Görlach, Eugen 

Geburtsdatum/-ort: 06.11.1856;  Esslingen
Sterbedatum/-ort: 09.02.1939;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Schriftleiter und Teilhaber des Verlags Kohlhammer
Kurzbiografie: 1874–1878 Studium der Rechts- und Staatswiss.
1878 Erste höhere Dienstprüfung im Innendepartement
1880 Ablehnung der zweiten höheren Dienstprüfung im Finanzdepartement
1883 Promotion zum Dr. phil.
1883–1885 Redakteur beim Württ. Staatsanzeiger
1885 Tätigkeit für den Verlag W. Kohlhammer Stuttgart
1890 Übernahme der Schriftleitung im dortigen Zeitschriftenverlag
1893 Ernennung zum Prokuristen
1909 Gesellschafter der W. Kohlhammer OHG
1925 Rückzug aus der Geschäftsleitung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Johann Ludwig (Louis) Görlach (1810–1877), Graveur
Mutter: Christiane Luise, geb. Wiesendauer (1815–1876)
Geschwister: 3: Wilhelm; Luise Pauline; Marie Friederike, verh. mit Wilhelm Kohlhammer
GND-ID: GND/136050646

Biografie: Uwe Fliegauf (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 75-77

Über ein halbes Jahrhundert gestaltete Eugen Görlach als verantwortlicher Schriftleiter die im Kohlhammer Verlag erscheinenden, höchst populären Wochenzeitungen und gehörte damit schon zu Lebzeiten zu den bedeutendsten, weil meistgelesenen Publizisten Württembergs. Darüber hinaus erwarb er sich durch sein reiches journalistisches Schaffen bleibende Verdienste um die landeskundliche Traditions-, Kunst- und Heimatpflege. Dieser berufliche Aufstieg ist umso bemerkenswerter, da Görlach als Quereinsteiger erst relativ spät in die Verlagsbranche wechselte und ihm zunächst eine Karriere im höheren Staatsdienst vorgezeichnet zu sein schien.
Nach dem Besuch des Gymnasiums seiner Heimatstadt Esslingen, wo sein Vater als Angestellter der dortigen Maschinenfabrik Karriere gemacht hatte, immatrikulierte er sich zum Wintersemester 1874/75 an der Universität Tübingen, um Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren. In der Folgezeit schloss er sich der Burschenschaft Roigel (Tübinger Königsgesellschaft) an und genoss ein fröhliches Studentenleben, das ihn allerdings nicht daran hinderte, sein Staatsexamen zügig und mit gutem Erfolg abzulegen und sich anschließend auf die anspruchsvollen Prüfungen zur Aufnahme in den höheren Staatsdienst vorzubereiten. Nach dem Bestehen der ersten Dienstprüfung war Görlach zunächst als Regierungsreferendar in Stuttgart, anschließend als Amtmann in Ehingen a. D. tätig. Allerdings wurden seine Hoffnungen auf eine Karriere in der königlichen Verwaltung durch die Nichtzulassung zur zweiten Dienstprüfung im Gefolge der Reichsjustizgesetze 1880 zunichte gemacht. In den nächsten Jahren widmete er sich deshalb staats- und finanzwissenschaftlichen Privatstudien, die in eine von dem berühmten Nationalökonomen Prof. Gustav von Schönberg betreute finanzwissenschaftliche Doktorarbeit mündeten, mit der er am 20. Februar 1883 zum Dr. phil. promoviert wurde. Zur beruflichen Neuorientierung gezwungen wandte sich Görlach nun dem Journalismus zu und arbeitete seit 1883 erfolgreich als Redakteur beim Staatsanzeiger. Daneben vermittelte er unter Ausnutzung seiner reichen Kontakte zur rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen dem aufstrebenden Verlag seines Schwagers Wilhelm Kohlhammer neue Autoren. Kohlhammer hatte eine 1866 erworbene, marode Kleindruckerei in Stuttgart zum führenden Formularverlag für die Verwaltung des Königreichs ausgebaut und daneben einen überregional bedeutenden Verlag für Landeskunde, Staats-, Rechts- und Religionswissenschaft begründet. Im Jahr 1885 trat Görlach schließlich hauptberuflich in den Verlag ein und übernahm erste betriebliche Leitungsaufgaben, so arrangierte er 1887/88 den Ankauf der traditionsreichen Tübinger Buchdruckerei C. L. Fues und schuf damit die Voraussetzungen für die Erweiterung des Satz- und Druckereibetriebs. Seine berufliche Lebensaufgabe fand er aber 1890, als er die Schriftleitung der bei Kohlhammer erscheinenden Wochenzeitschriften („Wochenblätter“), des Neuen Deutschen Familienblattes (1872 ff.), der Württembergischen Kriegerzeitung (1885 ff.) und der Feuerwehrzeitung (1885 ff.), übernahm, die er dank seines unermüdlichen Einsatzes sowohl inhaltlich als auch ökonomisch konsolidierte und deren sichere Erträge jahrelang für die Alimentation des wissenschaftlichen Verlagszweigs unerlässlich waren. Unter Görlachs Redaktion entwickelte sich das zunächst wenig erfolgreiche Familienblatt zu einer mit der Gartenlaube vergleichbaren, höchst populären illustrierten Unterhaltungszeitschrift, die sonntags den zahlreichen Lesern eine volkstümliche Mischung aus Wochenrückblick, Kuriosem und Belehrend-Erbaulichem präsentierte, und noch vor dem Ersten Weltkrieg weit über die Grenzen Württembergs hinaus Verbreitung fand (Auflage 1914: 185 000 Expl.). Die Kriegerzeitung entwickelte er aus journalistisch und verlagsökonomisch bescheidensten Anfängen zu einem viel gelesenen Mitteilungsblatt der zahlreichen württembergischen Krieger- und Militärvereine. Die von Görlach publizistisch geförderte Feuerwehrzeitung war bald in Fachkreisen hoch geschätzt und verfügte bereits vor der Jahrhundertwende über einen halboffiziellen Charakter als zentrales Fachorgan des expandierenden Feuerwehrwesens in Deutschland. Als Ergänzung konzipierte Görlach noch die sehr beliebten Kalender für Feuerwehr bzw. Kriegervereine sowie den volkstümlichen „Schwabenkalender“ für das landeskundlich interessierte Publikum. Beim Ausbau der Zeitschriftensparte bewies Görlach ein feines Gespür für die Wünsche der Leser, so trug etwa die von ihm forcierte Illustration der bereits damals wachsenden Bedeutung von Bildeffekten Rechnung und sorgte damit für die weitere Verbreitung. Daneben widmete er sich der Rationalisierung des verlagseigenen Druckereibetriebs und sorgte dafür, dass seit 1895 die hohen Zeitschriftenauflagen schnell und kostengünstig auf modernen Rotationsmaschinen gedruckt wurden. Auch betrieb Görlach den Übergang vom bisherigen Hand- auf den rationelleren Maschinensatz und erwarb nach 1900 die erste Linotype-Zeilengussmaschine, um künftig bei größeren Aufträgen von den Kapazitäten fremder Druckereien unabhängig zu sein. Damals war er längst für seinen erfolgreichen Schwager Kohlhammer zum unverzichtbaren Assistenten und für große Teile der Belegschaft des expandierenden Familienunternehmens zum wohlwollenden Vorgesetzten geworden. Als der Verlagsgründer im März 1893 nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb, war es zwangsläufig, dass er seiner Schwester Marie in dieser schwierigen Übergangsphase als Prokurist zur Seite stand und in der Folgezeit durch kluge geschäftspolitische Entscheidungen den Bestand des Unternehmens sicherte und die Grundlage für eine weiterhin positive Entwicklung legte. Dank seiner verlegerischen Initiative blieb man eine auch überregional geschätzte, gute Adresse für landesrechtliche bzw. rechtswissenschaftliche Fachbücher. Im geschichtlichen Bereich intensivierte er die Zusammenarbeit mit der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte und nahm zahlreiche neue Publikationen in Verlag, darunter Neuausgaben ausgewählter Oberamtsbeschreibungen und Heyds bis heute einschlägige Bibliographie zur Landesgeschichte (1896 ff.). Im Jahr 1907 wurde auf Görlachs Betreiben hin der traditionsreiche staatswissenschaftliche Verlag C. L. Hirschfeld in Leipzig erworben und als Ergänzung der angestammten Verlagsbereiche eigenständig weitergeführt. Im selben Jahr nahm Dr. iur. Walter Kohlhammer (1879–1946), der Sohn des Gründers, nach Studium und Promotion seine Tätigkeit im Druck- und Verlagshaus auf und Görlach, der seinem Neffen schon seit Jahren väterlicher Freund und Mentor war, stellte die gewissenhafte Einarbeitung des künftigen Verlegers sicher. Als Kohlhammer schließlich zum 1. April 1909 als Gesellschafter in die Offene Handelsgesellschaft W. Kohlhammer eintrat, konnte sich Görlach wieder verstärkt dem erfolgreichen Zeitschriftenverlag zuwenden. Da sein Neffe jedoch bereits im August 1914 als Reserveoffizier zu den Fahnen gerufen wurde, lag erneut die gesamte Verantwortung für Druckerei und Verlag in dieser wirtschaftlich überaus schwierigen Zeit auf den Schultern von Marie Kohlhammer und – vor allem – Eugen Görlach. Erst der folgende Auf- und Ausbau der Verlagsbereiche in der Zwischenkriegszeit wurde von der nächsten Generation verantwortet, zumal sich Görlach nach dem Tod seiner Schwester 1925 als letzter Vertreter der Gründergeneration allmählich aus der anstrengenden Geschäftsleitung zurückzog und lediglich die Schriftleitung der Wochenblätter beibehielt. Dank seiner ungewöhnlichen körperlichen und geistigen Frische versah er diese wichtige Funktion bis wenige Tage vor seinem Tod. Seine über 40-jährige verantwortungsvolle Tätigkeit im Unternehmen hatte ihm, der einhellig als überaus freundlich und gesellig beschrieben wird, die Gründung einer eigenen Familie verwehrt, so dass er sich – inzwischen zu einem wohlhabenden Mann geworden – umso fürsorglicher um die sozialen Belange der Belegschaft kümmerte. Als Mitinhaber der Firma hatte Görlach bereits zu Lebzeiten bestimmt, einen Teil seines Vermögens für die betriebliche Sozialpolitik zu stiften. Die Erben errichteten deshalb 1939 eine mit insgesamt 100 000 RM dotierte Unterstützungskasse, aus der noch heute Zahlungen an verdiente Pensionäre des Druck- und Verlagshauses geleistet werden.
Quellen: LKAS Familienregister Esslingen IV KB 405, Bd. 57; UA Tübingen Promotionsakte 127/89,17, Regierungsdienstprüfung 537/48, Studentenakte des Rektorats 40/72,32; Unternehmens A. W. Kohlhammer GmbH.
Werke: Die badische Gemeindesteuergesetzgebung des Großherzogthums Baden. Ein Überblick über den Gang derselben in den letzten fünfzig Jahren, 1883 (Diss.).
Nachweis: Bildnachweise: Rühle (wie Literatur), 24 ff.

Literatur: Schwäbischer Merkur 38, 1939, 6; O. Rühle, Geschichtlicher Überblick, in: Hundert Jahre Kohlhammer 1866–1966, 1966, 28 ff.; I. Eberl/H. Marcon (Hg.); 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswiss. Fakultät der Univ. Tübingen, 1984, 17f.; U. Fliegauf, Wilhelm Kohlhammer. Druckereibesitzer und Verleger 1839–1893, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg 2007, 254 ff.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)