Fritz, Reinhold 

Geburtsdatum/-ort: 16.03.1884;  Ruit
Sterbedatum/-ort: 30.10.1950;  Eningen
Beruf/Funktion:
  • Opernsänger
Kurzbiografie: 1898–1908 Lehre und Arbeit als Goldschmied in Esslingen
1904–1908 Gesangsstudium am Kgl. Konservatorium in Stuttgart
1908–1933 Kgl. Württ. Hoftheater, Württ. Landestheater, Württ. Staatstheater
1917 Musterung und Einberufung zu einer Ersatz-Reserve-Infanterie-Einheit, jedoch kein aktiver Dienst
1933 erzwungener Abschied von der Bühne
1944 Zerstörung der Stuttgarter Wohnung in der Immenhoferstraße
1945/1946 zehn Gastspiele an den Stuttgarter Staatstheatern
Weitere Angaben zur Person: Auszeichnungen: Ehrungen und Auszeichnungen: Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft (1914); Charlottenkreuz (1916); Ernennung zum Kammersänger (1917); Ernennung zum Ehrenmitglied der Staatstheater (Juli 1933)
Verheiratet: Juli 1912 Hilda, geb. Landauer (geboren 3.8.1887)
Eltern: Vater: Jakob Fritz, Eisendreher
Geschwister: 1 Schwester, 1 Bruder
Kinder: Walter (geboren 7.2.1915)
GND-ID: GND/132437228

Biografie: Sigrid Brüggemann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 69-71

Dem Bassisten Fritz war eine Sängerkarriere nicht in die Wiege gelegt worden. Eine besondere musikalische Begabung wurde nicht erkannt und bei der familiären Hausmusik – der Vater spielte Gitarre, die Schwester Zither und der Bruder Flöte – war er im Kindesalter nach späterer eigener Aussage „untauglich in diesem Quartett“. So absolvierte Fischer zunächst eine Lehre als Goldschmied und arbeitete danach auch in diesem Beruf. Erst in der Gesangsabteilung des Ruiter Turnvereins wurde man auf seine stimmlichen und dramatischen Talente aufmerksam und stellte ihn Professor Freytag vom Königlichen Konservatorium vor. Dieser erkannte Fritz‘ sängerisches Potential und empfahl, dessen Stimme am Institut ausbilden zu lassen. Für Fritz begannen nun vier harte Jahre, in denen er parallel als Goldschmied in Esslingen arbeitete und Gesang in Stuttgart studierte.
Im Frühjahr 1908 erhielt Fritz die Aufforderung, sich beim Königlich Württembergischen Hoftheater zum Probesingen einzufinden. Anna Sutter, der damalige Gesangsstar der Stuttgarter Oper, wohnte dem Vorsingen bei und war von Fritz‘ Stimme begeistert. Auch Generalintendant von Putlitz war angetan und verpflichtete ihn. Im ersten Jahr musste sich Fritz allerdings mit der Rolle eines Eleven und dem mageren Jahresgehalt von 1500 Mark bescheiden. Ein Jahr später erhielt Fritz ein festes Engagement an der Württembergischen Hofoper und blieb, trotz verschiedener guter Angebote anderer Häuser, bis zu seinem erzwungenen Abschied von der Bühne 1933 Mitglied des Ensembles. 1913 wurde er zum Königlichen Kammersänger ernannt.
Das außergewöhnlich umfangreiche Repertoire an Haupt- und Nebenrollen, das er sich in relativ kurzer Zeit erarbeitet hatte, bezeugt seine gesangliche und dramatische Vielseitigkeit. Er sang nicht nur die seriösen großen Basspartien von Komponisten wie Wagner, Mozart und Hindemith, sondern auch Buffopartien. Er gab den Schmied in Heinrich Marschners „Hans Heiling“ als eine „Charakterrolle voll fröhlichen Lebens“. Zuweilen interpretierte er sogar Partituren für Heldenbariton. Schon in seinen Anfangszeiten an der Hofoper, als ihm noch überwiegend kleinere Rollen zugewiesen wurden, wurde er von der Kritik lobend erwähnt. So nach der Uraufführung (1909) von Walter Braunfels’ „Prinzessin Brambilla“, als die Kritik in ihm einen „sicheren und gewandten Vertreter“ der „Zechkumpane“ ausmachte. Schnell stieg Fritz zu einem der führenden Bassisten des Hauses auf. Bei der Einweihung des neuen Doppeltheaters, Schauspiel und Oper 1912, war Fritz‘ Mitwirkung bei der von Richard Strauss persönlich geleiteten Uraufführung von „Ariadne auf Naxos“ eine Selbstverständlichkeit.
Im Dezember 1912 bewarb sich Fritz um die freigewordene Stelle des 1. Bassisten. Er verwies auf seine Leistungen und Qualitäten und stellte fest, dass die gesamte Presse und das Publikum sich in „sehr günstigem Sinne geäußert“ hätten und nicht selten der Wunsch von der Kritik wie von den Theaterbesuchern direkt ausgesprochen worden sei, „mich noch weiter in derartigen größeren Partien auftreten zu sehen.“ Der Generalintendant wollte ihm jedoch diese Position (noch) nicht allein anvertrauen und engagierte einen weiteren Bassisten (Helgers), der Fritz gleichgestellt war . Die folgenden zwei Jahre waren geprägt von Konkurrenz und Eifersüchteleien zwischen den beiden Protagonisten, und Fritz beklagte sich mehrmals bitter bei der Intendanz, dass Helgers bevorzugt würde und obendrein auch mehr verdiene. Um den Querelen ein Ende zu bereiten, wollte Fritz sogar ein Engagement an der Deutschen Oper in Berlin annehmen. Im Januar 1916 wurde Helgers jedoch nach Dresden verpflichtet, und Fritz sollte nun exklusiv die Stelle des 1. Bassisten besetzen. Der Stuttgarter Generalintendant bat den Direktor des Deutschen Opernhauses von dem bereits geschlossenen Vertrag Abstand zu nehmen, da er „auf die weitere Mitgliedschaft des Herrn Fritz am hiesigen Hoftheater großen Wert lege“ und auch Fritz lieber in Stuttgart bleiben wolle. Der Direktor, dem Fritz „außerordentlich gut gefallen“ hatte, willigte ein und so blieb Fritz dem Hoftheater erhalten.
Fritz sang unter anderem in Mozartopern den Sarastro in der „Zauberflöte“ und den Osmin in der „Entführung aus dem Serail“, den Rocco in Beethovens „Fidelio“, den Eremit wie den Kaspar in Webers „Freischütz“, den Ramphis und den König in Verdis „Aida“, den Falstaff in „Die Lustigen Weiber von Windsor“ von Nicolai, den van Bett in Lortzings „Zar und Zimmermann“ sowie den Kardinal von Brogny in „Die Jüdin“ von Fromental Halévy. Schon in der Aufführung von 1915 schwärmte die Kritik: „Die Partie des Kardinals ist mit ihrer Würde und Wärme so recht eine Aufgabe für unseren Reinhold Fritz, die er mit seiner Prachtstimme und seiner würdevollen Erscheinung höchst wirksam löste.“ In der Neuinszenierung 1929 ließ er „die Fülle seines Stimmklanges in Tiefe und Höhe voll ausströmen und ist würdevolle Erscheinung“. In den Wagneropern gab er den Veit Pogner in den „Meistersingern“, König Marke in „Tristan und Isolde“, Daland im „Fliegenden Holländer“, Gurnemanz im „Parsifal“ und in den „Ring-Vorstellungen“ trat er als Fafner, Hunding und Hagen auf. Für viele Darbietungen wurde seine kraftvolle und doch warme Stimme, die konstante Qualität, aber auch die „gemütliche“ Ausgestaltung seiner Rollen gelobt. Einzig seine Vorstellung in der Aufführung von Beethovens „Neunte“ (1931) scheint etwas misslungen gewesen zu sein: „Herr Fritz bemüht sich um seinen Part, insbesondere das den Chor einführende Solo, mit Wärme, wirkt aber zu massiv und ungeistig; er ist auch der Hauptschuldige an dem bösen Detonieren des Soloquartetts in der H-Dur-Stelle.“
Trotz der zuletzt bis zu 130 Vorstellungen pro Jahr in der Stuttgarter Oper, absolvierte Fritz zahlreiche Gastspiele in anderen Häusern, unter anderem in Karlsruhe, München, Bern und Wien. Er gab zahlreiche Konzerte in der näheren und weiteren Umgebung Stuttgarts, war sich aber auch nicht zu schade für Liederkränze und andere Vereine, des öfteren in Ravensburg, der Heimatstadt seiner Frau zu singen. Seine Stimme klang bei der feierlichen Eröffnung des Süddeutschen Rundfunks am 11. Mai 1924 durch den Äther und ebenso sang er bei der exklusiven Silvesterfeier 1929 im Hauptrestaurant des Stuttgarter Hindenburgbaus.
Die nationalsozialistische Machtübernahme leitete eine dramatische Lebenswende für Fritz ein. Ungeachtet seiner Popularität und sängerischen Qualitäten wurde seine Karriere auf ihrem Höhepunkt jäh beendet. Weil Fritz‘ Ehefrau Hilda jüdischer Abstammung war, betrieb der von Kultminister Mergenthaler als neuer Generalintendant eingesetzte überzeugte Nationalsozialist, Otto Krauß, die Entfernung Fritz‘ aus den mittlerweile in Staatstheater umbenannten Bühnen. Diese Maßnahme, für die selbst unter den neuen nationalsozialistischen Verhältnissen jegliche Rechtsgrundlage fehlte, verdeutlicht, wie rigide an den Württembergischen Staatstheatern gegen die prominenten Künstlerinnen und Künstler, die jüdischer Abstammung waren oder jüdischstämmige Ehepartner und -partnerinnen hatten, vorgegangen wurde.
Da Fritz bei einer Entlassung seiner Rentenbezüge verlustig gegangen wäre, stellte ihm der Theaterarzt Dr. Kommerell ein Attest aus, wonach er dauerhaft dienstunfähig war. Zum 1. August 1933 endete seine Mitgliedschaft im Ensemble. Die vorgeschobenen medizinischen Gründe dienten nicht nur dem Erhalt seines Ruhegehaltes, sondern man wollte auch vermeiden, den wahren Entlassungsgrund dieses Urgesteins der Stuttgarter Oper zu benennen. In öffentlichen Verlautbarungen wurde die jüdische Abstammung seiner Ehefrau mit keinem Wort erwähnt, stattdessen bemühte man sich umso mehr, seine Verdienste zu würdigen. Mit Zustimmung des Kultministers ernannte man Fritz zum Ehrenmitglied der Württembergischen Staatstheater und verabschiedete ihn offiziell im Dezember 1933 in einer Festvorstellung mit „Zar und Zimmermann“, in der Fritz, der gleichzeitig sein 25jähriges Bühnenjubiläum beging, die Rolle des van Bett sang. Fritz wahrte die Fassade und dankte höflich dem Generalintendanten, „dass Sie mir den Ehrenabend ermöglichten und gebe gerne das Versprechen, an der mir liebgewordenen Kunststätte mich nicht nur als Besucher einzustellen, sondern auch als Gast, wenn Sie mich einmal brauchen sollten“.
Tatsächlich folgten noch einzelne Gastauftritte im Großen Haus, aber als Nichtmitglied der Reichsmusikkammer war ihm ab Mitte der 1930er Jahre jede Möglichkeit, öffentlich aufzutreten, genommen. Da seine monatliche Pension in Höhe von 270 Reichsmark nicht ausreichte, war Fritz gezwungen, bei einer Stuttgarter Kohlenhandlung als Vertreter und in einer Bielefelder Firma als Hilfskraft zu arbeiten. 1944 wurde die Wohnung in der Stuttgarter Immenhoferstraße bei einem Luftangriff zerstört, und die Familie zog nach Eningen bei Reutlingen.
Der von den Nationalsozialisten aus dem Amt entfernte frühere Generalintendant Albert Kehm, der nach Kriegsende mit Zustimmung der US-Militärregierung zum kommissarischen Leiter der Württembergischen Staatstheater bestellt worden war, verpflichtete Fritz noch einmal für zehn Gastspiele für die Spielzeit 1945/46. Sollte dies überhaupt als eine kleine Geste der Wiedergutmachung gemeint gewesen sein, so widerfuhr ihm seitens der Staatstheater ein erneutes Unrecht. Ausgerechnet Fritz wurde 1950 im Bühnenjahrbuch als Ehrenmitglied nicht erwähnt. Die Intendanz bat zwar die Familie um Entschuldigung und versprach die Beseitigung des Fehlers in der nächsten Ausgabe, doch sollte Fritz diese Genugtuung nicht mehr erleben. Seit seiner Zwangsverrentung hatte er unter Hypertonie gelitten. Seine auf der Bühne oftmals bewunderte würdevolle, massige Gestalt beförderte die Erkrankung, die schließlich zur Nierenschrumpfung und seinem Tod im Oktober 1950 führte.
Die Stuttgarter Zeitung bestätigte Fritz in ihrem Nachruf „mehrere Jahrzehnte zu den bekanntesten und beliebtesten Mitgliedern der Württembergischen Staatstheater“ gehört zu haben. Seine „ungewöhnlich große, füllige Baßstimme“ habe ihm ermöglicht, den „verschiedensten Aufgaben in hervorragender Weise“ gerecht zu werden. Auch die Stuttgarter Nachrichten äußerten sich ähnlich rühmend. Gründe, die zu seinem unfreiwilligen Ausscheiden führten, deuteten beide Zeitungen nur kurz und vage an.
Quellen: StAL E 18 VI Bü 992; E 18 VII Bü 93, Bü 97, Bü 101, Bü 103, Bü 360, Bü 346; EL 350 I Bü 29395.
Nachweis: Bildnachweise: StAL Theaterakten; Jahrbuch 1931 der Württ. Landestheater; Bauz, 2008; Heer, 2008.

Literatur: Ingrid Bauz/Sigrid Brüggemann/Roland Maier, „Sie brauchen nicht mehr zu kommen!“ Die Verdrängung der Künstlerinnen und Künstler jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung aus dem Stuttgarter Theater- und Musikleben durch die Nationalsozialisten, 2008, 42-43; Hannes Heer/Jürgen Kesting/Peter Schmidt, Die Vertreibung der „Juden“ aus der Oper 1933 bis 1945. Der Kampf um das Württembergische Landestheater Stuttgart, 2008, 107; Karl J. Kutsch/ Leo Riemens, Sängerlexikon 2003; Nägele, Rainer (Hg.), Musik und Musiker am Stuttgarter Hoftheater (1750 – 1918). Quellen und Studien, 2000; Deutsche Biographische Enzyklopädie der Musik, bearb. von Bruno Jahn, 2000.
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