Nieser, Fritz (= Friedrich) Franz Josef 

Geburtsdatum/-ort: 22.10.1861;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 08.06.1945;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Jurist, badischer Gesandter in Berlin
Kurzbiografie: 1881 Abitur Mannheim
1881-85 Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Berlin
1886 I. Juristische Staatsprüfung
1889 II. Juristische Staatsprüfung, Eintritt in den badischen Staatsdienst
1893 Amtmann beim Bezirksamt Karlsruhe
1895 Oberamtmann und Amtsvorstand in Schopfheim
1898 Amtshilfsarbeiter im Ministerium des Innern
1900 Ministerialrat im Ministerium des Innern
1906 Geheimer Oberregierungsrat, Stellvertretender Bevollmächtigter im Bundesrat mit Wohnsitz in Berlin
1907 Kollegialmitglied im Ministerium des Innern
1907 Ständiges Mitglied des Kaiserlichen Aufsichtsrats für Privatversicherung im Nebenamt
1911 Geheimer Rat II. Klasse
1915 Gesandter und Bevollmächtigter Minister am königlich-Preußischen und königlich-Sächsischen Hofe
1917 Wirklicher Geheimer Rat
1919 Badischer Gesandter in Berlin
1922 Stellvertretendes Mitglied des Reichsdisziplinarhofes in Leipzig
1925 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 6. 5. 1891 Anna, geb. Haas
Eltern: Vater: Dr. Ludwig Nieser, Privatmann, Mannheim
Mutter: Julie, geb. Haas
Geschwister: keine
Kinder: keine
GND-ID: GND/133670252

Biografie: Marie Salaba (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 195-196

Der einer alten evangelischen Beamtenfamilie entstammende Nieser – väterlicherseits war er der Urenkel des Wertheimer Schulmeisters Nieser, mütterlicherseits der Urenkel des Mannheimer Kreisrats Friedrich von Mangler, scheint zu seiner erfolgreichen Beamtenlaufbahn prädestiniert gewesen zu sein. Schon als Student, danach als Rechtspraktikant und später als Referendar, zeigte er außerordentliche Begabung für die juristische Tätigkeit. Außer Fleiß, Geschick und Arbeitseifer schätzten seine Vorgesetzten seinen Takt im Verkehr mit dem Publikum.
Nach üblichem Ausbildungsgang mit mehrfachem Ortswechsel, seit 1898 im badischen Ministerium des Innern tätig, wurde er 1900 Ministerialrat. 1906 begann seine steile Karriere, als er im Juli Geheimer Oberregierungsrat und im Dezember stellvertretender Bevollmächtigter Badens im Bundesrat mit Wohnsitz in Berlin wurde. Die Jahre, die Nieser in Berlin in dieser Eigenschaft, d. h. als Stellvertreter des badischen Gesandten am Preußischen und Sächsischen Hofe verlebte, sind durch Eifer und Treue gegenüber dem Großherzog und dem Lande Baden, wie auch durch harte diplomatische Arbeit gekennzeichnet. Dafür erhielt er mehrere Auszeichnungen und wurde 1909 zum Ministerialdirektor und im Jahre 1911 zum Geheimen Rat II. Klasse ernannt.
Niesers politische Berichte in diesen Jahren nach Karlsruhe während der sich öfters wiederholenden Beurlaubung des badischen Gesandten, waren ausführlich, in sehr kultivierter Sprache, lebhaft, jedoch präzise abgefaßt. In diplomatischen Kreisen wurde seine Ernennung zum außerordentlichen Gesandten (1915) als selbstverständlich aufgenommen, genauso wie später seine Ernennung zum badischen Gesandten, nach der vorzeitigen, aus gesundheitlichen Gründen erfolgten Zurruhesetzung seines Amtsvorgängers Graf von Berckheim, da der in die Geschäfte eingearbeitete Nieser von Anfang an als besonders tüchtig und taktvoll galt. Sein Antritt fand unter besonderen Verhältnissen während des I. Weltkrieges im Mai 1915 statt. Schon seit Herbst 1914 hatte Nieser anstelle des erkrankten Gesandten nach Karlsruhe berichtet. Die außerordentlichen Verhältnisse verlangten regelmäßige, fast tägliche, schnelle, klare und vollständige Informationen aus der Hauptstadt Berlin. Die badische Regierung konnte dank Nieser auf die jeweilige politische, wirtschaftliche und militärische Lage im Bundesrat richtig reagieren (wie z. B. bei der Liquidation der im ausländischen Besitz befindlichen Textilunternehmungen im Elsaß). Während des I. Weltkrieges wurde er mehrfach ausgezeichnet und außerdem im Dezember 1917 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt.
Das Ende des I. Weltkrieges mit der neuen politischen Staatsform Deutschlands, der Abdankung des Großherzogs Friedrich II., der Nationalversammlung in Weimar, und den neuen politischen Verhältnissen Badens nach dem Friedensvertrag bedeutete für Nieser eine Wende, die er innerlich nicht mitvollziehen konnte. Die „kühle, reservierte, ganz in den Gedankengängen der monarchistischen Zeit befangene Exzellenz“ – wie ihn sein damaliger Mitarbeiter, der spätere badische Justizminister Dr. Hermann Fecht in seinen Memoiren bezeichnete – hatte von Anfang an Schwierigkeiten mit der neuen badischen Regierung und dem badischen Landtag.
Über seine Ablösung wurde im badischen Staatsministerium, im Landtag und in der Presse schon in den Jahren 1920 und 1921 diskutiert. Als Grund wurde sein mangelndes Verständnis für die neuen Zeitverhältnisse genannt, daß er es nicht zu der erwünschten engen Zusammenarbeit mit Reichsministern (z. B. Beschwerde von Reichsinnenminister Erich Koch-Weser) und Gesandten der anderen deutschen Länder kommen ließ.
Sein Verbleiben im Amt beruhte daher weniger auf stillschweigender Duldung als vielmehr auf dem Mangel an einem geeigneten Nachfolger, der erst 1925 in F. X. Honold gefunden werden konnte. Folgerichtig wurde Niesers Kompetenz als badischer Gesandter in Berlin in dieser Zeit sowohl durch häufige Reisen der badischen Politiker, die nach Berlin und Weimar unmittelbar Kontakt halten wollten, als auch durch eine neu aufgestellte Geschäftsverteilung geschwächt, die ihm außer der Repräsentation Badens im wesentlichen nur wirtschaftlich und politisch weniger bedeutende Ressorts wie Kunst und Wissenschaft, Unterricht, Medizinalwesen, Sportwesen usw. beließen. Seine Mitarbeiter (Ministerialdirektor Kempff, Ministerialräte Dr. Fecht und Dr. Wengler) erhielten die damals wichtigen wirtschaftichen Ressorts. Fast mit Erleichterung wurde seine Entscheidung, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen, am 23. Oktober 1924 von der badischen Regierung angenommen und gleichsam mit der Verleihung des Dr. rer. pol. ehrenhalber der Universität Heidelberg honoriert.
Ab 1. Mai 1925 trat Nieser seinen Ruhestand an, nachdem er seit 1. März 1925 beurlaubt gewesen war.
Der Grund für das nicht gerade glänzende Ende von Niesers Karriere liegt darin, daß er als Beamter alter Schule im Herzen ein Monarchist geblieben war. Er hatte seine Verbindung zur großherzoglichen Familie nach dem politischen Wechsel nie abgebrochen, und darum fehlte ihm auch die Initiative zu der von ihm erwarteten Beratung der neuen badischen Regierung in der schwierigen Lage der zwanziger Jahre.
Auf seinen Wunsch verbrachte er seine Ruhestandsjahre in Tübingen, wo er auch verstarb.
Quellen: GLAK: N Nieser 1-6; 52-53; 65/11886-87 (H. Fecht: Memoiren I, II); 233/11560-61, 11570, 11578, 23658,23777, 31023, 34814, 34816-32, 34836, 34839-40, 34846, 34854, 34857-59, 34861-62, 34873; 235/1164; 236/18457-59; 390/ 2856; 466/13475.
Nachweis: Bildnachweise: nicht feststellbar.

Literatur: Alte Mannheimer Familien. Teil V, Mannheim (1922); Heinrich Köhler, Lebenserinnerungen, 1964, 141.
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