit seinen malerisch gestalteten, weitgehend original erhaltenen Fassaden, mit seinen zahlreichen Türmen und Erkern, kann als architektonisches Hauptwerk Lamberts gelten; er beherbergt heute das zweitgrößte historische Museum der Schweiz.
1893/95 errichteten Lambert&Stahl in Stuttgart den Königin-Olga-Bau an der städtebaulich bedeutsamen Ecke Schlossplatz/Königstraße. Mit üppigen neubarocken Formen wurde Bezug auf das zwischen 1746 und 1807 entstandene Neue Schloss an der Südseite des Platzes genommen. Nach dem Willen der Bauherrin, der bereits 1892 verstorbenen Königin Olga von Württemberg, wurden in dem ausgedehnten Komplex – die Baukosten beliefen sich auf eine Million Mark – Wohnräume für die Herzogin Wera (eine Nichte der kinderlosen Königin, die 1870 von ihr adoptiert worden war), ein Restaurant und Café, ein Konzertsaal, ein Offizierskasino und Läden untergebracht. Die Wohnungen wurden in dem ruhigeren, zum Neuen Schloss und dem damals noch stehenden Hoftheater (1902 abgebrannt) hin gelegenen Gebäudeteil eingerichtet, die Läden mit ihren eindrucksvollen, großen Schaufenstern hingegen in dem an der verkehrsreichen Königstraße gelegenen Trakt, der somit eher den Charakter eines Kaufhauses besaß. Die Hauptfront zum Schlossplatz hin erhielt durch den umlaufenden, reich verzierten Balkon, den monumentalen durch Pilaster gegliederten und übergiebelten Mittelrisalit (hier im Erdgeschoss Café, im ersten Obergeschoss Konzertsaal) und die überkuppelte Rotunde an der Südostecke einen prononciert dekorativ-festlichen Charakter. 1944 stark zerstört, wurde die Ruine des Königin-Olga-Baus nach dem Krieg abgerissen und an derselben Stelle ein Neubau in ähnlichen Dimensionen nach Plänen von Paul Schmitthenner errichtet.
Für den Freiherrn Franz von König, einen bekannten Literaturkenner und Kunstsammler, errichteten Lambert&Stahl 1905/07 eine Bibliothek für dessen Schloss in Fachsenfeld bei Aalen. Zu diesem Zweck wurde ein zwischen Schloss- und Flügelbau gelegener, bislang nicht ausgebauter Saal erhöht, um ihn mit einer Galerie in zwei Stockwerke teilen zu können. Um möglichst viel Platz für Regale zu schaffen, wurden die Fenster mit einer Ausnahme zugemauert, die Decke im Gegenzug mit einem großen, dreiteiligen Oberlicht versehen. Unter der Galerie wurden die Regale kojenförmig angeordnet, darüber hingegen glatt an der Wand platziert. Die dekorativen Elemente des Raumes wie die beide Stockwerke verbindende Wendeltreppe, der Kamin, die Galeriebrüstung und Regalwände, beide aus Eichenholz, sind in Jugendstilformen gehalten. Im ebenfalls erhöhten Flügelbau entstanden zwei Galeriesäle für die Ausstellung der Malerei moderner Meister bzw. für Stiche und Zeichnungen.
Der Talbahnhof der bereits 1884 erbauten Zahnradbahn, die den Stuttgarter Süden mit dem einstigen Höhenluftkurort und nunmehrigen Villenvorort Degerloch verband, wurde 1907 von Lambert&Stahl in neubarocken Formen umgestaltet. Eindrucksvoll ist der durch einen geschwungenen, vom Jugendstil beeinflussten Giebel akzentuierte Aufgang. Über eine elegante zweiläufige Loggientreppe in der durch drei Bogen geöffneten Vorhalle gelangte man einst zum Bahnsteig. Das seitlich angefügte Gebäude in den für die beiden Architekten typischen neubarocken Formen (Fassadengliederung mit Pilastern, Mansarddach) nahm ursprünglich die Fahrkartenverkaufsstelle und ein Ladengeschäft auf. 1937 wurde der Bahnhof an den nahe gelegenen, verkehrsgünstigeren Marienplatz verlegt. Heute dient der „Alte Zahnradbahnhof“ an der Filderstraße als Theaterspielstätte.
In vornehmen Formen des Neubarock – Vorbild waren französische Bauten des 17. Jahrhunderts – erstellten Lambert&Stahl 1909 den Neubau für die Erste Kammer des Württembergischen Landtags in Stuttgart (Ecke Linden- und Calwer Straße). Prägend waren bei diesem quadratischen Eckbau die ausgeprägte Sockelzone mit Korbbogenfenstern und Kartuschen, die gerundete Hauskante zur Straßenkreuzung hin, die Fassadengliederung durch verzierte Pilaster und das mächtige Mansarddach mit zwei wuchtigen Zwerchhäusern, die in ihren Dreiecksgiebeln jeweils mit Reliefs (Kopfbild des Königs bzw. Württembergisches Wappen) geschmückt waren. Das Gebäude mit dem stark vorkragenden Dach und den eindrucksvoll gestalteten Innenräumen (Sitzungssaal, Präsidentenzimmer) wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Nicht zuletzt jedoch durch zahlreiche Villenbauten wiesen sich Lambert&Stahl als Hauptvertreter der neubarocken Architektur in Stuttgart aus. Dazu zählen unter anderem die Gebäude Mörikestraße 24 (1886 für Ostertag-Siegle), Hohenzollernstraße 11 (1900/01 für Theresa Andresen-Möller) und Panoramastraße 15 (1901 für den Rechtsanwalt Dr. Hermann Steiner). Auch in weiter entfernten Landesteilen waren Lambert&Stahl als Villenarchitekten gefragt. Ein imposantes Beispiel ist die 1902/03 errichtete Villa für den Papierfabrikanten Roland Müller in Mochenwangen (Gde. Wolpertswende, Lkr. Ravensburg). Zwei markante quadratische Ecktürme mit spitzen Mansarddächern flankieren hier einen fünfachsigen Mitteltrakt; ein Risalit mit Pilastereinfassung und elegant geschwungenem Giebel markiert die Mitte dieser eleganten Schaufassade. Im Inneren sind wesentliche Teile der originalen Ausstattung wie die Farbverglasung im Treppenhaus, Stuck- und Kassettendecken, Gewölberäume, Wandtäferungen und Türen erhalten geblieben. Eine kleine Villa in Formen des Neubarocks und des Heimatstils errichteten Lambert&Stahl 1903 in Ravensburg für den Apotheker Dr. Julius Veiel (Gartenstr. 8).
Deutlich seltener waren Lambert&Stahl auf dem Gebiet des Gewerbebaus tätig. Ein Beispiel ist die 1909 erbaute Kunstgewerbliche Möbelfabrik Fröhling&Lippmann in Stuttgart (Dornhaldenstr 5). Die viergeschossige Hauptfassade des Backsteinbaus mit Eisenbetondecken ist mit ockerfarbigem Werkstein und weißen, glasierten Klinkern verblendet. Modern mutet die Anordnung und Gliederung der drei Fensterachsen an, die bis einschließlich des zweiten Obergeschosses zusammengefasst und jeweils von einem Korbbogen mit Schlussstein und Wappen überspannt werden. Ein gedrungen wirkender Erker mit Haubenbekrönung in Formen des Neubarocks und Jugendstils markiert die einstige Lage des Privatkontors.
Lambert starb nach kurzer Krankheit im Alter von 77 Jahren in Spanien, wo er bei seinem ältesten Sohn die Wintermonate verbracht hatte.
Werke: Entwurf zu einem National-Museum in Bern, März 1891; André Lambert/Alfred Rychner, Architecture en Suisse aux différentes époques, 1883. André Lambert/Eduard Stahl, Das Möbel. Ein Musterbuch stilvoller Möbel aus allen Ländern in historischer Folge (20 Bl., 100 gez. Tafeln), 1887–1890; Motive der deutschen Architektur des XVI., XVII. und XVIII. Jhs. in historischer Anordnung, 2 Bde., 1890/1893; Die Garten-Architektur, 1898, 2. Aufl. 1910; Architektur von 1750–1850, 2 Bde., 1903; Das ehemalige Lusthaus in Stuttgart, in: Schweizerische Bauztg. 41/42 (1903), 41–43; Alt-Stuttgarts Baukunst, 1906.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in Spemanns goldenes Buch vom Eignen Heim, 1905.

Literatur: Deutsche Bauztg. 26 (1892), 273 f.; Architektonische Rundschau 8 (1892), H. 2, Tafeln 10, 11; Süddeutsche Bauztg. 6 (1896), 397–399; Deutsche Bauztg. 30 (1896), Nr. 62, 389, 393; Nr. 64, 401 f., 405; Schweizerische Bauztg. 31 (1898), 1–3, 14 f., Tafeln 1,2; 41 (1903), 66 f.; Wiener Bauindustrie-Ztg. 1 (1903), 41–44; Deutsche Bauztg. 38 (1904), Nr. 46, 281 f.; 44 (1910), H. 38, 295 f.; Die Architektur des XX. Jhs. 10 (1910), H. 4, 29–31, Tafeln 77, 78; Vollmer, Bd. 22, 1928, 251 f.; Schwäbischer Merkur Nr. 88 vom 21.2.1929, 6; Gabriele Kreuzberger, Fabrikbauten in Stuttgart. Ihre Entwicklung von der Mitte des 19. Jhs. bis zum Ersten Weltkrieg, 1993, 106–109; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Baden-Württemberg I. Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe, bearb. von Dagmar Zimdars u. a., 1993, 224, 768 f.; Anne-Marie Biland, Schweizerische Kunstführer GSK, Serie 55, Bd. 549/550: Bernisches Historisches Museum. Architekturführer, 1994; Siegfried Kullen, Die Papierfabrik Mochenwangen. Beispiel eines Industrie-Ensembles des späten 19. Jhs., in: Im Oberland 1 (1995), 31–38; Martin Wörner/Gilbert Lupfer, Stuttgart. Ein Architekturführer, 2. Aufl., 1997, Nr. 122; Christine Breig, Der Villen- und Landhausbau in Stuttgart 1830–1930, 2000; Alfred Lutz, Ein Bauwerk der Stuttgarter Architekten Lambert&Stahl – die Villa Gartenstraße 8 in Ravensburg, in: Altstadtaspekte 2007/2008, hg. vom Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.V., 2007, 20–25.
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