Schieck, Helmut 

Geburtsdatum/-ort: 22.12.1906; Leipzig
Sterbedatum/-ort: 21.06.1989;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Theologe, Wiederbegründer der Urspringschule
Kurzbiografie: 1913-1923 Volksschule und Realgymnasium (bis Untersecunda) Leipzig
1926-1931 Banklehre bei der Dresdner Bank, Leipzig, 1926 dort und in Freiburg i. Br. Angestellter
1930 Begabtenabitur
1931-1936 Studium Evangelische Theologie, Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und des DAAD sowie von „Providentiae Memor“ der Theologischen Fakultät Zürich an den Universitäten Tübingen, Zürich, Jena und Paris
1936-1937 Vikar in Unterneubrunn/Thüringen u. a. der Deutschen Kirche in Paris
1936 Erste theologische Prüfung Jena, 1938 zweite in Eisenach
1937-1939 Pfarrer in Ummerstadt/Thüringen
1939-1946 Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Norwegen, Sitz Oslo
1946-1949 Pfarrer in Gellershausen/Thüringen
1949-1973 Leiter (Pfarrer und Oberstudiendirektor) der Urspringschule Schelklingen
1973 Ruhestand in Freiburg i. Br.
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1937 Aloisia (Luise), geb. Wegerer (1908-1982)
Eltern: Vater: Ernst Otto Wilhelm Paetz gen. Schieck, Tapezierer und Kaufmann
Mutter: Elsa Frida, geb. Rühle, Schneiderin
Geschwister: keine
Kinder: 3 Söhne, 1 Tochter
GND-ID: GND/133726061

Biografie: Immo Eberl (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 316-318

Schieck hat sich 1923 mitten in der Notzeit der Inflation entschlossen, das Gymnasium mit Untersecundareife zu verlassen und eine Banklehre zu beginnen. Die Tätigkeit als Bankangestellter hat den geistig strebsamen jungen Mann jedoch auf Dauer nicht fesseln können, weshalb er sich nach dem Begabtenabitur auf dem zweiten Bildungsweg dem Studium zuwandte. Er hat aber die jahrelange Prägung durch die praktische Tätigkeit in der Bank Zeit seines Lebens nicht mehr abstreifen können und sie ist ihm später häufig zu Gute gekommen. Er hat sich dem Fach Theologie zugewandt, dieses aber durch Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte ergänzt. Der real denkende Schieck hat an der Universität Tübingen das soziale Studentenwerk geleitet, in dem er das verwirklichte, was ihm im „Neuwerk“ bewegte, das einen Zusammenschluß von Angehörigen der deutschen Jugendbewegung darstellte, die von einem religiösen Sozialismus geprägt waren und in Bruderschaften ähnlich Hutterern oder Mennoniten versuchten, christliche Gemeinschaft zu leben. Dabei haben die dem damals üblichen Zeitgeist obligatorischen Banner und Parolen keine Rolle gespielt. Der auf diese Weise von den Sirenentönen der Radikalen unberührte Schieck wurde von den Mitgliedern des NS-Studentenbundes nach 1933 sofort aus dem Studentenwerk entfernt. Er konnte sich seine geistige Unabhängigkeit auch im Beruf bewahren, wobei er durch seine wiederholte Tätigkeit im Ausland Erfahrungen sammelte.
Als Schieck nach dem Weltkrieg aus Norwegen nach Thüringen auf eine Dorfpfarrei kam, schien sein Lebenslauf mit Beginn der Lebensmitte ihre künftige Bestimmung gefunden zu haben. In diesem Moment erreichte ihn die Aufforderung, die Leitung der Urspringschule zu übernehmen. Mit dieser neuen Aufgabe begann sein zweiter und eigentlicher Lebensabschnitt – aus dem bisher mehr oder weniger Lernenden wurde ein Lehrender. Die seit dem Weggang von Bernhard Hell (1941) und endgültig seit 1945 unter mehrfach wechselnder Leitung stehende Urspringschule begann unter seiner Leitung wieder aufzublühen. Er hat diese Schule trotz seiner Unterschiede gegenüber Hell wieder auf die von diesem gegebene Grundlage gestellt. Daher kann man ihn zu Recht neben Hell als den zweiten, vielleicht sogar als den eigentlichen Gründer der heutigen Urspringschule nennen. Er hat rund ein Vierteljahrhundert diese Schule geleitet und ihr seinen Stempel aufgedrückt. Wenn der ihn beisetzende Jugendfreund 1989 das Bild des Fürstabtes von Urspring als Phantasiebild von ihm zeichnete, so hat er das Bild Schiecks gut getroffen. Der mitteldeutsche Protestant hat im katholischen Oberschwaben seine endgültige Heimat gefunden. Er hat sein Lebenswerk im beinahe klösterlichen Tageslauf der Urspringschule zwischen Verkündigung, Wissenschaft, Erziehung und praktischer Tätigkeit verbracht. Mit der Übernahme der Leitung der Urspringschule begann Schieck den historischen Baukomplex Ursprings zu restaurieren und auszubauen, wobei er als erfahrener Bankfachmann nach Möglichkeit das Schuldenmachen vermied. So veränderte sich in seiner Zeit das Urspringer Gesicht entscheidend. Seine Religiosität war der klösterlichen Einfachheit verpflichtet, repräsentative Neubauten mit hohem Schuldenstand sind unter ihm nicht entstanden, dafür hat er seinen Schülern auf Lebenszeit Zufriedenheit auch in der klösterlichen Schlichtheit nahegebracht. Da der Evangelische Oberkirchenrat für die Urspringschule keine Mittel zur Verfügung stellte, mußte er sich der wirtschaftlichen Lage anpassen. Schieck war ein Mann, der die Form in umfassender Weise schätzte. So hat er seinen Schülern nicht nur korrekte Kleidung, deutliche Sprache, gute Schrift und einwandfreie Umgangsformen vorgelebt, sondern diese auch eindringlich gefordert. Dabei war er kein Mensch von Traurigkeit: seine Feste in der Urspringer Zeit haben noch heute unter den Altschülern einen legendären Ruf. Neben seiner großen Belastung durch die Urspringschule hat er auch noch politische Ämter über lange Jahre übernommen. So war er nicht nur Mitglied im Gemeinde- und Kreisrat für die CDU, sondern auch Zweitkandidat für den Wahlkreis Münsingen, und es ist sicher kein Zufall, daß er dieses neben dem als württembergischen Abgeordneten Filser berühmten Tiber Fundel aus dem Lautertal war. Schieck hat aus der Kleinräumigkeit Ursprings in die Weite und in die Zukunft gewirkt. Seine sozialen Taten für Flüchtlinge aus der SBZ, die er aufnahm und denen er durch seine Hilfe zum Fortkommen in der Bundesrepublik half, sind unvergessen.
Schieck hat sein Leben unter die Maximen „Known, but to God“ und „in necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus Caritas“ (in notwendigen Dingen Einheit, in zweifelhaften Freiheit, in allen aber liebendes Dulden) gestellt. Damit hat er, der immer kompromißlos – dafür aber auch in der ganzen Fülle seiner Persönlichkeit – handelte und Distanz zu seiner Umwelt besaß, gezeigt, daß er Zeit seines Lebens ein Strebender war, ein Mann, der sein Tun im Dienste Gottes sah und sich in der Verantwortung wußte. In seiner Zeit war die Urspringschule ein Ort, von dem große geistige Anstöße und ein durchgreifendes Bildungsstreben ausgingen.
Werke: Deutscher Bote in Norwegen 1940-1945; Kleinschriften; Urspringnachrichten (vorher Urspringbote) (ab 1949)
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Literatur

Literatur: Urspringnachrichten. Helmut Schieck zum 70. Geburtstag, Urspringschule 1976
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