Magnani, Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 21.01.1899;  Ettlingen/Baden
Sterbedatum/-ort: 02.07.1979;  Buchen, beigesetzt 6.7.1979 Jugenddorf Klinge
Beruf/Funktion:
  • Priester, Helfer der Heimatvertriebenen, Gründer des Kinder- und Jugenddorfes Klinge
Kurzbiografie: 1912-1917 Lender'sche Lehranstalt in Sasbach
1917-1919 (als Obersekundaner) Soldat
1921 Kriegs-Reifeprüfung am Friedrichs-Gymnasium in Freiburg
1921-1926 Studium der Theologie (katholisch) in Freiburg i. Br.
1926 Priesterweihe in St. Peter/Schwarzwald
1926-1931 Vikar in Nußloch bei Offenburg, in Forst/Bruchsal, in Waldshut
1932-1935 Vikar in Mannheim, St. Joseph und Hl. Geist
1935 Pfarrverweser in Hettingen
1938 Pfarrer in Hettingen
1952 Geistlicher Rat
1957 Pfarrer und Leiter im Kinder- und Jugenddorf Klinge
1969 Ehrenbürger von Hettingen
1969 Pensionierung
1974 Ehrenbürger von Seckach
1979 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Heinrich Magnani (1867-1943), Bauführer
Mutter: Maria, geb. Nelles (1876-1968)
Geschwister: Henriette (1897-1955)
Walter (1900-1980)
GND-ID: GND/131734474

Biografie: Herbert Duffner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 198-200

An der Schwelle des Jahrhunderts wurde Magnani als Sohn eines italienischen Bauführers und einer Rheinländerin in Ettlingen geboren. Als 18jähriger Obersekundaner trieb es ihn freiwillig in den Weltkrieg. Zwei Jahre später war der junge, vom Krieg gezeichnete Offiziersaspirant dabei, sich auf die Kriegs-Reifeprüfung in Freiburg vorzubereiten. 1921 entschied er sich, Theologie zu studieren und wurde 1926 zum Priester geweiht. Über 50 Jahre hat er konsequent und treu diesen kirchlichen Dienst mit seinem ganz persönlichen Temperament und Talent erfüllt.
Magnani war ein eifriger Seelsorger. In den Berichten der Pfarrer über ihren Kaplan und später der Dekane über ihren Pfarrer lautet das Urteil einhellig wie schon 1929: „Ein Mann, der auf allen Gebieten jede Aufgabe praktisch und energisch anfaßt“. Und immer wird auch erwähnt, daß er besonders die Jugend anspreche. „Er versteht die Kinder merkwürdig zu fassen“ (1932). Als er im Jahre 1935 von Mannheim weg versetzt werden sollte, wehrten sich mehrere katholische Jugendgruppen und Vereine in einem Bittschreiben an den Erzbischof, in dem sie die engagierte Arbeit ihres Kaplans ausführlich würdigten. Vor allem waren es seine gut organisierten Zeltlager, mit denen er – zum Ärger der Partei – die Jugend stark beeindruckte und im kirchlichen Geist zusammenhielt.
In Hettingen kam es dann wiederholt zu Verhören durch die Gestapo (Geheime Staatspolizei). In einer vertraulichen Mitteilung des Kreisleiters von Buchen an die Gauleitung der NSDAP in Karlsruhe heißt es z. B.: „Hier zeigt sich die Tätigkeit des Pfarrers Magnani, der der Gauleitung aus seiner Tätigkeit aus Mannheim noch bekannt ist, und uns dauernd mit allen möglichen Dingen zu schaffen macht“.
Die große Stärke Magnanis war sein Organisationstalent. Schon 1926 heißt es im Urteil seines Pfarrers: „In der Ausführung von Plänen hat er glänzende Gaben!“ Und im Jahr darauf in Waldshut: „Zeigt außergewöhnliche Begabung und Vorteile für Organisation in Vereinsleben und Tätigkeit im Bauen“. Hier scheint das Erbe seines Vaters voll durchzuschlagen. 1928 wird vermerkt: „Ganz selten begabt für organisatorische Tätigkeit und geradezu universell veranlagt für technische Arbeiten“. Und 1947 noch kürzer: „Organisationsgenie im Bau- und Vereinswesen“.
So mußte es fast zu jenen beispielhaften Gründungen kommen, die seine ungewöhnliche soziale Gesinnung bezeugen und ihn weithin bekannt gemacht haben. Als Vorsitzender der Caritas im Kreis Buchen hat ihn die Not der Füchtlinge stark bewegt. Nicht nur, daß er Familien in sein Pfarrhaus aufnahm, er vermochte in seiner Pfarrei, in dem Maurerdorf Hettingen bei Buchen, den Geist der Solidarität und der Nachbarschaftshilfe so zu aktivieren, daß es 1946 zur ersten Gründung einer kirchlichen Baugenossenschaft kam, die dann Modell für das große kirchliche Siedlungswerk der Erzdiözese Freiburg wurde. Bei der Sorge für die ihm ans Herz gewachsenen Flüchtlinge ging er oft ungewöhnliche Wege, die ihn nicht selten in rechtliche Schwierigkeiten brachten. Aus dem selben Elan kam es zum Erwerb von Baracken in der „Teufelsklinge“ bei Seckach, aus denen nach anfänglichen Flüchtlingsbetreuungen zunächst die „Caritashütte“, dann das „Caritasheim“ und bald das „Jugenddorf Klinge“ erwuchs. 1951 löste sich dieses soziale Werk von der Caritas ab und bekam eine eigenständige Rechtsform. Das erste katholische Kinderdorf in Deutschland erstand: das heutige „Kinder- und Jugenddorf Klinge“ in Seckach. Diesem Dorf galt nun seine ganze Kraft. 1957 zog er selbst dorthin und übernahm als Pfarrer der neuerrichteten Kuratie zugleich auch die Leitung des wachsenden Kinderdorfes. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1969 bis zum Tod widmete er sich noch weiterhin der Betreuung ehemaliger Dorfkinder.
Bei aller Würdigung dieser ungewöhnlichen Caritas- und Gründergestalt kann nicht verschwiegen werden, daß ihn sein optimistischer Eifer öfters über die finanziellen und personellen Möglichkeiten hinausgreifen ließ. Schon 1928 beurteilte ihn sein Pfarrer in dieser Hinsicht kritisch: „die Finanzierung freilich bedenkt er zu wenig, wie er überhaupt mit dem Geld fast zu freigebig umgeht“. – Und diese Problematik blieb. Das allzu schnell gewachsene Kinderdorf mußte vom Erzbischöflichen Ordinariat aufgefangen und seine Taten- und Baulust immer wieder der Realität angepaßt werden. Magnani litt nicht wenig unter dem „Unverständnis“ seiner Behörde.
Doch in Wahrheit blieb ihm vielseitige Anerkennung nicht versagt. „Magnani genießt Weltruhm durch sein mustergültiges Siedlungswesen und seine caritativen Einrichtungen“ schrieb sein Dekan als persönliches Urteil in seinem Jahresbericht. Hettingen und Seckach ernannten ihn zum Ehrenbürger ihrer Gemeinden, bei verschiedenen Jubiläen erhielt er Anerkennungen durch den Erzbischof, zum 80. Geburtstag auch das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Magnani war eine ausgeprägte, soziale Priestergestalt, die sich besonders in der Nachkriegszeit im Dienst der Notleidenden, der heimatlosen Flüchtlinge und der familienlosen Kinder ungewöhnlich engagierte und dabei neue Wege beschritt.
Werke: Das Jugend- und Kinderdorf „Klinge“, in: Der Kreis Buchen, Stuttgart 1964, 233-236; Zum Ursprung der Kinderdorfidee, in: Kinderdörfer der Caritas in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1970; Beiträge in: Hettingen, aus der Geschichte eines Baulanddorfes, Hettingen 1974.
Nachweis: Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung.
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